Der weltweite Kampf um Lohn und bessere

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Feature / Hörspiel / Hintergrund Kultur
Das Feature
Im Gegenwind
Der weltweite Kampf um Lohn und bessere Arbeitsbedingungen
Autor: Caspar Dohmen
Regie: Susanne Krings
Redaktion: Karin Beindorff
Produktion: DLF 2016
Erstsendung: Dienstag, 02.02.2016, 19.15 Uhr
Wiederholung: Dienstag, 03.01.2017, 19.15 Uhr
Sprecher:
Autor: Michael Witte
Sprecherin Sachtexte: Edda Fischer
Übersetzer 1: Matthias Haase
Übersetzer 2: Wolfgang Rüter
Übersetzer 3: Matthias Ponnier
Übersetzerin 1: Susanne Pätzold
Übersetzerin 2: Katharina Schmalenberg
Urheberrechtlicher Hinweis
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©
- unkorrigiertes Exemplar -
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Atmo Werft, Krachender Stahl, Piepen Bagger, Meer, Stimmen
Autor
Der Schiffsfriedhof von Gadani, 50 Kilometer nordöstlich der pakistanischen Industriestadt
Karachi am Arabischen Meer. Eine von drei Gegenden in Südasien, wo Ozeanriesen auf
den Strand aufgesetzt und dann von Arbeitern zerlegt werden.
Atmo Ende
Atmo Gewerkschaftshütte, Handy, Zeitung, Gespräch, Autos
Autor
Am Rande des Geländes steht eine Holzhütte. Darauf flattert eine zerfetzte rote Fahne.
Sand dringt durch die Ritzen ins Innere. Dort sitzen einige Aktivisten, lesen Zeitung,
telefonieren, diskutieren. Nasir Mansoor berichtet mir von einem wilden Streik am Strand.
OTon Nasir Mansoor
So, in 2009 they organized a bigger strike over here. So all of 15.000 workers were on a strike.
All?
All. It's 11 kilometers. 154 yards are there, docks, yards are there. There is a wage issue, safety
and health issues. And also other one drinking water, good canteen, like that, so these were the
issues.(…)They come to negotiation with them and they raise the salaries and they make a
commitment 40 percent wages. And they say okay, they promise to do something for the health
and safety and a number of things.
Übersetzer 1
2009 hatten sie hier einen großen Streik organisiert. Alle 15.000 Arbeiter waren im Streik.
Alle. Es sind elf Kilometer. 154 Werften gibt es. Es ging um Löhne, Sicherheit und
Gesundheit. Außerdem um Trinkwasser und Essen, das waren die Probleme. (…) Es kam
zu Verhandlungen und die Unternehmer erhöhten die Löhne um 40 Prozent und
versprachen, mehr für Gesundheit, Sicherheit und einige andere Dinge zu tun.
Ansage:
Im Gegenwind
Der weltweite Kampf um Lohn und bessere Arbeitsbedingungen
Ein Feature von Caspar Dohmen
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Autor
Nach diesem wilden Streik, sagt Mansoor, beschlossen Arbeiter die Gründung einer
Gewerkschaft.
O-Ton Nasir Mansoor
They can't fight every day with the shipowners except they would found the union. So they started
to found a union and they formed a union.
Übersetzer 1
Sie können nicht Tag für Tag gegen die Schiffseigentümer kämpfen, es sei denn, sie
gründen eine Gewerkschaft. Also bildeten sie eine Gewerkschaft.
Autor
Den Unternehmern seien sie natürlich ein Dorn im Auge gewesen.
O-Ton Nasir Mansoor
So the owners organize themselves and they give a bribe to the labor department, four million
Rupees they give, to the administration, and they crashed the trade union.
Übersetzer 1
Die Unternehmer organisierten sich ebenfalls. Sie bestachen die Arbeitsbehörde, sie
zahlten den Behörden vier Millionen Rupien, und sie zerstörten die Gewerkschaft.
Autor
Die Beamten strichen die Gewerkschaft aus dem Register, erzählen Mansoor und seine
Mitstreiter von der National Trade Union Federation. Die Beamten hätten ihnen gegenüber
keinen Hehl daraus gemacht, dass sie geschmiert worden waren.
O-Ton Nasir Mansoor
Everybody in the labor department, they told us, that was happen. (…) There was a big pressure
from the government and the military and also the administration to deregister the Union.
Übersetzer 1
Jeder in der Arbeitsbehörde hat offen darüber gesprochen, was passierte. Es habe großen
Druck von der Regierung, dem Militär und der Verwaltung gegeben, der Gewerkschaft die
Genehmigung zu entziehen.
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Atmo Werft ,Getöse
Autor
Die Niederlage einer kleinen Gewerkschaft. Doch Niederlagen häufen sich bei
Gewerkschaften überall.
Sprecherin:
Von den weltweit 2,9 Milliarden Arbeitern und Angestellten sind nur 200 Millionen in einer
freien Gewerkschaft organisiert: sieben von hundert.
Autor:
Gewerkschaften sind nicht nur in Ländern schwach, in denen Unternehmer sie mit Hilfe
von Diktatoren unterdrücken, sie verlieren auch in alten Demokratien an Zugkraft.
Sprecherin:
In den Industrieländern sind 17 von hundert Beschäftigten organisiert, 1999 waren es noch
21 von hundert Beschäftigten. Der Machtverlust der Gewerkschaften ist laut Ökonomen
des Internationalen Währungsfonds mitverantwortlich für die zunehmende
Einkommenskluft zwischen Normalverdienern einerseits und Spitzenmanagern und
Aktionären andererseits.
Autor:
Warum erodiert die Macht von Gewerkschaften? Welche Folgen hat dies für Beschäftigte?
Wie beurteilen Gewerkschafter vor Ort ihre Lage? Auf der Suche nach Antworten habe ich
drei Gewerkschafter in drei Ländern besucht:
O-Ton Heiner Reimann
Haben uns die ersten drei Monate selbst als Gewerkschaftsgeister bezeichnet, weil wir
uns so gefühlt haben.
Autor:
Heiner Reimann ist ein Stratege: er hat sich an das schwierige Unterfangen gewagt,
Beschäftigte des US-Konzerns Amazon in Deutschland zu organisieren.
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O-Ton Sergio Chávez
Lo que te dije de cero prueba de embarazo, no trabajo infantil, no hay mas trabajo castigos físicos.
Entonces ha mejorado, pero no ha mejorado en dos cosas salarios que siguen siendo muy bajos y
organización sindical, políticas antisyndicales de las empresas
Übersetzer 2
Es gibt keine Schwangerschaftstests, keine Kinderarbeit, weniger
gesundheitsgefährdende Arbeiten. Also gibt es Verbesserungen, aber in zwei Punkten hat
sich nichts getan: Die Gehälter sind weiter sehr niedrig und es gibt eine anhaltend
gewerkschaftsfeindliche Politik der Unternehmen.
