1 Feature / Hörspiel / Hintergrund Kultur Das Feature Im Gegenwind Der weltweite Kampf um Lohn und bessere Arbeitsbedingungen Autor: Caspar Dohmen Regie: Susanne Krings Redaktion: Karin Beindorff Produktion: DLF 2016 Erstsendung: Dienstag, 02.02.2016, 19.15 Uhr Wiederholung: Dienstag, 03.01.2017, 19.15 Uhr Sprecher: Autor: Michael Witte Sprecherin Sachtexte: Edda Fischer Übersetzer 1: Matthias Haase Übersetzer 2: Wolfgang Rüter Übersetzer 3: Matthias Ponnier Übersetzerin 1: Susanne Pätzold Übersetzerin 2: Katharina Schmalenberg Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © - unkorrigiertes Exemplar - 1 2 Atmo Werft, Krachender Stahl, Piepen Bagger, Meer, Stimmen Autor Der Schiffsfriedhof von Gadani, 50 Kilometer nordöstlich der pakistanischen Industriestadt Karachi am Arabischen Meer. Eine von drei Gegenden in Südasien, wo Ozeanriesen auf den Strand aufgesetzt und dann von Arbeitern zerlegt werden. Atmo Ende Atmo Gewerkschaftshütte, Handy, Zeitung, Gespräch, Autos Autor Am Rande des Geländes steht eine Holzhütte. Darauf flattert eine zerfetzte rote Fahne. Sand dringt durch die Ritzen ins Innere. Dort sitzen einige Aktivisten, lesen Zeitung, telefonieren, diskutieren. Nasir Mansoor berichtet mir von einem wilden Streik am Strand. OTon Nasir Mansoor So, in 2009 they organized a bigger strike over here. So all of 15.000 workers were on a strike. All? All. It's 11 kilometers. 154 yards are there, docks, yards are there. There is a wage issue, safety and health issues. And also other one drinking water, good canteen, like that, so these were the issues.(…)They come to negotiation with them and they raise the salaries and they make a commitment 40 percent wages. And they say okay, they promise to do something for the health and safety and a number of things. Übersetzer 1 2009 hatten sie hier einen großen Streik organisiert. Alle 15.000 Arbeiter waren im Streik. Alle. Es sind elf Kilometer. 154 Werften gibt es. Es ging um Löhne, Sicherheit und Gesundheit. Außerdem um Trinkwasser und Essen, das waren die Probleme. (…) Es kam zu Verhandlungen und die Unternehmer erhöhten die Löhne um 40 Prozent und versprachen, mehr für Gesundheit, Sicherheit und einige andere Dinge zu tun. Ansage: Im Gegenwind Der weltweite Kampf um Lohn und bessere Arbeitsbedingungen Ein Feature von Caspar Dohmen 2 3 Autor Nach diesem wilden Streik, sagt Mansoor, beschlossen Arbeiter die Gründung einer Gewerkschaft. O-Ton Nasir Mansoor They can't fight every day with the shipowners except they would found the union. So they started to found a union and they formed a union. Übersetzer 1 Sie können nicht Tag für Tag gegen die Schiffseigentümer kämpfen, es sei denn, sie gründen eine Gewerkschaft. Also bildeten sie eine Gewerkschaft. Autor Den Unternehmern seien sie natürlich ein Dorn im Auge gewesen. O-Ton Nasir Mansoor So the owners organize themselves and they give a bribe to the labor department, four million Rupees they give, to the administration, and they crashed the trade union. Übersetzer 1 Die Unternehmer organisierten sich ebenfalls. Sie bestachen die Arbeitsbehörde, sie zahlten den Behörden vier Millionen Rupien, und sie zerstörten die Gewerkschaft. Autor Die Beamten strichen die Gewerkschaft aus dem Register, erzählen Mansoor und seine Mitstreiter von der National Trade Union Federation. Die Beamten hätten ihnen gegenüber keinen Hehl daraus gemacht, dass sie geschmiert worden waren. O-Ton Nasir Mansoor Everybody in the labor department, they told us, that was happen. (…) There was a big pressure from the government and the military and also the administration to deregister the Union. Übersetzer 1 Jeder in der Arbeitsbehörde hat offen darüber gesprochen, was passierte. Es habe großen Druck von der Regierung, dem Militär und der Verwaltung gegeben, der Gewerkschaft die Genehmigung zu entziehen. 3 4 Atmo Werft ,Getöse Autor Die Niederlage einer kleinen Gewerkschaft. Doch Niederlagen häufen sich bei Gewerkschaften überall. Sprecherin: Von den weltweit 2,9 Milliarden Arbeitern und Angestellten sind nur 200 Millionen in einer freien Gewerkschaft organisiert: sieben von hundert. Autor: Gewerkschaften sind nicht nur in Ländern schwach, in denen Unternehmer sie mit Hilfe von Diktatoren unterdrücken, sie verlieren auch in alten Demokratien an Zugkraft. Sprecherin: In den Industrieländern sind 17 von hundert Beschäftigten organisiert, 1999 waren es noch 21 von hundert Beschäftigten. Der Machtverlust der Gewerkschaften ist laut Ökonomen des Internationalen Währungsfonds mitverantwortlich für die zunehmende Einkommenskluft zwischen Normalverdienern einerseits und Spitzenmanagern und Aktionären andererseits. Autor: Warum erodiert die Macht von Gewerkschaften? Welche Folgen hat dies für Beschäftigte? Wie beurteilen Gewerkschafter vor Ort ihre Lage? Auf der Suche nach Antworten habe ich drei Gewerkschafter in drei Ländern besucht: O-Ton Heiner Reimann Haben uns die ersten drei Monate selbst als Gewerkschaftsgeister bezeichnet, weil wir uns so gefühlt haben. Autor: Heiner Reimann ist ein Stratege: er hat sich an das schwierige Unterfangen gewagt, Beschäftigte des US-Konzerns Amazon in Deutschland zu organisieren. 