- Das IPL Magazin

AUSGABE 38 / JAN 2017
IPL-MAGAZIN.DE
Das Praxismagazin für Produktionsmanagement und Logistik
IPL GASTAUTOR: 3D DRUCK IN DER INDUSTRIE
Im Interview mit Stephan Bandermann von der Continental Nürnberg
SCM Fachbericht: DRUCK AUF DIE LOGISTIK - EINE NEUE ÄRA BEGINNT IN 3D
SCM DATEN & FAKTEN
SCM PRAXIS
IPL PROJEKT
POTENZIALE UND TRENDS
IM 3D-DRUCK
ADDITIVE FERTIGUNG
VON GÜNGÖR KARA,
EOS GMBH
3D-DRUCK VERHILFT
SMART LABELS ZUM
START
PRAXISMAGAZIN FÜR PRODUKTIONSMANAGEMENT & LOGISTIK
LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
Lesen Sie in dieser Ausgabe:
Vorwort
3D-Druck 3
IPL Event
Benchmarking für die Produktion
4
SCM Fachbericht
Druck auf die Logistik 5
IPL Gastautor
3D Druck in der Industrie
Im Interview mit Stephan Bandermann
8
SCM Daten & Fakten
Potenziale und Trends im 3D-Druck 11
SCM Praxis
Additive Fertigung
16
IPL Tools
Der Weg zum gedruckten Produkt 20
IPL Projekt
3D-Druck verhilft Smart Labels zum Start
27
Der Kommentar
Grenzbereiche30
IPL Rückblick
IPL-Managementtagung zu Gast bei Siemens, Large Drives, in Nürnberg
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Impressum
Info zum Magazin
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LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
Vorwort
von Prof. Dr. Klaus-Jürgen Meier
3D-Druck
Es droht Gefahr für das ungebremste Wachstum der Branche!
Industrie 4.0 ist in aller Munde. Doch noch längst ist nicht absehbar, wohin
es die Produktion bringen wird. Gedacht als Konjunkturmotor und Jobgarantie in Hochlohnländern wie Deutschland, könnte es die von kontinuierlichem Wachstum verwöhnte Produktions- und Logistikbranche hart treffen.
Grund für diese Annahme ist die stetige Verbreitung der additiven Fertigung – auch als 3D-Druck bezeichnet.
Prof. Dr.
Klaus-Jürgen Meier
Naht
Industrie 5.0?
Können Produkte vor Ort durch den Kunden selbst hergestellt (=gedruckt)
werden, so ist kein aufwändiger Logistikprozess mehr erforderlich. Autobahnen für LKWs können durch Daten-Autobahnen umweltfreundlich ersetzt werden. Der heutige Zulieferer von physischen Bauteilen wird zum
Lieferanten eines Datenmodells. Lager und Bestände werden zukünftig virtuell auf dem elektronischen Speichermedium bevorratet.
Damit stellt sich die Frage, wer ist der Kunde, der den Druckvorgang ausführt? Könnte es nicht sogar der Endkunde sein? Vor 40 Jahren noch unvorstellbar, so hat dennoch nahezu jeder Haushalt heute einen PC, Internetzugang und – einen Drucker. Beherrschen die 3D-Drucker heute nur
die Verarbeitung eines Materials, so könnten es zukünftig Kombinationen
sein. Die Konsequenzen dieses Szenarios wären revolutionierend. Mit der
Ausnahme einiger Produkte, wäre der gesamte Produktionsprozess zum
Endkunden verlagert. Produktionsunternehmen und Logistik im heutigen
Ausmaß werden nicht mehr benötigt. Dieser Umbruch hätte wahrhaft die
Dimension einer fünften industriellen Revolution – in der Produktionswelt
und der gesamten Gesellschaft.
Sicher, es ist noch ein langer Weg zu dieser Vision. Doch wo sind die Grenzen? Die Entwicklung geht rasant voran. Schon gibt es erste 3D-Drucker,
die in der Lage sind, Lebensmittel zu drucken. Zahlreiche Anwendungsbeispiele zeigen, der 3D-Druck ist in der Industrie angekommen.
Wann also steht er bei Ihnen zuhause?
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LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
IPL Event
25. Januar
Benchmarking für die Produktion
2017
Für Führungskräfte, die den schonungslosen Vergleich
nicht scheuen
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Strukturiertes Benchmarking-Gespräch
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Termin: 25. Januar 2017
Ort: Poing
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LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
SCM Fachbericht
von Carsten Hirschberg
Druck auf die Logistik
Eine neue Ära beginnt in 3D
Die Vision, die man mit Hilfe der 3D-Drucktechnologie verwirklichen will,
sieht so aus: Waren müssen nicht mehr weltweit transportiert werden, weil
sie direkt beim Verbraucher ausgedruckt werden. Das Szenario, dass in
absehbarer Zukunft neben 3D-Druckern nur noch Rohmaterialien und 3DDrucker-Kartuschen transportiert werden, ist aber zurzeit noch genau das:
ein Zukunftsszenario.
Carsten Hirschberg
Da sich jeweils nur bestimmte Materialien für die unterschiedlichen Verfahren eignen, wird in der Industrie der 3D-Druck bisher überwiegend für den
Prototypenbau, z.B. in der Luft- und Raumfahrt sowie der Medizintechnik
verwendet. Doch welche Auswirkungen hat der 3D-Druck auf die Logistik
in der Zukunft?
Die größte Veränderung durch den 3D-Druck ergibt sich mit dem praktischen Wegfall der kompletten traditionellen“ Wertschöpfungskette, wie sie
in der Abbildung 1 dargestellt ist.
Abb. 1:
Klassische
Wertschöpfungskette
Viele der heute in Masse produzierten Artikel werden auch weiterhin ihre
Berechtigung haben, da manche Artikel, die heute sehr günstig mit herkömmlichen Verfahren hergestellt werden können, viel zu teuer wären,
wenn man sie in großen Mengen mittels 3D-Druck herstellen würde. Der
3D-Druck macht es jedoch möglich, individuelle Kundenwünsche bei der
Produktion zu berücksichtigen, dargestellt in Abbildung 2.
Abb. 2:
Wertschöpfungskette mit
3D-Druck beim
Hersteller
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(Fortsetzung Seite 6)
LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
SCM FACHBERICHT - DRUCK AUF DIE LOGISTIK - FORTSETZUNG
3D-Druck fördert
regionale Produktion
Unternehmen haben in der Vergangenheit ihre Produktion nach Asien verlagert, um Kosten zu sparen und so bietet ihnen der 3D-Druck nun die
Möglichkeit zum „Nearshoring“, also die Rückholung der Produktion ins eigene, meist hochpreisige Land. Experten sind sich einig, dass der 3D-Druck
die lokale und regionale Produktion fördert und dass sich in den nächsten
20 Jahren 3D-Druckzentren z. B. in Form von Händlern in der Nähe der
Absatzmärkte etablieren werden, dargestellt in Abbildung 3. Diese können
auch mobil sein, ein Konzept, das bereits von Amazon getestet wird.
Abb. 3:
Produktion am
Point of Sale
(z. B. Händler)
Die größten Chancen bietet der 3D-Druck, insbesondere die additive Fertigung, für das Ersatzteilgeschäft, da Unternehmen verpflichtet sind, ihren
Kunden Ersatzteile auch nach vielen Jahren zu liefern. Das Vorhalten dieser
Ersatzteile bindet große Lagerflächen und damit Geld und manche Ersatzteile sind unter Umständen nach einer langen Lagerung nicht mehr verwendbar, weshalb sie dann entsorgt werden müssen. Werden Maschinen
und ihre Funktionalität verbessert, können ältere Ersatzteile für die neue
Produktversion womöglich nicht mehr verwendet werden.
Fertigung direkt
vor Ort
beim Kunden
Sehr interessant hinsichtlich des Servicegrads ist für viele Unternehmen die
Möglichkeit, dass Kunden individuelle Bauteile oder kleine Serien (z.B. spezielle Ersatzteile) an ihrem Standort drucken können. Falls ein Ersatzteil benötigt wird, kann der Kunde beispielsweise die notwendigen CAD-Zeichnungen via Internet vom Unternehmen oder speziellen Onlinehändlern
beziehen und sofort mittels eines (eigenen) 3D-Druckers im Self Service
herstellen. Die Hersteller würden dann keine großen Mengen an Standardprodukten mehr auf Lager halten, sondern auf eine flexiblere Fertigung
nach dem Prinzip „made-to-order“ umstellen. Das nachgefragte Produkt
könnte damit direkt beim Kunden gedruckt werden, weshalb sich somit
der Produktionsort schrittweise in Richtung des Gebrauchsortes wandelt,
dargestellt in Abbildung 4.
