Folien

Paulus und „seine“ Gemeinden:
Die korinthische Korrespondenz als Beispiel
§ Kommunikation zwischen Paulus und den Gemeinden durch
§ persönliche Besuche
§ Briefaustausch
§ Mitarbeiter, Kontaktpersonen, Boten
1. Korinth – die Stadt zwischen zwei Meeren
§ Günstige geographische Lage
„Bimaris Corinthus“: Lage an zwei Meeresbuchten
- im Norden: Golf von Korinth
- im Südosten: Saronischer Golf
Diolkos: Ziehweg zum Schiffstransport zwischen beiden
Meeren
Zwei Häfen
- im Norden: Lechaion
- im Südosten: Kenchräa
vgl. Röm 16,1
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§ Stadtgeschichte
Früheres Korinth 146 v.Chr. von den Römern zerstört
Zwischen 48 und 44 v.Chr. unter Caesar neu gegründet
27 v.Chr. Sitz des Statthalters der neu geschaffenen Provinz
Achaia
vgl. Apg 18: Gallio-Episode!
ca. 50.000-80.000 Einwohner
§ Handelszentrum
Aufgrund seiner optimalen geographischen Lage wurde
Korinth wichtiges Handelszentrum
Waren-Umschlagsplatz zwischen Ost und West
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§ Kultureller und ethnischer Schmelztiegel
Buntes Gemisch verschiedenster
Religionen und Nationalitäten
Kulturen,
Sprachen,
Bereits in der Antike sprichwörtlich schlechter Ruf:
griech. korinthiazesthai = zur Dirne gehen
§ Hellenistische Stadt
Vielzahl an Kulten und Tempeln
Agora mit Richterstuhl/Rednertribüne
griech. bçma
vgl. Apg 18,12!
Stadion, Theater, Burgberg (Akrokorinth)
Asklepiosheiligtum mit angeschlossenem „Tempellokal“
vgl. 1 Kor 8: Götzenopferfleisch
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2. Die Gemeinde von Korinth und der erste Aufenthalt des
Paulus
Erster Aufenthalt des Paulus auf der zweiten (= ersten
selbständigen) Missionsreise (ca. 50 n. Chr.)
Priska und Aquila
vgl. Apg 18,1f.
Zeltmacher
Möglichkeit für Paulus zu Gelderwerb und Missionstätigkeit
Bekehrung und Taufe einzelner Personen durch Paulus
Stephanas und sein Haus (vgl. 1 Kor 1,16)
1 Kor 16,15: „Erstlingsfrucht Achaias“
Krispus (vgl. 1 Kor 1,14; Apg 18,8)
Gaius (vgl. 1 Kor 1,14)
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Mission v.a. im Umfeld der Gottesfürchtigen
Gottesfürchtige = heidnische Sympathisanten des Judentums
Schwierigkeiten mit jüdischen Gemeinden
vgl. Apg 18: Anzeige beim Statthalter Gallio
Nach 18 Monaten Aufenthalt Abreise von Kenchräa nach
Ephesus
vgl. Apg 18,19
Größe der korinthischen Gemeinde
- kleine, überschaubare Gruppen (mit ca. 10-20 Personen)
- Treffen in Privathäusern: „Hausgemeinden“
vgl. Röm 16,23:
Gaius als Gastgeber
Gemeinde in Korinth
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der
ganzen
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Religiöse Sozialisation der Gemeindemitglieder:
- Heidenchristen dominierend
vgl. 1 Kor 12,2
- daneben Judenchristen
z.B. Aquila und Priska
- Gottesfürchtige
Titius Iustus
Soziale Schichtung der Gemeinde:
- Querschnitt durch die antike Stadtgesellschaft
- Vertreter der vermögenden Ober- und Mittelschicht
vgl. Röm 16,23: Stadtkämmerer Erastus
- Handwerker
- Lohnarbeiter
- Sklaven
- Freigelassene
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3. Die weitere Kommunikation nach dem Weggang des Paulus:
Die korinthische Korrespondenz
§ Mündlicher Nachrichtenaustausch durch Boten und Mitarbeiter
§ Schriftlicher Kontakt durch Briefaustausch
§ Fast alle Briefe des Paulus an die Korinther werden aus Ephesus
geschrieben (Ausnhame: Versöhnungsbrief)
3.1 Der Vorbrief des Paulus
vgl. 1 Kor 5,9-11:
9
Ich habe euch in meinem Brief ermahnt, dass ihr nichts mit
Unzüchtigen zu schaffen haben sollt.