4 5 O-Ton Sergio Chávez Lo que te dije de cero prueba de embarazo, no trabajo infantil, no hay mas trabajo castigos físicos. Entonces ha mejorado, pero no ha mejorado en dos cosas salarios que siguen siendo muy bajos y organización sindical, políticas antisyndicales de las empresas Übersetzer 2 Es gibt keine Schwangerschaftstests, keine Kinderarbeit, weniger gesundheitsgefährdende Arbeiten. Also gibt es Verbesserungen, aber in zwei Punkten hat sich nichts getan: Die Gehälter sind weiter sehr niedrig und es gibt eine anhaltend gewerkschaftsfeindliche Politik der Unternehmen. Autor In El Salvador habe ich den umsichtigen Sergio Chávez kennengelernt. Er musste als junger Mann wegen seiner Gewerkschaftstätigkeit aus El Salvador fliehen. Seit seiner Rückkehr deckt er dort Missstände in den Fabriken auf. Und in Pakistan habe ich Nasir Mansoor getroffen, der weiter für bessere Arbeitsbedingungen kämpft, trotz heftigem Gegenwind für Menschen, die sich in dem Land gewerkschaftlich organisieren wollen. O-Ton Nasir Mansoor We went to the high court, we say that they are trade unionists and there is a industrial dispute. So it can't be trial under the anti-terrorist-act. Übersetzer 1 Wir gingen zum Gericht und sagten, es seien Gewerkschafter und es gehe um einen Arbeitskonflikt. Der könne nicht unter dem Anti-Terrorist-Gesetz verhandelt werden. Autor Wer für Arbeitsrechte eintritt, riskiert vielerorts auf der Welt etwas: In fast jedem zweiten Land droht ihm willkürliche Verhaftung. Sprecherin: In sechs von zehn Ländern gibt es keine Tarifverhandlungen und in sieben von zehn Ländern sind Streiks verboten. Zu den zehn Ländern mit den meisten Verletzungen von Arbeitsrechten zählen Saudi Arabien, Kolumbien und Pakistan. 5 6 Autor: Um mir zu zeigen, wie wenig ein Arbeiter in Pakistan zählt, wollte mir Mansoor unbedingt den Alltag der mehr als zehntausend Arbeiter zeigen, die am Strand von Gadani Frachtschiffe zerlegen. Atmo Sirene Autor Am Morgen waren wir in Karachis Verkehrschaos losgefahren. Mansoor hatte einige Vorkehrungen getroffen, weil ausländische Besucher in Gadani unerwünscht sind. Erst wenige Tage vorher hatten Polizisten an den Kontrollposten ihm mit zwei Gewerkschaftern aus Korea und Japan die Durchfahrt versperrt. Das dürften sie eigentlich gar nicht, aber die Polizisten bekämen von den Entsorgungs-Unternehmern Geld zugesteckt, um den Besuch unerwünschter Leute zu verhindern, erzählt mir Mansoor. Atmo Wagen, Stimmen, Musik, Motorgeräusch, Wind Autor Wir steigen deswegen schon auf halber Strecke aus seinem in einen anderen Wagen um, ein Modell, mit dem sonst hier in der Gegend nur Geschäftsleute unterwegs sind. Ein Kollege hat den Wagen organisiert, Seiten- und Rückfenster verhängt. Es geht durch die Wüstenlandschaft der Provinz Belutschistan, an der Grenze zum Iran. Wir fahren unbehelligt an den Polizeiposten vorbei. Unsere Anspannung weicht. Ein Kamel wandert einsam umher, dann taucht hinter Sanddünen der Umriss eines Frachtschiffes auf, zum Greifen nah. Ein Schiff in der Wüste. Wenig später stehen wir inmitten von Schrott-Bergen. Atmo Getöse O-Ton Nasir Mansoor Very dangerous, so there is the asbestos, yes, there is the asbestos, harmful, okay, so a lot of people have a lungs problem there. So there are no precautionary measures about how to handle with the dangerous gases and with that kind of substances like asbestos. Übersetzer 1 Sehr gefährlich, es gibt Asbest. Eine Menge der Leute hier haben Lungenprobleme. Es 6 7 gibt keine Vorsichtsmaßnahmen, wie mit gefährlichen Gasen oder Substanzen wie Asbest umzugehen ist. Autor Mansoor umarmt staub- und ölverschmierte Arbeiter. Sie kennen sich seit dem großen Streik. Offen schildern die Arbeiter die Gefahren und das monotone Leben im Takt der Arbeit. Sieben Tage die Woche arbeiten sie, von montags bis samstags zwölf Stunden, sonntags sechs Stunden. O-Ton Nasir Mansoor So, you see, we are talking about the worse situation in a textile, but here is a more worse. Übersetzer 1 Wir haben über die schlimme Situation in der Textil-Industrie gesprochen, hier ist es noch viel schlimmer. Atmo Hütten, Wind, Stimmen, Meer, Werft, Baby Autor Naseeb Gul schlägt sich hier seit dreißig Jahren als Tagelöhner durch. Seine Familie besteht aus elf Personen. Sie hausen in drei Hütten, die er selbst gebaut hat, aus alten Holzplanken und Resopal, alles aus dem Abbau von Kajüten. Aufgereiht stehen in einer Ecke rote, gelbe, blaue und grüne Plastikkanister von Schiffen. Die Familie holt frühmorgens mit diesen Gefäßen Wasser am Brunnen. Ein Lächeln huscht über Guls zerfurchtes Gesicht als er von dem Streik erzählt. O-Ton Nasseb Gul und Nasir Mansoor Because of that strike the workers get some pride and respect from the contractors and the owners. Autor Der Streik habe den Unternehmern Respekt abgenötigt, sagt er. Allerdings sei die Polizei hart vorgegangen. Gul wurde verhaftet. Er konnte das Gefängnis nach einem Tag verlassen, andere blieben 17 Tage inhaftiert, einer sogar vier Monate. Manche Arbeiter auf dem Schrottplatz schützen sich mit einem um den Kopf geschlungenen Tuch vor dem Staub, dem Sand und der sengenden Sonne. Etwas bei uns 7 8 Selbstverständliches fehlt. O-Ton Naseeb Gul und Nasir Mansoor There is no helmet. No protection. Autor Es gibt keine Helme, keine Sicherheitsschuhe und Schutzbrillen nur für die Schweißer. Sie dürften sich nicht einmal selbst einen Helm kaufen, erzählt Gul, weil sie dann angeblich langsamer arbeiten würden. Er zieht seine kleine weiße Gebetsmütze vom Kopf. Er scheitelt mit der Hand sein schlohweißes Haar und zeigt mir eine Narbe auf dem Schädel. Bei der Arbeit war ihm ein Stück Eisen auf den Kopf gefallen. Mansoor übersetzt: O-Ton Naseeb Gul und Nasir Mansoor There was an injury in his head. Otherwise he was okay. There was an accident with the head. So, there were seven stitches. And after three days, when he got healed, so he was expelled from the job. Übersetzter 1 Er hatte eine Verletzung am Kopf. Sonst war er okay. Die Wunde wurde mit sieben Stichen genäht. Als Gul nach drei Tagen wieder auf den Beinen war, warf die Werft ihn raus. Autor Einen