Jaap Kool (1933)
KOOL
Das Leben des
fast vergessenen Komponisten Jaap Kool
Jaap Kool wird 1891 im Amsterdam geboren. Er ist 3 Jahre alt, als sein Vater, Direktor der
Heringsfischerei AG NEPTUN, den Firmensitz von Holland ins deutsche Emden verlegt und
mit der Familie nach Ostfriesland übersiedelt. Vor allem Dank seiner Mutter Adriana genießt
der kleine Jaap zuhause eine sehr freizügige Erziehung. Adriana entstammt einer Familie aus
Anhängern der Freikörperkultur. Geboren wurde die Tochter des niederländischen
Theologieprofessors und Kunstwissenschaftlers Allard Pierson im thüringischen Rohrbach,
wo sich bereits seit Mitte des 19.Jahrhunderts eine kleine Zahl von Nudisten alljährlich in den
Sommerferien zusammenfindet.
Als der pubertierender Jaap Kool 1905 zunehmend mit dem preußisch-wilhelminischen Drill
seines Emdener Gymnasiums in Konflikt gerät, sind die Eltern ganz auf seiner Seite. Jaap
wird Internatschüler in der neu gegründeten, reformpädagogisch orientierten Schulgemeinde
Wickersdorf in Thüringen. Die internationale, konfessions- und staatsferne Einrichtung legt
ihren Schwerpunkt auf die künstlerische und musische Erziehung ihrer Zöglinge und setzt im
Wilhelminischen Kaiserreich auf provokante Neuheiten, wie Koedukation, Sexualkunde und
Schülermitbestimmung.
In musikalischer Hinsicht gerät Jaap Kool unter den Einfluß des in Wickersdorf als
Deutschlehrer beschäftigten Ernst Schertel. Der Verehrer der Dichtkunst Stefan Georges ist
zugleich Propagandist somnambuler Tanzformen, für die Schertel suggestive tonartlose
Musiken komponiert. Für ein aus Mitschülern zusammengesetztes Klavierquintett erprobt
sich Jaap Kool 1909 erstmalig selber als Tonsetzer.
Als Kool 1911 nach dem Abitur einigen seiner Mitschüler und Freunde zum Studium nach
Zürich folgt, belegt er neben Chemie seiner Neigung folgend das Fach Musikwissenschaft.
Zunächst beschert ihm das Züricher Nachtleben, das er reichlich auskostet, seinen ersten
Tripper. Zur musikalischen Offenbarung gerät für ihn die Schweizer Erstaufführung von
Strawinskys „Sacre du printemps“, der er auf einem billigen Stehplatz beiwohnt.
Einige Monate vor Ausbruch des 1.Weltkriegs brennt ein Großfeuer in Emden die Firma
seiner Vaters komplett nieder. Ohne die finanziellen Zuwendungen seiner Eltern sieht Jaap
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Kool sich gezwungen, sein Studium in Zürich abzubrechen. Die Schulgemeinde Wickersdorf,
aufgrund der allgemeinen deutschen Mobilmachung von Lehrermangel gebeutelt, bietet ihrem
holländischen Absolventen eine Aushilfsstelle als Musikerzieher der Unter- und Mittelstufe
an.
Mit Wilhelm Klatte, der am Stern´schen Conversatorium in Berlin Musiktheorie unterrichtet,
findet Jaap Kool einen Dozenten, der Kools bereits in Zürich begonnene Studie über die
„Tänze der Naturvölker“ als Magisterarbeit akzeptiert. 1921 erscheint die Arbeit als Buch.
Mit dem Ende des 1. Weltkriegs zieht Jaap Kool ganz nach Berlin, das sich in jener Zeit zum
Mekka des expressionistischen Ausdruckstanzes entwickelt. Für die Tänzerin Grit Hegesa
komponiert Kool 1919/20 etliche Klavierstücke und begleitet sie an diesem Instrument bei
ihren Auftritten. Gleichzeitig vertritt Kool in mehreren Zeitungsartikeln die Auffassung, dass
eine Modernisierung des Tanzes nur auf Grundlage einer neuartigen Musik möglich sei, die
sich vom Ballast klassischer und höfischer Ausdrucksformen befreit.
