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SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Tandem
Männer im Kreissaal
Aus dem Zwei-Personen-Ding werden drei
Von Gudrun Holtz
Sendung: Donnerstag, 29. Dezember 2016, 10.05 Uhr
Redaktion: Rudolf Linßen
Regie: Gudrun Holtz
Produktion: SWR 2016
Bitte beachten Sie:
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MANUSKRIPT
Der Vater im Kreißsaal, früher undenkbar. Seit den 1980er Jahren hat sich immer
mehr durchgesetzt: Der Platz des werdenden Vaters bei der Geburt seines Kindes ist
an der Seite seiner Partnerin im Kreißsaal. Es herrscht sogar Gruppendruck. Und
kaum ein Mann will verpassen, wenn aus zwei drei werden. Gudrun Holtz erzählt die
Geschichte zweier Paare.
O- Ton Markus.
(…) Es ist einfach ein großartiges Gefühl, dieses Kind auf einmal auf dem Arm zu
halten, wo man jetzt neun Monate, drauf hingefiebert hat, sozusagen. Dann löst sich
das in diesem Moment und da platzt dann irgendwie so ein Knoten. Ich finde kein
Wort dafür. Ich weiß nicht, besser kann ich es nicht sagen. Glück ist das Gefühl, dass
ich empfunden habe, aber das ist eigentlich zu wenig.
O-Ton Henriette:
Mir war es schon auch wichtig, dass er dabei ist. Beim ersten Kind hat man
überhaupt gar keine Vorstellung, was einen erwartet. Man kriegt natürlich tausend
Geschichten erzählt und eine schlimme als die andere: Das heißt ja gar nicht, dass
das auch annähernd bei einem selber verläuft, und wir wollten auf jeden Fall
zusammen machen. Also Markus war ja auch ganz scharf darauf, mitzukommen.
O-Ton Markus:
Es ging halt los mit Wehen zu Hause, und dann oh, ja, dann fahren wir jetzt in die
Klinik, und im Auto kamen die Wehen schon in richtig kurzen Abständen. Und als wir
da waren, das ging alles so schnell, ich war einfach baff. Ich bin zu gar nichts
gekommen, auch gedanklich. Mir ist das auch widerfahren.
O-Ton Henriette:
Wir hatten uns ja auch total vorbereitet. Also Müsliriegel und Bananen und alles
Mögliche. Weil wir ja nicht wussten, wie lange das dauert, und weil es ja nun mal so
eine schnelle Geburt dann war. Eigentlich kam Markus gar nicht zum Zug. Der
konnte eigentlich immer nur daneben sitzen und zugucken, wie ich da arbeite, bei
meiner ersten Geburt. Ich hatte mir vorgenommen, weil man das aus Filmen und so
kennt, dass ich auf gar keinen Fall schreie, weil ich dachte, das ist doch total albern,
wenn man schreit, na ja. Lange Rede kurzer Sinn: Ich habe natürlich total geschrien.
Aber jetzt diese Kraft, die da in einem entsteht. Also diese Wehe. Ich würde das jetzt
auch gar nicht als wahnsinnigen Schmerz beschreiben, sondern als so eine Kraft, die
einem in den Unterleib drückt. Aber bei Schmerz denkt man immer an so etwas
Spitzes, und ich habe diesen Druck, also da musste ich irgendwo mit hin, und das
habe ich eben über meine Stimme gemacht, und dass mein Mann ein ganz schönes
Ohrenklingel hatte, und deshalb war es vielleicht ganz gut, dass das alles nicht so
lange dauerte
O-Ton Markus:
Es ging auf jeden Fall sehr laut zu. Ich war auf jeden Fall da. Ich kann mich noch
daran erinnern. Also schreien, das finde ich totalen Quatsch, also nein. Mir ist die
Naturgewalt widerfahren. Auf eine andere Art als meiner Frau. Aber ich bin da eben
auch reingeworfen. Das war jetzt nicht schlimm, in keinster Weise. Dass es jetzt laut
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werden könnte, das habe ich mir vorher auch schon vorgestellt, auch wenn sie das
jetzt nicht vorhatte vielleicht. Ich hatte eigentlich nicht das Gefühl, dass ich
überfordert bin. Es widerfuhr mir einfach. Ich wollte auch nicht raus oder weg aus der
Situation. Ich wollte es komplett miterleben. Es war auch o.k. Ich konnte ihr nicht
großartig helfen. Ich konnte sie ein bisschen festhalten oder solche Sachen konnte
ich machen. Ich konnte schnell etwas holen.
