Veränderungen im russischen Recht – Rückblick und

Veränderungen im
russischen Recht –
Rückblick und Ausblick
Einkommensteuererklärung ohne Wohnsitz in Russland möglich
Das russische Finanzministerium hat in einem Schreiben vom 3. Dezember 2015 Stellung bezogen zur Behandlung von Einkommensteuererklärungen von Ausländern, die, ohne bei den russischen
Migrationsbehörden registriert zu sein, in Russland steuerpflichtiges
Einkommen erhalten.
Nach der im Schreiben geäußerten Rechtsauffassung können Ausländer ohne Wohnsitz in Russland am Ort der Einkommensquelle (z.
B. Sitz des Arbeitgebers) eine Steuererklärung einreichen. Bislang
hatten die Finanzämter eine Registrierung in Russland verlangt. Wir
weisen aber darauf hin, dass es weiterhin empfehlenswert ist, zur
Vermeidung von Auseinandersetzungen mit den Behörden soweit
möglich dem Finanzamt eine Registrierung vorzulegen.
Änderungen bei der Übertragung von GmbH-Anteilen
Am 29. November 2015 sind Änderungen zum GmbH-Gesetz in
Kraft getreten, die insbesondere den Zeitpunkt der Übereignung eines Stammkapitalanteils einer GmbH (OOO) an Mitgesellschafter
oder Dritte betrifft. Nach alter Rechtslage wurde die Übereignung
erst zum Zeitpunkt der notariellen Beglaubigung der Übereignung
der Anteile an der OOO gültig. Nach der neuen Regelung erfolgt
der Übergang der Anteile mit der Eintragung im Einheitlichen Staatlichen Register Juristischer Personen (EGRJUL).
Steuerverbindlichkeiten verbundener Personen
Um sich der Steuerpflicht zu entziehen, wandten russische Unternehmen in der Vergangenheit des Öfteren eine Methode an, bei welcher das steuerpflichtige Unternehmen Insolvenz anmeldete, dann
aber kurze Zeit später unter gleichem Namen neu gegründet wurde,
wobei das Vermögen und der Kundenstamm an das neue Unternehmen übertragen wurde. Es kam also zu einer faktischen Unternehmensfortführung.
Zur Verhinderung dieses rechtsmissbräuchlichen Vorgehens gingen
die Finanzämter dazu über, auf Art. 45 Punkt 2 des Steuergesetzbuches zurückzugreifen, der es gestattet, Steuerschulden von der Mutter-, Tochter- oder einer sonstigen verbundenen Gesellschaft einzutreiben. Art. 20 des Steuergesetzbuches gestattet es den Gerichten,
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Gesellschaften sogar beim Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen als verbunden einzustufen, wenn Rechtsgeschäfte zwischen
den Gesellschaften die Ergebnisse ihrer Tätigkeit wirtschaftlich beeinflussen können.
Verbot der Leiharbeit
Am 5. Mai 2014 wurden die arbeitsrechtlichen Vorschriften zur Leiharbeit in Russland geändert. Leiharbeit ist damit seit dem 1. Januar
2016 in Russland verboten. Das neue Arbeitsrecht erlaubt hingegen
die Überlassung von Arbeitnehmern gemäß Kapitel 53.1. des russischen Arbeitsgesetzbuches. Nunmehr kann eine Überlassung von
Arbeitnehmern an ein verbundenes Unternehmen erfolgen. Ebenfalls erlaubt ist eine Arbeitnehmerüberlassung durch private Arbeitsagenturen, die in Russland registriert sind und über eine Genehmigung verfügen. Näheres regelt die Verordnung Nr. 1165 vom 29.
Oktober 2015 zur Akkreditierung von Arbeitsagenturen. Durch zwei
Erlasse des Arbeitsministeriums wurden außerdem Arbeiten und Tätigkeiten festgelegt, für die eine Arbeitnehmerüberlassung generell
unzulässig ist.
