Predigt aus dem Neujahrsgottesdienst.

Gott spricht: „Ich schenke euch ein
neues Herz und lege einen Geist in
euch“.
Predigt über die Jahreslosung 2017
im Neujahrsgottesdienst um 17 Uhr
Pfarrer Theo Breisacher, Evangelische Kirche in Spielberg
Liebe Gemeinde, die Älteren von Ihnen
werden sich sicher noch daran erinnern:
vielen Partys, durch die zahlreichen Empfänge
und auch durch diverse Affären seine eigene
Familie vernachlässigte. Zeitweise bekam er
200 Fan-Postbriefe am Tag, was ihm sogar
einen Eintrag ins „Guinness-Buch der
Rekorde“ bescherte. Bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens luden ihn ein.
Sogar der Papst gewährte ihm eine Audienz.
Doch das persönliche Glück fand er nur
bedingt: Auch von seiner dritten Frau wurde er
im Jahr 2000 wieder geschieden, nur ein Jahr
vor seinem Tod.
Am 3. Dezember 1967 – also vor fast genau
50 Jahren – führte ein Ärzteteam unter der
Leitung von Dr. Christiaan Barnard in
Südafrika die erste erfolgreiche Herztransplantation durch. Ich selbst war erst
sechs Jahre alt, aber ich kann mich dunkel
daran erinnern, dass es ein Thema beim
Mittagessen war: Auf der ganzen Welt
wurde dieser Erfolg als Sensation gefeiert,
auch wenn jener Patient hinterher leider
nur 18 Tage lebte. Seither haben
zigtausende Menschen ein neues Herz
bekommen. Und das hieß in den meisten
Fällen: Gott hat ihnen noch einmal fünf
oder zehn oder noch mehr Jahre
Lebenszeit geschenkt.
Vermutlich hätte der weltberühmte Chirurg
selber ein „neues Herz“ benötigt: eine neue
Gesinnung, ein Herz, das nicht nur an sich
selber denkt, sondern auch andere im Blick
hat. Ein Herz, das weiß und spürt, worauf es
wirklich ankommt im Leben. Das auch mit
großem Erfolg im Leben in einer reifen Weise
umgehen kann.
Und noch ein weiterer Schatten liegt auf jener
ersten Herztransplantation: Eine ganz
entscheidende Person wurde jahrelang
schlicht ignoriert. Warum? Nur weil dieser
ein Schwarzafrikaner war. Auf mehreren
Pressefotos nach der gelungenen Transplantation war auch Hamilton Naki zu
sehen. Aber er wurde auf Nachfrage stets
als Putzhilfe vorgestellt – obwohl er
entscheidend am Eingriff beteiligt war. Es
war damals in Südafrika noch die Zeit der
Apartheid.
Dieser Hamilton Naki hatte übrigens einen
höchst seltsamen Werdegang: Er war
zunächst bei der Universität von Kapstadt
als Gärtner eingestellt. Weil er sich dabei
geschickt angestellt hat oder weil jemand
gebraucht wurde, durfte er später – ohne
jede medizinische Ausbildung – als
Übrigens bekam dem leitenden Arzt Dr.
Barnard der ganze Medienrummel gar nicht
gut: Er wurde zwar zum großen Star. Doch im
Rückblick bekennt er selber, dass er durch die
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Barnard, ein „neues Herz“ im biblischen Sinne
gebraucht. Doch er kümmerte sich vor allem
um das Herz als Körperorgan. –
Assistent von Christiaan Barnard bei Tierversuchen mithelfen, bei denen Herztransplantationen erst an Tieren ausprobiert
wurden.
Das war vor 50 Jahren. Doch warum erzähle
ich das so ausführlich? Weil es auch in der
Jahreslosung im Grunde um eine
Herztransplantation geht.
In der Bibel spielt das Herz ja eine zentrale
Rolle – nicht nur als „Pumpe“, die den
Kreislauf des Blutes aufrecht erhält. Mit dem
Herzen wird in der Bibel vor allem die Mitte
einer Person bezeichnet. Ihre Identität. Der
Ort, wo die wesentlichen Entscheidungen
getroffen werden. Das Herz ist der Sitz nicht
nur der Gefühle, sondern auch der Gedanken.
