-1Bayerischer Assessorklausurenkurs 2016 A u f g a b e N r. 310 / Ö1 (AS-Bayern: RA H. Knemeyer) 02.01.2017 Auszug aus den Akten des Verwaltungsgerichts Augsburg – Az.: N 5 K 16.27 – _______________________________________________________________________________ Stadt Waldburg – Rechtsreferat – Postfach 1234 Waldburg, 09.09.2016 86120 Waldburg Mit Postzustellungsurkunde Herrn Ralf Rehberg Bahnhofstraße 24 86120 Waldburg Sicherung der Bauleitplanung Ausübung des Vorkaufsrechts für Grundstück Fl. Nr. 840, Gemarkung Salgenberg Die Stadt Waldburg erlässt folgenden Bescheid: Bei der Veräußerung des Grundstücks Fl. Nr. 840, Gemarkung Salgenberg, nimmt die Stadt Waldburg das ihr zustehende Vorkaufsrecht wahr. Begründung: Mit notariellem Kaufvertrag des Notars Dr. Dellmann vom 08.08.2016 haben Sie Ihr Grundstück Fl. Nr. 840, Gemarkung Salgenberg, an den Bauunternehmer Karl Kaiser veräußert. Herr Karl Kaiser will auf dem gesamten Grundstück bis zu einer Tiefe von fünf Metern Kies abbauen, davon vier Meter unter dem Grundwasserspiegel. Einen entsprechenden Antrag hat er bereits eingereicht. In dem Antrag ist vorgesehen, das Grundstück nach Abschluss des Kiesabbaus wieder zu verfüllen. Im Vorgriff auf seine Abbaupläne hat Herr Kaiser schon von dem ganzen Grundstück den Humus abschieben lassen und auf einem Nachbargrundstück gelagert. Am 17.08.2016 wurde der notarielle Kaufvertrag der Stadt Waldburg angezeigt. Die Grundstücke in der Umgebung des Grundstücks Fl. Nr. 840 werden fast ausschließlich landoder forstwirtschaftlich genutzt. Eine Kiesgrube befindet sich in der näheren Umgebung nicht. Das Grundstück Fl. Nr. 840 gehört zu den wenigen landwirtschaftlich besonders wertvollen Flächen im Stadtteil Salgenberg, der noch stark von landwirtschaftlichen Betrieben geprägt ist. Nach seiner Bodenzusammensetzung zeichnet sich das Grundstück als bevorzugte Ackerbaufläche aus. Ferner liegt das Grundstück innerhalb des Geltungsbereichs einer Landschaftsschutzverordnung. Das Grundstück Fl. Nr. 840 liegt im Bereich des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans Nr. 60 der Stadt Waldburg und der dazu erlassenen Vorkaufsrechtssatzung. Die Planziele des Bebauungsplans wurden vom Stadtrat bereits festgelegt. Der Bebauungsplanentwurf sieht für das -2- Grundstück Fl. Nr. 840, Gemarkung Salgenberg, eine landwirtschaftliche Nutzung vor. Dieser Verwendungszweck steht schon mit ausreichender Sicherheit fest, zumal das Grundstück im Landschaftsschutzgebiet liegt. Eine spätere förmliche Bauleitplanung wird damit also ernsthaft in Erwägung gezogen. Durch einen bei der Stadt Waldburg eingereichten Antrag des Grundstückserwerbers (Bauunternehmer Karl Kaiser) ist bekannt, dass dieses Grundstück zum Kiesabbau genutzt werden soll. Die Verwirklichung der geplanten Wiederverfüllung des Grundstücks muss angezweifelt werden, da nicht sichergestellt werden kann, dass in absehbarer Zeit ausreichend geeignetes Auffüllmaterial zur Verfügung steht. Somit ist zu befürchten, dass die Fläche längere Zeit oder für immer der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen wird. Die Stadt Waldburg beabsichtigt, das Grundstück weiterhin der landwirtschaftlichen Nutzung zur Verfügung zu stellen. Für die Ausübung des Vorkaufsrechts auf der Basis der städtischen Vorkaufsrechtssatzung sind somit die im Baugesetzbuch genannten Voraussetzungen gegeben. Daher wird das Vorkaufsrecht gem. § 28 Abs. 2 BauGB zum vereinbarten Kaufpreis ausgeübt. Grundlage ist ein entsprechender Beschluss des Stadtrats von Waldburg vom 29.08.2016. Hillermann Leiter des Stadtbauamts Stadt Waldburg Abdruck an Notar Dr. Dellmann Abdruck an Bauunternehmer Karl Kaiser (Rechtsbehelfsbelehrung) ________________________________________________________________________________________________________________________________________________ Sowohl der Verkäufer, als auch der Käufer wurden zuvor angehört. ________________________________________________________________________________________________________________________________________________ Der Beschluss des Stadtrats der Stadt Waldburg vom 29.08.2016 lautet: „Bei der Veräußerung des Grundstücks Fl. Nr. 840, Gemarkung Salgenberg, nimmt die Stadt Waldburg das ihr zustehende Vorkaufsrecht wahr.” Das Grundstück liegt im Gebiet der Stadt Waldburg (Landkreis Donau-Ries, Regierungsbezirk Schwaben), in welche die ehemalige Gemeinde Salgenberg am 01.05.1989 eingemeindet worden war. Es hat eine Größe von 13.720 qm und wurde bisher als Ackerland genutzt. Der Veräußerer Rehberg erhob keinerlei Bedenken gegen diesen Bescheid. ________________________________________________________________________________________________________________________________________________ -3- Ralf Rohlmann Rechtsanwalt Hauptstraße 1 86120 Waldburg Waldburg, 05.10.2016 An das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg Kornhausgasse 4 86152 Augsburg --------------------------VG Augsburg Eingang: 06.10.2016 --------------------------- In der Verwaltungsstreitsache Karl Kaiser, Mozartstraße 1, 86120 Waldburg – Prozessbevollmächtigter: Ralf Rohmann, – Kläger – gegen die Stadt Waldburg – vertreten durch den ersten Bürgermeister, – Beklagte – wegen Vorkaufsrechtsausübung zeige ich die Vertretung des Klägers an und erhebe unter Vorlage der auf mich lautenden Vollmacht, die diesem Schreiben als Anlage beigefügt ist, namens und im Auftrag des Klägers Klage gegen die Beklagte und beantrage zu erkennen: Der Bescheid der Beklagten vom 09.09.2016 wird aufgehoben. Begründung: Die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beklagte ist in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. Zum einen verstößt der angefochtene Bescheid gegen zwingende Formvorschriften der Bayerischen Gemeindeordnung, was die Ausübung des Vorkaufsrechts unwirksam macht. Auch inhaltlich war die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht gerechtfertigt. Dies ergibt sich schon daraus, dass in der Ausübung keinerlei Sinn erkennbar ist. Wegen des noch im Anfangsstadium befindlichen Planaufstellungsverfahrens ist keine hinreichende Plansicherheit erkennbar, die ein Vorkaufsrecht rechtfertigen könnte. Das Wohl der Allgemeinheit rechtfertigt hier das Vorkaufsrecht insbesondere deshalb nicht, weil der Bebauungsplanentwurf noch nicht gem. § 3 Abs. 2 BauGB öffentlich ausgelegt worden ist und deshalb noch eine viel zu große Planungsunsicherheit besteht. Auch die Landschaftsschutzverordnung vermittelt die erforderliche Planungssicherheit nicht; sie ist nämlich ungültig, weil die Landschaftsschutzkarte nicht mehr vorhanden ist. Einer etwaigen – von der Stadt unter Umständen befürchteten – festsetzungswidrigen Grundstücksnutzung könnte problemlos mit einer Veränderungssperre (§ 14 BauGB) begegnet werden. Es bedarf also nicht des Eigentumserwerbs durch die Stadt, um die künftigen Festsetzungen des zukünftigen Bebauungsplans zu sichern. -4- Im Übrigen soll das Grundstück ja sowieso später wieder verfüllt und landwirtschaftlich genutzt werden. Damit ist also nur eine planungsrechtlich unerhebliche Zwischennutzung angestrebt, denn nach sukzessivem Abbau und Wiederverfüllung kann das Grundstück erneut der beabsichtigten Nutzung (Landwirtschaft) zugeführt werden. Rohlmann Rechtsanwalt Anlage: Vollmacht Bescheid der Stadt Waldburg ________________________________________________________________________________________________________________________________________________ Stadt Waldburg – Rechtsreferat – Postfach 1234 Waldburg, 13.10.2016 86120 Waldburg An das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg Postfach 11 23 43 86048 Augsburg --------------------------VG Augsburg Eingang: 14.10.2016 --------------------------- Az. N 5 K 16.27 Verwaltungsstreitsache Karl Kaiser gegen die Stadt Waldburg wegen Vorkaufsrechtausübung In obiger Streitsache zeige ich unter Vorlage der als Anlage beigefügten Vollmacht die Vertretung der Stadt Waldburg an. Wir werden beantragen, die Klage abzuweisen. Zunächst weisen wir auf die vom ersten Bürgermeister eigenhändig unterschriebene und mit dessen Amtsbezeichnung