Verschärfung bei Devisengeschäften
Im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Gesetzes Nr. 30FZ „Über die Einbringung von Änderungen in Artikel 15.25 des Ordnungswidrigkeitengesetzbuches“ vom 15. Februar 2016 wurde der
Mechanismus zur Ahndung ordnungsrechtlicher Verstöße gegen
das Devisengesetz verbessert.
Zudem wurden die Bußgelder erhöht, welche beim Verzug von Devisenzahlungen nach Russland zu entrichten sind. Nunmehr ist ein
Bußgeld auf den Verzugsbetrag in Höhe von 1/150 des Refinanzierungssatzes der russischen Zentralbank für jeden Verzugstag zu
zahlen, und/oder 75 bis 100 Prozent des nicht nach Russland gezahlten Betrages.
Aufbewahrungspflicht für Personalakten
Am 13. März 2016 trat eine Änderung im Gesetz „Über das Archivwesen in der Russischen Föderation” in Kraft, welche die Aufbewahrungspflichten von Personalakten betrifft. Die Mindestaufbewah-
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Alexander Wolgin Direktor für Geschäftsentwicklung
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Blick auf Moskau, iStock © Lisa-Blue
rungsfrist für Personalakten in Unternehmen wurde von 75 auf 50
Jahre verkürzt.
Die Norm gilt jedoch nur für solche Dokumente, die nach 2003 zu
den Personalakten genommen wurden. Akten aus der Zeit vor 2003
sind nach wie vor 75 Jahre aufzubewahren. Nach Ablauf dieser Frist
müssen die Personalunterlagen in einem geordneten Zustand an
das zuständige Zentralarchiv übergeben werden.
Fälligkeit der Arbeitsvergütung
Am 3. Oktober 2016 ist eine Änderung des russischen Arbeitsrechts
in Kraft getreten, die die Fälligkeit der Vergütung für Arbeitnehmer
neu regelt.
Gemäß Artikel 136 des Arbeitsgesetzbuches der Russischen Föderation (ArbGB) muss nunmehr Arbeitslohn spätestens 15 Tage nach
dem Berechnungszeitraum ausgezahlt werden. Arbeitgeber müssen
nun aktiv werden, um einen Zahlungsverzug und Ärger mit Mitarbeitern und den Aufsichtsbehörden zu vermeiden.
Änderung des Vorsteuererstattungsverfahrens beim Export
Am 30. Mai 2016 wurde das Föderale Gesetz Nr. 150-FZ „Über die
Einbringung von Änderungen in Kapitel 21 des Steuergesetzbuch
der Russischen Föderation” verabschiedet.
Das Gesetz legt ein Verfahren zur Anwendung von Umsatzsteuerabzügen auf die durch die Umsatzsteuerzahler zur Abwicklung von
Exportgeschäften eingesetzten Waren (Arbeiten, Dienstleistungen)
oder Vermögensrechte, die gemäß Art. 164 Punkt 1 des Steuergesetzbuches zum Steuersatz von null Prozent besteuert werden, fest.
Aktionärseinlagen ins Gesellschaftsvermögen
Das russische Aktienrecht sieht nach einer Novellierung zum 15. Juli 2016 nun die Möglichkeit für Aktionäre vor, zur Finanzierung der
Gesellschaftstätigkeit freiwillig über unentgeltliche Einlagen ins Vermögen der Gesellschaft (Kapitalrücklage) beizutragen. Die Einlagen
erfolgen dabei auf Basis eines vom Aufsichtsrat gebilligten Vertrags
mit der Gesellschaft.
Bei nichtöffentlichen Gesellschaften, deren Satzung eine entsprechende Regelung enthält, können Anleger über einen Beschluss der
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Hauptversammlung hingegen auch gegen ihren Willen zur Leistung
von Vermögenseinlagen verpflichtet werden. Durch die Satzung einer nichtöffentlichen Gesellschaft kann auch ein Höchstbetrag für eine verpflichtende Vermögenseinlage festgelegt oder ein bestimmter
Aktientyp zur Einlagenleistung verpflichtet werden.
