Medien&Meinung »Was wir recherchieren und schreiben, findet mehr Leser als jemals zuvor« Klaus Brinkbäumer über Journalismus unter Druck und darüber warum Medienkritik auszuhalten ist PETER KLOTZKI | In Ihrem Artikel »Reporterpack« setzen Sie sich mit zwei neuen Romanen von Umberto Eco und Jonathan Franzen auseinander, deren Abneigung bzw. Abwertung von Journalisten eine zentrale Botschaft ist. Eco sagt, dass Journalismus ein »Schweinegeschäft« sei, Franzen spricht von Journalisten, die »sich mit Leuten anfreunden, um sie gleich wieder fallen zu lassen«. Sind wir also in den vergangenen Jahrzehnten einer Chimäre namens Journalismus aufgesessen, haben wir den Falschen vertraut? Und ist es nicht eher fatal, dass solch »kluge Köpfe« eine rabiate Abneigung gegen Journalismus im Sinne von »Lügenpresse« bedienen? KLAUS BRINKBÄUMER | Nein und nein. Den meisten Journalisten kann man selbstverständlich vertrauen, weil sie gewissenhaft und seriös arbeiten und ganz und gar ernsthaft der Wahrheit nahe zu kommen versuchen. Und die beiden Bücher sind ja Romane, die handelnden Figuren und/oder Erzähler sind literarische Figuren. Medienkritik müssen wir Journalisten schon aushalten können. In »Medien&Meinung« kommen regelmäßig Chefredakteure und profilierte Medienjournalisten zu wichtigen Themen der Zeitschriftenbranche zu Wort. Eigentlich fatal: Wir beobachten weltweit einen immer stärkeren Druck auf die Ausübung von Journalismus, die Weltkarte der Pressefreiheit von »Reportern ohne Grenzen« färbt sich immer dunkler, und in dieser Situation, in der wir die privilegierte Situation mit einem hohen Grad von Pressefreiheit schätzen müssten, in der Wahrheit durch zunehmende Propaganda verfälscht und unterdrückt wird, wenden sich Teile der Bevölkerung ab? Manchmal wirkt es so, aber vermutlich stimmt das gar nicht. Wir leben 40 PRINT&more 4/2015 ja in einer Mediengesellschaft; Bildung, Kultur und Informationen aller Art sind zugänglich und verbreitet, und all das, was wir beim SPIEGEL recherchieren und schreiben, findet mehr Leser als jemals zuvor. Es ist in den vergangenen Jahren etwas schwieriger geworden, mit publizistischen Inhalten Geld zu verdienen, aber deshalb ist nicht gleich Kulturpessimismus angebracht. Liegt dies auch an dem Einfluss der digitalen Kommunikationswelt auf immer größere Teile der Bevölkerung mit all den (Neben-)Wirkungen von Reizüberflutung, Emotionalisierung, Personalisierung, verbaler Entfesselung? Ja. Was sich verändert hat, ist, dass manche Menschen viel lauter und aggressiver als früher auf Medien schimpfen, einfach weil sie inzwischen die Foren und das Publikum finden. Das sind allerdings oft eher Nichtleser als Leser. Ich versuche, mich in Debatten einzumischen, auf Kritik einzugehen, auf Briefe und Mails zu ant worten, und bisweilen fällt auf, dass jene, die am lautesten schreien, auf Texte oder gleich ganze Medien wütend sind, die sie nicht kennen. Liegt die Ursache möglicherweise – so war es ja auch ein Thema bei der Chefredakteursrunde beim Publishers’ Summit – in einer durch politische Korrektheit motivierten Einseitigkeit der gesamten Berichterstattung und Kommentierung, was dort ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo ansprach (»Wir dürfen bestimmte Fragen im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise nicht den Rechten überlassen«)? Das glaube ich nicht, ich sehe natürlich keine Gleichschaltung, auch keine Einseitigkeit, sondern lebendige publizistische Debatten. Wie ist also gegenzusteuern? Positivere Nachrichten – »constructive journalism« – oder, wie Sie es formulierten, »verträumte Erwartungsfröhlichkeit«? Oder weniger Selbstzerfleischung unter den »klassischen« Medien oder mehr Kooperation mit neuen Anbietern wie Facebook (Instant Articles), ticles), Google, mit Bloggern etc.? Mehr »Medienerziehung« für Schüler? sorgsam recherZunächst sollten wir sauber arbeiten, also sorgsam chieren, hieren, präzise schreiben. Dann dürfen wir uns nicht zu Tode sparen, also nicht ausgerechnet auf das verzichten, was uns ausmacht: Recherche, politische Kompetenz etenz oder ein Korrespondentennetzwerk. Schließlich müssen reagieen wir uns öffnen, also auf Kritik reagieren, Fehler zugeben, Missverständnisse ausräumen, dürfen nicht stolz und auch nicht beleidigt sein und müssen durchaus humorvoll bleiben. Klaus Brinkbäumer, Chefredakteur DER SPIEGEL, beim Publishers’ Summit 2015 in Berlin Gibt es auch einen Roman, der den Journalismus wieder positiv darstellt (wenn es überhaupt solche gab: »Tod eines Kritikers«, »Das Magazin« waren ja auch nicht gerade Empfehlungen für Beruf und he), den Sie empfehlen können, oder – wenn wir Branche), das anregen dürfen – planen Sie selbst, einen solchen zu schreiben? Der beste Medienroman der vergangenen Monate war nach meiner Einschätzung eine Fernsehserie: »The Newsroom«. Auch dort gibt es einen Strukturwandel und enormen Druck durch Gesellschafter oder Anzeigenkunden – aber es gibt auch eine Vorstellung davon, wer wir Journalisten in diesen Zeiten sein wollen. Und jetzt dürfen Sie raten, wer gewinnt. Peter Klotzki Geschäftsführer Kommunikation im VDZ, Chefredakteur PRINT&more www.vdz.de 41
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