Arbeitsvertrag, der Rechte garantieren könnte, hat hier niemand. Andere hatten weniger Glück als Gul. Mansoor geht in die Hütte der Gewerkschaft zurück. Er öffnet die Schublade eines verstaubten Holztisches und nimmt einen Schnellhefter mit Unfallberichten heraus. O-Ton Nasir Mansoor On 15 October 2011 on Yard No 66, one worker Mehdi Asan, he was felt from the top of the ship in the evening. So, at that time, there was darkness, so his body was recovered on second day of ten o'clock at the evening and the doctor declared him dead. And doctor reported that his right shoulder was broken and his right eye was totally damaged. And than on 8th december – on yard No. 60 – one welder – Mahi Hudi - one big plate fell on him and he died on the spot, okay, because his head was totally smashed, so he died. 8 9 Übersetzter 1 Am 15. Oktober 2011 auf dem Abschnitt Nummer 66, stürzte ein Arbeiter, Mehdi Asan, am Abend vom Schiff herab. Um diese Zeit war es dunkel, so dass der Körper erst am nächsten Tag geborgen wurde. Der Arzt erklärte ihn für tot. Er berichtet, dass die rechte Schulter gebrochen und das rechte Auge völlig zerstört war. Am 8. Dezember – Abschnitt 60 – fiel einem Schweißer, Mahi Hudi, eine große Platte auf den Kopf und er starb vor Ort. Sein Kopf war zerschmettert. Atmo Nähen Autor Berüchtigt für die unerträglichen Arbeitsbedingungen sind die Textilfabriken in Entwicklungsländern, wo für Hungerlöhne für den reichen Westen gearbeitet wird. Ich möchte einen Eindruck von der Textilfabrik Umar Garments in Karachi gewinnen. Ein Gewerkschafter kann einem Journalisten hier keinen Zutritt verschaffen. Mein Türöffner ist Khawaja Murtaza Mashhooqullah, dessen Firma ‚Synergies Worldwide‘ zwischen Fabrikanten in Pakistan und Modefirmen und Händlern aus dem Westen Aufträge vermittelt. Im Tross gibt es eine Fabrikführung. 700 Männer und Frauen arbeiten hier. Der Chef heißt Khali -ur- Rehman Butt: O-Ton Khalid -ur- Rehman Butt We are Oekotex class 1 certified, means we can do the baby garments also. We got BCSI. Übersetzer 3 Wir sind zertifiziert nach Ökotex Klasse 1, was bedeutet, wir können auch Babykleidung produzieren. Wir haben das Zertifikat BSCI. Autor BSCI steht für Buisness Social Compliance Initiatve. Den Standard haben Unternehmen aus Europa vor Jahren freiwillig entwickelt. O-Ton Khalid -ur- Rehman Butt Every month we arrange some audit going on, from one customer to another customer. 9 10 Übersetzer 3 Jeden Monat haben wir irgendeine Auditfirma hier, von dem einen oder anderen Kunden. Autor Ich will wissen, ob es in der Fabrik eine Gewerkschaft gibt: O-Ton Khalid -ur- Rehman Butt We have normally not a trade union inside. Übersetzer 3 Wir haben keine Gewerkschaft hier drinnen. O-Ton Manager It's a decision of the employers. Autor Natürlich dürften die Arbeiter selbst entscheiden, ob sie eine Gewerkschaft gründen wollten oder ein Arbeiterkomitee, behauptet ein Manager. Der Fabrikbesitzer, ein hemdsärmliger Typ mit tiefen Augenringen, korrigiert ihn sofort: O-Ton Khalid -ur- Rehman Butt Works council you know. Normally the works council, the people are inside from the factory. And if you have a trade union, outside people come in, that is a big dangerous, you know. So that's we prefer, we educate our people to have a works council. Because we won't have any outside involvement in that. Übersetzer 3 Ein Betriebsrat setzt sich aus Personen aus der Fabrik zusammen. Gewerkschaften kommen von außen, das ist gefährlich. Wir erziehen unsere Leuten und sagen ihnen, dass sie einen Betriebsrat gründen sollen. Das ist uns lieber. Dann mischt sich niemand von außen ein. Autor Vereinigungsfreiheit ist ein Menschenrecht. Als der Textilarbeiter Khan Zarin dieses Recht wahrnahm, wurde er gemeinsam mit elf anderen Arbeitern verhaftet und angeklagt, als Terrorist. Mansoor hat den zwölf Arbeitern geholfen, ihnen einen Anwalt organisiert. Mit 10 11 Erfolg. Wenige Wochen nach dem Freispruch sitzt Zarin in dem Büro des Gewerkschafters. Der Raum ist ziemlich schmucklos, bis auf eine kleine Büste von Karl Marx. Zarin hat in seinen 38 Lebensjahren in 50 Fabriken gearbeitet, schätzt er. Die Ignoranz des Fabrikanten gegenüber Unfällen hat ihn wütend gemacht. O-Ton Khan Zarin und Nasir Mansoor So whenever there is a cut-off hand, fingers like that, nobody can pay to them. Autor Niemand sei entschädigt worden, wenn er sich bei der Arbeit einen Finger oder eine Hand abgeschnitten habe, berichten mir die beiden. Haufenweise Überstunden, verdrecktes Trinkwasser, schreiende Vorabreiter und niedrige Löhne kamen hinzu. Arbeiter gründeten zum eigenen Schutz eine Gewerkschaft. Doch bald gab es Gegenwind. O-Ton Khan Zarin und Nasir Mansoor When they put a pressure they also call all the union leaders in the governor house – the governor is the head of province of Sindh -, the employer and the governor house people. They put pressure on them, to withdrawn from the union and go away otherwise they will make them an example. Autor Er und die anderen Anführer der Gewerkschaft seien in das Haus des Gouverneurs der Provinz von Sindh bestellt worden, erzählt Zarin. Fabrikant und Beamte hätten sie gemeinsam unter Druck gesetzt. Sie sollten die Gewerkschaft verlassen und verschwinden. Anderenfalls würde ein Exempel statuiert. Als die Gewerkschafter nicht nachgaben, machten die Behörden ihre Drohung ernst. Sie verhafteten die zwölf Arbeiterführer. Sechs landeten für 55 Tage im Gefängnis - zwischen Mördern und Mitgliedern der Taliban. O-Ton Khan Zarin und Nasir Mansoor They were very much disturbed, because they were treated as criminals. Autor Die Männer seien sehr verstört gewesen, weil sie wie gewöhnliche Kriminelle behandelt wurden, übersetzt mir Nasir die Worte von Zahir. 