O-Ton Henriette:
Und natürlich war ich froh, dass er da war und dass ich da jetzt nicht allein durch
muss, weil ich ja auch nicht wusste, was das jetzt passiert Also am Anfang, als ich da
so brüllte, da hab ich am Anfang mal zu ihm geguckt und sah ihn da mit großen
Augen sitzen, den Koffer in der einen Hand und guckte mich halt mit großen Augen
an und konnte halt nichts tun, weil ich eben, ich war jetzt eben nicht in der Situation.
Ich war schon froh, dass er da war. Schon allein deshalb: Kannst du mir mal ein Glas
Wasser geben? Aber von wegen Händchen halten und zerdrücken. Das hatten wir
alles nicht, und ich wollte das auch nicht. Man will dann nicht reden, in der Situation.
Man ist in seinem Film und will eigentlich einhalten. Ich wusste bei der ersten Geburt
ja nicht, wie lange das jetzt so bleibt. Ich dachte, wenn das jetzt so bleibt, dann
dachte ich, das schaffe ich nicht.
O- Ton Markus.:
Ich hatte ziemlich wenig im Griff, weil die das gemacht hat. Unterstützend helfend,
wenn ich etwas machen kann aber ich konnte gar nicht viel machen, weil man ist halt
dabei, kümmert sich und die Frau ist nicht allein. Ich glaube das ist ein wichtiger
Punkt, irgendwie, das man sich da unterstützt fühlt. Schuldgefühle gar nicht, eher bei
mir so eine Art Hilflosigkeit, weil man einfach nichts machen kann. Natürlich kann
man etwas machen. Man kann ein Glas Wasser holen, klar, logisch springt man da
los und holt da etwas zu trinken. Aber das ist ja nicht das Wesentliche. Das
Wesentliche, was passiert, damit hat man einfach überhaupt nichts zu tun.
O-Ton Markus:
Als es dann so richtig los ging, wollte Henni in der Badewanne probieren. Und dann
konnte ich da auch helfen. Mit rein und raus. Und dann sind wir klassisch in das
Geburtszimmer gewechselt. Und dann saß sie auf dem Hocker und von der Decke
hing so ein Tuch, wo man sich dran festhalten kann, dass man sich daran
hochziehen kann, und ich saß dann dahinter auf einem Bett und konnte ihr dann
helfen beim Aufsetzen oder beim Runtergehen. Im Prinzip habe ich selbst agiert oder
mich unauffällig im Hintergrund gehalten.
.
O-Ton Henriette:
Wir hatten halt gemerkt und die Hebammen, dass halt in den Wehen die Herztöne
runter gehen, und Josephine hatte eben die Nabelschnur um den Hals gewickelt, und
bei jeder Wehe hat sie sich dann quasi die Nabelschnur stranguliert. Auf jeden Fall
hatte sie Stress, und ich habe das wahrgenommen, dass die Herztöne schwächer
werden. Die Gespräche habe ich wahrgenommen. Und ich habe dann auch gemerkt,
dass sie sagte, nun rufe mal den Chefarzt und so, aber ich habe auch gedacht, es ist
alles gut. Sie haben alles unter Kontrolle. Und ich selber hatte auch die Nabelschnur
um den Hals, das weiß ich noch, und ich bin auch heil da rausgekommen. Insofern
war ich zuversichtlich, und so viel Zeit, noch über etwas nachzudenken, hatte ich
sowieso nicht, weil ich da mit mir und den Wehen beschäftigt gewesen war. Es war ja
schon die Endphase einer Geburt.