Autor
In El Salvador habe ich den umsichtigen Sergio Chávez kennengelernt. Er musste als
junger Mann wegen seiner Gewerkschaftstätigkeit aus El Salvador fliehen. Seit seiner
Rückkehr deckt er dort Missstände in den Fabriken auf.
Und in Pakistan habe ich Nasir Mansoor getroffen, der weiter für bessere
Arbeitsbedingungen kämpft, trotz heftigem Gegenwind für Menschen, die sich in dem Land
gewerkschaftlich organisieren wollen.
O-Ton Nasir Mansoor
We went to the high court, we say that they are trade unionists and there is a industrial dispute. So
it can't be trial under the anti-terrorist-act.
Übersetzer 1
Wir gingen zum Gericht und sagten, es seien Gewerkschafter und es gehe um einen
Arbeitskonflikt. Der könne nicht unter dem Anti-Terrorist-Gesetz verhandelt werden.
Autor
Wer für Arbeitsrechte eintritt, riskiert vielerorts auf der Welt etwas: In fast jedem zweiten
Land droht ihm willkürliche Verhaftung.
Sprecherin:
In sechs von zehn Ländern gibt es keine Tarifverhandlungen und in sieben von zehn
Ländern sind Streiks verboten. Zu den zehn Ländern mit den meisten Verletzungen von
Arbeitsrechten zählen Saudi Arabien, Kolumbien und Pakistan.
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Autor:
Um mir zu zeigen, wie wenig ein Arbeiter in Pakistan zählt, wollte mir Mansoor unbedingt
den Alltag der mehr als zehntausend Arbeiter zeigen, die am Strand von Gadani
Frachtschiffe zerlegen.
Atmo Sirene
Autor
Am Morgen waren wir in Karachis Verkehrschaos losgefahren. Mansoor hatte einige
Vorkehrungen getroffen, weil ausländische Besucher in Gadani unerwünscht sind. Erst
wenige Tage vorher hatten Polizisten an den Kontrollposten ihm mit zwei Gewerkschaftern
aus Korea und Japan die Durchfahrt versperrt. Das dürften sie eigentlich gar nicht, aber
die Polizisten bekämen von den Entsorgungs-Unternehmern Geld zugesteckt, um den
Besuch unerwünschter Leute zu verhindern, erzählt mir Mansoor.
Atmo Wagen, Stimmen, Musik, Motorgeräusch, Wind
Autor
Wir steigen deswegen schon auf halber Strecke aus seinem in einen anderen Wagen um,
ein Modell, mit dem sonst hier in der Gegend nur Geschäftsleute unterwegs sind. Ein
Kollege hat den Wagen organisiert, Seiten- und Rückfenster verhängt. Es geht durch die
Wüstenlandschaft der Provinz Belutschistan, an der Grenze zum Iran. Wir fahren
unbehelligt an den Polizeiposten vorbei. Unsere Anspannung weicht. Ein Kamel wandert
einsam umher, dann taucht hinter Sanddünen der Umriss eines Frachtschiffes auf, zum
Greifen nah. Ein Schiff in der Wüste. Wenig später stehen wir inmitten von Schrott-Bergen.
Atmo Getöse
O-Ton Nasir Mansoor
Very dangerous, so there is the asbestos, yes, there is the asbestos, harmful, okay, so a lot of
people have a lungs problem there. So there are no precautionary measures about how to handle
with the dangerous gases and with that kind of substances like asbestos.
Übersetzer 1
Sehr gefährlich, es gibt Asbest. Eine Menge der Leute hier haben Lungenprobleme. Es
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gibt keine Vorsichtsmaßnahmen, wie mit gefährlichen Gasen oder Substanzen wie Asbest
umzugehen ist.
Autor
Mansoor umarmt staub- und ölverschmierte Arbeiter. Sie kennen sich seit dem großen
Streik. Offen schildern die Arbeiter die Gefahren und das monotone Leben im Takt der
Arbeit. Sieben Tage die Woche arbeiten sie, von montags bis samstags zwölf Stunden,
sonntags sechs Stunden.
O-Ton Nasir Mansoor
So, you see, we are talking about the worse situation in a textile, but here is a more worse.
Übersetzer 1
Wir haben über die schlimme Situation in der Textil-Industrie gesprochen, hier ist es noch
viel schlimmer.
Atmo Hütten, Wind, Stimmen, Meer, Werft, Baby
Autor
Naseeb Gul schlägt sich hier seit dreißig Jahren als Tagelöhner durch. Seine Familie
besteht aus elf Personen. Sie hausen in drei Hütten, die er selbst gebaut hat, aus alten
Holzplanken und Resopal, alles aus dem Abbau von Kajüten. Aufgereiht stehen in einer
Ecke rote, gelbe, blaue und grüne Plastikkanister von Schiffen. Die Familie holt
frühmorgens mit diesen Gefäßen Wasser am Brunnen. Ein Lächeln huscht über Guls
zerfurchtes Gesicht als er von dem Streik erzählt.
O-Ton Nasseb Gul und Nasir Mansoor
Because of that strike the workers get some pride and respect from the contractors and the
owners.
Autor
Der Streik habe den Unternehmern Respekt abgenötigt, sagt er. Allerdings sei die Polizei
hart vorgegangen. Gul wurde verhaftet. Er konnte das Gefängnis nach einem Tag
verlassen, andere blieben 17 Tage inhaftiert, einer sogar vier Monate.
Manche Arbeiter auf dem Schrottplatz schützen sich mit einem um den Kopf
geschlungenen Tuch vor dem Staub, dem Sand und der sengenden Sonne. Etwas bei uns
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Selbstverständliches fehlt.
O-Ton Naseeb Gul und Nasir Mansoor
There is no helmet. No protection.
Autor
Es gibt keine Helme, keine Sicherheitsschuhe und Schutzbrillen nur für die Schweißer. Sie
dürften sich nicht einmal selbst einen Helm kaufen, erzählt Gul, weil sie dann angeblich
langsamer arbeiten würden. Er zieht seine kleine weiße Gebetsmütze vom Kopf. Er
scheitelt mit der Hand sein schlohweißes Haar und zeigt mir eine Narbe auf dem Schädel.
Bei der Arbeit war ihm ein Stück Eisen auf den Kopf gefallen. Mansoor übersetzt:
O-Ton Naseeb Gul und Nasir Mansoor
There was an injury in his head. Otherwise he was okay. There was an accident with the head. So,
there were seven stitches. And after three days, when he got healed, so he was expelled from the
job.