11 12 O-Ton Nasir Mansoor So, one thing I want to share with you. When they were in jail, everything in the legal process was taking a long time. In the jail the same. Some fundamentalists, the Talibans, they make a contact with them, and they said, don't go in that way, you should join us. We just call from here and they will come to you and solve your problem. So, then they contacted us, we said no, we don't want that way. We are trade unionists, we want to fight the legal way. Übersetzer 1 Eine Sache möchte ich gerne noch hinzufügen. Als die Gewerkschafter im Gefängnis saßen, wurden sie von Fundamentalisten angesprochen, von Taliban. Die sagten zu den Arbeitern, sie sollten nicht auf diesem Wege weitermachen, sondern sich ihnen anschließen. Sie würden einfach einige Anrufe machen und ihre Probleme lösen. Darauf haben die Arbeiter uns kontaktiert. Wir sagten, nein, wir sind Gewerkschafter, wir wollen mit legalen Mitteln kämpfen. Autor Die zwölf Männer sind zwar wieder frei, finden aber keine Arbeit mehr. Die Fabriken schicken sie weg. Wer sich in Pakistan gewerkschaftlich organisiert, landet schnell auf einer schwarzen Liste. Das ist ein offenes Geheimnis. Atmo Straße Autor Sonntagnachmittag in Karachi auf der Straße zum Meer. Es herrscht reger Ausflugsverkehr. Der Ballungsraum Karachi ist etwa so groß wie das Saarland. Über die Einwohnerzahl gibt es keine gesicherten Angaben, 20 bis 25 Millionen sollen es sein. Nasir steuert seinen kleinen Wagen ruhig mit einer Hand durch die Stadt, während er mit der anderen immer wieder telefoniert und mir zwischendurch die Arbeitsbedingungen erklärt. O-Ton Nasir Mansoor So, more than 90 percent factories and especially in a textile sector about 95 percent workers don't have the appointment or a written contract letter. And also, they don't get their wages as monthly salaries in a written form, they just get by hand without any calculation. So, the reason is that, they don't give the workers any evidence about their relationship with the factory-management. 12 13 Übersetzer 1 In mehr als 90 Prozent der Fabriken und im Textilsektor sogar in mehr als 95 Prozent haben Arbeiter keine schriftlichen Arbeitsverträge. Und sie bekommen auch keine schriftliche Lohnabrechnung, sie bekommen das Geld bar auf die Hand ausgezahlt, ohne irgendeine Berechnung. Das macht das Management, damit die Arbeiter ihre Verbindung zu der Fabrik nicht beweisen können. Autor Arbeiter können ohne Vertrag kaum Lohn oder Entschädigung einklagen. Eine rechtsstaatliche, gesetzliche Absicherung von Arbeitsverhältnissen gibt es nicht. O-Ton Nasir Mansoor If the workers don't have the appointment letter, they can't form the union, they can't have a legal right to form the union. Übersetzer 1 Wenn die Arbeiter keinen Arbeitsvertrag haben, können sie keine Gewerkschaft gründen, dann haben sie dazu kein Recht. Autor Nasir Mansoor macht für mich einen Termin mit Karamat Ali aus, der vor mehr als 30 Jahren ein Institut für Arbeiterbildung namens Piler gegründet hatte. Atmo Bibliothek, Uhr, Stimmen, Flur, Ventilator Autor An der Wand der Bibliothek hängt ein Plakat gegen Atomenergie, im Regal stehen Bücher über die industrielle Revolution, die Gewerkschaftsbewegung und die Gesamtausgabe der Werke von Karl Marx. Karamat Ali gilt als einer der wenigen linken Intellektuellen im Land. Mit seinen weißen Haaren, seinem gütigen Gesichtsausdruck und seiner warmen Stimme wirkt er auf mich ein bisschen wie ein Priester. Er hat den Niedergang der Gewerkschaften in Pakistan erlebt. O-Ton Karamat Ali I think not more than ten percent of the total workforce has actually unhindered right to form 13 14 unions. We had for example in 1977/78 a unionization-level of like between 10 to 15 percent, today we have only one percent. Übersetzer 3 Ich glaube, dass heute nicht mehr als zehn Prozent aller Beschäftigten das uneingeschränkte Recht haben, eine Gewerkschaft zu gründen. Wir hatten beispielsweise 1977/78 einen gewerkschaftlichen Organisationsgrad von zehn bis 15 Prozent, heute liegt er bei nur noch einem Prozent. O-Ton Karamat Ali Than we make changes in the law on unionization. Earlier, we could form a union of our own choice, whether in a local factory or in a sector or in a city or a general, or industrial unions, like you have in Germany. We don't have that sort of possibility right now. You only form union in a single enterprise. Übersetzer 3 Früher konnten wir Gewerkschaften nach unserer Wahl formen, in einem lokalen Betrieb, einem Sektor, in einer Stadt oder in einer Branche wie bei Euch in Deutschland. Wir haben diese Möglichkeit heute nicht. Heute kann man eine Gewerkschaft einzig und allein in einem einzelnen Unternehmen bilden. Sprecherin: Es gibt mehr als 8000 Gewerkschaften in Pakistan, Autor: fast alle sind winzig und machtlos. Die herrschende Schicht sei sich trotz aller Differenzen in einem Punkt einig, sagt Ali. O-Ton Karamat Ali So they have to keep the workers unorganized and deeply unpoliticized. So that is a kind of very conscious strategy. I mean this is a strategy of the state, not of any particular government or one section or the other of the ruling elite, this is a kind of basic strategy. Übersetzer 3 Dass die Arbeiter unorganisiert und absolut unpolitisch zu halten sind. Das ist eine sehr bewusste Strategie, und zwar eine Strategie des Staates, nicht einer einzelnen Regierung oder eines Teils der führenden Eliten, das ist eine Art grundsätzliche Strategie. 