Schachweltmeisterschaft 2016 - Schach

Jerzy Konikowski / Uwe Bekemann
Schachweltmeisterschaft
2016
Sergei Karjakin
gegen
Magnus Carlsen
Joachim Beyer Verlag
3
ISBN 978-3-95920-037-0
1. Auflage 2016
© by Joachim Beyer Verlag
Ein Imprint des Schachverlag Ullrich, Zur Wallfahrtskirche 5,
97483 Eltmann
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, jegliche Vervielfältigung oder Fotokopie,
sowie Übertragung in elektronische Medien, nur mit schriftlicher Zustimmung
des Verlags.
Bildnachweis:
Harry Schaack: S. 13, 14, 24, 26, 41, 43, 45, 75(2), 85, 93, 99, 107, 113, 117,
121, 125, 130, 139, Umschlag (2)
Fide World: S. 151 (2)
Rosemarie J. Pfortner: S. 8
4
Inhalt
Vorwort .............................................................................................................. 7
Einleitung ......................................................................................................... 9
Kapitel 1 ............................................................................................................ 12
Die Kontrahenten im Kurz-Porträt:
Der Herausforderer Sergei Karjakin ......................................................... 12
Der Titelverteidiger Magnus Carlsen ....................................................... 24
Kapitel 2 ............................................................................................................ 36
Bisherige Duelle zwischen den Kontrahenten ............................................. 36
Kapitel 3 ............................................................................................................ 47
Kombinieren Sie wie Carlsen und Karjakin! ................................................ 47
Lösungen ....................................................................................................... 53
Kapitel 4 ............................................................................................................ 56
Prognosen vor dem Kampf - Interviews ..................................................... 56
Interviewfragen und Antworten ..................................................................... 57
Beispielpartien .............................................................................................. 59
Endspiele ...................................................................................................... 65
Kapitel 5 - Der Kampf .................................................................................... 76
Partie 1 .......................................................................................................... 76
Partie 2 .......................................................................................................... 80
Partie 3 .......................................................................................................... 85
Partie 4 .......................................................................................................... 92
Partie 5 .......................................................................................................... 99
Partie 6 ........................................................................................................ 104
Partie 7 ........................................................................................................ 108
Partie 8 ........................................................................................................ 112
Partie 9 ........................................................................................................ 119
Partie 10 ...................................................................................................... 126
Partie 11 ...................................................................................................... 133
Partie 12 ...................................................................................................... 136
5
Die WM geht in den Tiebreak .................................................................. 140
Tiebreak-Partie Nr. 1 ................................................................................. 140
Tiebreak-Partie Nr. 2 ................................................................................. 142
Tiebreak-Partie Nr. 3 ................................................................................. 145
Tiebreak-Partie Nr. 4 ................................................................................. 147
Namensverzeichnis ....................................................................................... 152
Eröffnungsregister ........................................................................................ 153
Quellenverzeichnis ....................................................................................... 154
6
Vorwort
Duelle um die Krone des Weltmeisters im Schach sind immer herausragende
Ereignisse. Seitdem Magnus Carlsen dabei mitwirkt, zunächst natürlich als
Herausforderer im Match 2013 gegen Vishy Anand und dann als Titelverteidiger gegen denselben Gegner, ist auch das allgemeine Medieninteresse weiter
gestiegen. Er ist nicht nur in seinem Heimatland Norwegen ein Superstar, sondern weltweit ein Spieler, dem enorme Anerkennung und Sympathie entgegengebracht werden.
Das WM-Match 2016 zwischen Magnus Carlsen aus Norwegen und seinem
Herausforderer Sergei Karjakin aus Russland hat schon im Vorfeld große Teile
der Schachwelt elektrisiert und auch solche Medien auf den Plan gerufen, die
dem Schachspiel gewöhnlich weniger Aufmerksamkeit widmen.
Die Partien waren weltweit in Live-Tickern über das Internet zu verfolgen,
teilweise zeitgleich von bekannten Großmeistern kommentiert.