Übersetzter 1
Er hatte eine Verletzung am Kopf. Sonst war er okay. Die Wunde wurde mit sieben Stichen
genäht. Als Gul nach drei Tagen wieder auf den Beinen war, warf die Werft ihn raus.
Autor
Einen Arbeitsvertrag, der Rechte garantieren könnte, hat hier niemand.
Andere hatten weniger Glück als Gul. Mansoor geht in die Hütte der Gewerkschaft zurück.
Er öffnet die Schublade eines verstaubten Holztisches und nimmt einen Schnellhefter mit
Unfallberichten heraus.
O-Ton Nasir Mansoor
On 15 October 2011 on Yard No 66, one worker Mehdi Asan, he was felt from the top of the ship in
the evening. So, at that time, there was darkness, so his body was recovered on second day of ten
o'clock at the evening and the doctor declared him dead. And doctor reported that his right
shoulder was broken and his right eye was totally damaged. And than on 8th december – on yard
No. 60 – one welder – Mahi Hudi - one big plate fell on him and he died on the spot, okay, because
his head was totally smashed, so he died.
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Übersetzter 1
Am 15. Oktober 2011 auf dem Abschnitt Nummer 66, stürzte ein Arbeiter, Mehdi Asan, am
Abend vom Schiff herab. Um diese Zeit war es dunkel, so dass der Körper erst am
nächsten Tag geborgen wurde. Der Arzt erklärte ihn für tot. Er berichtet, dass die rechte
Schulter gebrochen und das rechte Auge völlig zerstört war. Am 8. Dezember – Abschnitt
60 – fiel einem Schweißer, Mahi Hudi, eine große Platte auf den Kopf und er starb vor Ort.
Sein Kopf war zerschmettert.
Atmo Nähen
Autor
Berüchtigt für die unerträglichen Arbeitsbedingungen sind die Textilfabriken in
Entwicklungsländern, wo für Hungerlöhne für den reichen Westen gearbeitet wird. Ich
möchte einen Eindruck von der Textilfabrik Umar Garments in Karachi gewinnen. Ein
Gewerkschafter kann einem Journalisten hier keinen Zutritt verschaffen. Mein Türöffner ist
Khawaja Murtaza Mashhooqullah, dessen Firma ‚Synergies Worldwide‘ zwischen
Fabrikanten in Pakistan und Modefirmen und Händlern aus dem Westen Aufträge
vermittelt. Im Tross gibt es eine Fabrikführung.
700 Männer und Frauen arbeiten hier. Der Chef heißt Khali -ur- Rehman Butt:
O-Ton Khalid -ur- Rehman Butt
We are Oekotex class 1 certified, means we can do the baby garments also. We got BCSI.
Übersetzer 3
Wir sind zertifiziert nach Ökotex Klasse 1, was bedeutet, wir können auch Babykleidung
produzieren. Wir haben das Zertifikat BSCI.
Autor
BSCI steht für Buisness Social Compliance Initiatve. Den Standard haben Unternehmen
aus Europa vor Jahren freiwillig entwickelt.
O-Ton Khalid -ur- Rehman Butt
Every month we arrange some audit going on, from one customer to another customer.
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Übersetzer 3
Jeden Monat haben wir irgendeine Auditfirma hier, von dem einen oder anderen Kunden.
Autor
Ich will wissen, ob es in der Fabrik eine Gewerkschaft gibt:
O-Ton Khalid -ur- Rehman Butt
We have normally not a trade union inside.
Übersetzer 3
Wir haben keine Gewerkschaft hier drinnen.
O-Ton Manager
It's a decision of the employers.
Autor
Natürlich dürften die Arbeiter selbst entscheiden, ob sie eine Gewerkschaft gründen
wollten oder ein Arbeiterkomitee, behauptet ein Manager. Der Fabrikbesitzer, ein
hemdsärmliger Typ mit tiefen Augenringen, korrigiert ihn sofort:
O-Ton Khalid -ur- Rehman Butt
Works council you know. Normally the works council, the people are inside from the factory. And if
you have a trade union, outside people come in, that is a big dangerous, you know. So that's we
prefer, we educate our people to have a works council. Because we won't have any outside
involvement in that.
Übersetzer 3
Ein Betriebsrat setzt sich aus Personen aus der Fabrik zusammen. Gewerkschaften
kommen von außen, das ist gefährlich. Wir erziehen unsere Leuten und sagen ihnen, dass
sie einen Betriebsrat gründen sollen. Das ist uns lieber. Dann mischt sich niemand von
außen ein.
Autor
Vereinigungsfreiheit ist ein Menschenrecht. Als der Textilarbeiter Khan Zarin dieses Recht
wahrnahm, wurde er gemeinsam mit elf anderen Arbeitern verhaftet und angeklagt, als
Terrorist. Mansoor hat den zwölf Arbeitern geholfen, ihnen einen Anwalt organisiert. Mit
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Erfolg. Wenige Wochen nach dem Freispruch sitzt Zarin in dem Büro des
Gewerkschafters. Der Raum ist ziemlich schmucklos, bis auf eine kleine Büste von Karl
Marx. Zarin hat in seinen 38 Lebensjahren in 50 Fabriken gearbeitet, schätzt er. Die
Ignoranz des Fabrikanten gegenüber Unfällen hat ihn wütend gemacht.
O-Ton Khan Zarin und Nasir Mansoor
So whenever there is a cut-off hand, fingers like that, nobody can pay to them.
Autor
Niemand sei entschädigt worden, wenn er sich bei der Arbeit einen Finger oder eine Hand
abgeschnitten habe, berichten mir die beiden. Haufenweise Überstunden, verdrecktes
Trinkwasser, schreiende Vorabreiter und niedrige Löhne kamen hinzu. Arbeiter gründeten
zum eigenen Schutz eine Gewerkschaft. Doch bald gab es Gegenwind.
O-Ton Khan Zarin und Nasir Mansoor
When they put a pressure they also call all the union leaders in the governor house – the governor
is the head of province of Sindh -, the employer and the governor house people. They put pressure
on them, to withdrawn from the union and go away otherwise they will make them an example.
Autor
Er und die anderen Anführer der Gewerkschaft seien in das Haus des Gouverneurs der
Provinz von Sindh bestellt worden, erzählt Zarin. Fabrikant und Beamte hätten sie
gemeinsam unter Druck gesetzt. Sie sollten die Gewerkschaft verlassen und
verschwinden. Anderenfalls würde ein Exempel statuiert. Als die Gewerkschafter nicht
nachgaben, machten die Behörden ihre Drohung ernst. Sie verhafteten die zwölf
Arbeiterführer. Sechs landeten für 55 Tage im Gefängnis - zwischen Mördern und
Mitgliedern der Taliban.
