Autonome Fertigung auf Basis hochgradig vernetzter und automatisierter Prozesse Ziel: autonomes Drucken Was könnte effizienter sein, als Produktionsprozesse, die sich eigenständig steuern und automatisiert ablaufen, sodass Bediener nur noch im Bedarfsfall oder am Besten gar nicht mehr eingreifen müssen? Ein ambitioniertes Ziel, das in letzter Konsequenz den gesamten Produktionsprozess in einer Druckerei verändert. Heidelberg unternimmt mit seiner „Push to stop“-Strategie einen wichtigen Schritt, um den Kunden die automatischen Produktionsprozesse näher zu bringen und den Anwendern weitere Produktivitätssteigerungen zu ermöglichen. H eidelberg hat im Zuge seiner „Push to Stop“-Philosophie die Prozessabläufe in Druckereien neu durchdacht und möchte mit der möglichst weitreichenden Umsetzung des autonomen Druckens die Nettoproduktivität ihrer Kunden auf ein bislang unerreichtes Niveau heben. Im Herbst dieses Jahres hat das Unternehmen mit Lokay, Pruskil und Aumüller drei Druckereien unterschiedlicher Größenordnung besucht und den Vertretern der Fachpresse gezeigt, welche Erfolge die ersten Installationen mit dem „Push to Stop“-Ansatz für sich verbuchen konnten. Die Ergebnisse sind beeindruckend: Satte 20 Prozent Performancezuwachs vermelden die Feldtester von Heidelbergs neuer Generation der Speedmaster XL 106, bei der die neue „Push to Stop“-Philosophie eingeführt werden konnte. Für industriell arbeitende Betriebe, die um jede Sekunde weniger Rüstzeit und um jeden Bogen Makulatur ringen, stellt dies eine gewaltige Leistungssteigerung dar. Doch dies soll laut Rainer Wolf, Leiter Produktmanagement Sheetfed bei Heidelberg, erst der Anfang sein: „Mit Push 1 Der Drucker kann sich am Hochleistungsleitstand Prinect Press Center XL 2 über den Wallscreen XL eine optimale Übersicht über die Prozesse verschaffen und wird durch den jeweiligen Auftragswechsel mit Intellistart 2 navigiert. to Stop beginnt ein neues Zeitalter der Druckproduktion. Wir treiben die Digitalisierung unserer Branche konsequent voran und geben unseren Kunden damit die Chance, ihre Nettoproduktivität in den kommenden Jahren zu verdoppeln.“ 100 Prozent mehr Leistung? Doch wie soll sich eine verdoppelte Performance in Zeiten, in denen Kleinauflagen und häufige Jobwechsel es den Druckereien schwermachen, ihr Produktivitätsniveau überhaupt zu halten, erzielen lassen? Folgt man der Kalkulation der Heidelberger, hat eine Druckmaschine eine theoretische Kapazität, die sich aus ihrer maximalen Druckgeschwindigkeit und einer Produktionszeit von 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr ergibt. Davon werden nach den Erfahrungen der Heidelberger heute ca. 25 Prozent in den Unternehmen genutzt. Bei den modernen Hochleistungssystemen entspricht dies einer Druckleistung von ca. 40 Mio. Bogen im Jahr. Innerhalb der nächsten zehn Jahre möchte Heidelberg diese Produktionsleistung in den Druckereien verdoppeln, indem die Maschinen die anstehenden Aufträge weitgehend selbstständig produzieren. Natürlich geht es in diesem Zusammenhang darum, die manuellen Eingriffe auf das absolute Minimum zu reduzieren sowie alle verfügbaren Informationen des gesamten Produktionsprozesses auszuwerten und über Sensoren und Kontrollmessungen automatische Produktionsprozesse einzurichten. Hierbei verbleibt bei den Bedienern zwar die Entscheidung, welche Prozesse für die Produktion eines Jobs notwendig sind, das System jedoch soll die einzelnen