Auch der Wille des Menschen sitzt – nach der
Bibel – im Herzen.
Deshalb hängt im Grunde alles davon ab, ob
einer ein hartes und kaltes Herz oder aber ein
empfindsames und mitfühlendes Herz hat.
Auch die Beziehung zu Gott hängt an der Art
des Herzens: „Hartherzigkeit“ wird in der Bibel
jener Zustand bezeichnet, wenn Gott völlig
egal ist.
Dass der Mensch als Geschöpf Gottes nicht
mehr so ist, wie Gott ihn ursprünglich
geschaffen hat, davon ist schon im 3. Kapitel
der Bibel die Rede. Auch Jesus war davon
überzeugt, dass das Herz des Menschen nicht
nur die Quelle von guten Gedanken und
liebevollen Gefühlen ist.
Dabei zeigte sich Hamilton Naki als Chirurg
außergewöhnlich begabt: Er wurde später
unter anderem auch als Dozent beschäftigt,
der junge Studierende als Chirurgen ausbildete. Und er war es vermutlich auch, der
bei jener ersten Transplantation das
Spenderherz eines Unfallopfers präparierte
und für die Einpflanzung vorbereitete.
In Matthäus 15 sagt Jesus einmal ziemlich
deutlich und wenig schmeichelhaft, wie er die
Sache sieht mit dem Herzen: „Aus dem
Herzen kommen schlimme Gedanken:
Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl,
falsches Zeugnis, Lästerung.“ Und er fügt
hinzu: „Das sind alles Dinge, die den
Menschen wirklich unrein machen. Aber
mit ungewaschenen Händen zu essen,
macht den Menschen nicht unrein.“ Jesus
diskutierte damals gerade mit den Pharisäern
über ihre Vorschriften zu den rituellen
Waschungen.
Dennoch erhielt trotz seiner Verdienst bis
zuletzt das Gehalt eines Laborarbeiters.
Und die Rente bezog er später als
pensionierter Gärtner.
Und: Sein berühmter Chef, Christiaan
Barnard, unternahm nichts dagegen! Erst kurz
vor seinem Tod räumte dieser ein, dass Naki
möglicherweise sogar der bessere Chirurg von
ihnen beiden gewesen sei. Und dass auch er
einen wesentlichen Beitrag zur Forschung in
der Transplantationsmedizin geleistet hat.
Das menschliche Herz im Sinne der Bibel ist
also ziemlich krank. Doch nun verspricht Gott
seinem Volk: „Ich schenke euch ein neues
Herz!“ Das heißt: Unser altes verhärtetes
Herz muss weg. Gott will nicht bloß die
Symptome bekämpfen. Es geht auch nicht
Schade drum: Das war Südafrika bis noch zu
Beginn der 90iger Jahre. Auch in dieser
Hinsicht hätte der große Star, Christiaan
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darum, dass der Mensch durch besonderen
Fleiß oder durch besonders frommes
Verhalten ein bisschen gebessert wird.
leisten könnten. Es ist Gottes Werk. Gottes
Geschenk an uns: „Ich schenke euch ein
neues Herz und lege einen neuen Geist in
euch.“ –
Gott redet also von einer „Herztransplantation“: Von einem neuen Herzen. Ein Herz, das
eine ganz neue Ausrichtung hat. Das
empfindsam ist für die Not der Mitmenschen.
Ein Herz, dem auch die Beziehung zu Gott
entscheidend wichtig ist. In Psalm 51, den wir
vorhin in der Lesung gehört haben, ist dieser
Vorgang noch deutlicher formuliert: „Schaffe
in mir, Gott, ein neues Herz.“ Da benutzt der
Psalmbeter genau das gleiche Wort wie in der
Schöpfungsgeschichte: Gott hat ganz am
Anfang die ganze Welt aus dem Nichts
erschaffen. Und wenn er uns ein neues Herz
schenkt, dann ist das genauso ein Schöpfungsakt. Also etwas, war nur Gott allein kann.