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O-Ton Markus:
Das musste leider sein, und da habe ich schon bisschen Manschetten bekommen.
Da wird dann der Chefarzt gerufen, und dann kommt dann der angerannt. Da habe
ich schon einen Schreck gekriegt und gedacht, was gibt es denn jetzt hier? Das
konnte ich überhaupt nicht einsortieren, weil die Hebamme war sehr geschäftig. Also
ich stelle da dann keine Frage, also ich traue mich da nicht. Ich habe die da machen
lassen, und ich hatte schon das Gefühl, da geht es jetzt um die Wurst. Also im
Nachhinein, so schlimm war es dann doch gar nicht. Aber in dem Moment hatte ich
schon Angst, dass etwas schieflaufen könnte, sowohl, dass meiner Frau etwas
widerfährt als auch dem Kind.
O-Ton Markus:
Als Josephine aus dem Bauch raus war, nach der Saugglocke und allem, das war
schon ein bisschen mulmig, die haben die Josephine auf den Bauch gelegt, und da
ist anscheinend alles gut gegangen, und dann lag sie da erst einmal eine ganze Zeit,
und dann haben mich die Hebammen gefragt, ob ich die Nabelschnur
durchschneiden wollte, und das wollte ich natürlich, und das ist ein merkwürdiges
Gefühl, und man bekommt so eine komische OP- Schere und dann diese graue,
nicht mehr pulsierende Nabelschnur, und das sieht natürlich schon ein bisschen
merkwürdig aus. Das ist schon ein merkwürdiges Gefühl, aber ich wollte es
unbedingt machen, und ich habe es dann bei meinem Sohn auch wieder gemacht.
Ich finde das ist so klassisch. Der schneidet die Nabelschnur durch. Ich finde das gut.
Das ist so ein Klassiker.
O- Ton Henriette:
Im Krankenhaus werden die Kinder nach der Geburt der Mutter direkt auf den Bauch
gelegt, mit Nabelschnur dran und allem. Ich weiß noch, ich habe dieses Kind
angeguckt, und ich war gespannt, wie sie wohl aussehen würde, und dann sah ich
sie, und dachte, ach guck mal, das ist sie jetzt also. Ich war jetzt aber nicht
euphorisch und konnte mich nicht direkt freuen, dafür war mir diese ganze Sache viel
zu sehr überrumpelt. Ich war jetzt auch nicht scharf drauf, stundenlang in den Wehen
zu liegen. Aber von null auf hundert in so dreieinhalb Stunden fand ich auch heftig,
und von daher weiß ich gar nicht mehr, wie ich mich gefühlt habe. In der Erinnerung
ist es sehr neutral. Ich war natürlich froh, dass das vorbei ist. Und dann lag da dieses
Kind, das muss man jetzt ja auch mal verstehen, dass es jetzt dieses Kind ist, dass
da zehn Monate im Bauch war, und das ist jetzt unsers. Es ist aus unserem Fleisch
und Blut. Das ist alles so abgefahren. Hat man ja auch schon den einen oder
anderen Schmerz von der Geburtsverletzung, und das ist ja auch eine ziemliche
archaische Angelegenheit, das muss man ja auch mal sagen.
O-Ton Markus:
Also man redet ja im Freundeskreis, und von meinem Freundeskreis waren eigentlich
immer alle dabei. Ich glaube, früher war das so, das war total unüblich, dass der
Mann mitgegangen ist. Bei meiner Mutter war es so, dass mein Vater nicht dabei
war. Meine Mutter war alleinerziehend, und deshalb war mein Vater bei der Geburt
nicht dabei. Deswegen habe ich darüber auch nicht mit meiner Mutter gesprochen,
weil das eh klar war, dass sie das mit meiner Großmutter durchgestanden hat. Ich
glaube mein Opa war auch in der Kneipe und hat dann Bier getrunken. Man soll sich
bloß nicht verpflichtet fühlen, dort mitzukommen. Ich kann das akzeptieren, wenn
jemand sagt: „Ich möchte nicht dabei sein. Ich wollte unbedingt diesen Moment
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sehen, wo mein Kind dann auf der Welt ist. Wenn man das nicht möchte, kann ich
das nachvollziehen. Ich musste das einfach machen. Das ist so ein Zwei-PersonenDing. Wir sind zusammen, also wir sind ein Paar. Ich wollte bei meiner Frau sein und
sie unterstützen.