14 15 Atmo Blechbläser; melancholische Musik Autor San Salvador, die Hauptstadt von El Salvador, dem kleinsten und am dichtesten bevölkerten Land Zentralamerikas. Atmo Stadt, Vögel, Autos, Stimmen Autor In einem etwas ruhigeren Viertel liegt das Büro von Sergio Chávez, es ist in einem kleinen Raum untergebracht. Gemeinsam mit Sonja Lara, einer ehemaligen Näherin, betreibt er das Institut Equipo de Investigación Laboral. Sie untersuchen die Arbeitsbedingungen in den Fabriken. Auftraggeber sind ausländische Nichtregierungsorganisationen oder Gewerkschaften. Ein Plakat aus dem Frederiksborg Museum erinnert Chávez an seine friedliche Zeit in Dänemark. Anfang der achtziger Jahre hatte er dort politisches Asyl erhalten. Als Chávez mit seinem Studium fertig war, bekam er eine Stelle bei einer Telekommunikationsfirma. O-Ton Sergio Chávez Entonces nosotros formamos allí un sindicato con una mezcla la de los sectores que trabajaron allí sector técnico, el sector servicios. Logramos formar un sindicato, muy muy fuerte.. Übersetzer 2 Damals gründeten wir eine Gewerkschaft, bei der alle Beschäftigte aus allen Bereichen mitgemacht haben, ob Techniker oder Servicekräfte. Es ist uns gelungen eine sehr sehr starke Gewerkschaft zu gründen. Autor In einem öffentlichen Unternehmen ging das. Doch bald gab es Gegenwind. Das Militär in El Salvador putschte sich 1979 an die Macht. Chávez Arbeitgeber entpuppte sich als geheimes Spionagezentrum der Armee. Atmo Radio, Moderator, Revolutionsparolen, Musik 15 16 Autor Die von den USA massiv unterstützte Militärjunta stürzte das Land 1981 in einen offenen Bürgerkrieg, dem mehr als 70.000 Menschen zum Opfer fiel. Rechte Todesschwadrone gingen gegen Oppositionelle vor – darunter viele Gewerkschafter. Zeitweise ermordeten rechte Paramilitärs im Schnitt vier Gewerkschafter täglich. Seine Genossen aus der Befreiungsbewegung FMLN warnten Chávez, er werde vom Geheimdienst beobachtet. O-Ton Sergio Chávez Entonces yo trabajaba con una organización del FMLN. Entonces me dijeron que mi situación ya era insostenible porque los militares andaban persiguiendo pero personas seleccionadas. Entonces me dieron un opción: O me iba la montanas o me iba al exterior. Übersetzer 2 Ich habe für eine Vereinigung der FMLN gearbeitet. Sie haben mir gesagt, dass meine Situation unhaltbar sei, weil das Militär ausgewählte Leute verfolgt habe. Sie sagten mir, ich hätte zwei Optionen: Entweder in die Berge zu gehen oder ins Ausland. Sprecherin: US-Firmen entdeckten damals in den 1980er-Jahren Mittelamerika als billige Werkbank für die Produktion von Textilien. Autor: Chávez hat in seinem Archiv gekramt und zu unserem Treffen alte Werbebroschüren mitgebracht, mit denen Firmen angelockt werden sollten. Die Rede ist von einer fiktiven Näherin. O-Ton Sergio Chávez Y aquí dice por ejemplo Rosa Martines, calidad, confiabilidad y muy industriosa y usted la pueda hire contratar por 57 Centavos la hora, pero como paresia muy caro unos meses después hicieron nuevos cálculos. Rosa Martines se podía contratar por 33 Centavos la hora. Übersetzer 2 Die Rede ist von Rosa Martinez, sie sei qualifiziert, vertrauenswürdig und sehr fleißig und arbeite für einen Stundenlohn von 57 US-Cent. Da das noch zu teuer erschien, habe man einige Monate später neue Berechnungen angestellt. Nun konnte man die Näherin für 33 US-Cent anstellen. 16 17 Atmo Bushaltestelle, Hupen, Busfahrer, Pfeifen, Verkehr, Stimmen, Musik Autor Dank niedriger Löhne läuft das Geschäft bis heute gut. 80.000 Menschen arbeiten in Textilfabriken. Schichtwechsel in einer Fabrik an einer Ausfallstraße der Hauptstadt. Hunderte Menschen strömen aus dem ummauerten Fabrikgelände. Sie wirken müde, Busse halten vor dem Werk, die Helfer der Fahrer schreien laut das Fahrziel. Eine Arbeiterin erzählt uns, sie verdiene gerade mal den Mindestlohn von 210 Dollar. O-Ton Arbeiterin 1 Hace mas cosas extras, por ejemplo a mi me gusto bastante negocio y el fin de semana que pastel y empanada, en-chillada para vender. Autor Sie müsse noch nebenher arbeiten, verkaufe am Wochenende Kuchen oder Teigtaschen. O-Ton Arbeiterin 2 La siete entre. Variado, pero mi sueldo y 78 Dólar. Autor Um sieben Uhr fange sie an, erzählt eine andere Arbeiterin. Sie verdiene 78 Dollar in zwei Wochen. Aber reicht das denn? O-Ton Arbeiterin 2 No, no. Autorin Aber ihr Freund verdiene mit. Zumindest einige schlimme Arbeitsrechtsverletzungen gebe es heute nicht mehr, sagt Sergio Chávez. O-Ton Sergio Chávez Lo que te dije de cero prueba de embarazos, no trabajo infantil, no hay mas trabajo castigos 17 18 físicos. Entonces ha mejorado, pero no ha mejorado en dos cosas salarios que siguen siendo muy bajos y organización sindical, políticas antisyndicales de las empresas. Übersetzer 2 Es gibt keine Schwangerschaftstests, keine Kinderarbeit, weniger gesundheitsgefährdende Arbeiten. Also gibt es Verbesserungen, aber in zwei Punkten hat sich nichts getan: Die Gehälter sind weiter sehr niedrig, und es gibt eine anhaltend gewerkschaftsfeindliche Politik der Unternehmen. Autor Als Chávez nach dem Ende des Bürgerkriegs 1991 zurück in seine Heimat kam, strömten mehr als eine halbe Milliarde Arbeitskräfte weltweit auf den globalisierten Arbeitsmarkt. Die Gewerkschaften gerieten überall mehr und mehr in die Defensive. Während die Unternehmen global agierten, wirkten die Gewerkschaften meist nur national beschränkt. Unternehmen konnten Belegschaften oft gegeneinander ausspielen oder durch Abwanderungsdrohungen ihren Willen durchsetzen. Im Laufe der Jahre gingen Millionen Jobs von gewerkschaftlich organisierten Arbeitern in Europa und den USA verloren. Neue Jobs bekamen Menschen in Zentralamerika, China, Indien, Bangladesch, Pakistan und vielen anderen Ländern, eben dort, wo die