O-Ton Khan Zarin und Nasir Mansoor
They were very much disturbed, because they were treated as criminals.
Autor
Die Männer seien sehr verstört gewesen, weil sie wie gewöhnliche Kriminelle behandelt
wurden, übersetzt mir Nasir die Worte von Zahir.
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O-Ton Nasir Mansoor
So, one thing I want to share with you. When they were in jail, everything in the legal process was
taking a long time. In the jail the same. Some fundamentalists, the Talibans, they make a contact
with them, and they said, don't go in that way, you should join us. We just call from here and they
will come to you and solve your problem. So, then they contacted us, we said no, we don't want
that way. We are trade unionists, we want to fight the legal way.
Übersetzer 1
Eine Sache möchte ich gerne noch hinzufügen. Als die Gewerkschafter im Gefängnis
saßen, wurden sie von Fundamentalisten angesprochen, von Taliban. Die sagten zu den
Arbeitern, sie sollten nicht auf diesem Wege weitermachen, sondern sich ihnen
anschließen. Sie würden einfach einige Anrufe machen und ihre Probleme lösen. Darauf
haben die Arbeiter uns kontaktiert. Wir sagten, nein, wir sind Gewerkschafter, wir wollen
mit legalen Mitteln kämpfen.
Autor
Die zwölf Männer sind zwar wieder frei, finden aber keine Arbeit mehr. Die Fabriken
schicken sie weg. Wer sich in Pakistan gewerkschaftlich organisiert, landet schnell auf
einer schwarzen Liste. Das ist ein offenes Geheimnis.
Atmo Straße
Autor
Sonntagnachmittag in Karachi auf der Straße zum Meer. Es herrscht reger
Ausflugsverkehr. Der Ballungsraum Karachi ist etwa so groß wie das Saarland. Über die
Einwohnerzahl gibt es keine gesicherten Angaben, 20 bis 25 Millionen sollen es sein.
Nasir steuert seinen kleinen Wagen ruhig mit einer Hand durch die Stadt, während er mit
der anderen immer wieder telefoniert und mir zwischendurch die Arbeitsbedingungen
erklärt.
O-Ton Nasir Mansoor
So, more than 90 percent factories and especially in a textile sector about 95 percent workers don't
have the appointment or a written contract letter. And also, they don't get their wages as monthly
salaries in a written form, they just get by hand without any calculation. So, the reason is that, they
don't give the workers any evidence about their relationship with the factory-management.
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Übersetzer 1
In mehr als 90 Prozent der Fabriken und im Textilsektor sogar in mehr als 95 Prozent
haben Arbeiter keine schriftlichen Arbeitsverträge. Und sie bekommen auch keine
schriftliche Lohnabrechnung, sie bekommen das Geld bar auf die Hand ausgezahlt, ohne
irgendeine Berechnung. Das macht das Management, damit die Arbeiter ihre Verbindung
zu der Fabrik nicht beweisen können.
Autor
Arbeiter können ohne Vertrag kaum Lohn oder Entschädigung einklagen. Eine
rechtsstaatliche, gesetzliche Absicherung von Arbeitsverhältnissen gibt es nicht.
O-Ton Nasir Mansoor
If the workers don't have the appointment letter, they can't form the union, they can't have a legal
right to form the union.
Übersetzer 1
Wenn die Arbeiter keinen Arbeitsvertrag haben, können sie keine Gewerkschaft gründen,
dann haben sie dazu kein Recht.
Autor
Nasir Mansoor macht für mich einen Termin mit Karamat Ali aus, der vor mehr als 30
Jahren ein Institut für Arbeiterbildung namens Piler gegründet hatte.
Atmo Bibliothek, Uhr, Stimmen, Flur, Ventilator
Autor
An der Wand der Bibliothek hängt ein Plakat gegen Atomenergie, im Regal stehen Bücher
über die industrielle Revolution, die Gewerkschaftsbewegung und die Gesamtausgabe der
Werke von Karl Marx. Karamat Ali gilt als einer der wenigen linken Intellektuellen im Land.
Mit seinen weißen Haaren, seinem gütigen Gesichtsausdruck und seiner warmen Stimme
wirkt er auf mich ein bisschen wie ein Priester. Er hat den Niedergang der Gewerkschaften
in Pakistan erlebt.
O-Ton Karamat Ali
I think not more than ten percent of the total workforce has actually unhindered right to form
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unions. We had for example in 1977/78 a unionization-level of like between 10 to 15 percent, today
we have only one percent.
Übersetzer 3
Ich glaube, dass heute nicht mehr als zehn Prozent aller Beschäftigten das
uneingeschränkte Recht haben, eine Gewerkschaft zu gründen. Wir hatten beispielsweise
1977/78 einen gewerkschaftlichen Organisationsgrad von zehn bis 15 Prozent, heute liegt
er bei nur noch einem Prozent.
O-Ton Karamat Ali
Than we make changes in the law on unionization. Earlier, we could form a union of our own
choice, whether in a local factory or in a sector or in a city or a general, or industrial unions, like
you have in Germany. We don't have that sort of possibility right now. You only form union in a
single enterprise.
Übersetzer 3
Früher konnten wir Gewerkschaften nach unserer Wahl formen, in einem lokalen Betrieb,
einem Sektor, in einer Stadt oder in einer Branche wie bei Euch in Deutschland. Wir haben
diese Möglichkeit heute nicht. Heute kann man eine Gewerkschaft einzig und allein in
einem einzelnen Unternehmen bilden.
Sprecherin:
Es gibt mehr als 8000 Gewerkschaften in Pakistan,
Autor:
fast alle sind winzig und machtlos. Die herrschende Schicht sei sich trotz aller Differenzen
in einem Punkt einig, sagt Ali.
O-Ton Karamat Ali
So they have to keep the workers unorganized and deeply unpoliticized. So that is a kind of very
conscious strategy. I mean this is a strategy of the state, not of any particular government or one
section or the other of the ruling elite, this is a kind of basic strategy.
Übersetzer 3
Dass die Arbeiter unorganisiert und absolut unpolitisch zu halten sind. Das ist eine sehr
bewusste Strategie, und zwar eine Strategie des Staates, nicht einer einzelnen Regierung
oder eines Teils der führenden Eliten, das ist eine Art grundsätzliche Strategie.
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Atmo Blechbläser; melancholische Musik
Autor
San Salvador, die Hauptstadt von El Salvador, dem kleinsten und am dichtesten
bevölkerten Land Zentralamerikas.