O-Ton Henriette:
Also, ich habe mit meine Mutter gesprochen. Das war ja einfach ein so präsentes
Thema, und ich weiß auch, dass mein Vater auch bei allen Geburten dabei war. Ich
habe noch zwei Geschwister. Kann ja sein, dass es in der Zeit seltener war, dass die
Männer dabei waren. Aber mein Vater war immer dabei. Mein Vater ist Jahrgang 42,
meine Mutter 48. Und wenn man nicht mit will, ich weiß gar nicht, ob ich es komisch
gefunden hätte, wenn Markus gesagt hätte, er will nicht dabei sein. Also irgendwie
hätte ich wohl gedacht: ja, toll, du lässt mich das hier allein machen. Andererseits
hätte ich ja auch gar keine Gelegenheit gehabt, mich zu kümmern, und es ist
natürlich eine Ausnahmesituation im Kreißsaal. Die Männer erleben ihre Frauen in
eine Art und Weise, wie sie sie auch nicht kennen, und das in verschiedenen
Facetten, wie man dann miteinander umgeht, ob man schreit oder kreischt. Das ist ja
auch nicht so, dass das jetzt ein blitzblankes Kind, dass das jetzt aus einem
rauspurzelt, sondern dass muss man ja auch in dem Moment und vielleicht kann das
ja jetzt auch nicht jeder und findet das vielleicht auch nur schlicht und ergreifend
ekelig. Es ist die Frage, ob solche Männer die Hilfe für einen wären, und da muss
man wohl sagen, dass es wohl besser ist. Sie bleiben am besten draußen. Das muss
man dann wohl so akzeptieren.
O-Ton Markus:
Ich wollte auf jeden Fall Vater werden. Mir war schon lange klar, dass ich Vater
werden will. Mit Henni habe ich halt die Frau gefunden, mit der das halt so gut passt.
Wir waren beim Heiraten eben schon total schnell, und mit dem Kinderkriegen waren
wir auch schnell. Und es war auch schnell klar, dass wir das wollen.
O-Ton Henriette:
Das war für mich ganz wichtig, dass ich auf jeden Fall bald Mutter werde und dass
ich Kinder bekomme. Und ich wollte ursprünglich mal vier Stück haben und da war
ich Anfang zwanzig, und da kannte ich und das war ja noch lange hin, bis ich Markus
kennenlernte, und das hat ja noch schlappe zehn Jahre gedauert und von daher
sagen wir jetzt: Wir haben zwei gesunde Kinder, und jetzt sind wir froh und jetzt ist
alles gut.
O-Ton Markus:
Drei wolltest du ja immer haben. Von den Vieren warst du ja schon früher weg. Aber
drei waren es. Jetzt sind wir mit zweien durchaus zufrieden.
O-Ton Henriette:
Sag niemals nie. Aber ich glaube, es reicht.
O-Ton Markus
Weil es total anstrengend ist. Sie sind jetzt auch nicht super dicht beieinander, aber
unsere Tochter ist jetzt drei, unser Sohn ist drei Monate alt, und die stecken nun
beide so mittendrin, wo man eben so drinnensteckt in diesem Alter, und das ist eben
anstrengend, und ich werde jetzt in diesem Jahr 45.
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O-Ton Markus:
Ich kann mich sehr gut daran erinnern, als ich erfahren habe, dass ich Vater werde,
das war nämlich lustigerweise auf unserer Hochzeitsreise. Wir haben im Oktober
geheiratet, und das war ganz klassisch: Da sind wir nach Venedig gefahren, und
meiner Frau morgens beim Frühstück hat der Kaffee nicht geschmeckt. Mir ist so
komisch. Mir ist so komisch. Dann ist das so ganz langsam gesickert, warum ihr so
komisch ist.