Arbeitsschritte automatisch anstoßen, soweit dies technisch möglich ist. Wenn man die Produktivität der Druckmaschine besser ausnutzen möchte, muss deren Bedienung entsprechend vereinfacht werden. Die Maschine bzw. der Workflow soll künftig die Prozesse selbst organisieren, starten und Druckaufträge automatisch abarbeiten. Der Bediener wird dadurch von manuellen Tätigkeiten entlastet und kann sich ganz auf die Überwachung der Prozesse konzentrieren. Allein die Auftragsabwicklung in der Druckmaschine automatisieren zu wollen, ist natürlich nur die halbe Wahrheit. Schließlich müssen die Automatisierung und die Vernetzung alle Prozessschritte umfassen und in allen Bereichen muss die Kapazität der Produktion fein aufeinander abgestimmt werden, damit insgesamt die Produktivität einer Druckerei optimal gestaltet werden kann. Dies beschränkt sich nicht allein auf die Automatisierungskomponenten und die Copyright by pepress – World of Print - Dezember 2016 Verknüpfung aller Arbeitsschritte, sondern bezieht das gesamte Umfeld mit ein: Es beginnt bei der Prozessanalyse und -beratung, der Auswahl von individuell abgestimmten Verbrauchsmaterialien oder Verfügbarkeitskonzepten und reicht über die Kommunikation mit den Kunden und Lieferanten bis hin zur Logistik. In der Praxis ist es deshalb besonders wichtig, dass alle Produktionsmodule in den Workflow umfassend eingebunden sind und sie gemeinsam alle relevanten Daten eines Auftrags zentral bereitstellen und pflegen. Dies geht weit über das hinaus, was die heutigen JDF-Konzepte praktizieren. einen Abgleich von Ist- und Sollfarbwert, wann die definierten Qualitätsparameter erreicht sind und startet die Gutbogenproduktion ganz ohne Bedienereingriff. Allein diese Tatsache wird von den Druckern sicher sehr kritisch gesehen, schließlich lassen sich nicht alle Aufträge allein mit standardisierten Messergebnissen bewerten. Mit einem weitgehend automatischen Druckprozess muss in den Druckereien natürlich auch der Aufgabenbereich des verantwortlichen Druckers neu überdacht werden, und allein dies dürfte in der Praxis ein erhebliches Umdenken mit sich bringen, denn mit dieser veränderten Aufgabenverteilung soll ja schließlich die Verdopplung der Produktionsleistung erzielt werden. Das mit zahlreichen smarten Bedienfunktionen ausgestattete Press Center XL 2 fördert die produktive Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine, und der Bediener behält mit Hilfe des neuen Wallscreen XL auch bei häufigen Auftragswechseln die volle Kontrolle über den Produktionsablauf. Das Assistenzsystem „Intelliguide“ zeigt ihm anhand von Statusbalken in Echtzeit an, welche Rüstprozesse aktuell ablaufen, wie lange sie dauern und wann er eingreifen muss, um beispielsweise die Farbe zu wechseln. In der Jobliste kann er zudem per Drag-and-Drop die Auftragsreihenfolge ändern und es lassen sich 10, 20 oder 30 Jobs vorbereiten, die dann autonom abgearbeitet werden. Navigiertes Drucken Bei Heidelberg bildet der Druckerei-Workflow Prinect den Grundstein für intelligent organisierte Prozesse in der Druckerei und sorgt dafür, dass alle an der Wertschöpfung beteiligten Komponenten miteinander kommunizieren können, indem er sie vernetzt. Zugleich stellt Prinect Informationen bereit, damit die Komponenten wissen, was sie tun sollen und der Produktionsablauf so effizient wie möglich ist. So lesen beispielsweise Assistenzsysteme wie Intellistart 2 die Daten aus dem Workflow aus und