Atmo Stadt, Vögel, Autos, Stimmen
Autor
In einem etwas ruhigeren Viertel liegt das Büro von Sergio Chávez, es ist in einem kleinen
Raum untergebracht. Gemeinsam mit Sonja Lara, einer ehemaligen Näherin, betreibt er
das Institut Equipo de Investigación Laboral. Sie untersuchen die Arbeitsbedingungen in
den Fabriken. Auftraggeber sind ausländische Nichtregierungsorganisationen oder
Gewerkschaften.
Ein Plakat aus dem Frederiksborg Museum erinnert Chávez an seine friedliche Zeit in
Dänemark. Anfang der achtziger Jahre hatte er dort politisches Asyl erhalten. Als Chávez
mit seinem Studium fertig war, bekam er eine Stelle bei einer Telekommunikationsfirma.
O-Ton Sergio Chávez
Entonces nosotros formamos allí un sindicato con una mezcla
la de los sectores que trabajaron allí sector técnico, el sector servicios. Logramos formar un
sindicato, muy muy fuerte..
Übersetzer 2
Damals gründeten wir eine Gewerkschaft, bei der alle Beschäftigte aus allen Bereichen
mitgemacht haben, ob Techniker oder Servicekräfte. Es ist uns gelungen eine sehr sehr
starke Gewerkschaft zu gründen.
Autor
In einem öffentlichen Unternehmen ging das. Doch bald gab es Gegenwind. Das Militär in
El Salvador putschte sich 1979 an die Macht. Chávez Arbeitgeber entpuppte sich als
geheimes Spionagezentrum der Armee.
Atmo Radio, Moderator, Revolutionsparolen, Musik
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Autor
Die von den USA massiv unterstützte Militärjunta stürzte das Land 1981 in einen offenen
Bürgerkrieg, dem mehr als 70.000 Menschen zum Opfer fiel. Rechte Todesschwadrone
gingen gegen Oppositionelle vor – darunter viele Gewerkschafter. Zeitweise ermordeten
rechte Paramilitärs im Schnitt vier Gewerkschafter täglich. Seine Genossen aus der
Befreiungsbewegung FMLN warnten Chávez, er werde vom Geheimdienst beobachtet.
O-Ton Sergio Chávez
Entonces yo trabajaba con una organización del FMLN. Entonces me dijeron que mi situación ya
era insostenible porque los militares andaban persiguiendo pero personas seleccionadas.
Entonces me dieron un opción: O me iba la montanas o me iba al exterior.
Übersetzer 2
Ich habe für eine Vereinigung der FMLN gearbeitet. Sie haben mir gesagt, dass meine
Situation unhaltbar sei, weil das Militär ausgewählte Leute verfolgt habe. Sie sagten mir,
ich hätte zwei Optionen: Entweder in die Berge zu gehen oder ins Ausland.
Sprecherin:
US-Firmen entdeckten damals in den 1980er-Jahren Mittelamerika als billige Werkbank für
die Produktion von Textilien.
Autor:
Chávez hat in seinem Archiv gekramt und zu unserem Treffen alte Werbebroschüren
mitgebracht, mit denen Firmen angelockt werden sollten. Die Rede ist von einer fiktiven
Näherin.
O-Ton Sergio Chávez
Y aquí dice por ejemplo Rosa Martines, calidad, confiabilidad y muy industriosa y usted la pueda
hire contratar por 57 Centavos la hora, pero como paresia muy caro unos meses después hicieron
nuevos cálculos. Rosa Martines se podía contratar por 33 Centavos la hora.
Übersetzer 2
Die Rede ist von Rosa Martinez, sie sei qualifiziert, vertrauenswürdig und sehr fleißig und
arbeite für einen Stundenlohn von 57 US-Cent. Da das noch zu teuer erschien, habe man
einige Monate später neue Berechnungen angestellt. Nun konnte man die Näherin für 33
US-Cent anstellen.
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Atmo Bushaltestelle, Hupen, Busfahrer, Pfeifen, Verkehr, Stimmen, Musik
Autor
Dank niedriger Löhne läuft das Geschäft bis heute gut. 80.000 Menschen arbeiten in
Textilfabriken. Schichtwechsel in einer Fabrik an einer Ausfallstraße der Hauptstadt.
Hunderte Menschen strömen aus dem ummauerten Fabrikgelände. Sie wirken müde,
Busse halten vor dem Werk, die Helfer der Fahrer schreien laut das Fahrziel. Eine
Arbeiterin erzählt uns, sie verdiene gerade mal den Mindestlohn von 210 Dollar.
O-Ton Arbeiterin 1
Hace mas cosas extras, por ejemplo a mi me gusto bastante negocio y el fin de semana que
pastel y empanada, en-chillada para vender.
Autor
Sie müsse noch nebenher arbeiten, verkaufe am Wochenende Kuchen oder Teigtaschen.
O-Ton Arbeiterin 2
La siete entre. Variado, pero mi sueldo y 78 Dólar.
Autor
Um sieben Uhr fange sie an, erzählt eine andere Arbeiterin. Sie verdiene 78 Dollar in zwei
Wochen. Aber reicht das denn?
O-Ton Arbeiterin 2
No, no.
Autorin
Aber ihr Freund verdiene mit.
Zumindest einige schlimme Arbeitsrechtsverletzungen gebe es heute nicht mehr, sagt
Sergio Chávez.
O-Ton Sergio Chávez
Lo que te dije de cero prueba de embarazos, no trabajo infantil, no hay mas trabajo castigos
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físicos. Entonces ha mejorado, pero no ha mejorado en dos cosas salarios que siguen siendo muy
bajos y organización sindical, políticas antisyndicales de las empresas.
Übersetzer 2
Es gibt keine Schwangerschaftstests, keine Kinderarbeit, weniger
gesundheitsgefährdende Arbeiten. Also gibt es Verbesserungen, aber in zwei Punkten hat
sich nichts getan: Die Gehälter sind weiter sehr niedrig, und es gibt eine anhaltend
gewerkschaftsfeindliche Politik der Unternehmen.
Autor
Als Chávez nach dem Ende des Bürgerkriegs 1991 zurück in seine Heimat kam, strömten
mehr als eine halbe Milliarde Arbeitskräfte weltweit auf den globalisierten Arbeitsmarkt. Die
Gewerkschaften gerieten überall mehr und mehr in die Defensive. Während die
Unternehmen global agierten, wirkten die Gewerkschaften meist nur national beschränkt.
Unternehmen konnten Belegschaften oft gegeneinander ausspielen oder durch
Abwanderungsdrohungen ihren Willen durchsetzen. Im Laufe der Jahre gingen Millionen
Jobs von gewerkschaftlich organisierten Arbeitern in Europa und den USA verloren. Neue
Jobs bekamen Menschen in Zentralamerika, China, Indien, Bangladesch, Pakistan und
vielen anderen Ländern, eben dort, wo die Gewerkschaften viel schwächer waren.