10
Gemeint waren damit nicht alle Unzüchtigen dieser Welt oder alle
Habgierigen und Räuber und Götzendiener; sonst müsstet ihr ja
aus der Welt auswandern. 11 In Wirklichkeit meinte ich damit: Habt
nichts zu schaffen mit einem, der sich Bruder nennt und dennoch
Unzucht treibt, habgierig ist, Götzen verehrt, lästert, trinkt oder
raubt; mit einem solchen Menschen sollt ihr nicht einmal
zusammen essen.
§ Umstritten: Eventuell Reste dieses so genannten „Vorbriefes“ in 1
Kor erhalten, z.B. in 1 Kor 6,1-20; 9,1-18.24-27; 10,1-22; 11,2-34
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3.2 Der Fragebrief der Korinther
Anfragen der Korinther an Paulus
vgl. 1 Kor 7,1:
Nun zu den Anfragen eures Briefes …
Rückschlüsse auf Themen des korinthischen Fragebriefes
indirekt aus den Antworten des Paulus möglich
stereotype Einleitungsformel
„was aber (das Thema) … betrifft, …“
griech.: peri de …
1 Kor 7,1:
Thema Ehe und Ehescheidung
1 Kor 7,25: Thema Ehelosigkeit
1 Kor 8,1:
Thema Götzenopferfleisch
1 Kor 12,1: Thema Geistesgaben
1 Kor 16,1: Thema Kollekte
Boten eventuell Stephanas, Fortunatus und Achaikus
vgl. 1 Kor 16,17
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3.3 Der Antwortbrief des Paulus
Antwortbrief ist im Wesentlichen der kanonische 1 Kor
Antwort auf Anfragen der Korinther
Mündliche Informationen und Gerüchte
- anonyme Informationen (vgl. 1 Kor 5,1; 11,18)
- Informanten aus Korinth (z.B. 1 Kor 1,11: „Leute der Chloe“)
Informationsaustausch durch Boten
- Timotheus von Ephesus nach Korinth (vgl. 1 Kor 4,17)
- Apollos aus Korinth nach Ephesus (vgl. 1 Kor 16,12)
Reisepläne und Besuchsankündigung des Paulus
vgl. 1 Kor 16,1-9
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3.4 Veränderung in Korinth: Die Lage verschärft sich
Verschlechterung der Position des Paulus in Korinth
Auftreten von Wandermissionaren mit Empfehlungsschreiben
(vgl. 2 Kor 3,1)
- Kritik an Person des Paulus
- Zweifel am Apostolat und an der Autorität des Paulus
vgl. u.a. 2 Kor 10
Heftige
Verteidigung
durchschlagenden Erfolg
des
Paulus
offenbar
ohne
vgl. 2 Kor 11,5: „Lügen- und Überapostel“
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3.5 Der Zwischenbesuch in Korinth
vgl. 2 Kor 12,14:
Schon zum drittenmal will ich jetzt zu euch kommen, und ich werde euch
nicht zur Last fallen...
vgl. 2 Kor 13,1:
Das ist das dritte Mal, dass ich zu euch komme...
Versuch, durch persönliches Auftreten die Situation zu klären
Misserfolg: Eklat statt Versöhnung
Demütigung des Paulus
vgl. 2 Kor 2,5:
Wenn aber einer Betrübnis verursacht hat, hat er nicht mich betrübt,
sondern mehr oder weniger - um nicht zu übertreiben - euch alle...
vgl. 2 Kor 7,12:
Wenn ich euch also geschrieben habe, so tat ich es nicht, um den zu
treffen, der Unrecht getan hatte, auch nicht, um dem Recht zu
verschaffen, der Unrecht erlitten hatte, sondern ich tat es, damit euer
Eifer für uns sichtbar werde vor euch und vor Gott.