Gewerkschaften viel schwächer waren. Atmo Blechbläser Autor Das Büro von FEASIES, einem Dachverband für Gewerkschaften in El Salvador. Vier Gewerkschafter aus der Textilfabrik YoungOne sind gekommen. Ihr Arbeitgeber liefert Kleidung an die US-Firma The North Face, ein auch in Deutschland bekannter Hersteller von sog. Outdoorkleidung. Bei dem Zulieferer YoungOne habe sich die Lage der Arbeiter drastisch verschlechtert, erzählt mir der Arbeiter Gilberto Garcia. Früher hätten 45 Arbeiter, überwiegend Frauen, jede Stunde 23 Teile fertigen müssen, um den Mindestlohn zu erreichen. Heute müssten 20 Personen 33 Teile nähen, um das gleiche Geld zu bekommen. Der Akkord wurde auf einen Schlag fast verdreifacht. O-Ton Gilberto García Si se contaba con un sindicato ya existente de hace ocho anos, pero un sindicato que no ha hecho nada por la gente, verdad. 18 19 Autor Offiziell gibt es sogar eine Gewerkschaft: eine sog. gelbe Gewerkschaft, die nach der Pfeife des jeweiligen Unternehmers tanzt. Garcia beschloss eine freie Gewerkschaft zu gründen. O-Ton Gilberto Garcia Para constituir un sindicato general se requieren 35 personas. Autor Um eine Gewerkschaft zu gründen brauche man 35 Personen, sagt Garcia. Sprecherin: Bei YoungOne arbeiten in zwei Werken rund 1450 Menschen. Autor: Trotzdem ist es ziemlich schwierig 35 Arbeiter für eine Gründung zu gewinnen. Die Arbeit in den Maquillas mag schlecht bezahlt sein, aber es ist eine Arbeit. Jeder weiß hier, dass eine Beteiligung an einer Gewerkschaftsgründung den Rausschmiss bedeutet, wenn dem Chef das bekannt wird. Gewerkschaftsveranstaltungen finden deshalb klandestin statt. Man muss auch immer mit Spitzeln unter den Kollegen rechnen, erzählt Martha Zaldana. Sie leitet den Gewerkschaftsdachverband FEASIES. O-Ton Martha Zaldana Y hoy hemos votado muchas veces en que ni se conozcan entre si mientras por lo menos porque debe de a ver uno en este caso o una que es la que va mover en todo el contexto internamente pero que entre si no se conozcan mientras tanto organizamos mas concretamente. Autor Man spreche verschiedene Arbeiter unabhängig voneinander an. Die Arbeiter selbst erführen zunächst nicht, wer sonst noch in der Fabrik mitmacht. Das geschehe erst, wenn genügend Mitstreiter beisammen seien. Sie seien froh gewesen, als bei YoungOne sieben Leute zusammenkamen. Nun konnten sie immerhin als Mitarbeitervertretung auftreten, was ihnen einige wenige Rechte gibt. Trotzdem droht der Gruppe der Rausschmiss. Sonja Lara, die heute mit Chávez zusammen arbeitet, flog raus, weil sie sich weigerte, einer 19 20 gelben Gewerkschaft beizutreten. O-Ton Sonja Lara Entonces el sabia se dio cuenta que yo andaba también siempre activa con otras compañeras después de ser despedida siempre iba a visitar a las compañeras y a decir les que siempre se organizaran en un sindicato que solo así iban a lograr mejoras en la fabrica. Entonces el me llamo un día a la casa que me quería dar trabajo yo ya estaba trabajando con el comité.Entonces me dijo que me quería ver en un lugar pero a mi sola. No quería ver me en su oficina ni en un lugar publico. Había un lugar cerca de la zona franca que era solo. Entonces el quería ver me allí y ya de tarde. Yo le dije que yo estaba bien iba ir pero yo le conté a Sergio verdad lo que el me estaba diciendo. Entonces un compañero fuimos cerca del lugar para ver con quien iba y que pasaría o sea me pareció sospechoso que me quisiera ver a mi sola en un lugar solo. Y llegada la hora se acerco un vehículo iban dos hombres atrás iban también dos vigilantes de la zona franca. Pienso que iban armados también. Iba también el señor, el jefe el dueño de la fabrica. Entonces como no me vio que yo estaba allí se fue y regreso dos veces al mismo lugar. Übersetzerin 2 Dann merkte der Chef, dass ich weiterhin aktiv war und meine Kolleginnen getroffen habe. Ich habe ihnen geraten, sich frei gewerkschaftlich zu organisieren, weil nur so Verbesserungen in der Fabrik zu erreichen wären. Eines Tages bekam ich Zuhause einen Anruf von dem Geschäftsführer, damals arbeitete ich schon für das Komitee. Er sagte, er wolle mich treffen, alleine. Er wollte mich nicht in seinem Büro oder einem öffentlichen Ort treffen. Es gab einen einsamen Ort in der Nähe der Freihandelszone. Er wollte mich dort treffen, spät. Ich sagte mir ginge es gut, ich würde kommen, erzählte davon aber Sergio. Er riet mir mit einem Kollegen gemeinsam dorthin zu fahren. Dann fuhren ich und ein Kollege in die Nähe des Treffpunktes, um zu beobachten, wer kommen würde, da das Ganze mir verdächtig vorkam. Zur vereinbarten Stunde näherte sich ein Wagen, vorne saßen zwei Männer, hinten zwei Sicherheitsleute aus der Freihandelszone. Ich glaube, sie waren bewaffnet. Der Chef, der Besitzer, war auch dabei. Weil ich nicht da war, fuhr er weg, aber kam noch zwei Mal wieder. Autor Auch die Zusammenarbeit von Fabrikbesitzern mit der Mafia ist nicht selten. Da fordern bewaffnete Bandenmitglieder vor der Fabrik organisierte Arbeiter auf, sofort ihre Gewerkschaftsarbeit zu beenden. Andere erhielten Anrufe, in denen gedroht wurde, ihnen 20 21 oder ihren Kinder etwas anzutun. Atmo Radio Sprecherin: 2009 gewann die FMLN die Parlamentswahlen und Mitte 2014 wurde Sánchez Cerén, ein ehemaliger Guerillakämpfer, zum Präsidenten gewählt. Die Arbeitsministerin ist eine Frauenrechtlerin. Autor Der Chefinspektor für die Fabrikkontrollen ist jetzt Jorge Bolaños. Wegen gewerkschaftlicher Aktivitäten war Bolaños von seinem früheren Arbeitgeber selbst vor Gericht gezerrt worden. O-Ton Jorge Bolaños Si creo que este gobierno ha compensado hace las cosas como vente ser. Porque en contramos una historia nosotros yo soy claramente que este gobierno digamos en el tiempo que tiene son seis anos este ha compensado al saldar esta ayuda. Que en el pasado, verdad, avenida cargando este esparcimiento digno este ha este margin de impunidad en que la todo de derecho.. Autor Früher hätten die Arbeitgeber nach Gutdünken Leute bezahlt oder entlassen und Gesetze regelmäßig ignoriert, erzählt Bolanos. Die jetzige Regierung sei die erste in der Geschichte El Salvadors, die sich um die Arbeiter kümmere. Heute trauten sich Arbeiter zumindest Verletzungen ihrer Rechte anzuzeigen. 