Menschen // Nostalski Menschen // Nostalski We have a World Cup Der 5. Januar 1967 ist eines der wichtigsten Daten im alpinen Skisport. An diesem Tag fand vor 50 Jahren in Berchtesgaden das erste Weltcuprennen der Geschichte statt. Der Österreicher Heini Messner siegte vor dem Franzosen Jules Melquiond und dem Schweizer Dumeng Giovanoli. N ebelfetzen hängen tief herunter. Sie vermischen sich am Ende des Tales mit den Wellen des Königssees. Als der Weltmeister Carlo Senoner eine Minute nach elf aus dem Startgatter in die Tiefe stösst, rüttelt der Wind an den Zweigen der Tannen. Wer so poetisch die Weltcup-Premiere in Worte fasst, ist kein Geringerer als der geistige Vater und Weltcup-Begründer Serge Lang persönlich. So beschrieb er in seiner Weltcup-Chronik die Ambiance des historischen Rennens. Heini Messner, der erste Sieger, sah es pragmatischer: «Ich weiss nur noch, dass die Piste am Jenner sehr schwierig, sehr steil und sehr eisig war. Und dass ich nach dem ersten Lauf erst an zehnter Stelle lag.├ Im zweiten Lauf, in dem die Top-15-Fahrer mit umgekehrten Startnummern (nicht umgekehrtem Klassement) starteten, also Messner mit der Nummer 13 als Dritter, stellte er Bestzeit auf und die Rangliste auf den Kopf. Erstmals wurden die Zeiten auf Tausendstelsekunden genau gestoppt, um dem Status des Weltcuprennens eine gewisse Würde zu geben. «Aber sonst spürten wir nicht viel davon, dass 22 Snowactive Januar 2017 dies ein besonderer Wettkampf war», erinnert sich Messner. Die Initianten hatten vergessen, den Organisatoren mitzuteilen, dass es zum Weltcup zählte . . . «Es war ein FIS-1/A-Rennen wie früher», sagt Messner. «Wir wurden zwar informiert, dass es zu diesem speziellen Wettbewerb gehört. Was aber aus diesem werden sollte, konnten wir nicht abschätzen.» Dieser «spezielle Wettbewerb» sollte den alpinen Skisport revolutionieren. Aus einem Kalender mit x-Rennen wurde eine Rennserie mit globaler Ausstrahlung. Das war weitgehend das Verdienst von Serge Lang. Den Skisport neu erfinden Eigentliche hätte der «alpine» Skisport in «andiner» Skisport umbenannt werden müssen. Denn das Gerüst dieses neuen Wettbewerbs entstand in den chilenischen Anden. Dort fanden 1966 mitten im europäischen Sommer im Flecken Portillo, 70 km vom nächsten grösseren Ort entfernt, die Skiweltmeisterschaften statt. Die Skifamilie war unter sich. Die «leuchtende Kraft des Kreuz des Südens», wie es Serge Lang mit seinem Hang für blumige Formulierungen beschreibt, befeuerte die Phantasie. Das sagenumwobene Sternengebilde unterhalb des Äquators inspirierte ein paar Ski-Pioniere, den Skisport neu zu erfinden. Serge Lang, Journalist der französischen Zeitung «L'Equipe», Honoré Bonnet und Bob Beattie, die Teamchefs von Frankreich und der USA, waren sich schon ein Jahr zuvor, im Winter 1965/66 einig gewesen, dass im Skisport «etwas geschehen musste». «Wir standen in Kitzbühel unterhalb der Mausefalle», erzählte Lang jeweils gerne von der Geburtsstunde des Weltcup, «und diskutierten über die Möglichkeiten eines Jahreswettbewerbs». «We have a World Cup» Die «L'Equipe» hatte für die laufende Saison, ähnlich wie im Radsport, einen «Challenge» für den besten Skirennfahrer des Winters ausgeschrieben, für den sich – ausser Serge Lang – niemand interessierte. Der Gewinner, Karl Schranz, nahm die Trophäe, ein Sujet mit zwei gekreuzten, goldenen Ski, verziert mit Diamanten, aus Anstand mit gespielter Wertschätzung höflich entgegen – mehr nicht. Bei jener Sommer-WM in Portillo gesellte sich auch noch der Österreicher Sepp Sulzberger Januar 2017 Snowactive 23 Menschen // Nostalski