Bei der Vorbereitung habe ich zur Jahreslosung ein schönes Lied gefunden: Es stammt
von Gottfried Heinzmann und Hans-Joachim
Eißler vom Evangelischen Jugendwerk
Württemberg. Und sie haben einen passenden
Clip gedreht, in dem das Lied und der Text
auch mit Bildern interpretiert werden soll.
https://www.youtube.com/watch?v=lzrym6RzFHM
Predigt Teil 2
Als Motiv für diesen Gottesdienst und für das
Poster im Eingangsbereich unserer Kirche
habe ich in diesem Jahr eine Darstellung von
Dorothee Krämer gewählt. Bevor ich meine
Gedanken mit Ihnen teile, wäre meine Bitte,
dass wir zunächst gemeinsam zusammentragen, was Sie auf diesem Bild entdecken:
Wenn ein Mensch zum Glauben findet und
dann bewusst als Christ leben möchte, ist da
etwas ganz Neues entstanden: Er ist ein neuer
Mensch. Eine neue Kreatur, wie Paulus sagt.
Oder wie Jesus es in Johannes 3 im Gespräch
mit Nikodemus formuliert: „Du musst von
neuem geboren werden“.
[Stimmen aus der Gemeinde beschreiben das Bild]
Nun ist das in der Lebensgeschichte eines
Menschen ganz unterschiedlich: Es gibt die
radikale Lebenswende um 180 Grad in kurzer
Zeit. Vielleicht sind auch unter Ihnen Menschen, die das so erlebt haben: In wenigen
Wochen oder Monaten beginnt man mit einem
völlig anderen Lebensstil. Bei solchen
„Bekehrungen“, wie man in der Kirche sagt,
erleben es die Menschen oft ganz offensichtlich, wie es ein Vorher und Nachher gibt.
Erst vor wenigen Wochen habe ich eine Frau
getroffen, die um die 40 eine solche neue
Ausrichtung in ihrem Leben erfahren hat. Und
sie erzählt – wie fast alle Menschen mit einer
solchen Erfahrung – von einer ganz neuen
Ausrichtung. Einer ganz neuen Freude im
Leben. Auch ziemlich veränderten Prioritäten
gegenüber vorher.
Das ist der eine Weg zum Glauben. Wenn wir
dagegen schon als Kind in den Glauben
hineinwachsen konnten, ist das oft ein
längerer Prozess. Gott arbeitet da nicht nach
Schema F. Gott geht mit jedem Menschen
seinen eigenen Weg.
Aber entscheidend ist: Der neue Weg des
Glaubens, die neue Ausrichtung auf Gott: das
ist nichts, was wir selbst aus uns heraus
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Vielen Dank für die vielen Ideen! Man könnte
es fast für ein Vorher-Nachher-Bild halten:
Vorne links gebeugt und niedergedrückt. Und
rechts aufrecht und zuversichtlich. Links ist die
Person in sich verschlossen. Ohne Gesicht.
Ohne Bewegung. Auf dem Rücken meint man,
so etwas wie eine Last zu sehen. Rechts
dagegen ist die Person in Bewegung. Sie ist in
bunten Farben gemalt. Sie geht los. Mit dem
nächsten Schritt ist sie bereits aus dem Bild
hinausgegangen.
scheidet, den Weg als Christ zu gehen, dann
gibt es ein Vorher und ein Nachher. Dann
beschreiben Menschen genau das: Ich war
verkrümmt. Alles hat sich nur um mich
gedreht. Und für Gott hatte ich eh keinen Blick.
Doch das hat sich nun alles verändert.
Aber – und das ist die Einschränkung: Wer an
Jesus Christus glaubt, bei dem hat zwar ein
neues Leben begonnen. Und doch bleibt –
solange wir auf dieser Welt sind – eine
Spannung bestehen: Wir sind bereits neue
Menschen durch das neue Herz, das Gott uns
geschenkt hat. Aber wir tragen auch noch
ganz viel Altes in uns. Und dieses Alte kommt
leider immer wieder zum Vorschein – ob uns
das lieb ist oder nicht.
Gott sagt: „Ich schenke euch ein neues
Herz und lege einen neuen Geist in euch“:
Der Vers fängt mit einem „Ich“ an: Aber nicht
mit dem „Ich“ des Menschen, sondern mit dem
„Ich“ Gottes. Und das ist ganz entscheidend.