Jaap Kool und Grit Hegesa (1922)
Mit seinen unkonventionellen, afrikanische Rhythmik aufgreifenden Kompositionen, macht
sich Jaap Kool rasch einen Namen in der Berliner „Szene“. Die Nackttänzerin Anita Berber
bestellt eine Musik für einen Tanz mit einer lebensgroßen Männerpuppe. Mit Jaap Kools
musikalischer Pantomime „Die Flöhe“ nach einer Idee des Schriftstellers Frank Wedekind
wird am Kurfürstendamm der Gloria-Filmpalast eröffnet. Wenige Monate später gibt die
Ausdruckstänzerin Ellen Petz ihren Einstand als neue Ballettchefin der Dresdner Semperoper
mit einer Version von ETA Hoffmanns „Elixiere des Teufels“ zur Musik Jaap Kools.
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Der Industriellensohn, Literat und Kulturmanager Karl Vollmoeller, der in jener Zeit in einer
heftigen Liaison mit der jüdisch-polnischen Ausdruckstänzerin Lena Amsel verwickelt ist und
für seine Geliebte eine Tanzpantomime mit dem Titel „Die Schießbude“ ersonnen hat,
beauftragt Jaap Kool nun mit einer 45-minütigen Komposition, die rückblickend zum
wichtigsten Werk des neutönerischen Autodidakten werden soll.
Karl Vollmoeller
Kool vertont die kolportagenhaft gestrickte Jahrmarktsgroteske, für die Vollmoeller in einer
heute fast schon postmodern anmutenden Weise Elemente aus Wedekinds „Lulu“ und der
„Alraune“ von Hans Heinz Ewers mit Motiven aus Mary Shellys „Frankenstein“ und Carlo
Collodis „Pinocchio“ vermischt.
Drei Holzpuppen (ein Boxer, ein Jockey und eine Tänzerin) werden durch einen Unfall zum
Leben erweckt und von der geldgierigen Ehefrau ihres Schöpfers, einem gutmütigen
Schießbudenbesitzer, an einen reichen Kunstsammler verkauft. Doch unbeleckt von jeder
humanistischen Erziehung entwickelt sich das Puppentrio zu einem raubenden und
mordenden amoralischen Trio infernal. In Begleitung eines gezähmten Orang-UtanWeibchens versucht der Schießbudenbesitzer vergebens, seine aus dem Ruder gelaufenen
Geschöpfe wieder einzufangen. Er scheitert und wird selber am Ende wahnsinnig.
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Tänzerin Lena Amsel
Mit einem 10-köpfigen Darstellerensemble und einer 20-köpfigen Orchesterbesetzung gehört
„Die Schießbude“ eindeutig zu den personal- und kostenintensiven Varianten der Gattung
Pantomime. Trotzdem wird das Stück in den Folgejahren in den Katalog der Wiener
Universaledition aufgenommen und an insgesamt 7 Theatern auf den Spielplan gesetzt und
neu inszeniert.
Mit „Der Aufschrei“ und „Tänze der Nacht“ kreiert Jaap Kool Anfang 1924 für eine Matinee
in der Berliner Volksbühne zwei Musiken für die Truppe der Tanzlehrerin Jutta Klamt. Leni
Riefenstahl, der ehrgeizigen und umtriebigen Meisterschülerin von Jutta Klamt, gelingt es,
einen Mäzen zu finden, der Jaap Kool und Riefenstahl eine gemeinsame Studienreise nach
New York finanziert.
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Obwohl Jaap Kool bei seiner Rückkehr nach Deutschland bereits die ersten beiden Sätze
eines „Concerto grosso für Jazzorchester“ fertig gestellt hat, das die Grundlage für ein
gemeinsames urbanes Tanzpoem werden sollte, nehmen die Karrieren von Jaap Kool und
Leni Riefenstahl zwei sehr unterschiedliche Wendungen.
Die spätere Adolf-Hitler-Propagandistin Riefenstahl beendet nach einer Meniskusverletzung
ihre Tänzerinnenkarriere vorzeitig und wir als Schauspielerin zum Genrestar des deutschen
Bergfilms.