zum «Hahnenkamm-Trio» Lang, Bonnet und Beattie. Die «Viererbande» (Originalton Lang) war komplett, und ausser der Schweiz alles mit Rang und Namen im Skisport involviert. Auf der Piste gewannen die Franzosen sechs von acht Titeln und 16 von 24 Medaillen. Eigentlich waren es sieben Titel. Die Siegerin der FrauenAbfahrt, Erika Schinegger, war ein Mann, wie sich später herausstellte. Der Titel wurde später der zweitklassierten Marielle Goitschel zugesprochen, und Erika Schinegger nannte sich fortan Erik. Die Athleten veranstalteten in der abgeschiedenen Einöde aus Langeweile Tortenschlachten und Aschenbecherschiessen, Lang und Co. Serge Lang Geistiger Vater und Weltcup-Gründer brüteten tage- und nächtelang an ihrem Projekt. Als der Entwurf mit einem rudimentären Kalender vorlag, weihten sie FIS-Präsident Marc Hodler ein. Der oberste Ski-Funktionär reagierte undiplomatisch schnell und verkündete am 11. August 1966 der Presse: «Gentlemen, we have a World Cup». «World Cup» war eine Anleihe aus dem Fussball, wo zu jener Zeit unter diesem angelsächsischen Begriff in England gerade die Weltmeisterschaften ausgetragen wurden. Mit Coupe du Monde, Coppa del Mondo oder Weltcup liess sich dieser leicht übersetzen und effizient vermarkten. Der Skisport war in der Neuzeit angekommen. R i c hard H e g g l i n Ein Monument begeht den Weltcup-Fünfzigsten Die Lauberhornrennen, Erstaustragung im Jahr 1930, hatten schon immer eine aussergewöhnliche Resonanz und eine eigene Zeitrechnung. Aber weltweit so richtig den Status des «Special Event» erhielten sie 1967 mit der Einführung des Weltcups. Den Wengenern wurde die Ehre zuteil, die erste Weltcup-Abfahrt der Geschichte durchzuführen. Heuer wäre der 50. Geburtstag. Gross zum Feiern ist ihnen nicht zu Mute. Die Trauer um den langjährigen OK-Chef Viktor Gertsch schmerzt zu stark. Die erste Weltcup-Abfahrt hatte es in sich und kreierte einen Sieger, der dem Ereignis zusätzliche Würde verlieh. Jean-Claude Killy, der Superstar jener Zeit, gewann sowohl die Abfahrt wie den Slalom und damit auch die Kombination. Dieses ungewöhnliche Triple schaffte nach ihm keiner mehr. Ende Saison war Jean-Killy in logischer Konsequenz auch der erste Weltcup-Gesamtsieger der Geschichte. In 36 Wertungen stand der Franzose mit Schweizer Grossmüttern väterlicher und mütterlicherseits 26 Mal auf dem Podest. Unumwunden gestand er: «Der Weltcup ist für mich wichtiger als Weltmeisterschaften und Olympische Spiele». Das war Musik in den Ohren von Weltcup-Gründer Serge Lang. Gesamtsieger Killy war zugleich der beste Promoter. Und ein Jahr später, als Killy in Grenoble dreifacher Olympiasieger wurde, sagte er immer noch das Gleiche. Mit Killy, und auch mit Wengen, hatte eine neue Epoche begonnen. Der Skirennsport entwickelte sich zu einem ernst zu nehmenden Wirtschaftszweig. Der Weltcup wurde auch zu einem Vehikel der Kommerzialisierung. Puritaner erhoben den Mahnfinger. In der Anfangsphase des Weltcups war der Sport noch vielerorts Ehrensache, Geldverdienen verpönt und Werbung suspekt. Die olympische Scheinheiligkeit stellte alpine Ski fahrer (Karl Schranz 1972, Ingemar Stenmark oder Hanni Wenzel 1984) ins Abseits. Der damalige IOC-Präsident Avery Brundage verlangte von Killy, dass er die drei Goldmedaillen von Grenoble zurück- gebe. Killy liess ihm ausrichten, er solle sie in Val d'Isère abholen kommen. Und fügte schmunzelnd an: « Vermutlich hätte er die Fahrt nach Val d'Isère nicht überlebt . . .». Ein Sponsor galt als Fremdkörper, nicht als Partner. Löhne wurden als Verdienstausfallentschädigungen deklariert. Aber die Liberalisierung