Abb. 4:
Zukunftsszenario
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(Fortsetzung Seite 7)
LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
SCM FACHBERICHT - DRUCK AUF DIE LOGISTIK - FORTSETZUNG
3D-Produktion
on demand
Der Stuttgarter Automobilhersteller Daimler führte bereits im September
2016 im After-Sales-Bereich seines Lkw-Geschäfts die additive Fertigung
von Ersatzteilen ein. Damit ist es Kunden möglich, 30 verschiedene Ersatzteile aus dem 3D-Drucker „on demand“, in beliebiger Stückzahl und in Originalteilequalität, zu bestellen und direkt beim Händler zu bekommen. So
möchte das Unternehmen die Versorgung mit Ersatzteilen sicherstellen, die
aus älteren Baureihen stammen und nicht mehr hergestellt werden. Zudem
können Produkte auf diese Art und Weise dem Kunden schneller und in
kleinerer Stückzahl zur Verfügung gestellt werden.
Dieses Konzept, wenn es durchgängig umgesetzt wird, hat vor allem eine
Reduzierung von langen Transportströmen, Zwischenlagerung und Pufferung zur Folge. Mit einem Rückgang der Massenproduktion in Fernost werden Transporte auf weite Entfernungen abnehmen, im Gegenzug werden
die individuellen Lieferverkehre auf der letzten Meile zunehmen. Ausgereift
ist die 3D-Drucktechnologie längst nicht, zu viele Fragen sind noch offen,
von der Preisentwicklung für Laser- und Elektronenstrahldrucker bis zur Entsorgung der Druckstoffe. Dazu kommen überaus kritische Aspekte wie die
Regelung von Eigentumsrechten, Produkthaftung, Qualitätskontrolle oder
Zertifizierungen.
Für Logistikdienstleister bedeutet der Einsatz von 3D-Druck auf der einen
Seite zwar den Wegfall von Transportumsätzen. Andererseits gibt es aber
auch womöglich neue Geschäftsbereiche, in denen sich Logistikdienstleister etablieren können, wie zum Beispiel bei der Unterstützung von Kunden
bei der Integration des 3D-Drucks in bestehende Wertschöpfungsnetzwerke oder die Spezialisierung auf das Thema „Digital Warehousing“.
Warenwert
der Zukunft:
Eine digitale Datei
Bereits heute übernehmen Logistikdienstleister häufig die Ersatzteillogistik
als Dienstleistung. UPS und DHL haben Pilotprojekte ins Leben gerufen
und untersuchen, inwieweit sich ihre Dienstleistungen auf das Geschäftsfeld 3D-Druck ausweiten lassen. Logistikdienstleister werden nur dann
die Lagerung der Datenmodelle und das Ausdrucken übernehmen können, wenn die Hersteller ihnen vertrauen und bereit sind, ihnen die 3DDatenmodelle zu übergeben. Es wird sich zeigen, ob sich die Hersteller für
die Speicherung und Lagerung ihrer Baupläne an ihre Logistikdienstleister wenden oder ob sich hier ein Geschäftsfeld für IT-Spezialisten auftut.
Sicher ist, dass der «Wert» einer Ware in Zukunft in einer digitalen Datei
stecken wird, weshalb Hersteller versuchen werden, ihr geistiges Eigentum
zu schützen, indem sie Kopierschutzmechanismen einbauen und Lizenzrechte vergeben.
Welche Rolle die Logistikdienstleister dabei übernehmen werden, ist noch
nicht abzusehen. Dadurch erhöht sich der Druck auf die Logistik zeitnah
neue passende Geschäftsfelder zu erschließen.
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LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
IPL Gastautor
Stephan Bandermann,
Head of Manufacturing Engineering,
Continental Nürnberg
3D Druck in der Industrie
Im Interview mit Stephan Bandermann
Die 3D Druck Technik ist auf breiter Front im Formarsch. Wie reagieren Sie
bei Continental und Krones auf diese Herausforderung?
Stephan
Bandermann
Stephan Bandermann (S.B. Abkürzung Redak.): Continental ist ein international aufgestellter Konzern der in vielen Bereichen der Automobiltechnik als
einer der wichtigsten und grössten Zulieferer gilt. Dieser Status will natürlich
erarbeitet und gehalten werden. Dazu sind wir natürlich immer aufgefordert
am Puls der Zeit zu sein, insbesondere bei neuen Technologien wie der 3DDruck-Technik.
Seit wann beschäftigen Sie sich mit dieser neuen Technik?
S. B.: Schon seit es additive Fertigungsverfahren gibt, befasst sich Continental mit diesen Möglichkeiten. Einige der Technologien die im Rahmen
3D-Druck genannt werden, sind bei uns schon seit Jahrzehnten im Einsatz.
Und so sind wir auch seit Jahren am Ball, wie sich diese Technologien weiterentwickeln. Dabei werden neue Technologien geprüft ob wir diese gewinnbringend für unsere Zwecke einsetzen können.
Woran genau arbeiten Sie mit 3D in Ihrer Einheit?
S. B.: Unsere Einheit entwickelt Fertigungsprozesse für unsere Getriebesteuerungen und -systeme. In diesem Rahmen sind wir eng mit den Entwicklungsbereichen verbunden und bieten einen internen Prototypen-Service
an, um für unsere Entwickler erste Muster auf unseren Anlagen herzustellen.
Dabei begrenzen wir uns nicht nur auf die beiden Verfahren die wir im Haus
haben. Durch unser Netzwerk zu anderen Einheiten wie auch zu externen
Partnern können wir nahezu alle additiven Technologien anbieten die es auf
dem Markt gibt. Für den Einsatz im Fertigungsbereich fokusieren wir uns
aktuell stark darauf, zu Verstehen wie wir diese Technologie effizient in der
Fertigung einsetzen können. In manchen Bereichen ist uns dies bereits gelungen. Es gibt z.B. schon interne Verpackungen, die wir mittels 3D-Druck
herstellen.
8
(Fortsetzung Seite 9)
LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
GASTAUTOR: INTERVIEW MIT STEPHAN BANDERMANN - FORTSETZUNG
Herr Bandermann, wo generieren Sie die Vorteile dieser Technik für Sie im
Conti- Verbund?
S. B.: Die Vorteile erstrecken sich mitlerweile entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Angefangen wie schon beschrieben im Entwicklungsbereich, wo wir enorme zeitliche Einsparungen bei der Herstellung erster
Versuchsmuster realisieren können. Des Weiteren während der Beschaffung
von Produktionslinien, können wir Prozesse voreinstellen, Tools abstimmen
und dadurch beim Linienanlauf deutlich die Anlaufzeiten reduzieren. In der
Micrologistic hilft 3D-Druck bei der Flexibilisierung und Beschleunigung von
internen Verpackungen wie z.B. Blistern. Auch Fertigungswerkzeuge werden zum Teil bereits mittels additiver Fertigungsverfahren hergestelt.
Wo sehen Sie die Technik in 10 Jahren?
S. B.: Die additiven Fertigungsverfahren werden ein fester Bestandteil unseres Prozess-Portfolios sein. Durch die hervorragende Zusamenarbeit mit
Universitäten und Hochschulen werden zukünftige Ingenieure bereits jetzt
auf die neuen Anforderungen vorbereitet. Insbesondere in der Konstruktion
von neuen Produkten wird sich dies bemerkbar machen. Um alle Vorteile der additiven Technik nutzen zu können müssen unsere Ingenieure die
Möglichkeiten nicht nur kennen, sondern auch anwenden können. Diese Fähigkeit sehe ich in 10 Jahre ganz klar etabliert, wenn nicht schon viel früher.
Auch die Anlagentechnologie wird sich deutlich weiter entwickelt haben, so
dass deutlich höhere Taktzeiten realisiert werden können, damit wird diese
Technologie ein fester Bestandteil in den Produktionswerken sein.