entlasten den Bediener, indem sie Aufgaben selbstständig organisieren und erledigen. Die patentierte Software im neuen Maschinenleitstand Press Center XL 2 ermittelt die optimale Umrüstsequenz und ist vergleichbar mit einem Navigationssystem im Auto, das den Bediener auf kürzestem Weg von einem OK-Bogen zum nächsten lotst. Des Weiteren initiiert Intellistart 2 sämtliche Rüstvorgänge und weist darauf hin, wann welche manuellen Tätigkeiten erforderlich sind. Dabei laufen nicht nur alle Rüstprozesse vollautomatisch ab, sondern auch die Produktion wird automatisch gestartet. Die Software „Quality Assist“ erkennt durch Positives Feedback aus der Praxis Der industrielle Akzidenzdrucker Aumüller Druck in Regensburg produziert bereits mit einer Speedmaster XL 106-Achtfarben mit Wendung der neuesten Generation. Aufgrund der erreichten Leistungsgewinne hat das Unternehmen bereits zwei weitere Maschinen bestellt, die 2017 installiert werden. „Durch die Die Drucker bei Aumüller behalten über das Press Center XL 2 den Überblick und müssen nur noch steuernd und kontrollierend eingreifen sowie die Druckplatten für den Folgeauftrag bereitstellen. Copyright by prepress – World of Print - Dezember 2016 simultan ablaufenden Rüst- und Waschprozesse sind wir für einen vier über vier Auftrag in weniger als drei Minuten startbereit“, bestätigen die Inhaber Christian und Stefan Aumüller. „Die Bedienung ist so einfach und selbsterklärend wie ein Smartphone. Aber geradezu genial ist: Die Maschine entscheidet, welcher Weg der beste ist, anschließend muss der Bediener nur noch bestätigen, dem Autopiloten folgen und erst dann wieder aktiv werden, wenn alle Aufträge fertig sind“, so Volker Dollinger, Betriebsleiter bei Aumüller Druck. Tatsächlich müssen die Bediener nur noch steuernd und kontrollierend eingreifen sowie die Druckplatten für den Folgeauftrag bereitstellen. Die in Reinheim ansässige Druckerei Lokay hat ihre Prozesse durch eine integrierte Druckproduktion mit der ersten Speedmaster CX 102 der neuen drupa-Generation optimiert. Das Unternehmen, das sich konsequent auf nachhaltiges Drucken ausgerichtet hat, erzielt durch das neue Prinect Press Center XL 2 mit Wallscreen XL und Prinect Inpress Control 2 eine maximale Produktivität und einfachste Bedienung. Das neueste Update mit der Workflowsoftware Prinect 2017 sorgt zudem für eine hohe Transparenz sämtlicher Prozessschritte. „Insgesamt konnten wir eine höhere Produktivität und Effizienz, kürzere Rüstzeiten und eine sehr hohe Qualität mit der neuen Maschine umsetzen“, so Ralf Lokay, Inhaber und Geschäftsführer. „Eine manuelle Maschine bedeutet manuelle Preise. Mit der hohen Automatisierung und dem durchgängigen Prinect-Workflow können wir nun unseren Kunden marktgerechte Preise bei kürzeren Lieferzeiten bieten“, ergänzt Thomas Fleckenstein. Autonomes Drucken hat auch das Interesse der Druckerei Pruskil in Gaimersheim geweckt. Etwa 80 Mitarbeiter produzieren hier auf drei Wendemaschinen von Heidelberg – einer XL 105 und XL 106 mit 8 bzw. 10 Farbwerken – hochwertige Druckprodukte. „Wir möchten bei Aufträgen mit kleineren Auflagen deutlich wettbewerbsfähiger werden“, begründet Thomas Kerndl, technischer Leiter bei Pruskil, die neue Ausrichtung in der Produktion. Auch bei schwierigen Jobs für die Autoindustrie lassen sich die Einrichtezeiten mit den hoch automatisierten Drucksystemen deutlich verkürzen. 2
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