O-Ton Henriette:
Insofern war die Hochzeitreise einerseits toll, aber andererseits für mich jetzt auch
nicht der totale Genuss, weil ich einfach gemerkt habe, mir ist wirklich schlecht. Das
kann man ja durchaus schlimmer erleben, wenn man frisch schwanger ist, und nach
drei vier Tagen haben wir dann gedacht, dass kann ja jetzt irgendwie nicht sein. Dass
ist jetzt nicht der Kaffee, und das ist jetzt nicht der Wein, und dann sind wir an einem
Freitag nach Hause geflogen, und Markus ist dann in der Nacht noch zur Apotheke,
die Notdienst hatte, gefahren und hat einen Schwangerschaftstest gekauft, und den
habe ich morgens früh dann gemacht, und siehe da: Der war dann positiv. Das war
dann natürlich das größte dann.
O- Ton Markus:
Als Mann lasse ich mich auch auf die Schwangerschaft ein aber als Mann bin ich
nicht schwanger.
O-Ton Markus:
Ich war mit meiner Frau, mit beim Geburtsvorbereitungskurs. Das waren fünf Paare.
Ich weiß es gar nicht mehr. Und da ging es schon viel um die Frauen. Das ist klar.
Die machen ja auch den Job. Irgendwann kam noch jemand. Da hatten die
jemanden organisiert. Ich weiß gar nicht, woher der kam. Der war speziell für die
Männer gekommen. Da gab es so einen Termin und die Frauen haben nebenan, ihr
normales Zeug gemacht und wir hatten dann noch einmal eine so genannte
Herrenrunde, sozusagen. Wo man dann auch noch Sachen fragen konnte. Da ging
es dann auch eher noch einmal darum, wie man als Mann damit umgeht, wie man
sich fühlt, also speziell männermäßig ausgerichtet. Es gibt auch so eine Hotline für
Väter, die wenn die mit einer Situation nicht klar kommen, da kann man dann einfach
anrufen.
O-Ton Henriette:
Die Männer haben sich in erster Linie schon gefragt, was sie tun können im
Kreißsaal. Die Frauen habe ja ihre Aufgabe, und was die Männer jetzt genau tun
können, das wissen sie ja jetzt vielleicht nicht, und was auch immer Thema war, war
eben auch diese Sondersituation, die dann herrscht, also auch, dass die Frauen
dann nicht so genießbar sind, oder auch mal, dass der Ton dann auch mal ein
bisschen härter werden kann und dass die Männer sich dann davon nicht unbedingt
einschüchtern lassen sollen und so weiter. Es war einfach immer klar, diese
Sondersituation, die diese Geburt mit sich bringt, und Fragen, die wir sonst so hatten.
O-Ton Markus:
Meine Frau ist privat versichert, dann sind wir einmal pro Monat zur Gynäkologin
gefahren und haben dann diese Standardvoruntersuchungen gemacht hat. Mir war
das auf jeden Fall klar, dass ich bei der Geburt dabei sein will ich bin selbstständig,
ich bin Musiker. Das hat einen Vorteil, einerseits. Im Freundeskreis kenne ich dann
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Leute, die sind dann angestellt. Die haben dann einfach freigenommen, die haben
dann einfach Urlaub genommen.
Ich habe das einfach so gemacht, dass ich viele Auftritte abgesagt habe und hatte
mir auch Springer besorgt, dass heißt Leute, die so ein bisschen auf der Ersatzbank
sitzen, und wenn jetzt das Kind spontan doch ein bisschen früher käme, die dann für
mich eingesprungen wären. Aber da, wo es wirklich knapp um den Geburtstermin
herum war, habe ich wirklich alle Termine abgesagt zwei Wochen vorher, zwei
Wochen hinterher und habe alles abgesagt. Aber dadurch geht natürlich Geld
verloren. Klar, ich kann kein Urlaub nehmen, wenn ich nicht arbeiten gehe, verdiene
ich kein Geld. Klar, ich wollte halt einfach dabei sein.