Welche Auswirkungen wird die 3 Technik auf die Personalsituation haben?
S. B.: Ich sehe hier eine deutliche Veränderung auf uns zukommen. Durch
die höhere Flexibilität dieser Technik wie auch der fortschreitenden Fähigkeiten im Bereich der Robotic (z.B. Anwendung von Cobots) werden auch
kleinere Stückzahlen automatisch produziert werden können. Damit wird
sich das Abwandern von Produktionen in Billiglohnländern deutlich verlangsamen. Die Arbeitsschwerpunkte werden sich jedoch verschieben. Wir brauchen dann andere Fähigkeiten wie wir sie heute benötigen.
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(Fortsetzung Seite 10)
LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
GASTAUTOR: INTERVIEW MIT STEPHAN BANDERMANN - FORTSETZUNG
Die Bedienung des gesamten Spektrums Ihrer Anwendungen erfordert die
Beschaffung vieler unterschiedlicher Techniken und Verfahren. Wie werden
Sie dieser Vielfalt begegnen?
S. B.: Das ist ein sehr wichtiger und kritscher Bereich, den wir uns aber auch
gerne stellen. Hier kommt uns das Setup von Continental sehr entgegen.
Continental ist breit aufgestellt und fokusiert sich in den unterschiedlichen
Bereichen auf verschiedene Produkte. Dadurch konnten wir die Unterschiede zu unserem Vorteil machen. Wir haben ein Netzwerk aller im Continental-Konzern verfügbaren additiven Technologien aufgebaut und können so
nicht nur auf verschiedenste Technologien zugreifen, sondern erhöhen auch
noch unsere Anlagennutzung. Sollte eine Technik mal nicht intern Verfügbar
sein, nutzen wir unser globales Netzwerk zu externen Partner.
Wo sehen Sie die Risiken bezogen auf Ihre Anwendungen?
S. B.: Qualität ist unser höchstes Gut. Unsere Kunden erwarten von uns mit
Recht beste Qualität. Hier müssen wir uns die Fähigkeiten der neuen Technologien genau unter die Lupe nehmen. Die Reproduzierbarkeit ist zum
Beispiel genauso sicherzustellen wie die Fähigkeiten der verwendeten Materialien. Gerade im Bereich der Getriebe ist die Umweltbelastung durch
Temperaturwechel, Vibrationen oder Nässe deutlich höher als in anderen
Bereichen. Diesen Anforderungen muss die neue Technik mit allen Facetten
gerecht werden. Das austarieren der Grenzbereiche für den industriellen
Standard wie wir ihn leben, ist noch nicht vollkommen erreicht. Hier gibt es
noch viele interessante Herausforderungen.
Herr Bandermann, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Kontakt zum Interviewpartner:
Stephan Bandermann
Head of Manufacturing Engineering
Business Unit Transmission
Continental Nürnberg
E-Mail: [email protected]
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LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
SCM Daten & Fakten
von Dr. Matthias Pfeffer
Potenziale und Trends im 3D-Druck
Von Rapid Prototyping zur Serienfertigung 3D-Druck von Heute
3D-Druck war einst ein Fertigungsverfahren für den Prototypenbau. Heute
wird der 3D-Druck als das Fertigungsverfahren betrachtet, das die Zukunft
der industriellen Produktion gestalten wird.
Dr. Matthias Pfeffer
Nach den Angaben der Marktforschungsfirma IDC werden die weltweiten
Ausgaben für 3D-Druck 2020 den geschätzten Umsatz des Jahres 2016 von
14,2 Mrd. € verdoppeln und auf 31,5 Mrd. € steigen. Der Unternehmensberater Roland Berger prognostiziert eine Verdopplung des Marktes für professionellen 3D-Druck alle 5 Jahre bis 2023.
Abb. 1:
Kombinierte
Präzision und
Geschwindigkeit
Einer Umfrage der Firma Freudenberg IT aus 2015 zufolge sind 45 % der
befragten mittelständischen Unternehmen davon überzeugt, dass durch 3DDruck Kosten- und Effizienzvorteile in der Produktion realisiert werden können.
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(Fortsetzung Seite 12)
LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
SCM DATEN & FAKTEN - POTENZIALE UND TRENDS IM 3D-DRUCK - FORTSETZUNG
Einsatzgebiete
3D-Druck ist weiterhin ein wichtiges Fertigungsverfahren für den Prototypenbau. Mit Hilfe dessen wird die Dauer der Produktentwicklung durch eine
schnelle Produktgestaltung und Prototypenfertigung erheblich verkürzt.
3D-Druck
im Zeichen
der Produktionsoptimierung
Darüber hinaus wird der 3D-Druck heute auch bei der Herstellung von Werkzeugen sowie in der Serien- und Ersatzteilproduktion eingesetzt.
Die Vorteile wie die Gewichtsersparnis durch Hohlbauten und komplexer
Geometrien sowie die Eliminierung der Montagevorgänge durch Fertigung
hochkomplexer Bauteile stellen für die Industrieunternehmen Potentiale
hinsichtlich der Produktionsoptimierung dar.
Von heutigen Anwendern des 3D-Drucks werden folgende Zahlen zur Serien- und Werkzeugproduktion bekannt gegeben:
Ersatzteile
werden nach
Bedarf gefertigt
•
Die Produktionszeit von Montagewerkzeugen wird bis zu 94 % verkürzt.
•
Das Gewicht der Werkzeuge wird bis zu 70 % verringert.
•
Die Materialkosten der Werkzeuge werden bei Volvo von 100 €/cm3 auf
1 €/cm3 reduziert.
•
Die Montagewerkzeuge werden bei BMW durch Neugestaltung um 1,3
kg reduziert.
•
Die Produktionskosten von Werkzeugen werden bei Opel um 90 % reduziert.
•
Die Materialkosten werden für Bauteile aus gleichem Material durch
Veränderung der Produktgeometrie bis zu 50 % reduziert.
•
Boeing hat bis heute über 22.000 Bauteile mit 3D-Druck gefertigt, die
in unterschiedlichen Flugzeugen verbaut werden.
Nicht zuletzt stellt die Ersatzteilproduktion ein wichtiges Einsatzgebiet für
die 3D-Drucker dar. Die Hersteller sind verpflichtet, dem Kunden nach Ablauf der Serienproduktion bei Bedarf für mehrere Jahre Ersatzteile zu liefern. Diese Mindermengen führen entweder zu hohen Fertigungskosten
aufgrund suboptimaler Losgrößen oder zu hohen Lagerhaltungskosten im
Falle einer Endbevorratung. Mit den 3D-Druckern können die Ersatzteile
selbst Jahre nach Ablauf der Serienproduktion nach Kundenbedarf zu den
gleichen Kosten wie in der Serienproduktion produziert werden. Deutsche
Automobilhersteller sehen das Potential bereits und investieren daher in
diesen Fertigungsverfahren.
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(Fortsetzung Seite 13)
LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
SCM DATEN & FAKTEN - POTENZIALE UND TRENDS IM 3D-DRUCK - FORTSETZUNG
Seit September 2016 bietet Mercedes-Benz 30 Ersatzteile, die mit 3D-Druck
„on demand“ gefertigt werden. Der Konzern legt viel Wert auf diese Technologie und die Zahl der Artikel wird kontinuierlich wachsen.
ZUKUNFT DES 3D-DRUCKS
GESCHWINDIGKEIT
KOSTEN
PRODUKTVIELFALT
Heute braucht ein 3D gedrucktes Bauteil je nach Größe bis zu 12 Stunden,
in Extremfällen auch länger, bevor es fertig ist. Damit weisen die 3D-Drucker
eine hohe Durchlaufzeit auf und bilden schnell einen Engpass, wenn die
Produktionszahl steigt. Die Tendenz zeigt, dass die Geschwindigkeit der Anlagen sich in naher Zukunft erheblich erhöhen wird.
Es gibt bereits Prototypen im Bereich des Metall-Drucks, die heutige Druckgeschwindigkeiten verzehnfachen und damit bis zu 110 cm3 Material pro
Stunde drucken können. Sie sollen 2017 auf den Markt kommen.
Die 3D-Drucker, insbesondere die metallverarbeitenden Anlagen, können
Investitionen in Höhe von über 1 Mio. € verlangen. Diese hohen Investitionssummen erschweren für einige Unternehmen den Übergang zum 3DDruck. Marktforscher vermuten, dass die Beschaffungskosten mit der Reifung der Technologie sinken werden.