19.000 Meldungen habe es in den vergangenen sieben Monaten gegeben. Das Ministerium habe dafür ein Callcenter eingerichtet. Doch Verbesserungen seien zäh. Denn im Parlament verfügt die rechte Arena-Partei immer noch über eine knappe Mehrheit. O-Ton Jorge Bolaños Buena. Hay precionas todas partes directas o indirectas. Autor Es gebe eine Menge Drohungen, direkt und indirekt, erzählt Bolaños. Die Inspektoren in 21 22 den Fabriken bekämen ständig zu hören, dass sie niemals mehr eine Stelle in der Privatwirtschaft bekommen würden, wenn sie nach einem Regierungswechsel die Behörde verlassen müssten. Oft würden sie von Mitgliedern der gelben Gewerkschaften beschimpft. Atmo Foyer Stimmen Autor Gegenwind spüren Gewerkschafter seit der Reagan/Thatcher-Aera auch in den Industrieländern immer heftiger. Wilma Liebmann hat die Behörde geleitet, die über die Einhaltung von Arbeitsstandards in den USA wacht, heute lehrt sie an verschiedenen US-Universitäten. Im Oktober 2015 hielt sie einen Vortrag bei der IG-Metall in Frankfurt. Sie führte ein Video vor. Atmo Video Autor Nikki Haley, die republikanische Gouverneurin des US-Bundesstaates South-Carolina wettert gegen Gewerkschaften. Man bekämpfe die Gewerkschaften jeden Tag. Mit Erfolg. Sprecherin: In South Carolina sind nur zwei von hundert Beschäftigten organisiert. O-Ton Wilma Liebmann Some people talk about unions as being basically un-American, contrary to a competitive, capitalist society. (…) We have a long history of anti-unionism as an ideology but it was also a function of economic rationality. As their competitors became non-union, companies didn't want to be unionized. So, it's a complicated dynamic of changing economy, deregulation of industries, globalization of industries, and companies looking for flexibility, so that the ownership of capital became more distant from the workers, and they engaged in all kinds of arrangements that made employment relationships more fragile, more precarious and made it harder for unions to organize them as industries. . 22 23 Übersetzerin 1 Manche Leute halten Gewerkschaften für grundsätzlich unamerikanisch, für einen Widerspruch zu einer wettbewerbsorientierten, kapitalistischen Gesellschaft. (...) Wir haben eine lange Geschichte der Gewerkschaftsfeindlichkeit als Ideologie, aber sie entspringt auch einer ökonomischen Rationalität. Firmen wollen keine Gewerkschaften zulassen, wenn die Konkurrenz auch keine hat. Es ist eine komplizierte Dynamik von einer sich verändernden Wirtschaft, Deregulierung, Globalisierung der Industrie und Unternehmen, die flexibler sein wollen, weswegen sich eine größere Distanz zwischen den Kapitaleigentümern und Arbeitern entwickelt. Atmo Halle, Musik, Stimmen Autor Bad Hersfeld in Hessen. In der Schilde-Halle haben sich im Advent 2014 mehr als 500 Arbeiter von Amazon versammelt. Es wird gestreikt. Die Stimmung ist gut. Was für ein Kontrast zu den Tagen im Februar 2011, als der Gewerkschaftssekretär Heiner Reimann hier mit Beschäftigten ins Gespräch kommen wollte. Amazon hatte ihm und einem Kollegen den Zutritt zu den Kantinen erlaubt: O-Ton Heiner Reimann Wenn man freudestrahlend auf Menschen zugelaufen ist und war erkennbar als Gewerkschafter, dass die Menschen ganz schnell aus dem Fenster geguckt haben, an die Decke, oder irgendwo anders hin, auf jeden Fall uns nicht angeguckt haben und eine Riesenangst hatten, mit uns überhaupt gesehen zu werden, in diesem übersichtlichen Raum. Und haben uns die ersten drei Monate selbst als Gewerkschaftsgeister bezeichnet, weil wir uns so gefühlt haben. Autor Aber Reimann ist ein sog. „Organizer“. So heißen Spezialisten, die Verdi Zugang zu neuen Betrieben verschaffen sollen. Sprecherin: Die Dienstleistungsgewerkschaft hat seit 2001 ein Viertel ihrer Mitglieder verloren. Jetzt 23 24 gehören ihr noch gut zwei Millionen Menschen an. Auch die anderen Gewerkschaften haben Mitglieder verloren. Autor: Gründe gibt es einige: Strukturwandel und Abwanderung von Betrieben kann man den Gewerkschaften nicht ankreiden. Aber die Gewerkschaften kümmerten sich fast ausschließlich um ihr Kernklientel, also fest angestellte Arbeiter in Traditionsbranchen. Sie vernachlässigten Arbeitslose, Zeitarbeiter, Geringverdiener und andere Menschen mit sogenannten atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Davon gab es immer mehr in Deutschland. Wenn sich neue Wirtschaftszweige etablieren, dann blieben die klassischen Gewerkschaften zumeist draußen, ob bei Internetfirmen oder den Betreibern von Windkraftanlagen. Atmo Streikhalle Autor Heiner Reimann war zwölf Jahre Betriebsrat bei Ikea und studierte nebenbei Jura. Den Einsatz in Bad Hersfeld hatte er genau geplant. Neun Monate wohnte er mit einem Kollegen in derselben WG vor Ort. Oft hätten sie bis spät in die Nacht die Arbeit vom Tag durchgesprochen und Ideen entwickelt. Ohne den Einsatz der beiden Spezialisten wären die 79 Amazon-Beschäftigten, die Anfang 2011 bei Verdi in Bad Hersfeld Mitglied waren, nicht in der Lage gewesen einen Streik zu organisieren. Heute sind mehr als 1000 der 3000 Beschäftigten