Während vor Beginn des Wettkampfes allgemein von einer glatten Titelverteidigung Carlsens ausgegangen wurde, zeigte sich in dessen Verlauf, dass sein
Herausforderer nicht zu Unrecht als großer Kenner der Eröffnungstheorie und
besonders als harter und zäher Kämpfer galt. In einer Serie von Remispartien
blieben beide Kontrahenten auf Augenhöhe, bis Karjakin im 8. Duell den ersten
vollen Punkt holte und Carlsen damit unter Druck setzte. Diesem gelang zwei
Partien später der Ausgleich, so dass die Spieler über die volle Distanz von 12
Partien gehen mussten, da mindestens 6,5 Punkte für den Titelgewinn erforderlich waren. In den verbliebenen beiden Partien fiel keine Entscheidung zugunsten eines der beiden Kontrahenten und es musste der Tiebreak mit vier
Partien im Schnellschach entscheiden.
Es kam zum Showdown, bei dem die beiden ersten Duelle mit einem Unentschieden endeten. Dann aber konnte Carlsen sein überlegenes Improvisationstalent voll zur Geltung bringen und die beiden nächsten Partien für sich
entscheiden. Im „finale furioso“ setzte er im letzten Zug des gesamten Wettkampfes ein Damenopfer, einem Paukenschlag gleich. Besser hätte kein Filmproduzent einen Schlusspunkt inszenieren können!
Wir haben die Spannung des WM-Kampfes für die Leserinnen und Leser eingefangen. Die 12 kommentierten „regulären“ und die im Schnellschach gespielten
Partien sollen Sie das Duell nacherleben lassen, unterhalten und auch Ihr Interesse an Informationen decken.
Der Wettkampf selbst bildet natürlich das Kernkapitel unseres Buches. Wir
haben uns aber der Mühe unterzogen, ein umfassenderes Bild von beiden Spielern
zu zeichnen. So werfen wir ein Schlaglicht auf ihren jeweiligen Werdegang, auf
in der Vergangenheit gespielte Partien, auf spielerische Glanzleistungen und
7
mehr. Selbst Aufgabenstellungen zum Lösen durch die Leserschaft haben wir
aufgenommen.
So hoffen wir, dass Ihnen das Ergebnis unserer Arbeit Freude bereitet und Sie
ein eigenes „WM-Feeling“ entwickeln können!
Ein Buch wie dieses ist ohne Unterstützung und Hilfe anderer nicht denkbar.
Wir bedanken uns deshalb bei allen Unterstützern sehr herzlich! Besonders
erwähnen möchten wir GM Karsten Müller und Fernschach-GM Gerhard Müller, die bereit waren, uns für ein Interview zur Verfügung zu stehen, und zusätzlich bei Karsten Müller für freundlich überlassene eigene Analysen. Wir
danken der Künstlerin Rosemarie J. Pfortner für ihre Zustimmung, ihre Porträtzeichnung von den beiden WM-Helden im Buch abzubilden. Und natürlich bedanken wir uns ebenfalls herzlich bei unseren Verleger Robert Ullrich, der unser
Buch letztlich überhaupt erst möglich gemacht hat.
Jerzy Konikowski & Uwe Bekemann, im Dezember 2016
Magnus Carlsen und Sergei Karjakin, Zeichnung von Rosemarie J. Pfortner
8
3. Partie. Erster Zug von Schwarz
Wettkampfpartie Nr. 3
Carlsen - Karjakin
Spanische Partie [C67]
New York 14.11.2016 (Montag)
Nach dem wenig gelungenen Debüt mit
dem Trompowsky-Angriff in der ersten Partie eröffnete der Weltmeister
diesmal mit dem Königsbauern. Auf
dem Brett ergab sich erneut die Spanische Partie, die bereits in der zweiten Begegnung gespielt wurde, dort
eben mit vertauschten Farben. Karjakin entschied sich für die Berliner Verteidigung, die beiden Spielern gut bekannt ist. Genauer gesagt geht es um
den dritten Zug mit dem Springer nach
f6, mit dem Schwarz sofort den gegnerischen Zentralbauern e4 angreift
und damit die Auswahl an Varianten
für Weiß erheblich einschränkt. Der
frühe Springerzug gehört zu den ältesten Spielweisen in der Spanischen
Partie. Auf den Turnieren war diese
Verteidigung für viele Jahre ins Abseits geraten, bis beim Weltmeisterschaftkampf in London 2000, im
Match Kasparow - Kramnik, der Herausforderer diese Idee wieder hervorholte. Die Hartnäckigkeit von Kramnik
machte damals Furore, und die außergewöhnlich widerstandsfähige Verteidigung ging unter der englischen
Bezeichnung „Berlin Wall“ (bzw.