Neben den hohen Investitionen können diese Drucker auch hohe Energiekosten verursachen, denn gerade bei metallverarbeitenden Anlagen wird
der gesamte Arbeitsraum des Druckers stark aufgeheizt. Sicherlich ist es zu
erwarten, dass dank der Forschungen und Weiterentwicklungen die neueren Generationen der 3D-Druckern eine verbesserte Energieeffizienz ausweisen.
Heute werden zwar noch überwiegend kleine Bauteile mit 3D-Druckern gefertigt aber die 3D-Drucker, die entweder mehrere kleine Bauteile gleichzeitig oder ein großes Bauteil fertigen können, sind schon am Markt erhältlich.
In der Zukunft können die Druckköpfe an Robotern befestigt werden. Die
Kombination der Freiheitsgrade eines Roboters und der Technologie des
3D-Drucks wird neue Anwendungsdimensionen ermöglichen. Ein aktuelles
Forschungsprojekts „High Performance 3D-Druck“ untersucht dieses Potential und entwickelt die ersten Prototypen.
3D-Drucker kommen auch zusammen mit Nanotechnologie zum Einsatz. So
haben Jennifer Lewis und ihr Team aus Harvard University geschafft, eine
Batterie in der Größe eines Sandkorns zu drucken. Der 3D-Druck wird in naher Zukunft die Entwicklung der Nanotechnologie beschleunigen und dazu
beitragen, dass diese Technologie ihr Marktvolumen vergrößert.
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(Fortsetzung Seite 14)
LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
SCM DATEN & FAKTEN - POTENZIALE UND TRENDS IM 3D-DRUCK - FORTSETZUNG
Ziel der Industrie für den 3D-Druck ist es, komplexe, funktionstüchtige Produkte und Produktsysteme wie Sensoren, Batterien, elektronische Bauteile und vieles mehr möglichst ohne weiteren Montageaufwand zu fertigen.
Durch die Reduzierung der Einzelteile wird der Lagerhaltungsaufwand für
Unternehmen erheblich sinken.
MATERIALIEN
Während die ersten 3D-Drucker mit Kunststoff gearbeitet haben, kommen
heute bei der industriellen Produktion viel mehr Metalle zum Einsatz. Laut
der Experten aus der Industrie liegt die Zukunft des 3D-Drucks in der Verarbeitung verschiedener Materialien zu einem Produkt und wobei zunehmend
Verbundwerkstoffe in der Produktion eingesetzt werden. Beispielweise können beim Drucken eines Bauteils aus kohlefaserverstärktem Kunststoff diese
beiden Komponenten im Druckkopf zusammengesetzt werden.
Neben Kunststoff und Metall werden bereits heute auch ganz andere Materialgruppen in der Fertigung mit 3D-Druckern verarbeitet, die in Zukunft
zunehmend zum Einsatz kommen werden. Beton ist hierfür ein gutes Beispiel. Es gibt bereits Anlagen, die in der klassischen Portalbauform ganze
Hauswände drucken können. Auch Lebensmittel, wie z.B. Schokolade, können mit einem 3D-Drucker verarbeitet werden.
EINSATZORTE
Bereits heute finden die 3D-Drucker sowohl im Alltag von Privatkunden als
auch in der Industrie Einsatz. Während die großen, insbesondere die metallverarbeitenden Anlagen in den Fabriken eingesetzt und in industriellen
Produktionsprozessen genutzt werden, kommen kleine Drucker, die in der
Regel Kunststoff verarbeiten, in privaten Haushalten oder kleinen Geschäften zum Einsatz.
Experten aus der Industrie erwarten, dass in Zukunft die Produkte viel mehr
dort produziert werden, wo sie gebraucht werden. Viele Produkte werden
demzufolge nicht mehr zum Kunden geschickt, sondern nur die Modelle,
von denen der Kunde das Produkt selber druckt. PWC berichtet, dass die
zukünftige „vor Ort“ Produktion für 40% des Luft- und Seefrachtvolumens
eine Gefahr darstellt. Sicherlich wird der 3D-Druck in Zukunft das Thema
des globalen Supply Chain Managements neu definieren. Laut Biz Stone,
dem Mitgründer von Twitter, könnte Nike in 10 Jahren somit ein reines Softwareunternehmen werden.
FÄLSCHUNG
Fälschung wird ein wichtiges Thema sein, wenn die Produkte von jeder beliebigen Person mit universellen 3D-Druckern hergestellt werden können.
Daher müssen Unternehmen Maßnahmen ergreifen, einer unberechtigten
Vervielfältigung ihrer Produkte vorzubeugen.
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(Fortsetzung Seite 15)
LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
SCM DATEN & FAKTEN - POTENZIALE UND TRENDS IM 3D-DRUCK - FORTSETZUNG
Dabei können komplexe und individuelle Bauteile Produktpiraten daran
hindern, die Produkte zu kopieren. Das Kopieren eines hochkomplexen
Bauteils, das unter anderem eine komplexe Geometrie und eine Funktionsintegration aufweist, kann mit einem einfachen 3D-Scanner nicht erfolgen.
Ein digitales Modell eines hochkomplexen Bauteils würde teures Equipment
und vertieftes Know-how erfordern.
Auch eine spezielle Markierung, die zum Teil auf biogenetische Stoffe zurückgeht, würden die Bauteile vor Produktpiraten schützen.
Resumee - Potenziale des 3D-Drucks
3D-Druck
machts möglich:
Fertigung
mit
Losgröße 1
Herstellung individueller Produkte, die den Kundenwünschen entsprechen,
ist für die heutige Industrie eine sehr wichtige Voraussetzung. Das Streben
nach individuellen Produkten für jeden Kunden treibt die Variantenzahl in
die Höhe und verlangt damit ein hohes Maß an Flexibilität in der Produktion. 3D-Drucker ermöglichen eine Fertigung mit Losgröße 1. Dadurch wird
die erforderliche Flexibilität in der Produktion seitens der Fertigungsanlage
gewährleistet. Zusätzlich kann mit der Fertigung nach Kundenauftrag unter
anderem eine kostenintensive Lagerhaltung vermieden werden.
3D-Druck ermöglicht auch die Fertigung hochkomplexer Produkte, die mit
herkömmlichen Fertigungsverfahren nicht produziert werden können. Diese
hochkomplexen Produkte können mehrere Einzelteile in einem einzelnen
Bauteil kombinieren. In der Industrie wird bereits von diesem Nutzen Gebrauch gemacht. So fertigt Boeing die Kanäle seiner Klimaanlage mit 3DDruck als einzelner Bauteil, die mit traditionellen Fertigungsverfahren aus 20
Einzelteilen bestehen. General Electric ersetzt 20 Teile einer Einspritzdüse
durch ein einziges Teil und Airbus gelingt es, ein Produkt mit 21 Einzelteilen
als Einzelstück zu fertigen.
Die Lagerhaltung
und Lagerkosten
werden optimiert
Die Fertigung hochkomplexer Bauteile beeinflusst die Montage und die Lagerhaltung. Die Montagezeiten werden verkürzt, indem mehrere Einzelteile
durch hochkomplexe Bauteile ersetzt werden und damit gewisse Montageschritte eliminiert werden. Durch die Reduktion der Anzahl von Einzelteilen
verringert sich der Lagerhaltungsaufwand eklatant.
Es müssen erheblich weniger Teile lagerhaltig geführt werden, was wiederum in einer Verringerung der Lagerhaltungskosten resultiert.
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LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
SCM Praxis
Von: Güngör Kara, Director Global Application & Consulting,
EOS GmbH Electro Optical Systems in Krailling
Additive Fertigung
Wandel für Produktion und Supply Chain
Additive Fertigung ermöglicht die schnelle, flexible und kostengünstige
Herstellung von Produkten direkt aus 3D-CAD-Daten.
Unter dem Begriff additive Fertigung (AM) lassen sich unterschiedlichste
Fertigungsverfahren zusammenfassen. Ihnen allen ist gemein, dass damit
ein Bauteil additiv aufgebaut wird. Im Gegensatz dazu wird in der konventionellen Fertigung Material abgetragen - indem ein Bauteil etwa aus
einem festen Block eines Werkstoffes herausgefräst wird. Additive Verfahren unterscheiden sich jedoch auch in der Funktionsweise und bei den zugrundeliegenden Werkstoffen. An dieser Stelle soll es um das sogenannte
Laser-Sintern gehen.
