Brauchen wir den

Pro & Kontra
Brauchen wir den
B
ereits im Koalitionsvertrag haben
SPD und CDU/CSU vereinbart,
ein bundeseinheitliches Prüf- und
Zulassungsverfahren für Tierhaltungssysteme zu erarbeiten. Auch im § 13 des
Tierschutzgesetzes ist das bereits vorgesehen.
Grundsätzlich erwarte ich, dass wir
mit der Einführung des Prüf- und
Zulassungsverfahrens den Dialog über
den Tierschutz in der Landwirtschaft
weiter voran­treiben. Alle Beteiligten –
Stalleinrichter, Behörden, Wissenschaftler und Tierhalter – müssen sich
künftig mehr über Tierschutz und tiergerechte Haltung austauschen. Das
gemeinsame Ziel muss sein, dass
Schweine, Hühner und Rinder nur noch
in tierschutz­
konform geprüften und
zugelassenen Stall­einrichtungen untergebracht werden.
Schweden als Vorbild: Dass ein Prüf-
und Zulassungsverfahren sinnvoll ist,
zeigen die Erfahrungen in anderen
europäischen Ländern wie z. B. in der
Schweiz und in Schweden. Dort sind
Haltungssysteme auf dem Markt, die
den Verhaltensweisen und Bedürfnissen der Schweine, Hühner und Rinder
besser angepasst sind. Das verbessert
den Tierschutz in den Ställen. Ich bin
fest davon überzeugt, dass sich ähnliche
Erfolge auch in Deutschland einstellen
werden.
Zudem versprechen wir uns mehr
Rechtssicherheit für die Hersteller und
Käufer von Stalleinrichtungen. Den
zuständigen Landesbehörden geben wir
damit ein Instrument an die Hand, mit
dem sie Bauvorhaben einfacher und einheitlicher in puncto Tierschutz beurtei-
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Christina Jantz, SPD-­
Bundestagsabgeordnete und
Tierschutzbeauftragte
len können. Das würde letztlich auch
die Genehmigungsverfahren beschleunigen. Direkt vor Ort vereinfachen wir
ebenfalls die Arbeit der Behörden, die
dann effizienter überwachen können,
ob die Betriebe das Tierschutzrecht einhalten.
Bei diesem Prozess müssen wir natürlich alle Beteiligten mitnehmen. Wir
haben uns daher im Rahmen einer Fachveranstaltung mit Experten aus Österreich und der Schweiz, Vertretern von
Landwirtschaftsverbänden, Tierhaltern
und Tierschutzorganisationen an einen
Tisch gesetzt und über die Prüf- und
Zulassungsverfahren diskutiert.
Dabei wurde klar, dass wir besonders
darauf achten müssen, dass wir Innovationen nicht behindern und die lokalen
Gegebenheiten vor Ort nicht vergessen.
So werden wir aufseiten der Hersteller
vor allem darauf achten, dass wir die
inländischen Firmen nicht benachteiligen. Wir werden diese Bedenken aufnehmen und wollen gemeinsam zu
einer vernünftigen Lösung für alle Seiten gelangen.
Ziel ist auch, dass Prüfung und Zulassung keine höheren Kosten für die Landwirte verursachen. Bereits installierte
Stall­
einrichtungen müssen weiterverwendet werden dürfen, ohne dass sie ein
Zulassungsverfahren durchlaufen haben.
Unabhängig davon werden wir aber eine
Frist festlegen, ab der die Landwirte nur
noch zugelassene Stall­einrichtungen in
Betrieb nehmen dürfen.
Ich bin mir sicher, dass wir damit die
tiergerechte Haltung in Deutschland
weiter voranbringen werden, und die
Nutztierhaltung ein Erfolgsmodell bleiben wird.
Foto: Privat
PRO
Foto: Heil
Ab Mitte 2015 sollen Experten serienmäßig hergestellte
Stal­l­einrichtungen im Hinblick
auf den Tierschutz überprüfen. Was spricht für das
Prüf- und Zulassungsverfahren? Was dagegen?
Stalltechnik-TÜV?