war nicht mehr aufzuhalten. Der Weltcup wirkte als Katalysator. Das Fernsehen trug seinen Teil zur Popularisierung bei. Auch die Lauberhornrennen entwickelten sich zu einem sportlichen und optischen Spektakel - die Quote der TV-Übertragungen schnellte über die Millionen-Grenze. Das Budget hatte sich, unter der umsichtigen Leitung von Viktor Gertsch, vervierzigfacht, die Werbeeinnahmen stiegen sogar um das Hundertfache! Eine Übersicht auf 50 Jahre Weltcup Wengen kann die wichtigsten Ereignisse nur fragmentarisch wiedergeben. Triumphe und Abstürze, Trauer und Tragik prägen diese Zeit, die Killy mit seinem «Hattrick» einleitete. Ein Auszug ohne Anspruch auf Vollständigkeit: 1968: Dumeng Giovanoli wird im strömenden Regen erster Schweizer Weltcupsieger im Slalom sechs Hundertstel vor dem Norweger Hakon Mjön. Und schafft eine Woche später mit dem Kitz-Sieg das Double. Seither gewann nie mehr ein Schweizer den Hahnenkamm-Slalom. 1974: Roland Collombin gewinnt als erster Schweizer im Rahmen des Weltcups die Lauberhorn-Abfahrt. Am Start hatte er einen Fotografen aufgefordert, von Franz Klammer, Herbert Plank – und ihm in der Mitte – ein Bild zu machen: «So hast du bereits das Siegerfoto und kannst dir den Weg ins Ziel ersparen.» Das Klassement: 1. Collombin. 2. Klammer. 3. Plank. 1975: Franz Klammer pulverisiert den alten Streckenrekord von Karl Schranz (3:01,60 aus dem Jahr 1969) und senkt die Marke auf 2:35,19. Mit einem Vorsprung von 3,54 Sekunden auf Herbert Plank stellt er einen weiteren Rekord auf. 1980: Erster «richtiger» Schweizer Abfahrtserfolg seit 1950 über die komplette Lauberhorndistanz! Peter Müller siegt vor den Crazy Canucks Ken Read und Steve Podborski, die vom Schweizer Heinz Kappeler trainiert werden. Ein Jahr später doppelt Toni Bürgler nach. 1987: Joël Gaspoz gewinnt als zweiter Schweizer nach Dumeng Giovanoli den Slalom – und ist bis heute der letzte Schweizer Slalomsieger. 1991: Der junge Österreicher Gernot Reinstadler verliert im Qualifikationstraining bei einem Sturz im Zielhang sein Leben. Die Rennen werden danach abgesagt – der traurigste Tag in der Geschichte des Lauberhorn. 1992/1994/2003: Franz Heinzer, William Besse und Bruno Kernen reihen sich in die Siegerliste der Lauberhorn-Abfahrt ein. 1997: Kristian Ghedina gewinnt nach 1995 zum zweiten Mal und stellt den heute noch gültigen Streckenrekord von 2:24,23 auf. 2005: Erstmals wird die alpine Kombination als separates Rennen durchgeführt. Benjamin Raich gewinnt wie auch ein Jahr später. Insgesamt bringt er es auf fünf Lauberhorn-Erfolge. 2009: Didier Défago gewinnt die Abfahrt und eine Woche später auch jene in Kitzbühel. Das Double Wengen/Kitzbühel war vorher nur Heinzer und Collombin gelungen. 2010/2012/2014: Auch Carlo Janka, Beat Feuz und Patrick Küng siegen, zusammen mit jenem von Défago vier Erfolge binnen sechs Jahren. Die erfolgreichste Zeit von Swiss-Ski, obwohl zwischendurch der nationale «Notstand» ausgerufen wurde. Aber am Lauberhorn klappte es (fast) immer. 2015: Ivica Kostelic wird in der Kombination hinter Carlo Janka und Victor Muffat-Jeandet Dritter und steht zum 13 Mal in Wengen auf dem Podest. Der Kroate ist der erfolgreichste Lauberhorn-Teilnehmer. Sechsmal gewann er – wie Marc Girardelli, der sich in vier verschiedenen Disziplinen in die Siegerliste R i c hard H e g g l i n eintrug. Anzeige Beim Skischuhspezialisten Michael Rieble erhalten Sie neue Skischuhe nach Mass oder individuelle Anpassungen für bestehende Skischuhe aller Marken. Sport Schuh Fitting GmbH . Ennetbürgerstrasse 4 . 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