Güngör Kara
Abb.1:
Funktionsprinzip
des pulverbasierten Laser-Sinterns
(Quelle: EOS)
Funktionsprinzip pulverbasiertes Laser-Sintern
Beim Laser-Sintern handelt es sich um einen pulverbasierten, additiven Fertigungsprozess, der die schnelle, flexible und kostengünstige Herstellung
von Produkten direkt aus 3D-CAD-Daten ermöglicht. Zunächst wird eine
dünne Schicht des Pulverwerkstoffs auf eine Bauplattform aufgetragen.
Ein starker Laserstrahl schmilzt das Pulver exakt an den Stellen auf, die die
Bauteil-Konstruktionsdaten vorgeben. Danach senkt sich die Fertigungsplattform ab und es erfolgt ein weiterer Pulverauftrag. Der Werkstoff wird
erneut aufgeschmolzen und verbindet sich an den definierten Stellen mit
der darunterliegenden Schicht.
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(Fortsetzung Seite 17)
LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
SCM PRAXIS: ADDITIVE FERTIGUNG - FORTSETZUNG
Bei diesen AM-Verfahren werden einerseits unterschiedlichste Kunststoffe
eingesetzt, so etwa Polyamide (PA), Polystyrole (PS), thermoplastische Elastomere (TPE) und Polyaryletherketon (PAEK). Zum anderen gibt es auch
metallseitig eine breite Palette an zu verarbeitenden Werkstoffen - von Aluminium und Maraging-Stahl über Edelstahl und Titan bis hin zu Nickel- und
Kobalt-Chrom-Legierungen.
Abb.2:
Bauprozess des
Laser-Sinterns bei
der Herstellung
von Metallteilen
(Quelle: EOS).
Vorteile nutzen, wo konventionelle Fertigung an Grenzen stößt
Diese AM-Fertigungsmethode fand ursprünglich besonders im Rapid
Prototyping Verwendung – dem Bau von Anschauungs- und Funktionsprototypen. Produktentwicklung und Markteinführung lassen sich dadurch entscheidend verkürzen. Mittlerweile hält die additive Fertigung zunehmend
Einzug in die Serienfertigung. Sie eröffnet großen OEM-Herstellern aus
unterschiedlichsten Industriezweigen die Möglichkeit, sich am Markt zu differenzieren – im Hinblick auf neue Kundennutzen, Kostenreduktionspotenziale oder zum Erreichen von Nachhaltigkeitszielen.
Die Konstruktion
bestimmt die
Fertigung
Die Technologie zeigt dort ihre Stärken, wo die konventionelle Fertigung
an Grenzen stößt. Sie setzt an den Stellen an, wo Konstruktion, Design
und Fertigung neu durchdacht werden müssen, um Lösungen zu finden. Sie
ermöglicht einen „design-driven manufacturing process“, bei dem die Konstruktion die Fertigung bestimmt – und nicht umgekehrt. Darüber hinaus
gestattet die additive Fertigung höchst komplexe Strukturen, die gleichzeitig extrem leicht und stabil sein können.
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(Fortsetzung Seite 18)
LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
SCM PRAXIS: ADDITIVE FERTIGUNG - FORTSETZUNG
Sie gewährt ein hohes Maß an Designfreiheit, Funktionsoptimierung und
-integration, das Herstellen kleiner Losgrößen zu angemessenen Stückkosten und eine starke Individualisierung von Produkten sogar in der Serienfertigung.
Additive Fertigung
erlaubt Flexibilität
Additive Fertigung im Bereich Supply-Chain und Logistik
Unternehmen aus den verschiedensten Branchen profitieren von den Vorteilen additiver Fertigung. Die Möglichkeiten von AM ändern dabei nicht
nur die Herstellung einzelner Bauteile, sondern auch die gesamte Produktionskette – wie sich besonders im Logistiksektor zeigt.
Da die additive Fertigung letztlich eine digitale Technologie ist, erlaubt sie
flexible Produktionslosgrößen, flexible Produktionszeiten sowie flexible
Produktionsorte. Im Detail bedeutet das, dass Hersteller Produkte näher an
ihren Kunden und stärker nach Bedarf additiv fertigen können.
Abbildung 3:
Mit additiver
Fertigung
Schicht für
Schicht aus
Werkstoffen,
die als feines
Pulver vorliegen,
zum fertigen
Bauteil
(Quelle: EOS)
Bauteile müssen zukünftig nicht mehr zentral gefertigt und dann global
verteilt werden („local to global“). Vielmehr werden dezentrale Fertigungszentren errichtet, die digitalen Bauteildaten an diese verschickt und das
Produkt direkt „vor Ort“ 3D gedruckt („globally local”). Lieferkosten und
Lieferzeit können damit minimiert werden.
Additive Fertigung
verringert Kosten
Zwei weitere Vorteile: Die additive Fertigung erlaubt eine schnelle Fertigung kleiner Losgrößen („from one to many“) – und das nach Bedarf („from
just-in-time to on demand, whatever needed”). Besonders im Ersatzteilbereich sind kleine und Individualisierte Produktionslosgrößen bei Bedarf ein
wesentlicher Vorteil. Das sorgt im Ergebnis für wegfallende Werkzeugkosten und verringerte Lagerhaltungskosten.
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(Fortsetzung Seite 19)
LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
SCM PRAXIS: ADDITIVE FERTIGUNG - FORTSETZUNG
Das globale Beratungsunternehmen EY hat für seinen „Global 3D printing
Report 2016“[1] 900 Unternehmen aus 12 Ländern zum Thema 3D Druck
befragt; auch aus dem Bereich Transport und Das Ergebnis: 10 Prozent aller befragten Unternehmen aus dem Bereich Transport und Logistik haben
bereits Erfahrungen mit additiver Fertigung. Auch wenn diese Zahl hoch
erscheint, ist sie im Vergleich zu anderen Industrien deutlich geringer – in
der Kunststoffindustrie sind es beispielsweise 38 Prozent.
Abbildung 4:
Die additive
Fertigung verändert
Produktion und
Supply Chain
(Quelle: EOS).
Diesen Zahlen zeigen, dass die Auswirkungen der additiven Fertigung auf
viele andere Industrien derzeit noch stärker sind, als im Logistiksektor.
Doch werden Logistik- und Transportunternehmen mit stetig zunehmendem Einsatz der additiven Fertigung immer umfassender davon betroffen
sein. Jetzt ist die Zeit, sich mit der Technologie und ihren Möglichkeiten zu
befassen.
Kontakt zum Autor:
EOS GmbH Electro Optical Systems
Robert-Stirling-Ring 1
D-82152 Krailling / München
Tel. +49 89 893 36-0
Email: [email protected]
[1]
http://www.ey.com/de/de/services/advisory/performance-improvement/supply-chain/ey-global-3d-printing-report-2016-experience-and-expectations
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LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
IPL Tools
von Dr. Matthias Pfeffer
Der Weg zum gedruckten Produkt
Die 3 (D) Fertigungsverfahren
Im Wesentlichen werden heute 3 additive Fertigungsverfahren genutzt,
deren Unterschied von den eingesetzten Materialien bzw. deren Form
geprägt werden.
3D-Druck mit Pulver
Dr. Matthias Pfeffer
Beim 3D-Druck mit Pulver wird in einer Maschine eine dünne Schicht des
Pulvermaterials – das kann Kunststoff oder auch Metall, Keramik oder Sand
sein – im Arbeitsraum ausgebreitet. Ein Hochleistungslaser oder ein Elektronenstrahl schmelzt das Material punktgenau an den Stellen, an denen das
Bauteil schichtweise entstehen soll. Anschließend wird wieder eine Schicht
loses Pulver aufgetragen und der Prozess beginnt von vorn.
Der Prozess läuft in einer Schutzatmosphäre oder im Vakuum ab, um Sauerstoffeinschlüsse und -reaktionen zu vermeiden und so die Bauteilqualität
zu erhöhen. Der Bauraum wird auf knapp unterhalb der Schmelztemperatur
des Materials aufgeheizt, damit das Verfahren entsprechend schneller ablaufen kann.