Atmo Blechbläser
Autor
Das Büro von FEASIES, einem Dachverband für Gewerkschaften in El Salvador. Vier
Gewerkschafter aus der Textilfabrik YoungOne sind gekommen. Ihr Arbeitgeber liefert
Kleidung an die US-Firma The North Face, ein auch in Deutschland bekannter Hersteller
von sog. Outdoorkleidung. Bei dem Zulieferer YoungOne habe sich die Lage der Arbeiter
drastisch verschlechtert, erzählt mir der Arbeiter Gilberto Garcia. Früher hätten 45 Arbeiter,
überwiegend Frauen, jede Stunde 23 Teile fertigen müssen, um den Mindestlohn zu
erreichen. Heute müssten 20 Personen 33 Teile nähen, um das gleiche Geld zu
bekommen. Der Akkord wurde auf einen Schlag fast verdreifacht.
O-Ton Gilberto García
Si se contaba con un sindicato ya existente de hace ocho anos, pero un sindicato que no ha hecho
nada por la gente, verdad.
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Autor
Offiziell gibt es sogar eine Gewerkschaft: eine sog. gelbe Gewerkschaft, die nach der
Pfeife des jeweiligen Unternehmers tanzt. Garcia beschloss eine freie Gewerkschaft zu
gründen.
O-Ton Gilberto Garcia
Para constituir un sindicato general se requieren 35 personas.
Autor
Um eine Gewerkschaft zu gründen brauche man 35 Personen, sagt Garcia.
Sprecherin:
Bei YoungOne arbeiten in zwei Werken rund 1450 Menschen.
Autor:
Trotzdem ist es ziemlich schwierig 35 Arbeiter für eine Gründung zu gewinnen. Die Arbeit
in den Maquillas mag schlecht bezahlt sein, aber es ist eine Arbeit. Jeder weiß hier, dass
eine Beteiligung an einer Gewerkschaftsgründung den Rausschmiss bedeutet, wenn dem
Chef das bekannt wird. Gewerkschaftsveranstaltungen finden deshalb klandestin statt.
Man muss auch immer mit Spitzeln unter den Kollegen rechnen, erzählt Martha Zaldana.
Sie leitet den Gewerkschaftsdachverband FEASIES.
O-Ton Martha Zaldana
Y hoy hemos votado muchas veces en que ni se conozcan entre si mientras por lo menos porque
debe de a ver uno en este caso o una que es la que va mover en todo el contexto internamente
pero que entre si no se conozcan mientras tanto organizamos mas concretamente.
Autor
Man spreche verschiedene Arbeiter unabhängig voneinander an. Die Arbeiter selbst
erführen zunächst nicht, wer sonst noch in der Fabrik mitmacht. Das geschehe erst, wenn
genügend Mitstreiter beisammen seien. Sie seien froh gewesen, als bei YoungOne sieben
Leute zusammenkamen. Nun konnten sie immerhin als Mitarbeitervertretung auftreten,
was ihnen einige wenige Rechte gibt. Trotzdem droht der Gruppe der Rausschmiss. Sonja
Lara, die heute mit Chávez zusammen arbeitet, flog raus, weil sie sich weigerte, einer
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gelben Gewerkschaft beizutreten.
O-Ton Sonja Lara
Entonces el sabia se dio cuenta que yo andaba también siempre activa con otras compañeras
después de ser despedida siempre iba a visitar a las compañeras y a decir les que siempre se
organizaran en un sindicato que solo así iban a lograr mejoras en la fabrica. Entonces el me llamo
un día a la casa que me quería dar trabajo yo ya estaba trabajando con el comité.Entonces me
dijo que me quería ver en un lugar pero a mi sola. No quería ver me en su oficina ni en un lugar
publico. Había un lugar cerca de la zona franca que era solo. Entonces el quería ver me allí y ya
de tarde. Yo le dije que yo estaba bien iba ir pero yo le conté a Sergio verdad lo que el me estaba
diciendo. Entonces un compañero fuimos cerca del lugar para ver con quien iba y que pasaría o
sea me pareció sospechoso que me quisiera ver a mi sola en un lugar solo. Y llegada la hora se
acerco un vehículo iban dos hombres atrás iban también dos vigilantes de la zona franca. Pienso
que iban armados también. Iba también el señor, el jefe el dueño de la fabrica. Entonces como no
me vio que yo estaba allí se fue y regreso dos veces al mismo lugar.
Übersetzerin 2
Dann merkte der Chef, dass ich weiterhin aktiv war und meine Kolleginnen getroffen habe.
Ich habe ihnen geraten, sich frei gewerkschaftlich zu organisieren, weil nur so
Verbesserungen in der Fabrik zu erreichen wären. Eines Tages bekam ich Zuhause einen
Anruf von dem Geschäftsführer, damals arbeitete ich schon für das Komitee. Er sagte, er
wolle mich treffen, alleine. Er wollte mich nicht in seinem Büro oder einem öffentlichen Ort
treffen. Es gab einen einsamen Ort in der Nähe der Freihandelszone. Er wollte mich dort
treffen, spät. Ich sagte mir ginge es gut, ich würde kommen, erzählte davon aber Sergio.
Er riet mir mit einem Kollegen gemeinsam dorthin zu fahren. Dann fuhren ich und ein
Kollege in die Nähe des Treffpunktes, um zu beobachten, wer kommen würde, da das
Ganze mir verdächtig vorkam. Zur vereinbarten Stunde näherte sich ein Wagen, vorne
saßen zwei Männer, hinten zwei Sicherheitsleute aus der Freihandelszone. Ich glaube, sie
waren bewaffnet. Der Chef, der Besitzer, war auch dabei. Weil ich nicht da war, fuhr er
weg, aber kam noch zwei Mal wieder.
Autor
Auch die Zusammenarbeit von Fabrikbesitzern mit der Mafia ist nicht selten. Da fordern
bewaffnete Bandenmitglieder vor der Fabrik organisierte Arbeiter auf, sofort ihre
Gewerkschaftsarbeit zu beenden. Andere erhielten Anrufe, in denen gedroht wurde, ihnen
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oder ihren Kinder etwas anzutun.
Atmo Radio
Sprecherin:
2009 gewann die FMLN die Parlamentswahlen und Mitte 2014 wurde Sánchez Cerén, ein
ehemaliger Guerillakämpfer, zum Präsidenten gewählt. Die Arbeitsministerin ist eine
Frauenrechtlerin.
Autor
Der Chefinspektor für die Fabrikkontrollen ist jetzt Jorge Bolaños. Wegen
gewerkschaftlicher Aktivitäten war Bolaños von seinem früheren Arbeitgeber selbst vor
Gericht gezerrt worden.