O- Ton Henriette.:
Ich habe mir mehr Gedanken gemacht bei der zweiten Geburt und habe schon so
überlegt, ob alles gut geht. Hatte schon immer mal so Ängste, aber unbegründet von
der medizinischen Lage her. Es war alles in Ordnung.
Der Ole ist 3 Wochen zu früh gekommen, und damit hatten wir überhaupt nicht
gerechnet, und weil es eben Blutungen gab, vorzeitige, sind wir halt in die Klinik
gefahren, um das abzuklären, und die Abklärung endete damit, dass wir jetzt einer
mehr waren. Wir waren im Krankenhaus. Ich wurde an diesem Wehenschreiber
angeschlossen. Es war alles gut. Und dann merke ich, das kam jetzt öfters, und die
wurden auch stärker. Die Hebamme, die lustigerweise die Hebamme war, bei der wir
den Geburtsvorbereitungskurs für meine Tochter gemacht hatten. Wir kannten uns
also auch von vor drei Jahren.
Also es waren wieder nur dreieinhalb Stunden, und dann habe ich auch nicht so
geschrien, weil ich ja wusste, es muss nicht sein. Ich regel das mal anders, und es
war jetzt viel friedlicher als die erste.
O-Ton Markus:
Die zweite Geburt zog irgendwie schon an mir vorüber. Weshalb weiß ich auch nicht.
Und dann sagen die so jetzt bleiben sie mal und jetzt geht es los.
Das ging so schnell alles. Wir haben dieses Mal auch nicht den Ort gewechselt.
Badewanne oder so. Plötzlich war er dann da und das ging jetzt auch sehr schnell für
mich. Bei der ersten Geburt hatte ich diesen Angstmoment. Nabelschnur um Hals
und jetzt müssen wir noch die Saugglocke. Aber das hatten wir bei der zweiten
Geburt Gott sei Dank nicht und da lief alles ganz glatt.
O-Ton Henriette:
Es waren eben ja auch zwei unterschiedliche Geburten. Bei meiner Tochter platzte
die Fruchtblase schon zu Hause, und dann sind wir gefahren, und dann gingen die
Wehen dort sehr schnell los, und beim Ole war es eben so. Wir fuhren dahin, und es
bahnte sich so an, und die Fruchtblase ist wirklich erst im allerletzten Moment
geplatzt, und das war einfach wie so ein Peng und dann so ein Wasserschwall, und
das war der einzige Moment, der während der Geburt unangenehm war, weil einfach
das Köpfchen da presste, wie verrückt, ich durfte aber nicht pressen, und das fand
ich sehr unangenehm, und ich habe auch gefragt: Was kann ich machen, was kann
ich machen? Und dann hieß es so: Mit der nächsten Wehe kannst du ihn
rausschieben, und das war dann gut. Hinter ihm war eben auch noch eine
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ordentliche Ladung Fruchtwasser, und ich habe das einfach im Nachhinein und das
müsste eigentlich mein Mann erzählen.
O-Ton Markus:
Erst ist die Fruchtblase geplatzt, dann kam schon ein ordentlicher Schwall raus.
Dann steckte aber noch der Kopf von Ole im Geburtskanal, und dann hat meine Frau
ihn rausgepresst, und einfach hinter ihm kam noch ein riesen Schwall Fruchtwasser.
Also die Hebamme hat es wirklich komplett von oben bis unten abgekriegt, und ich
habe mich dann auch total erschrocken, weil das dann wirklich so explosionsartig so
raus schoss.
O-Ton Markus: raus
Im Moment war die Hebamme halt völlig perplex, weil sie für einen Moment, weil sie
hat sich natürlich erschrocken, als dieser riesen Schwall an Fruchtwasser sie von
oben bis unten geduscht hat und danach war sie dann wieder auf der Spur und hat
den Job dann weiter gemacht und dann lag der Ole aber auch schon unten auf dem
Tuch, und dann hat sie sich einfach weiter darum gekümmert.