Die Schichtdicken liegen üblicherweise zwischen 0,02 mm und 0,1 mm.
Wandstärken von unter einem Millimeter sind realisierbar. Es lassen sich
Geschwindigkeiten von etwa 20 mm Höhenzuwachs pro Stunde erreichen.
Je nach Bauraum – dieser liegt in dem Bereich bis zu 500 x 500 x 700
mm – kann die Geschwindigkeit variieren bzw. es können mehrere Produkte gleichzeitig hergestellt werden. Auf die Verwendung von Stützmaterial
kann verzichtet werden, da der Bauraum komplett mit Pulver gefüllt ist. Das
überschüssige Pulver muss nach der Bauteilfertigung und dem Abkühlen
des Bauteils mit dem umschließenden Pulver manuell vom Bauteil entfernt
werden. Anschließend kann es direkt wiederverwendet werden.
Dieses Fertigungsverfahren wird für die direkte Bauteilherstellung genauso
wie für den Formen- oder Protypenbau eingesetzt. Jedoch ist die Oberflächenrauheit, die von der Feinheit des Pulvers und der Genauigkeit der
Laserpositionierung abhängt, zu beachten.
Dieses macht häufig eine Nacharbeitung, z. B. durch Polieren oder Schleifen der Bauteiloberfläche, notwendig.
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(Fortsetzung Seite 21)
LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
IPL TOOLS - DER WEG ZUM GEDRUCKTEN PRODUKT - FORTSETZUNG
Abb. 1:
Hohe
Variantenvielfalt
auf Knopfdruck
3D-Druck mittels geschmolzener Materialien
In diese Kategorien fallen die weitverbreiteten 3D-Drucker, die es bis in
den privaten Bereich geschafft haben. Dabei wird das Material in dünnen
Fäden – den Filamenten – der Druckdüse zugeführt. Diese schmelzt das
Material ähnlich einer Heißklebepistole und verklebt es so mit dem bereits
bestehenden Material. Das Bauteil wächst auch hier schichtweise. Dabei ist
es prinzipiell möglich, die Schmelzdüse zu bewegen oder das Bauteil unter
der Düse zu verfahren.
Günstiges
Verfahren für
vielseitige
Anwendungen
Die Geschwindigkeit des Druckens hängt stark vom Material ab. Die nächste Schicht kann erst aufgetragen werden, wenn die Ebene darunter ausreichend abgekühlt und ausgehärtet ist. Die Qualität und Präzision wird
zum einen durch die Stärke des Filaments mit der dazugehörigen Düse bestimmt, zum anderen von der Genauigkeit der Bewegung. Dabei werden
üblicherweise Schichtdicken von 0,1 mm bis 0,3 mm realisiert. Ein solcher
Ausdruck kann schon mal 12 Stunden und mehr dauern. Das hängt ganz
von der Größe des Bauteils, des Materials und der Feinheit der Schichten ab. Kommen mehrere Druckköpfe zum Einsatz, so lassen sich Materialverbünde, unterschiedliche Farben oder auch Produkt und Stützstruktur
gleichzeitig drucken. Die Stützstrukturen werden aus anderen Materialien
gedruckt, die sich anschließend entweder ausspülen oder durch leichte Erwärmung entfernen lassen.
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(Fortsetzung Seite 22)
LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
IPL TOOLS - DER WEG ZUM GEDRUCKTEN PRODUKT - FORTSETZUNG
Der Bauraum hängt ganz von der mechanischen Konstruktion der Düsenpositionierung bzw. der Positionierung der Unterlage ab. Bei sehr großen
Bauteilen, bei denen vielleicht die Massgenauigkeit nicht zu kritisch ist,
können auch Roboter die Düse führen.
Die Einsatzmöglichkeiten sind
eingeschränkt
Gedruckt werden können auch zähflüssige Materialien, so dass auch Beton
oder Lebensmittel in ähnlichen Verfahren in Form gebracht werden können.
Insgesamt ist dieses Verfahren das günstigste 3D-Druckverfahren. Die Einsatzmöglichkeiten sind durch das Material beschränkt. Oftmals werden Designmuster, Prototypen aber auch Formen für Kleinserien so hergestellt.
3D-Druck von flüssigen Materialien
Der 3D-Druck mit flüssigen Materialien – Stereolithographie – ist die älteste
Form des 3D-Drucks. Sie ähnelt stark dem 3D-Druck mit pulverförmigen
Materialien. Statt Pulver wird hier ein flüssiger Kunststoff verwendet, der
durch Licht aushärtet. Dieser photoreaktive Kunststoff wird schichtweise
aufgetragen. Ein Laser belichtet die Stellen, die später das Bauteil bilden
sollen. Anschließend wird der Bauraum um eine Schicht abgesenkt, wieder
mit Flüssigkeit bedeckt und erneut die nächste Schicht belichtet.
Stereolithographie
wird weiter
optimiert
Neueste Entwicklungen haben die Stereolithographie weiter optimiert.
In einem neuen, vom Startup Carbon3D entwickelten Verfahren wird das
Bauteil nach oben aus dem Kunststoffbad gezogen. Der Laser härtet das
Material an der Oberfläche. Der spezielle Prozess ermöglicht die Herstellung von Bauteilen in Sekunden oder wenigen Minuten. Dabei steigt die
Festigkeit durch den besseren Übergang zwischen den Schichten und die
Detailgenauigkeit kann erhalten bleiben. Wie bei allen StereolithographieProzessen bedarf es Stützstrukturen für überhängende Bauteilbereiche.
Diese müssen nach dem finalen Aushärten in einer Belichtungskammer mechanisch z. B. durch Fräsen oder Laserschneiden entfernt werden.
Die Schichtdicke beträgt in der Regel 0,05 mm bis 0,15 mm. Neben den
photoreaktiven Kunststoffen werden auch Kunststoffbäder mit Keramikpartikeln eingesetzt. Dabei hält der Kunststoff die Keramikteile in Form. In
einem Brennprozess verschmelzen die Keramikteile während der Kunststoff verbrennt. Weiterentwicklungen in diesem Umfeld ersetzen den Laser
durch andere Lichtquellen, die entsprechend kostengünstiger in der Herstellung und im Betrieb sind.
Mischformen
sind
möglich
Auch Mischformen, z. B. der Auftrag von flüssigen Materialien durch eine
feine Düse und die Aushärtung durch eine am Druckkopf angebrachte UVLeuchte, sind möglich und werden je nach Material und Einsatzzweck genutzt.
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(Fortsetzung Seite 23)
LOGISTIK WIE
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IPL TOOLS - DER WEG ZUM GEDRUCKTEN PRODUKT - FORTSETZUNG
Wie Sie zu Ihrem gedruckten Bauteil gelangen
Wie schön wäre es, einfach die technische Zeichnung des Bauteils in den
3D-Drucker zu laden, Start zu drücken und kurze Zeit später halten Sie das
fertige Teil in der Hand. Ganz so einfach geht es (noch) nicht.
Die Vorbereitung des 3D-Drucks beginnt bereits in der Konstruktion.
Zwar gewinnt die Konstruktion neue Freiheitsgrade bei der Bauteilentwicklung, aber dafür müssen Sie dort ein paar vorbereitende Tätigkeiten durchführen:
VORBEREITUNG
1.
2.
3.
Planen der Orientierung des Bauteils beim Druck.
Beachten Sie den Bauraum und die Höhe. Gerade
beim Lasersintern sind flache Geometrien schneller
und effizienter in der Herstellung als hohe Bauteile.
Wollen Sie nur ein Bauteil oder gleich mehrere Bauteile drucken? Handelt es sich um einzelne Teile oder
verbundene, ineinander integrierte Einzelteile?
Ableiten von speziellen Datenformaten für die
spätere Weiterverarbeitung der Zeichnungsdaten.
Aufbereiten der Daten durch eine Software, die
ein Schichtmodell des Bauteils erstellt. Daraufhin
werden mögliche notwendige Stützstrukturen mit
geplant und in das Modell integriert
Jetzt erfolgt der 3D–Druck.
Doch damit ist die Teilefertigung nicht abgeschlossen. Nach dem Druck
müssen die Teile noch nachgearbeitet werden.
Weitere Prozesse folgen.