versehene Erklärung vom 23.09.2016 hin, worin dieser die Ausübung des Vorkaufsrechts aus dem Bescheid vom 09.09.2016 vorsorglich genehmigte. Ferner melden wir Bedenken gegen die Zulässigkeit der allein vom Käufer erhobenen Anfechtungsklage an. (...). Außerdem weisen wir darauf hin, dass der Kläger bisher nicht dartun konnte, dass ihm genügende Mengen an grundwasserunschädlichem Verfüllgut zur Verfügung stehen. Deshalb ist das Ende des geplanten Kiesabbaus nicht verlässlich absehbar. Auch im Übrigen treten wir der Klagebegründung entgegen (...). Marion Menger Amtsleiterin Anlage (Vollmacht) ________________________________________________________________________________________________________________________________________________ -5- ________________________________________________________________________________________________________________________________________________ Der Veräußerer Ralf Rehberg wird durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg zu dem Verfahren beigeladen. ________________________________________________________________________________________________________________________________________________ In der am 14.11.2016 stattgefundenen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht wiederholten Kläger und Beklagte ihre schriftlich gestellten Anträge. Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass dem Stadtbauamt laut Geschäftsverteilungsplan, der vom ersten Bürgermeister am 29.05.2015 durch eigenhändige, mit der Amtsbezeichnung versehene Unterschrift ausgefertigt wurde, u.a. der verwaltungsmäßige Vollzug der Vorschriften über baurechtliche Vorkaufsrechte obliegt. Der Stadtrat hatte dem Geschäftsverteilungsplan zugestimmt. Neue Erkenntnisse erbrachte die mündliche Verhandlung im Übrigen nicht. Der im Bescheid vom 09.09.2016 erwähnte Bebauungsplan ist noch nicht rechtsverbindlich. Im Aufstellungsbeschluss des Stadtrats ist die Zielsetzung des Bebauungsplans wie folgt umschrieben: „Die Aufstellung des Bebauungsplans ist erforderlich, um das ungeordnete Nebeneinander unterschiedlicher Nutzungsarten wie Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Kiesabbau, Erholung, sonstige Bebauung usw. einer städtebaulichen Lenkung und Ordnung zuführen zu können. Als wesentlicher Aspekt ist neben der Regelung der Probleme, die sich aus dem Kiesabbau ergeben, die Sicherung der Existenzgrundlage der landwirtschaftlichen Betriebe durch die Festsetzung entsprechender Flächen anzusehen. Darüber hinaus soll die Planung dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern. Nutzungskonzept: - Flächen Auf folgenden Grundstücken in der Gemarkung Salgenberg ist der Kiesabbau mit anschließender Rekultivierung festzusetzen: Fl. Nr. ... - Flächen für die Forstwirtschaft Nachfolgend aufgeführte Flächen sind als Flächen für die Forstwirtschaft auszuweisen: Fl. Nr. ... - Flächen für die Naherholung Für die im Zusammenhang mit dem Kiesabbau entstandenen bzw. noch entstehenden Gewässer, die nicht wieder verfüllt werden sollen, sind, soweit nicht andere Belange entgegenstehen, Möglichkeiten der Einbeziehung in ein Naherholungskonzept zu untersuchen. - Flächen für Sportanlagen Die in der Gemarkung Salgenberg auf den Grundstücken mit den Fl. Nrn.. ... vorhandenen Sportanlagen sind zu sichern und Erweiterungsmöglichkeiten, die den künftigen Bedarf abdecken sollen, unter Einbeziehung des Grundstückes Fl. Nr. ... zu untersuchen. - Flächen für die Landwirtschaft Die übrigen Flächen sind als Flächen für die landwirtschaftliche Nutzung festzusetzen.” Der Aufstellungsbeschluss, der seinerzeit im Amtsblatt der Stadt Waldburg bekanntgemacht wurde, nennt alle Flurstücknummern des vorgesehenen Geltungsbereichs des Bebauungsplans. Das Grundstück Fl. Nr. 840 der Gemarkung Salgenberg war in den ersten vier Abschnitten des zitierten Nutzungskonzeptes nicht enthalten, so dass es unter den letzten Abschnitt (Flächen für die Landwirtschaft) fiel. Zu diesem Nutzungskonzept wurden die Behörden und Träger öffentlicher Belange gehört und eine vorzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt. Gegen die für das Grundstück Fl. Nr. 840 und dessen Umgebung vorgesehene Nutzung erhoben weder die Behörden oder sonstige Träger öffentlicher Belange noch die Bürger Bedenken bzw. Stellungnahmen. Das von der Stadt beauftragte Planungsbüro arbeitete einen Vorentwurf aus. Zu diesem Vorentwurf wurden wiederum Behörden und Öffentlichkeit angehört. Auch diese Anhörung brachte keine Stellungnahmen -6- bzw. Einwendungen gegen die Ausweisung des Grundstücks Fl. Nr. 840 als Fläche für die Landwirtschaft. Später stellte das Planungsbüro den überarbeiteten Vorentwurf fertig. Diesen billigte der Stadtrat von Waldburg mit einstimmigem Beschluss. Seither arbeitet das Planungsbüro an der Erstellung des endgültigen Entwurfs, der gem. § 3 Abs. 2 BauGB öffentlich ausgelegt werden soll. Zur Sicherung dieser Bauleitplanung hatte die Stadt Waldburg eine formell ordnungsgemäße Satzung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB erlassen. Der Geltungsbereich dieser Satzung deckt sich mit dem vorgesehenen Geltungsbereich des Bebauungsplans. ________________________________________________________________________________________________________________________________________________ Vermerk für den Bearbeiter: Die Entscheidung(en) des Verwaltungsgerichts ist (sind) zu fertigen. Der Tatbestand, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Streitwertfestsetzung sowie die Abfassung der Rechtsmittelbelehrung sind erlassen. Soweit ein Eingehen auf alle berührten Rechtsfragen für die gerichtliche Entscheidung nicht erforderlich erscheint, sind diese in einem Hilfsgutachten zu erörtern. Dem gesamten Fall ist das BauGB mit dem Stand der derzeitigen Ergänzungslieferung des Sartorius zugrunde zu legen. Vorschriften des Bayerischen Abgrabungsgesetzes sowie wasserrechtliche Vorschriften bleiben außer Betracht. Auf die Anlage wird hingewiesen. Anlage: Das Grundstück liegt innerhalb des Geltungsbereichs der Landschaftsschutzverordnung. Sie hat auszugsweise folgenden Wortlaut: „§ 1 Das nachstehend näher bezeichnete Gebiet im Bereich des Landkreises Donau-Ries wird mit dem Tage der Bekanntgabe dieser Anordnung dem Schutz des Naturschutzgesetzes (Landschaftsschutz) unterstellt. Das Gebiet wird begrenzt: Im Süden durch das nördliche Donauufer, im Westen durch die Bundesstraße 116, im Osten durch die Bahnlinie Waldburg-Maisach bis zur Donaubrücke und im Norden durch den an der Bundesstraße 116 zwischen dem Rüber-Hof und dem Hopfer-Hof in Richtung zur Bahnlinie fast rechtwinklig abzweigenden Graben. Es ist in der Landschaftsschutzkarte bei der Regierung von Schwaben in Augsburg mit grüner Farbe bezeichnet. §2 (1) Es ist verboten, innerhalb der in der Landschaftsschutzkarte durch farbige Umrahmung kenntlich gemachten Gebiete Veränderungen vorzunehmen, die geeignet sind, das Landschaftsbild oder die Natur zu beeinträchtigen. (2) Unter das Verbot fallen insbesondere ... f) die Anlage von Abschütthalden, Baggerbetrieben, Kies-, Sand- oder Lehmgruben und die Erweiterung bestehender Betriebe, soweit sie nicht für den gemeindlichen Bedarf benötigt werden.” Außer den Verboten in § 2 enthält die Verordnung keine Ge- oder Verbotsregelungen. Die Landschaftsschutzverordnung ist formell ordnungsgemäß zustande gekommen und zum 01.03.1992 in Kraft getreten. Die in der Verordnung erwähnte Landschaftsschutzkarte ist nicht mehr auffindbar. Der Regionalplan des Regionalverbandes Donau, der beschlossen und für verbindlich erklärt worden ist, weist das Grundstück Fl. Nr. 840 und seine Umgebung ebenfalls als besonders wertvolle, erhaltungswürdige Landschaft aus. Demzufolge sind in diesem Regionalplan für den fraglichen Bereich weder Vorrang- noch Vorbehaltsflächen für den Kiesabbau ausgewiesen. Ferner besteht für die Gemarkung Salgenberg ein rechtsverbindlicher Flächennutzungsplan der ehemaligen Gemeinde Salgenberg. Dieser Flächennutzungsplan sieht für das Grundstück Fl. Nr. 840 landwirtschaftliche Nutzung vor.
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