O-Ton Markus:
Die Geburt hat an der Beziehung überhaupt nichts verändert. Außer gefestigt. Es war
eben total verrückt, meine Frau in diesem Ausnahmezustand zu sehen. Das Einzige
ist vielleicht Bewunderung, wie meine Frau mit dem Schmerz umging, auch weil das
alles so schnell, weil das alles über und hereinbrach. Einfach zu sehen, wie stark
meine Frau ist, wie stark sie sein kann.
O- Ton Markus:
Es gab auch keinen Moment, dass ich da hätte raus gewollt. Das war eh so kurz bei
beiden Kindern. Es ist keine Frage des Blutes oder ob man das sehen kann. Also bei
mir jedenfalls. Mir macht das überhaupt nichts aus. Ich fand das überhaupt nicht
schlimm. Es ist jetzt auch nicht das Blut. Da ist ja so allerhand unterwegs, dann in
dem Moment, wenn die Fruchtblase platzt. Bei meinem Sohn kam wirklich so ein
Schwall, der kam da wirklich wie ein Korken aus der Flasche, kam der raus geflogen,
da habe ich Gott sei Dank keinen Ekel oder Ängste vor. Das hat mir gar nichts
gemacht. Da kann ich auch zupacken. Ich hatte nicht die Angst, dass sich die
Körperlichkeit ändert. Es ist jetzt auch nicht so eingetroffen.
O-Ton Henriette:
Ich glaube, dass uns das noch mehr zusammengeschweißt hat. Also die Liebe,
würde ich mal sagen, ist nach wie vor groß geblieben. Aber man ist trotzdem noch
mehr zusammengeschweißt worden, weil man eben so eine besondere Situation
erlebt habt.
O-Ton Johannes:
Die Geburt war nicht sehr einfach. Das hat sehr lange alles gedauert. Ja und ich
habe meine Frau dort auch sehr leiden sehen. Da war schon so ein
Ohnmachtsgefühl auch dabei, und man hatte halt auch Angst, weil es auch so lange
gedauert hat, das Gefühl, dass da auch etwas nicht gut geht. Das war schon ein
bisschen unheimlich.
Da hat Ana dann erst einmal PDA bekommen. Das war dann auch so ein typischer
Punkt. Ich kann keine Spritzen sehen, das war sehr extrem auch, das wird da in den
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Rücken gespritzt, und da wäre ich auch fast abgekippt, und da musste ich erst
einmal wegsehen. Und das war auch unangenehm. Es wurde auch so ein typischer
Moment, wo irgendwelche Männer umkippen bei der Geburt. Das war auch so ein
heikler Punkt, und das war ein Moment, da konnte Anna auch wieder Kraft schöpfen,
durch diese PDA, und das war dann auch wieder sehr krass, weil man die Geburt mit
Nadel im Arm und so hat, das fand ich auch sehr unangenehm, weil man seine Frau
dann ja auch so auffangen muss in diesen Situationen, bei wenn da halt eine Wehe
kommt, und man versucht das abzufangen, dann fängt man seine Frau auf z.B. in
dieser Hocklage. Das fand ich sehr unangenehm, dieses Leiden mit zu erleben. Aber
im Grunde hat Ana das sehr gut gemeistert. Ich konnte sie unterstützen.
O-Ton Johannes:
Ich konnte sie schon unterstützen. Das Gefühl hatte ich schon. Aber man muss
diesem Leiden halt zusehen. Das ist halt schwer. Aber unterstützen kann man
natürlich
O-Ton Ana:
Ich glaube schon. Die Unterstützung kommt schon, wenn der Mann neben uns ist
oder hinter uns. Der Mann hat natürlich die Rolle in dieser Geburtsgeschichte, nicht
die Hauptrolle. Die Hauptrolle besteht die Frau, deshalb steht er auch im Hintergrund.
Aber es ist auch eine sehr wichtige Rolle. Der war immer hinter mir. Jede Frau hat
eine Geburtsposition und bei mir war im Hocken und dann stand er hinter mir, und
dann musste ich immer zu Boden hocken, und dann war ich zwischen seine Beine,
und dann habe ich mich zwischen seine beiden Beine mit meinen Armen gestützt.
Und das war dann sehr wichtig, dass er mir geholfen hat.