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(Fortsetzung Seite 24)
LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
IPL TOOLS - DER WEG ZUM GEDRUCKTEN PRODUKT - FORTSETZUNG
NACHBEREITUNG
1.
2.
3.
4.
Je nach eingesetzter Technologie entstehen zusätzliche Arbeitsschritte. Beim verbreiteten 3D-Druck
müssen Stützstruktur durch mechanische Nachbehandlung entfernt werden. Gegebenenfalls. lassen
sich diese auch durch Wasser auswaschen. Beim
Lasersintern muss das überschüssige Pulver vorsichtig entfernt werden. Durch die Nutzung spezieller
Arbeitsplätzen ist es so möglich, das Material auch
wiederzuverwenden.
Härten des Bauteils nach der Herstellung. Metalloder Keramikteile werden in einem anschließenden
Härteprozess verfestigt. Auch Kunststoffteile benötigen eine gewisse Ruhezeit um die endgültige Festigkeit zu erreichen.
Mechanische Nachbehandlung der Oberfläche. Da
das Bauteil aus einzelnen feinen Schichten entsteht
ist die Oberfläche nicht so glatt wie bei konventionell hergestellten Bauteilen. Daher müssen diese
noch mittels Fräsen, Schleifen, Polieren oder Lasernachbehandlung finalisiert werden.
Veredeln der Oberfläche. Abschließend findet wie
bei den klassisch hergestellten Teilen die Veredelung der Oberfläche z. B. durch Beschichtung statt.
Gerade bei der Modellierung des zu druckenden Bauteils gibt es auch die
Möglichkeit, einen 3D-Scan zu verwenden. Dieses Verfahren eignet sich
besonders bei der Herstellung von Ersatzteilen. Bei Ersatzteilen für ältere
Maschinen liegen selten 3D-Daten vor. Teilweise sind 3D-Scanner bereits
in die 3D-Drucker integriert, so dass hier die Datenmodellierung und die
anschließende Teilherstellung in einem System und damit aufwandsarm
durchgeführt werden können.
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(Fortsetzung Seite 25)
LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
IPL TOOLS - DER WEG ZUM GEDRUCKTEN PRODUKT - FORTSETZUNG
So führen Sie 3D-Druck in Ihrem Unternehmen ein
Prinzipiell müssen Sie sich die Frage stellen, wer die treibende Kraft in
ihrem Unternehmen für die additive Fertigung sein wird:
Konstruktion oder Produktion?
Daraus ergeben sich zwei grundsätzlich unterschiedliche Einführungsstrategien mit ihren Vor- und Nachteilen:
Zeitintesität
birgt
Potenziale
Die Konstruktion legt neue Teiledesigns auf die Möglichkeiten der 3DDrucktechnologie aus. Das ist zunächst sehr zeitintensiv, bringt aber auch
die größten Potenziale bei Stabilität, Leichtbau sowie die Reduzierung der
Teileanzahl und Montageaufwände.
Neue Teile kommen dann in die Produktion, die in der 2. Stufe in die additive Fertigung einsteigt. Ein Übergang mit Dienstleistern ist hier möglich.
Prototypen oder Ersatzteile werden in der Fertigung schrittweise mit
additiven Verfahren hergestellt. Dabei sammeln Sie in der Produktion
schnell Erfahrungen und Wissen, die Sie dann an die Konstruktion schrittweise weitergeben können. Diese werden dann in neuen Teiledesigns einzelne Elemente nach und nach auf additive Fertigung hin optimieren.
Dabei spielen die Potenziale der Fertigung anfänglich eine größere Rolle.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Tiefe der Integration in Ihre Wertschöpfung.
Je tiefer diese Integration ausfällt, desto höher sind die Investitionen und
auch das Risiko.
Auch die
Qualitätssicherung
muss frühzeitig
eingebunden
werden
Nutzeneffekte fallen aber ebenfalls höher aus. Hier müssen Sie ganz klar
die Partner der Lieferkette sowie die Teilevielfalt und -komplexität mit berücksichtigen.
Neben Konstruktion und Fertigung muss auch die Qualitätssicherung frühzeitig und begleitend in die Einführung eingebunden werden.
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(Fortsetzung Seite 26)
LOGISTIK WIE
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Ausgabe 38 / Januar 2017
IPL TOOLS - DER WEG ZUM GEDRUCKTEN PRODUKT - FORTSETZUNG
Folgende Richtlinien sollten Sie beachten
Der 3D-Druck wirkt wie eine neue innovative Fertigungstechnologie. In
Wahrheit gibt es additive Fertigung schon seit über 30 Jahren. So ist es
auch nicht verwunderlich, dass es in dem Umfeld Normen und Richtlinien
gibt, die allerdings ständig überarbeitet und mit modernen Entwicklungsfortschritten bereichert werden.
Die folgenden Richtlinien sollten Sie kennen, wenn Sie sich mit dem
Thema 3D-Druck beschäftigen wollen:
VDI 3404
VDI 3405
VDI 6224
In der VDI 3404 werden Begriffe und Verfahren der additiven Fertigung definiert und beschrieben. Dabei werden die einzelnen Verfahren gegeneinander abgegrenzt und Einsatzbereiche sowie Qualitätsmerkmale beschrieben. Zusätzlich werden Prüfmöglichkeiten und notwendige Prüfverfahren
genannt und beschrieben. Damit ist die Richtlinie eine wichtige Basis für
den Einstieg und die Ausschreibung sowie Einführung von Additiver Fertigung in die eigene Produktion.
Enthält ergänzend zur VDI 3404 neben Begriffsdefinitionen und einem
Überblick über Qualitätsstandards auch genaue Verfahrensbeschreibung z.
B. für das Lasersintern von Kunststoffen, dem Strahlschmelzen von Metallen
sowie vergleichende Gegenüberstellungen. Neben dem einzelnen additiven Fertigungsverfahren werden auch Nachbereitungsprozesse sowie Prüfprozesse beschrieben.
Auch wenn in dieser Richtlinie nicht direkt auf additive Fertigung eingegangen wird, so beschreibt die VDI 6224 die bionische Optimierung auf
Basis von natürlichen Wachstumsprozessen zur Strukturfestigkeitsoptimierung. Hier werden Strukturen beschrieben, die einen Leichtbau ermöglichen ohne an Festigkeit zu verlieren. Diese Strukturen sind insbesondere
mit additiver Fertigung zu erstellen.
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LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
IPL Projekt
von Friedhelm Widulla
3D-Druck verhilft Smart Labels zum
Start
Friedhelm Widulla
Längst ist der dreidimensionale Druck, 3D-Druck, kein Zukunftsthema mehr,
sondern angewandte Praxis. Seine Eignung insbesondere für die Prototypen-, Einzelstück- oder für die Kleinserienproduktion hat sich in vielen Anwendungsbeispielen bereits bewährt. Auch das IPL in Zusammenarbeit mit
der Hochschule München haben die Technologie erfolgreich eingesetzt.
Für einfache handelsübliche Electronic Shelf Labels (ESL) wurde damit die
Voraussetzung geschaffen, um sie im Unternehmen als Smart Labels einzusetzen. Installiert am Ladungsträger und bereit zur Bedienung durch die
Mitarbeiter.
3D-Druck in der Logistik
Bedingt durch die Verbreitung der additiven Fertigung werden sich die
Produktions- und Logistikprozesse in und zwischen den Unternehmen dramatisch verändern. So könnte es durchaus geschehen, dass der 3D-Druck
langfristig zu einem deutlichen Rückgang bei den weltweit transportierten
Warenmengen führt. Nicht mehr Material, sondern Informationen werden
bewegt. Erst der Kunde erstellt aus einem Datensatz das benötigte Produkt – in unmittelbarer Nähe zum Einsatzort. Doch auch die Logistik selbst
kann sich zum potenziellen Anwender des 3D-Drucks entwickeln, wie das
nachstehende Projektbeispiel beschreibt.