Jaap Kool lernt unterdessen den Selfmademan August Stauch kennen, der in Berlin nach
lukrativen Investitionsmöglichkeiten sucht. Stauch hatte noch vor dem 1. Weltkrieg in der
einstigen afrikanischen Kolonie Deutsch Südwest ein ergiebiges Diamantenfeld erschlossen
und mit den Edelsteinen Millionen verdient. Mit dem Ende der deutschen Vorherrschaft im
heutigen Namibia war Stauch seiner Claims jedoch verlustig gegangen und deshalb auf der
Suche nach einer neuen „Goldader.“
Diamantenschürfer August Stauch
Das Überschwappen der grassierenden Tanzwut von den Berliner Theaterbühnen auf die
Ballsäle und Vergnügungstempel, die immense Sehnsucht der Nachkriegsgesellschaft nach
Ekstase und den stampfenden Rhythmen der sogenannten „Wilden“ lassen bei Stauch die Idee
reifen, in Berlin ein Plattenlabel für Unterhaltungsmusik zu gründen, die „Vox-Schallplattenund Sprechmaschinen-AG“.
Bei der Besetzung des Programmchefs seiner neuen Firma setzt August Stauch auf Jaap Kool,
der mit seinen Fähigkeiten und seinen wachen Antennen für die Strömungen des Zeitgeists
genau der richtige Mann für den Job zu sein scheint.
Aktie der VOX AG
Plattenetikett des VOX-Labels
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In den nächsten beiden Jahren produziert Jaap Kool unzählige Aufnahmen von Berliner
Swing- und Jazzorchestern und spielt auch eigenen Kompositionen – eine Potpourri der
„Schiessbude“ und sein „Concerto grosso für Jazzband“ - für das neue Label ein. Darüber
hinaus erwirbt er zahlreiche Lizenzen u.s.-amerikanischer Musikaufnahmen, die dort auf
kleineren Labels erschienen sind und den Sprung „über den großen Teich“ eigenständig nicht
geschafft haben.
Der „schwarze Freitag“ des Jahres 1929 bereitet dem Höhenflug des Labels ein schlagartiges
Ende. Der Bankrott der VOX AG kostet Jaap Kool nicht nur seinen Job, sondern beraubt ihn
auch seiner finanziellen Rücklagen, die Kool optimistisch in Gesellschafteranteile der
Pleitefirma umgewandelt hatte.
Abermals wird das Wickersdorfer Internat zu Jaap Kools Rettungsanker. Erneut tritt er 1929
in den Schuldienst ein und wird ein Jahr später sogar Leiter der Einrichtung. Gleichzeitig
verfasst Jaap Kool in dieser Zeit seinen vermutlich wichtigsten Beitrag zur Musikgeschichte:
„Das Saxophon,“ für Kool Inbegriff und Ausgangspunkt einer Musik der Moderne, gilt bis
weit in die 70er-Jahre als profundeste Darstellung der Geschichte dieses Instrumentes.
Als nach der Machtergreifung der Nazis ein neues Gesetz Ausländern die Leitung von
öffentlichen Schulen untersagt, sieht sich Jaap Kool zum Rücktritt vom Chefposten der
Wickersdorfer Schulgemeinde gezwungen. Unentschlossen, wie es weitergehen soll, fährt
Kool mit seiner Verlobten, der tschechischen Tänzerin Asta Hajek, ins italienische Ascona in
die Sommerferien. Unterdessen erklingt in Berlin letztmalig die Musik der „Schiessbude“ im
Rahmen einer Veranstaltung des jüdischen Kulturbundes, der fälschlicherweise davon
ausgeht, Jaap Kool sei jüdischer Abstammung.
In Ascona trifft Jaap Kool den deutsch-jüdischen Schauspieler und Regisseur Kurt Gerron,
der nach seiner Flucht vor den Nazis mit einem Kabarettprogramm an der Hollandsche
Schouwburg in Amsterdam nahtlos an seine Berliner Erfolge als Komiker und „Tiger Brown“
in Brecht/Weills „Dreigroschenoper“ anknüpfen kann. Kool, weiterhin Gesellschafter in dem
als GmbH konzipierten Wickersdorfer Internat, lässt sich dort beurlauben und folgt Kurt
Gerron nach Amsterdam. Dort arrangiert er nicht nur etliche Musiken für Gerrons Kabarettprogramm, sondern gibt in dieser Zeit seinen Einstand als Filmkomponist, indem er mit „Het
mysterie van de Mondscheinsonate“ und dem holländisch-italienischen Märchenfilm „Drie
Wensen“ zwei Regiearbeiten seines neuen Mentors vertont.
