Christ, der Retter ist da Eine Weihnachtsbetrachtung von Dr. Josef Rehrl Das Tor geht auf – und wer tritt ein? Es ist nicht das Nürnberger Christkindl, sondern: Christ der Retter ist da! Jetzt steht er also da, den wir so inständig herbeigesungen haben, für den wir den Himmel tauen lassen wollten – er ist persönlich eingetroffen! Ein schauriges, durchwachsenes Gefühl verbreitet sich. Einerseits eine Stimmung des ungläubigen Staunens darüber, dass er nun wirklich gekommen ist, denn wer hätte damit gerechnet? Wer hätte das noch geglaubt? Haben wir uns doch alle in einer Wolke der Illusion bewegt, gleichsam einem Phantom folgend, das in Watte, Zuckerguss und Glühwein gegossen und dazu noch elektrisch beleuchtet wird. Haben wir nicht alle gedacht, es ist ja nur ein Spiel; wir können ja nichts falsch machen; es ist ja nur Romantik; es kann ja nicht schaden mitzusingen. Aber dass wir ihm nun tatsächlich begegnen könnten, dass er auf einmal am geöffneten Tor stehen würde, damit hat doch keiner gerechnet. Eine Sensation. In das Gefühl des freudigen Erstaunens mischte sich nach und nach auch Unbehagen. Wird der Retter nicht mit den Worten zitiert: „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mit getan“? Oha; da geht der Wind her! Falls er mich fragen sollte, was ich nach dem Stille Nacht-Lied für diese Geringsten getan habe, was könnte ich ihm antworten? Aktuell scheint geboten, dass wir den belastenden Lebensumständen nicht einfach tatenlos zugucken und dass wir, wie er Papst schreibt, endlich einen anderen Lebensstil anstreben sollen. Er steht immer noch am offenen Tor. Jetzt bin ich gespannt, wie sich die Szene entwickelt – Ihm sei alle Macht gegeben, im Himmel und auf Erden, heißt es. Wie soll er das trotz seiner Macht schaffen: die Herzen der Menschen erweichen, die Kriege beenden, den Hunger stillen und den Bedarf an trinkbarem Wasser bereitstellen, die Klimaerwärmung stoppen und das Leben auf dem Planeten sicherstellen? Nichts gegen seine Autorität, aber will er das allein hinkriegen? Und in welchem Zeitraum? Vielleicht braucht er Unterstützer? Mehr Personal bitte; gut ausgebildete Fachkräfte sowie Ehrenamtliche! Er steht geduldig unter dem Tor und schaut mich offen an, als sollte ich ihn hereinbitten. Das traue ich mir nun einfach zu, ich kann ja nicht falsch machen. Er soll ja privat eine ausgesprochen zugewandte liebenswürde Person sein!
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