Verpflichtung zur Offenlegung von Informationen über Endbegünstigte
Die Neufassung des Gesetzes Nr. 115-FZ „Über die Bekämpfung
von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung” tritt zum 21. Dezember 2016 in Kraft und verpflichtet juristische Personen in Russland,
Informationen über ihre Endbegünstigten offen zu legen.
Als Endbegünstigte gelten dabei natürliche Personen, die direkt
oder indirekt Anteile an einer juristischen Person halten (eine beherrschende Kapitalbeteiligung von mehr als 25 Prozent besitzen)
oder die Möglichkeit haben, die juristische Person zu kontrollieren.
Ab dem 21. Dezember sind juristische Personen deswegen u. a. verpflichtet, Informationen über ihre Endbegünstigten zu aktualisieren,
zu dokumentieren und mindestens 5 Jahre lang zu speichern.
Es wird dringend geraten, Maßnahmen zu ergreifen, um die Compliance mit den neuen Verpflichtungen sicherzustellen. Insbesondere empfiehlt sich die Implementierung eines standardisierten Verfahrens zur Festlegung, Aktualisierung, Speicherung und Bereitstellung
von Informationen über Endbegünstigte. Zudem sollte satzungsmäßig eine Verpflichtung der Gründer/Gesellschafter zur Bereitstellung
erforderlicher Informationen festgelegt werden.
Großgeschäfte und „In-Sich-Geschäfte“
Am 1. Januar 2017 tritt das Gesetz in Kraft, das Änderungen zum
russischen Aktien- und GmbH-Recht vorsieht. Wesentlich geändert
werden die Vorschriften über Großgeschäfte, also Geschäfte außerhalb der üblichen Geschäftstätigkeit der Gesellschaft, die mindestens 25 Prozent des Gesellschaftskapitals zum Stichtag betreffen,
und „In-Sich-Geschäfte“.
Ausländische E-Commerce-Unternehmen sollen Mehrwertsteuer erheben
Ausländische Unternehmen, die elektronische Dienstleistungen
über das Internet erbringen, unterliegen ab 2017 der Umsatzbesteu-
Veränderungen im russischen Recht – Rückblick und Ausblick
erung in Russland. Die Änderungen betreffen vor allem Unternehmen, die in Russland über Online-Shops digitale Inhalte (Software,
Bücher, Musik etc.) an Verbraucher vertreiben, Hostingleistungen erbringen oder mit Werbung handeln.
Die Gesetzesnovelle soll Wettbewerbsnachteile russischer Anbieter
ausgleichen, die bislang dadurch benachteiligt waren, dass sie im
Gegensatz zu ausländischen Firmen Mehrwertsteuer auf ihre Preise aufschlagen mussten.
Städtebaugesetzgebung: Änderungen bei der Zulassung von Selbstregulierungsorganisationen
Am 3. Juli 2016 wurde das Föderale Gesetz Nr. 372 verabschiedet,
durch welches das Verfahren zur Zulassung von Selbstregulierungsorganisationen (SRO, vergleichbar mit den deutschen Berufskammern) wesentliche Änderungen erfährt.
Ab dem 1. Juli 2017 sind bezüglich Bauverträgen Zulassungen der
SRO nicht zu beantragen, soweit die Höhe der Verpflichtungen aus
jedem Vertrag 3 Millionen Rubel nicht übersteigt. Außerdem ist die
Mitgliedschaft in SROs im Bereich ingenieurtechnischer Prüfungen,
bei Architektur- und Bauplanung, Bau, Renovierung oder der Restaurierung von Bauobjekten ab dem 1. Juli 2017 nicht mehr verpflichtend für juristische Personen, die mehrheitlich von der öffentlichen
Hand gehalten werden. In den übrigen Fällen muss weiterhin eine
entsprechende Zulassung der SRO beantragt werden.
Jens Wergin, ist Associate Partner und Leiter Internationale Wirtschaftsprüfung bei Rödl & Partner Moskau. Marina Yankovskaya ist
dort Partnerin und Leiterin Rechtsberatung. Alexander Yudovich ist
Associate Partner und Leiter Steuerberatung.
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