Rückkehr nach Ephesus
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3.6 Der Tränenbrief des Paulus
Weiterer Brief nach Korinth „aus großer Bedrängnis und
Herzensnot, unter vielen Tränen“ (2 Kor 2,4; vgl. auch 2 Kor
7,8)
„Tränenbrief“
im Wesentlichen mit 2 Kor 10-13 identisch
Überbringer:
Titus
vgl. 2 Kor 7,7f.
Abreise aus Ephesus nach Troas, um dort wieder auf Titus zu
treffen
Weiterreise nach Mazedonien
vgl. 2 Kor 2,12f.
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3.7 Der Versöhnungsbrief des Paulus
Treffen Paulus und Titus in Mazedonien
Koordinierte Maßnahme „Titus und Brief“ hatte Erfolg
vgl. 2 Kor 2,6: Bestrafung des Übeltäters in Korinth
vgl. 2 Kor 7,5-16: Korinther wieder hinter Paulus
Weiterer Brief an die Korinther in versöhnlichem Ton
„Versöhnungsbrief“
vgl. 2 Kor 7,16:
Ich freue mich, dass ich in jeder Hinsicht auf euch vertrauen kann.
Versöhnungsbrief im Wesentlichen mit 2 Kor 1-9 identisch
Überbringer: Titus
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Weiterreise des Paulus (Kollekte)
Erneuter (= dritter) Korinthbesuch des Paulus
vgl. Apg 20,1-3
Wiederhergestellte Eintracht
vgl. Röm: Im Römerbrief, den Paulus während dieses
letzten Korinthaufenthaltes verfasst, finden sich keinerlei
Hinweise auf noch bestehende Unstimmigkeiten in
Korinth.
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4. Fazit
§ 1 Kor und 2 Kor belegen, dass es mit Sicherheit mehr als die uns
vorliegenden, zwei kanonischen Korintherbriefe gegeben hat.
§ Insgesamt lassen sich mindestens vier Korintherbriefe des
Paulus festmachen:
(1) Vorbrief
(nicht erhalten/allenfalls fragmentarisch
in 1 Kor enthalten)
(2) Antwortbrief
(entspricht dem kanonischen 1 Kor)
(3) Tränenbrief
(entspricht 2 Kor 10-13)
(4) Versöhnungsbrief (entspricht 2 Kor 1-9)
§ Für 1 Kor müssen keine weitreichenden Teilungshypothesen
angenommen werden, die Mehrheit der ForscherInnen rechnet
mit der Einheitlichkeit des Schreibens.
Allenfalls kann man mit der Einarbeitung einiger Fragmente aus
dem Vorbrief (s.o. 4.1) und minimalen nach-paulinischen
Einschüben (1 Kor 14,33b-35) rechnen.
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§ Für 2 Kor sind Teilungshypothesen wahrscheinlicher zu machen:
These einer späteren Briefkombination aus Versöhnungsbrief
(Kapp.1-9) und Tränenbrief (Kapp. 10-13).
Hauptargument dafür: unterschiedlicher Tonfall zwischen beiden
Teilen
2 Kor 10-13: engagiert, teilweise fast aggressiv und scharf
2 Kor 1-9:
ruhiger, versöhnlicher Ton
„Der erste Korintherbrief ist situationsgebunden in einer Weise, wie
das bei kaum einer zweiten Schrift des Neuen Testaments der Fall
ist. Fast jede Zeile des Briefes nimmt Bezug auf direkte Fragen, auf
Unklarheiten, auf Missstände und Probleme, die in dieser überaus
lebendigen jungen Gemeinde aufgetaucht sind. Paulus treibt
Theologie im lebendigen Vollzug, in engster Bindung an eine
bestimmte Gemeinde und ihre besonderen Nöte.“
(H.J. Klauck, 1 Kor [NEB 7], Würzburg 42000, 5)
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