Kurt Gerron
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Diesmal ist es das Lehrerkollegium des Internats, das Jaap Koop um die Rückkehr nach
Thüringen bittet. In seiner Abwesenheit zum Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt, soll er
helfen, die zunehmenden Versuche zu unterbinden, die internationale Reformschule der
Oberaufsicht der SS-Heimschulen zu unterstellen. Um Verbündete in der Auseinandersetzug
bemüht, steuert Jaap Kool im nah gelegenen Nationaltheater Weimar für einen dreiteiligen
Ballettabend eine musikalische Pantomime bei, die auf den Plakaten und Theaterzetteln mit
dem Titel „Ständetänze – nach Gemälden von Pieter Brueghel“ angekündigt wird.
Indem sich Jaap Kool in Weimar als holländischer Komponist präsentiert, dessen Werk das
einfache Bauernleben im Flandern der Renaissancezeit thematisiert, macht er sich auf
geschickte Weise unangreifbar für etwaige Heckenschützen, die seine Musik als undeutsch
und krankhaft denunzieren könnten.
Allerdings hat sich Jaap Kool am Weimarer Nationaltheater mit der Speerspitze nationalsozialistischer Musikideologie eingelassen. Intendant Hans Serverus Ziegler und sein
Generalmusikdirektor Paul Sixt sind die Hauptinitiatoren der unrühmlichen NS-PropagandaSchau „Entartete Musik“, die in der Nachfolge der ähnlich gelagerten Münchener „Entartete
Kunst“-Ausstellung gegen Jazz, Neger und Juden in der Tonkunst polemisiert, also gegen
alles, für das Jaap Kool in seinem bisherigen Wirken und Schreiben eingetreten ist.
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Jaap Kools historisierendes Flamenballett begeistert die beiden Nazifunktionäre jedoch so
sehr, das sie dem heim ins Reich gekehrten Holländer den Auftrag für eine neue Oper
vermitteln. Finanziert vom Kulturfonds der nationalsozialistischen Freizeitorganisation „Kraft
durch Freude“ komponiert Jaap Kool die heitere Oper „Die Schweinewette“. Die Premiere
des Bauernschwanks über drei Ferkelzüchter und deren Ehefrauen wird vom frisch zum Leiter
der Reichmusikkammer im Gau Thüringen beförderten Paul Sixt höchst persönlich dirigiert.
Es bleibt reine Mutmaßung, ob sich Jaap Kool die musikalische Werteskala seiner neuen
Gönner tatsächlich zu Eigen machte oder als eine Art Chamäleon von allen unbemerkt
lediglich erfolgreich parodierte.
Wie wenig seine Liaison mit dem nationalsozialistischen Kulturbetrieb letztendlich wert ist,
erfährt Jaap Kool kurz nachdem Hitlerdeutschland im Zuge des Frankreichfeldzugs die
Niederlande besetzt. Um die Wickersdorfer Reformschule endgültig gleichzuschalten, wird
Jaap Kool verhaftet und genötigt als Aufsichtsratsvorsitzender des Internats zurückzutreten,
seine Gesellschafteranteile für ein Bruchteil des Nominalwertes an lokale NS-Größen zu
veräußern und mit sofortiger Wirkung aus dem thüringischen Schuldienst auszuscheiden.
Noch am Tag seiner Freilassung setzt sich Jaap Kool in einen Zug nach Holland und bezieht
in Den Haag das Dienstbotenzimmer in der Wohnung seiner 76-jährigen Tante Ida. Sein
einstiger Mentor Kurt Gerron ist bereits ins KZ Theresienstadt deportiert. Asta Hajek, die
Jaap Kool noch in Deutschland geheiratet hat, wird die Einreise nach Holland aufgrund ihrer
tschechischen Staatsbürgerschaft verwehrt.