Foto: Privat
KONTRA
Wilfried Brede, Stallbau- und
Produktionsberater, Serviceteam
Alsfeld (Hessen)
N
ein, wir brauchen kein Prüf- und
Zulassungsverfahren für serienmäßig hergestellte Stalleinrichtung. Die Politik – getrieben vom Deutschen Tierschutzbund und dem BUND
– würde damit nur ein weiteres bürokratisches Monster aus der Taufe heben,
das keine Verbesserung für unsere Tiere
bringt.
Denn schon jetzt erfüllen die Haltungssysteme in Deutschland höchste
Ansprüche in puncto Tierwohl und
Tiergesundheit, wenn sie richtig gemanagt werden. Außerdem existiert
bereits heute eine Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien, die
die Nutztierhaltung regeln.
Bereits vor mehr als zehn Jahren hat
das Bundesumweltamt das Kuratorium für Technik und Bauwesen in der
Landwirtschaft (KTBL) beauftragt,
an der Erstellung der europaweit gültigen „BVT-Merkblätter“ mitzuarbeiten. Diese „Beste verfügbaren Techniken (BVT) der Intensivtierhaltung“
beschreiben bereits die besten Haltungssysteme. Sie müssten eigentlich
nur fortgeschrieben werden.
Ich bin fest davon überzeugt, dass ein
Stalltechnik-TÜV die Entwicklung von
Innovationen behindern wird. Denn die
mittelständischen Stalleinrichter werden die Gebühren des Prüfverfahrens
nicht schultern können. Tun sie es doch,
werden sie die Kosten auf den Preis der
Anfang 2015 soll die Verordnung für ein
Prüf- und Zulassungsverfahren (Stalltechnik-TÜV ) für Haltungssysteme ausgearbeitet werden. Kommt es dazu, dann dürfen
Landwirte nur noch zertifizierte Stalleinrichtungen einbauen.
Stalleinrichtungen aufschlagen. Letztlich müsste also der Landwirt die Zeche
zahlen!
Doch nicht nur die Kosten wären ein
Hemmschuh für die Hersteller. Allein
die bürokratischen Hürden und langwierigen Zulassungsprozeduren würden sie vor innovativen Neuentwicklungen zurückschrecken lassen. In der Vergangenheit hätte es so bestimmt viele
Erfindungen und Neuerungen, die den
Tierschutz vorangebracht haben, gar
nicht gegeben.
Nicht zu vergessen, dass die Politik
den deutschen Tierhaltern und Stalleinrichtern damit eine weitere Rechtsvorschrift aufbürdet, die zu massiven
Wettbewerbsverzerrungen im globalen
Wettbewerb führen wird. Die schwedischen Schweinehalter können ein Lied
davon singen. Dort schrumpfen die
Schweinebestände aufgrund hoher
Tierschutzauflagen seit 2003 spürbar,
der Selbstversorgungsgrad mit Schweinefleisch liegt bei weniger als 70 %.
Mehr Geld für die Forschung! Befür-
worter des Stalltechnik-TÜV, darunter
der Deutsche Tierschutzbund, argumentieren, dass man nur damit das Profitstreben der Stallbaufirmen und Landwirte bremsen könne. Das ist haltlos
und unverschämt! Jeder Landwirt lebt
von und mit seinen Tieren.
Schweinehalter und Hersteller von
Stalleinrichtungen haben in Zusammenarbeit mit den Tierärzten, der Wissenschaft und der Beratung nie das
Wohlbefinden der Schweine und den
Tierschutz aus den Augen verloren und
werden dies auch in Zukunft nicht.
Sicherlich gibt es Aspekte in der Tierhaltung, die verbessert werden müssen.
Doch anstatt neue bürokratische Hürden aufzubauen und Behörden aufzustocken, wäre es wesentlich sinnvoller,
der landwirtschaftlichen Forschung
endlich wieder mehr Geld zur Verfügung zu stellen.
Denn letztlich brauchen wir wissenschaftlich fundierte Ergebnisse, die
durch praktische Erfahrungen von
Landwirten ergänzt werden, um den
Tierschutz weiter voranzubringen.
Ständig neue Rechtsvorschriften können das nicht leisten. Daher brauchen
wir keinen Stalltechnik-TÜV!
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