Gott sagt: „Ich tue etwas. Ich schenke euch
das neue Herz. Ich lege einen neuen Geist in
euch!“
Selbst der große Apostel Paulus hat diese
Spannung an sich selbst beobachtet und
einmal mit einem großen Seufzer in Römer 7
so formuliert: „Zwar habe ich durchaus den
Wunsch, das Gute zu tun, aber es fehlt mir
die Kraft dazu. Ich will eigentlich Gutes tun
und tue doch das Schlechte; ich verabscheue das Böse; aber tue es dennoch.“
Das ist deshalb so wichtig, weil man das Bild
sonst sofort als Aufforderung liest: „Steh auf
und geh los! Dreh dich nicht nur um dich
selbst, sondern tu auch was für andere! Lass
die Vergangenheit hinter dir und sei offen für
eine neue Zukunft!“ So könnte man dieses Bild
vielleicht auch interpretieren. Aber es würde
der Jahreslosung nicht entsprechen. Denn
Gott fordert gar nichts von uns. Er sagt: „Ich
tue etwas! Ich schenke euch etwas!“
(Römer 7, 18f)
Aus diesem Grund ist es nur zum Teil ein
„Vorher-Nachher-Bild“ – in dem Sinne: „Früher
traf auf mein Leben die linke Seite des Bildes
zu, heute vor allem die rechte Seite.“ Es
zugleich eine Spannung, die uns als Christen
ein Leben lang begleitet: Das neue Herz
bestimmt unser Leben. Und doch meldet sich
das Alte in uns leider immer auch zu Wort. –
Im Lied, das wir eben im Film gesehen haben,
heißt es am Ende jeden Verses ganz richtig:
„Wie gut, dass Gott durch seine Schöpferkraft
das neue Leben aus dem Nichts erschafft.“
Wenn Gott neue Menschen aus uns macht,
dann ist der Schöpfer selbst am Wirken.
Noch ein letzter Gedanke zu der Darstellung
von Dorothee Krämer: Die rechte Gestalt ist in
bunten Farben gemalt. Sie geht aufrecht und
beschreitet den weiten Raum, der sich öffnet –
ganz bewusst auch aus dem Bild heraus.
Natürlich sind wir als Menschen nicht völlig
unbeteiligt. Gott handelt nie gegen einen
Menschen. Wir müssen das zulassen, dass
Gott uns verändert. Wir dürfen uns nach Gott
ausstrecken. Wir dürfen unsere Sehnsucht
nach einem veränderten Herzen im Gebet vor
ihn bringen. Aber das Neue, was in uns
entstehen kann – die neue Ausrichtung, die
neue Freude, das Gefühl, wieder einen Sinn
und ein Ziel im Leben zu haben – das ist nicht
unser Werk: Das schafft Gott in uns durch
seinen Geist.
Ein Ausleger wurde bei den bunten Flecken an
Früchte erinnert: Wenn im Neuen Testament
beschrieben wird, woran man das neue Leben
mit Jesus Christus erkennen kann, wird es als
„Früchte des Geistes“ beschrieben. Als Auswirkungen, die Gottes Geist in uns entstehen
und reifen lässt.
Und da zählt Paulus in Galater 6 eine ganze
Reihe von wunderbaren auf, die Gottes Geist
in uns bewirken kann: „Liebe, Freude,
Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte,
Treue, Sanftmut oder Freundlichkeit,
Selbstbeherrschung“.
Handelt es sich bei unserem Motiv also um ein
Vorher-Nachher-Bild?
In einer Hinsicht schon: Wenn ein Mensch
zum Glauben kommt und sich dafür ent-
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Wenn uns der Geist Gottes bestimmt kann,
werden solche Früchte sichtbar: Wenn wir
verzeihen können. Wenn wir unseren
Mitmenschen beistehen. Wenn wir die Nähe
zu Gott suchen.
Immer wieder dürfen wir es erleben, dass
manche dieser Früchte schon reif sind. Andere
dagegen brauchen noch ein wenig. Da muss
Gottes Geist noch an uns arbeiten. Aber das
neue Leben wächst – weil Gott uns ein neues
Herz und einen neuen Geist gegeben hat.
Amen.
Gestaltung von Sabine Mangler im Schaukasten beim Pfarrhaus. Die
Scherben stehen nicht für ein zerbrochenes Herz, sondern für ein hartes
Herz, dessen harte Schale durch Gottes Geist langsam zerbrochen ist.
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