Dann haben die das Licht runter gemacht, und dann ist er auf den Boden quasi
gerutscht, und dann war er ganz leise und hat seine Augen mal so kurz aufgemacht
und war mit dem Köpfchen so gedreht und war ganz zufrieden.
O-Ton Johannes:
Ja, da fließen auch Tränen. Ja, sicher.
O-Ton Ana:
Von meiner Seite nicht so.
O-Ton Johannes:
Bei mir flossen die Tränen.
O-Ton Ana:
Es war ein sehr schöner Moment. Es ist, wenn man eine natürliche Geburt macht. Es
ist natürlich alles unten verletzt, ja schon ein bisschen. Es musste bei mir nichts
genäht werden. Es war alles wunderbar.
O-Ton Johannes:
Ja, das ist ja heutzutage, glaube ich, auch der Klassiker, dass der Mann die
Nabelschnur durchschneidet. Das habe ich dann auch gemacht, also in Bensberg,
lassen die das auch sehr lange auspulsieren. Die Mama kriegt dann erst einmal den
Sohnemann auf die Brust und genau, und wenn das dann alles auspulsiert ist, darf
der Mann die Nabelschnur durchschneiden, und ja, das kostet auch beim ersten Mal
so ein bisschen Überwindung, hat es mich auch gekostet, das abzunabeln. Und ja,
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und das ist auch vom Gefühl her ein sehr fester Schnitt, auch irgendwie, ja so wie
wenn man so starkes Fleisch durchschneidet.
O-Ton Ana:
Wir haben uns entschieden, nicht mehr mit dem Geburtshaus zu machen. Wir hatten
schon von Anfang an entschieden, zu einem Krankenhaus zu gehen. Wir haben kein
Auto. Ab dem 5. Schwangerschaftsmonat man macht eine große
Ultraschalluntersuchung, und da wird alle mögliche Fehlbildung gesucht und beim
Vincent kam doch die Nachricht, dass er eine Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte hat, was
für mich nicht so viel Problem gebracht hat.
O-Ton Johannes:
Was mir zu der Geburt mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte einfällt, ist im Grunde die
unterschiedliche Diagnosezentren, also als Ana mit Felix schwanger war, waren wir
in einem Diagnosecenter. Da war der Arzt, da war er ganz komisch. Da ging es auch
darum, dass Ana eine Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte hat, und er kam mir da so vor,
als wollte er da so ein bisschen auf jeden Fall gucken, ob da nichts kommt, und dann
waren wir da auch zwei Mal. Ja auf jeden Fall fing der da auch mit Abtreibung an,
wegen solcher Sachen. Das fand ich ganz furchtbar.
O-Ton Johannes:
Die Geburt im Vergleich zu Felix war dann leider mehr Kreißsaalatmosphäre. Vincent
sollte recht schnell abgenabelt werden, und wurde dann auch vom Kinderarzt
untersucht und wegen der Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte. Die Geburt war ganz ruhig
und hat dann rumgebrabbelt und dann hat Vincent, weil er dann halt von dem Arzt
direkt untersucht wurde, hat er auch geschrien. Ja, es war aber im Grunde alles in
Ordnung.
O-Ton Ana:
Für mich war ganz besonders, weil ich war immer Patientin, und jetzt war ich Mutter
eines Patienten. Es war schon süß, ihn auf dem Boden zu sehen und seine riesige
Spalte auch zu sehen. Alles ist ein Teil von mir. Auch so ganz süß, habe ich ihn auch
gleich gegrüßt und meinem Mann auch gesagt, schau mal seine Spalte, aber es war
schon anders als mit Felix. Vincent wurde zwei Mal operiert. Die erste OP kam, als er
zwischen 3 und 5 Monate alte war, und die zweite OP war er anderthalb oder
zweieinhalb Jahre. Der Vincent muss noch mehrere Male operiert werden, aber
wahrscheinlich mehr als nur einmal, aber das machen wir im Lauf seines
Wachstums. Er muss wachsen. Jede OP kam in eine andere Laufzeit im Leben.
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