deutsch: „Berliner Mauer“) in die Eröffnungsliteratur ein. Magnus Carlsen
verfügt über eine große Erfahrung in
der Berliner Verteidigung, und zwar mit
beiden Farben. Im letzten WM-Wettkampf in Sotschi 2014 - Anand gegen Carlsen - spielte er die Verteidigung viermal mit Schwarz und verlor
85
zwei Partien. Im anstehenden Duell
verzichtet Weiß auf die Hauptfortsetzung 5.d5 und wählt eine Nebenvariante mit 5.¦e1. Zu einer echten Überraschung kommt es jedoch erst durch
10.¦e2, denn normalerweise zieht der
Turm nach e1. In der Pressekonferenz
nach der Partie scherzte Carlsen, dass
ihm der Turm aus der Hand gerutscht
sei. Und nun schauen wir uns die gesamte Partie an, die von beiden Kontrahenten nicht ganz fehlerlos gespielt
wurde.
1.e4 e5 2.¤f3 ¤c6 3.¥b5 ¤f6
Damit ist die Berliner Verteidigung entstanden.
4.0–0
Dies ist die Hauptfortsetzung. Mit 4.d3
lassen sich die breit ausgearbeiteten
Varianten des Systems vermeiden. In
gleicher Weise agierte Carlsen gegen
Anand während des Wettkampfs in
Sotschi 2014 und auch in Chennai
2013.
4...¤xe4
XIIIIIIIIY
8r+lwqkvl-tr0
7zppzpp+pzpp0
6-+n+-+-+0
5+L+-zp-+-0
4-+-+n+-+0
3+-+-+N+-0
2PzPPzP-zPPzP0
1tRNvLQ+RmK-0
xabcdefghy
5.¦e1
Auch dieser Zug zählt zum bekannten Eröffnungsrepertoire des Welt86
meisters. Die Folge 5.d4 ¤d6 6.¥xc6
dxc6 7.dxe5 ¤f5 8.£xd8+ ¢xd8
kommt allerdings häufiger in der Praxis vor, auch bei Carlsen. Wir werfen
einen kurzen Blick in die Vergangenheit, um an seine diesbezüglichen Erfahrungen zu erinnern:
A) 9.h3 ¥d7 (9...h6 10.¦d1+ ¢e8
11.¤c3 ¤e7 12.b3 ¥f5 13.¤d4 ¥h7
14.¥b2 ¦d8= Caruana - Carlsen, Stavanger 2015) 10.¦d1 ¥e7 11.¤c3 ¢c8
12.¥g5 h6 13.¥xe7 ¤xe7 14.¦d2 c5
15.¦ad1 ¥e6 16.¤e1 ¤g6 17.¤d3 b6=
Anand - Carlsen, Chennai 2013, 4.
Matchpartie.
B) 9.¤c3 ¢e8 10.h3 h5 11.¤e2 (11.¥f4
¥e7 12.¦ad1 ¥e6 13.¤g5 ¦h6 14.g3
¥xg5 15.¥xg5 ¦g6= Carlsen - Anand,
Sotschi 2014, 6. Matchpartie.) 11...b6
12.¦d1 ¥a6 13.¤f4 ¥b7 14.e6 ¥d6
15.exf7+ ¢xf7 16.¤g5+ ¢f6 17.¤e4+
¢f7 mit baldigem Remis, Carlsen Anand, Sotschi 2014, 9. Matchpartie.
5...¤d6 6.¤xe5 ¥e7 7.¥f1 ¤xe5
8.¦xe5 0–0 9.d4
Eine Alternative ist 9.¤c3 ¤e8 10.¤d5
¥d6 11.¦e1 c6 12.¤e3, die man
ebenfalls in Partien von Carlsen antrifft.
9...¥f6
In einer Partie Karjakin - Carlsen,
Moskau 2013, ging es wie folgt weiter: 9...¤e8 10.d5 ¥c5 11.¦e1 d6
12.¤c3 ¥f5 13.¥d3 ¥xd3 14.£xd3 ¤f6
15.¤a4 ¦e8 16.¥d2 ¦xe1+ 17.¦xe1
£d7 18.¤xc5 dxc5 19.c4 ¦e8 mit gleicher Stellung.