organisiert. Christian Krähling war einer der Ersten: O-Ton Christian Krähling Was mich eben daran stört ist, dass es nicht mitbestimmt ist. Wir würden gerne darüber mitbestimmen. Wir erbringen die Leistungen und dementsprechend würden wir gerne mitbestimmen auch über Lohnhöhe, über sonstige Leistungen. O-Ton Heiner Reimann Es wird natürlich in unserem Beisein immer wieder betont, dass es ein Grundrecht ist zu streiken, dass es ein Grundrecht ist, einer Vereinigung wie einer Gewerkschaft 24 25 anzugehören. Das wird natürlich alles erwähnt in unserem Beisein. Aber wir kriegen natürlich auch sehr viele Berichte von unseren Mitgliedern, wenn wir nicht dabei sind, wie dann damit umgegangen wird bzw. wie dann argumentiert wird und da sieht das Bild ganz anders aus. Autor Andere Mitarbeiter bei Amazon werfen Verdi dagegen vor, aus Eigennutz zu handeln, weil man zahlende Mitglieder werben wolle. O-Ton Heiner Reimann Dass ein Amazon-Mitarbeiter auf die Nachricht in den Medien, dass Amazon in Polen drei Werke aufmachen wird, damit gedroht hat, beim nächsten Streik, den Streikenden die Beine zu brechen, hat es eine Beschwerde von Verdi-Mitgliedern beim Management gegeben, dass das Management doch bitte seine eigenen Worte, nämlich Respekt und Fairness und Toleranz auszuüben auch in der Firma Amazon umsetzen sollte. Daraufhin haben sie die lapidare Antwort bekommen, so wurde mir berichtet, man solle das sportlich nehmen. O-Ton Armin Cossmann Also die Geschichte habe ich selbst nicht erlebt, kann auch dazu nichts sagen, nicht kommentieren. Autor Armin Cossmann ist Geschäftsführer an den Amazon-Standorten in Leipzig und Bad Hersfeld. O-Ton Armin Cossmann Dass der eine oder andere Kollege bei einer Anzahl im vierstelligen Bereich vielleicht das ein oder andere Mal, sagen wir mal, über die Stränge schlägt, mag ich nicht ausschließen. Aber das ist jetzt kein großes Thema. Autor Die Angst vor Entlassung ist aber in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und prekärer 25 26 Arbeitsverhältnisse sehr wohl ein großes Thema für die Beschäftigten. O-Ton Heiner Reimann Diese Ängste kann ich den Leuten nicht wirklich nehmen. Ich kann zwar juristisch argumentieren, dass das keine Auswirkungen haben darf, aber diese unbestimmte Angst, dass das ohne irgendwo Erwähnung zu finden, dann doch der ausschlaggebende Moment ist, die ist aus meiner Sicht berechtigt. Atmo Halle Autor Die Angst ist bei den Streikenden in der Schilde-Halle spürbar. Nach den kämpferischen Reden und viel Beifall, wird gefragt, wer als Streikposten mitmacht. Atmo Bitte gebt mal Handzeichen. Autor Keine Hand geht hoch. Atmo Leute, das kann es doch nicht sein. Also einen, zwei, drei, vier, fünf, höre ich ein weiteres Angebot, sechs, wir brauchen acht. Zwei bräuchten wir noch. Das kann doch nicht sein. Leute wir kämpfen doch alle zusammen, da müssen wir mitziehen. Atmo Demo Autor Rund 200.000 Menschen demonstrieren an einem Samstag im Oktober 2015 in Berlin gegen das Freihandelsabkommen TTIP. Aufgerufen haben 35 Organisationen, darunter die Gewerkschaften. DGB-Chef Rainer Hoffmann war einer der Hauptredner bei der Abschlusskundgebung im Schatten der Siegessäule. 26 27 O-Ton Rainer Hoffmann/Atmo Fordern wir zusammen mit den amerikanischen Gewerkschaften kein Freihandelsabkommen ohne Anerkennung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation. Jeder Mensch muss das Recht haben, einer Gewerkschaft beizutreten. O-Ton Wilma Liebmann America will export it's low wage strategy to Europe. And I think that's the legitimate fear of European trade unions that our lower labor standards will be exported. Übersetzerin 1 Amerika könnte die Niedriglohnstrategie nach Europa exportieren, und meiner Meinung nach ist das eine berechtigte Furcht der europäischen Gewerkschaften. Atmo Strand, Wellen, Stimmen, Strandautos Autor An einem Sonntagabend bin ich mit Nasir Mansoor am Strand von Karachi, so wie tausende andere Menschen. Manche reiten auf Kamelen, andere flitzen mit motorisierten Fahrzeugen über den Sand. Mittendrin stapft Mansoor durch das flache Wasser und erzählt, wie für ihn persönlich als junger Mann eine Welt zusammengebrochen sei, als die Sowjetunion kollabierte. Wie ihm sei es vielen Gewerkschaftern in Pakistan gegangen, die damals eigentlich auf eine Revolution im eigenen Land warteten. Viele seiner Weggefährten hätten sich damals ins Private zurückgezogen, manche hätten NGOs gegründet, einige hätten sich der Religion zugewandt. Mansoor blieb auf seinem Weg. Wir fahren in die Stadt zurück: O-Ton Nasir Mansoor So, whenever I go to my comrades in the village side. When I come back I don't sleep two or three days just imagine of their live and whatever our life. Autor Jedes Mal, wenn er von einem Treffen mit seinen Kameraden auf dem Lande zurückkomme, erzählt er mir, habe er schlaflose Nächte. Ihm gehe dann die unglaubliche Armut der Landarbeiter durch den Kopf. Er selbst lebe in einer Wohnung mit Strom und 27 28 Wasser, solche Dinge könnten sich die Landarbeiter nicht einmal im Traum vorstellen. Erst seit kurzem dürfen sich Landarbeiter in einer Provinz des Landes gewerkschaftlich organisieren. Mansoor hat ihnen bei der Gründung geholfen. Musik Absage: Im Gegenwind Der weltweite Kampf um Lohn und bessere Arbeitsbedingungen Ein Feature von Caspar Dohmen Sie hörten eine Produktion des Deutschlandfunks 2016. Es sprachen: Michael Witte, Edda Fischer, Matthias Haase, Wolfgang Rüter, Matthias Ponnier, Susanne Pätzold und Katharina Schmalenberg Ton und Technik: Ernst Hartmann und Roman Weingardt Regie: Susanne Krings Redaktion: Karin Beindorff 28
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