Das IPL nutzt
die flexiblen
Möglichkeiten
der Smart Labels
Das IPL beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit der Frage, wie durch den
Einsatz intelligenter Labels die Auszeichnungs- und Kommissionierprozesse
im Lager sowie die anschließenden Produktionsprozesse unterstützt werden können. Zu diesem Zweck wurde ein Vorgehen entwickelt, wie sich die
einfachen handelsüblichen Electronic Shelf Labels (ESL) in die benötigten
Smart Labels überführen lassen. Die resultierenden Vorteile und vielfältigen
Einsatzgebiete von Smart Labels wurden in vorangegangen Ausgaben des
IPL-Magazins bereits vorgestellt. Diese Innovation stellte das IPL jedoch
vor die Aufgabe, die Labels an den unterschiedlichsten Ladungsträger und
Behälter anzubringen, die in einem Lager verbreitet sind. Der Variantenvielfalt möglicher Ladungsträger steht eine Variantenvielfalt möglicher Labels
gegenüber. Geringe Stückzahlen je Ausführung, kleine Bauteilvolumen und
der prototypenhafte Charakter des Projekts ergaben ideale Rahmenbedingungen für den Einsatz der additiven Technologie.
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(Fortsetzung Seite 28)
LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
IPL PROJEKT: 3D-DRUCK VERHILFT SMART LABELS ZUM START - FORTSETZUNG
Vorgehen zur Problemlösung
In einer Analyse wurden die Maße der im Einsatz befindlichen Behälter und
Labels aufgenommen und in ein 3D-Konstruktionsprogramm übertragen.
Damit konnten die zu den einzelnen Ladungsträgern passenden Label-Halterungen einfach entworfen werden – s. Abbildung 1.
Abb. 1:
Halter eines
Labels in der
Konstruktionszeichnung
Abb. 2:
Montierte Version
der gedruckten
Halterung
Die Umwandlung des CAD-Datenformats in das für 3D-Drucker standardisierte STL-Format wird inzwischen von den gängigen Konstruktionsprogrammen angeboten. Die erforderliche Datenkonvertierung war somit
problemlos aus dem verwendeten CAD-Programm realisierbar. Da die
Halterungen nur geringen mechanischen Belastungen ausgesetzt sind, war
die Verwendung von Kunststoffen ausreichend. Zur Herstellung der unterschiedlichen Halterungen für die Label kam deswegen PLA Material zum
Einsatz. Die Verwendung von PLA ist gegenüber dem Metall 3D-Druck wesentlich günstiger.
Auch der 3D-Drucker für Kunststoffe ist preiswerter als ein vergleichbarer
3D-Metalldrucker.
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(Fortsetzung Seite 29)
LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
IPL PROJEKT: 3D-DRUCK VERHILFT SMART LABELS ZUM START - FORTSETZUNG
Label mit Halterung am Ladungsträger
Die Erprobung der neuen Halterungen und der entsprechenden Anzeigensoftware am Label erfolgten in dem Logistiklabor der Hochschule München – vgl. Abbildung 3.
Abb. 3:
Unterschiedliche
Ladungsträger mit
Halterungen
und Labels
unterschiedlicher
Hersteller
Die unterschiedlichen Ausführungen der Halterungen erlaubten eine Gegenüberstellung, Erprobung und weitere Optimierungen – s. Abbildung 4.
Insbesondere in der Entwicklungsphase neuer Produkte und Anwendungen
stellt der 3D-Druck eine schnelle, kostengünstige und leicht anpassbare
Möglichkeit zur Erstellung von ersten Gebrauchsmustern dar.
Anstelle konventioneller Steckkarten bzw. Etiketten können nun elektronische Labels in die Aussparungen am Ladungsträger eingesteckt werden.
Bei Bedarf ist sogar eine feste und irreversible Verbindung zwischen dem
Label und dem Ladungsträger herstellbar.
Abbildung 4:
Labels im Einsatz
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LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
Der Kommentar
von Wolfgang Kloke
Grenzbereiche
Wolfgang Kloke
Bei der rasanten Entwicklung der Halbleitertechnik im Verbund mit der
Datentechnik hat sich bereits gezeigt: Technische oder moralische Grenzen
hat es nie gegeben. Im Gegenteil: Immer neue Ideen und Bedürfnisse haben den Hunger auf neue Märkte angefacht. Das Modernste war gerade in
Produkte umgesetzt, folgte eine nächste Entwicklungswelle. Ob in den Büros und Fertigungshallen der Unternehmen, im Kinderzimmer oder bei der
Ausrüstung des Militärs mit Spitzentechnologie. Grenzen ließen sich nicht
ziehen und sie wird es aller Voraussicht nach auch zukünftig nicht geben.
Wenn wir nun additive Fertigungstechnik im Lichte dieser Entwicklungen
betrachten, wo werden wir dann in 10 Jahren stehen?
Die Drucktechnik wird, ebenso wie die Digitaltechnik, Innovationen Flügel
verleihen. Sie wird, nach der industriellen Vereinnahmung auch Einzug in
die privaten Bereiche halten. Denkbar sind etwa maßgedruckte Kleidungsstücke oder Ersatzteile für Haushaltsgeräte. Selbst unsere Kinder werden
interessen- und bedarfsgerecht ihre Produkte selbst entwickeln und drucken können. Die digitalen Daten lassen sich selbst generieren oder werden einfach vom Internet bezogen.
Doch was passiert, wenn sogar Kinder ihre Spielzeuge selbst herstellen
können? Werden sich nicht viele der uns heute bekannten Wertschöpfungsketten auflösen? Werden etablierte Geschäftsmodelle, die auf der Vermarktung von geringfügig individualisierten Massenprodukten basieren, nicht
unattraktiv bzw. unprofitabel? Droht nicht Massenarbeitslosigkeit, wenn
klassische Montagetätigkeiten von 3D-Druckern realisiert werden?
Hier muss sowohl die Industrie als auch der Gesetzgeber frühzeitig aktiv
werden und Strategien entwickeln. Am besten jetzt. Gebotene Aktivitäten
auf Seiten der Legislative liegen sicher in der Definition von Leitplanken,
die etwa den Schutz geistigen Eigentums regeln und die Anfertigung bestimmter 3D-Drucke (etwa Waffen) unterbinden. Weiterhin gilt es, unser
heutiges Schul- und Ausbildungssystem auf die Herausforderungen einer
digitalisierten Welt auszurichten. Denn welche Fähigkeiten werden in der
Zukunft noch gebraucht, wenn Computer und Automatisierungstechnik einen Großteil der Arbeitsleistung erbringen.
Für die Industrie heißt es jetzt, das Feld des 3D-Druckens experimentell
zu erschließen und passende Anwendungsgebiete zu identifizieren. Noch
handelt es sich um ein emergentes Technologiefeld – Chancen und Risiken
gibt es viele. Eine offene Diskussion über Abteilungs- und Unternehmensgrenzen hinweg, kann sicher dazu beitragen, die Chancen zu heben und
Risiken zu minimieren.
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LOGISTIK WIE
GEDRUCKT
Ausgabe 38 / Januar 2017
IPL Rückblick
IPL-Managementtagung zu Gast bei
Siemens, Large Drives, in Nürnberg
Schlanke Flexibilität - Individualität wird zum neuen Standard
Am 24. November fand die vom IPL organisierte Managementtagung des
Jahres 2016 statt.
Erstmals als Ganztagesveranstaltung durchgeführt, bot sie den Teilnehmern
einen ausführlichen Einblick in das Siemens-Werk für Großantriebe.
Als sogenannter ‚Lead-Standort‘ ist es die Keimzelle für neue Fertigungsmethoden und -technologien des Siemens-Unternehmensbereichs. Eindrucksvoll konnte demonstriert werden, wie moderne Arbeitswelten unter
Industrie 4.0 Gestalt annehmen. Flankiert durch Fachvorträge entwickelte
sich schnell eine praxisnahe Diskussion unter den Teilnehmerm und ein intensiver Erfahrungsaustausch.
Die nächste IPL-Managementtagung ist geplant für den November
2017.
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LOGISTIK WIE
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Ausgabe 38 / Januar 2017
Impressum
Info zum Magazin
Fragen zum Magazin
E-Mail: [email protected]
Tel +49 (0) 8141 - 315 32 75
Fachspezifische Fragen zu SCM
Prof. Dr.-Ing. Meier
IPL Institut für Produktionsmanagement und Logistik GmbH
Hochschule München
Lothstraße 64
D-80335 München
Tel +49 (0) 89 - 89 40 - 76 75
Tel +49 (0) 89 - 12 65 - 39 43
Fax +49 (0) 89 - 84 93 - 88 76
E-Mail: [email protected]
Web:
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für
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