O-Ton Jorge Bolaños
Si creo que este gobierno ha compensado hace las cosas como vente ser. Porque en
contramos una historia nosotros yo soy claramente que este gobierno digamos en el
tiempo que tiene son seis anos este ha compensado al saldar esta ayuda. Que en el
pasado, verdad, avenida cargando este esparcimiento digno este ha este margin de
impunidad en que la todo de derecho..
Autor
Früher hätten die Arbeitgeber nach Gutdünken Leute bezahlt oder entlassen und Gesetze
regelmäßig ignoriert, erzählt Bolanos. Die jetzige Regierung sei die erste in der
Geschichte El Salvadors, die sich um die Arbeiter kümmere. Heute trauten sich Arbeiter
zumindest Verletzungen ihrer Rechte anzuzeigen. 19.000 Meldungen habe es in den
vergangenen sieben Monaten gegeben. Das Ministerium habe dafür ein Callcenter
eingerichtet. Doch Verbesserungen seien zäh. Denn im Parlament verfügt die rechte
Arena-Partei immer noch über eine knappe Mehrheit.
O-Ton Jorge Bolaños
Buena. Hay precionas todas partes directas o indirectas.
Autor
Es gebe eine Menge Drohungen, direkt und indirekt, erzählt Bolaños. Die Inspektoren in
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den Fabriken bekämen ständig zu hören, dass sie niemals mehr eine Stelle in der
Privatwirtschaft bekommen würden, wenn sie nach einem Regierungswechsel die
Behörde verlassen müssten. Oft würden sie von Mitgliedern der gelben Gewerkschaften
beschimpft.
Atmo Foyer Stimmen
Autor
Gegenwind spüren Gewerkschafter seit der Reagan/Thatcher-Aera auch in den
Industrieländern immer heftiger.
Wilma Liebmann hat die Behörde geleitet, die über die Einhaltung von Arbeitsstandards in
den USA wacht, heute lehrt sie an verschiedenen US-Universitäten. Im Oktober 2015 hielt
sie einen Vortrag bei der IG-Metall in Frankfurt. Sie führte ein Video vor.
Atmo Video
Autor
Nikki Haley, die republikanische Gouverneurin des US-Bundesstaates South-Carolina
wettert gegen Gewerkschaften.
Man bekämpfe die Gewerkschaften jeden Tag. Mit Erfolg.
Sprecherin:
In South Carolina sind nur zwei von hundert Beschäftigten organisiert.
O-Ton Wilma Liebmann
Some people talk about unions as being basically un-American, contrary to a competitive, capitalist
society. (…) We have a long history of anti-unionism as an ideology but it was also a function of
economic rationality. As their competitors became non-union, companies didn't want to be
unionized. So, it's a complicated dynamic of changing economy, deregulation of industries,
globalization of industries, and companies looking for flexibility, so that the ownership of capital
became more distant from the workers, and they engaged in all kinds of arrangements that made
employment relationships more fragile, more precarious and made it harder for unions to organize
them as industries. .
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Übersetzerin 1
Manche Leute halten Gewerkschaften für grundsätzlich unamerikanisch, für einen
Widerspruch zu einer wettbewerbsorientierten, kapitalistischen Gesellschaft. (...)
Wir haben eine lange Geschichte der Gewerkschaftsfeindlichkeit als Ideologie, aber sie
entspringt auch einer ökonomischen Rationalität. Firmen wollen keine Gewerkschaften
zulassen, wenn die Konkurrenz auch keine hat. Es ist eine komplizierte Dynamik von einer
sich verändernden Wirtschaft, Deregulierung, Globalisierung der Industrie und
Unternehmen, die flexibler sein wollen, weswegen sich eine größere Distanz zwischen den
Kapitaleigentümern und Arbeitern entwickelt.
Atmo Halle, Musik, Stimmen
Autor
Bad Hersfeld in Hessen. In der Schilde-Halle haben sich im Advent 2014 mehr als 500
Arbeiter von Amazon versammelt. Es wird gestreikt.
Die Stimmung ist gut. Was für ein Kontrast zu den Tagen im Februar 2011, als der
Gewerkschaftssekretär Heiner Reimann hier mit Beschäftigten ins Gespräch kommen
wollte. Amazon hatte ihm und einem Kollegen den Zutritt zu den Kantinen erlaubt:
O-Ton Heiner Reimann
Wenn man freudestrahlend auf Menschen zugelaufen ist und war erkennbar als
Gewerkschafter, dass die Menschen ganz schnell aus dem Fenster geguckt haben, an die
Decke, oder irgendwo anders hin, auf jeden Fall uns nicht angeguckt haben und eine
Riesenangst hatten, mit uns überhaupt gesehen zu werden, in diesem übersichtlichen
Raum. Und haben uns die ersten drei Monate selbst als Gewerkschaftsgeister bezeichnet,
weil wir uns so gefühlt haben.
Autor
Aber Reimann ist ein sog. „Organizer“. So heißen Spezialisten, die Verdi Zugang zu neuen
Betrieben verschaffen sollen.
Sprecherin:
Die Dienstleistungsgewerkschaft hat seit 2001 ein Viertel ihrer Mitglieder verloren. Jetzt
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gehören ihr noch gut zwei Millionen Menschen an. Auch die anderen Gewerkschaften
haben Mitglieder verloren.
Autor:
Gründe gibt es einige: Strukturwandel und Abwanderung von Betrieben kann man den
Gewerkschaften nicht ankreiden. Aber die Gewerkschaften kümmerten sich fast
ausschließlich um ihr Kernklientel, also fest angestellte Arbeiter in Traditionsbranchen. Sie
vernachlässigten Arbeitslose, Zeitarbeiter, Geringverdiener und andere Menschen mit
sogenannten atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Davon gab es immer mehr in
Deutschland. Wenn sich neue Wirtschaftszweige etablieren, dann blieben die klassischen
Gewerkschaften zumeist draußen, ob bei Internetfirmen oder den Betreibern von
Windkraftanlagen.
Atmo Streikhalle
Autor
Heiner Reimann war zwölf Jahre Betriebsrat bei Ikea und studierte nebenbei Jura. Den
Einsatz in Bad Hersfeld hatte er genau geplant. Neun Monate wohnte er mit einem
Kollegen in derselben WG vor Ort. Oft hätten sie bis spät in die Nacht die Arbeit vom Tag
durchgesprochen und Ideen entwickelt.
Ohne den Einsatz der beiden Spezialisten wären die 79 Amazon-Beschäftigten, die Anfang
2011 bei Verdi in Bad Hersfeld Mitglied waren, nicht in der Lage gewesen einen Streik zu
organisieren. Heute sind mehr als 1000 der 3000 Beschäftigten organisiert. Christian
Krähling war einer der Ersten:
O-Ton Christian Krähling
Was mich eben daran stört ist, dass es nicht mitbestimmt ist. Wir würden gerne darüber
mitbestimmen. Wir erbringen die Leistungen und dementsprechend würden wir gerne
mitbestimmen auch über Lohnhöhe, über sonstige Leistungen.