Zwei Monate nach seiner Ankunft in Holland erhält Jaap Kool Besuch von zwei Emissären
der „Nederlandsch-Duitsche Kultuurgemeenschap.“ Die obskure Lobbyistenorganisation
träumt von einem künftigen Großflandern, das an der Westflanke von Hitlers „Tausendjährigem Reich“ entstehen und sich über Holland, Luxemburg und die größten Teile Belgiens
erstrecken soll.
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Als gesellschaftliche Plattform und kulturelles Flagschiff zur Vermittlung ihrer nationalflämischen Ideen schwebt dem Honoratiorenclub die Gründung eines gastspielorientierten
Opernhauses vor. Mit Jaap Kool, dessen Werke – wie die Herren gelesen haben – sogar im
Nationaltheater Weimar aufgeführt werden, glauben sie, den geeigneten Mann für die
Opernleitung ausfindig gemacht zu haben.
Vermutlich weiß Jaap Kool, dass er es mit „Spinnern“ zu tun hat. Denn in Berlin ist es längst
ausgemachte Sache, dass die Niederlande nach einem siegreichen Kriegsende dem
großgermanischen Reich zugeschlagen werden. Andererseits duldet und fördert der von Hitler
eingesetzte Reichskommissar Seyß-Inquart die Aktivitäten der „ Kultuurgemeenschap,“ deren
Mitglieder zu den wenigen Niederländern gehören, die den deutschen Besatzern positiv
gegenüberstehen.
Jaap Kools Spielplangestaltung als Leiter von „De Kameropera“ erscheint weder anrüchig
noch tendenziös: Mozarts „Cosi fan tutte,“ Donizettis „Don Pasquale“ und „Der
Widerspenstigen Zähmung“ von Hermann Goetz. Die einzige Auftragskomposition des
Hauses, „Die Geschichte vom schönen Annerl“ nach einer Novelle von Clemens von
Brentano, vergibt Jaap Kool sogar mutig an den umstrittenen Neutöner Leo Justinus
Kaufmann; einen Elsässer Komponisten, gegen den während der Nazizeit zweimal ein
Berufsverbot verhängt, dann wieder aufgehoben worden ist.
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Andererseits nutzt die Kulturgemeinschaft den exklusiv organisierten Kartenvorverkauf für
die Aufführungen von „De Kameropera“ ungeniert für Mitgliederwerbung und Propaganda
in eigener Sache. Seyß-Inquarts Schergen und das mit Freikarten umworbene Offizierskorps
der deutschen Besatzer gehören zu den Stammgästen in „De Kameropera.“
Als die Alliierten Streitkräfte im Frühjahr 1945 in Holland immer weiter vorrücken, hält es
Jaap Kool für angebracht, heimlich seine Koffer zu packen und gen Deutschland zu fliehen.
Zu diesem Zweck plündert er nicht nur den Safe mit den Monatslöhnen seiner Angestellten,
sondern auch die kompletten Bankguthaben der Opernstiftung. Als holländische Polizisten
das Reisegepäck des offensichtlich übernervösen Grenzgängers überprüfen, finden sie 3,5
Millionen Reichsmark und Jaap Kool wird zur Klärung des Sachverhaltes umgehend
inhaftiert.
Der Gefängnisaufenthalt von Jaap Kool beschränkt sich zwar auf viereinhalb Monate. Doch
der doppelte Makel des Nazi-Kollaborateurs und betrügerischen Diebes verstellt ihm in der
Nachkriegszeit jede Fortsetzung seiner wechselvollen Karriere. Jaap Koop verdingt sich
zunächst als Barmusiker und eröffnet Anfang der 50er-Jahre in Den Haag ein kleines
Geschäft für Musikinstrumente. Von irgendwelchen Versuchen als Komponist, Arrangeur,
Orchesterleiter oder Musikmanager erneut Fuß zu fassen, ist nichts bekannt. Kurz bevor er
1959 im Alter von 68 Jahren an Leberzirrhose stirbt, übergibt er zwei Kartons mit vergilbtem,
ungeordnetem und lückenhaftem Notenmaterial an das Niederländische Musikarchiv.
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