O-Ton Heiner Reimann
Es wird natürlich in unserem Beisein immer wieder betont, dass es ein Grundrecht ist zu
streiken, dass es ein Grundrecht ist, einer Vereinigung wie einer Gewerkschaft
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anzugehören. Das wird natürlich alles erwähnt in unserem Beisein. Aber wir kriegen
natürlich auch sehr viele Berichte von unseren Mitgliedern, wenn wir nicht dabei sind, wie
dann damit umgegangen wird bzw. wie dann argumentiert wird und da sieht das Bild ganz
anders aus.
Autor
Andere Mitarbeiter bei Amazon werfen Verdi dagegen vor, aus Eigennutz zu handeln, weil
man zahlende Mitglieder werben wolle.
O-Ton Heiner Reimann
Dass ein Amazon-Mitarbeiter auf die Nachricht in den Medien, dass Amazon in Polen drei
Werke aufmachen wird, damit gedroht hat, beim nächsten Streik, den Streikenden die
Beine zu brechen, hat es eine Beschwerde von Verdi-Mitgliedern beim Management
gegeben, dass das Management doch bitte seine eigenen Worte, nämlich Respekt und
Fairness und Toleranz auszuüben auch in der Firma Amazon umsetzen sollte. Daraufhin
haben sie die lapidare Antwort bekommen, so wurde mir berichtet, man solle das sportlich
nehmen.
O-Ton Armin Cossmann
Also die Geschichte habe ich selbst nicht erlebt, kann auch dazu nichts sagen, nicht
kommentieren.
Autor
Armin Cossmann ist Geschäftsführer an den Amazon-Standorten in Leipzig und Bad
Hersfeld.
O-Ton Armin Cossmann
Dass der eine oder andere Kollege bei einer Anzahl im vierstelligen Bereich vielleicht das
ein oder andere Mal, sagen wir mal, über die Stränge schlägt, mag ich nicht ausschließen.
Aber das ist jetzt kein großes Thema.
Autor
Die Angst vor Entlassung ist aber in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und prekärer
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Arbeitsverhältnisse sehr wohl ein großes Thema für die Beschäftigten.
O-Ton Heiner Reimann
Diese Ängste kann ich den Leuten nicht wirklich nehmen. Ich kann zwar juristisch
argumentieren, dass das keine Auswirkungen haben darf, aber diese unbestimmte Angst,
dass das ohne irgendwo Erwähnung zu finden, dann doch der ausschlaggebende Moment
ist, die ist aus meiner Sicht berechtigt.
Atmo Halle
Autor
Die Angst ist bei den Streikenden in der Schilde-Halle spürbar. Nach den kämpferischen
Reden und viel Beifall, wird gefragt, wer als Streikposten mitmacht.
Atmo
Bitte gebt mal Handzeichen.
Autor
Keine Hand geht hoch.
Atmo
Leute, das kann es doch nicht sein. Also einen, zwei, drei, vier, fünf, höre ich ein weiteres
Angebot, sechs, wir brauchen acht. Zwei bräuchten wir noch. Das kann doch nicht sein.
Leute wir kämpfen doch alle zusammen, da müssen wir mitziehen.
Atmo Demo
Autor
Rund 200.000 Menschen demonstrieren an einem Samstag im Oktober 2015 in Berlin
gegen das Freihandelsabkommen TTIP. Aufgerufen haben 35 Organisationen, darunter
die Gewerkschaften. DGB-Chef Rainer Hoffmann war einer der Hauptredner bei der
Abschlusskundgebung im Schatten der Siegessäule.
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O-Ton Rainer Hoffmann/Atmo
Fordern wir zusammen mit den amerikanischen Gewerkschaften kein
Freihandelsabkommen ohne Anerkennung der Kernarbeitsnormen der Internationalen
Arbeitsorganisation. Jeder Mensch muss das Recht haben, einer Gewerkschaft
beizutreten.
O-Ton Wilma Liebmann
America will export it's low wage strategy to Europe. And I think that's the legitimate fear of
European trade unions that our lower labor standards will be exported.
Übersetzerin 1
Amerika könnte die Niedriglohnstrategie nach Europa exportieren, und meiner Meinung
nach ist das eine berechtigte Furcht der europäischen Gewerkschaften.
Atmo Strand, Wellen, Stimmen, Strandautos
Autor
An einem Sonntagabend bin ich mit Nasir Mansoor am Strand von Karachi, so wie
tausende andere Menschen. Manche reiten auf Kamelen, andere flitzen mit motorisierten
Fahrzeugen über den Sand. Mittendrin stapft Mansoor durch das flache Wasser und
erzählt, wie für ihn persönlich als junger Mann eine Welt zusammengebrochen sei, als die
Sowjetunion kollabierte. Wie ihm sei es vielen Gewerkschaftern in Pakistan gegangen, die
damals eigentlich auf eine Revolution im eigenen Land warteten. Viele seiner
Weggefährten hätten sich damals ins Private zurückgezogen, manche hätten NGOs
gegründet, einige hätten sich der Religion zugewandt. Mansoor blieb auf seinem Weg. Wir
fahren in die Stadt zurück:
O-Ton Nasir Mansoor
So, whenever I go to my comrades in the village side. When I come back I don't sleep two or three
days just imagine of their live and whatever our life.
Autor
Jedes Mal, wenn er von einem Treffen mit seinen Kameraden auf dem Lande
zurückkomme, erzählt er mir, habe er schlaflose Nächte. Ihm gehe dann die unglaubliche
Armut der Landarbeiter durch den Kopf. Er selbst lebe in einer Wohnung mit Strom und
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Wasser, solche Dinge könnten sich die Landarbeiter nicht einmal im Traum vorstellen. Erst
seit kurzem dürfen sich Landarbeiter in einer Provinz des Landes gewerkschaftlich
organisieren. Mansoor hat ihnen bei der Gründung geholfen.
Musik
Absage:
Im Gegenwind
Der weltweite Kampf um Lohn und bessere Arbeitsbedingungen
Ein Feature von Caspar Dohmen
Sie hörten eine Produktion des Deutschlandfunks 2016.
Es sprachen: Michael Witte, Edda Fischer, Matthias Haase, Wolfgang Rüter, Matthias
Ponnier, Susanne Pätzold und Katharina Schmalenberg
Ton und Technik: Ernst Hartmann und Roman Weingardt
Regie: Susanne Krings
Redaktion: Karin Beindorff
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