Beten und brauen

Köpfe vom Hof
Foto: Bröcker
In der Brauerei
gilt: Blauer Kittel
statt schwarzer
Kutte. So braut
Schwester Doris im
Kloster Mallersdorf
nahe Regensburg
seit über 40 Jahren
hellen, würzigen
Gerstensaft.
Beten und brauen
Um fünf Uhr klingelt der Wecker, um halb sechs startet das Chorgebet. Zwischen
Frühstück und Abendbrot kreiert Nonne Doris Engelhard ihr „Mallersdorfer Klosterbräu“.
Pünktlich zur Abendmesse sitzt die gebürtige Bauerntochter wieder in der Kirchenbank.
194
top agrar 1/2015
lichen Hof 1972 mit der „Heiligen Profess“ endgültig in die Gemeinschaft
einzutreten. „Das war mein Weg. Zuhause wuchsen wir bescheiden auf, waren nicht verwöhnt. Mir war einfach
schnell klar, dass ich in Mallersdorf
bleiben würde“, sagt Schwester Doris.
Ihre Brauerei nennt sie „den besten
Ort im Kloster“. Hier wohnt und schläft
sie. Hier arbeitet sie. Selbstbestimmt,
mit nur einem Mitarbeiter. Und betont:
„Gerste, Malz, Hefe, das
Ko­chen und Gä­ren – das
Alles hat viel Ähnlichkeit
mit der Landwirtschaft.“
Sich zu behaupten, das
hat Doris Engelhard früh
gelernt: 1975, als sie in Ulm
ihre Prüfung zur Braumeisterin ablegt, ist sie die einzige Frau unter 29 Schülern. Auf das Zusammen­
leben mit fast 180 Mitschwestern
blickt
sie
reflektiert: „Du bleibst, wie Du bist,
auch im Orden. Hast Deine Launen und
Befindlichkeiten, so wie die anderen
Frauen auch. Du musst Selbstdisziplin
lernen – und Geduld.“ Kraft findet die
KÖPFE VOM HOF
M
it Alfred, dem MaschinenbauIngenieur – einer ihrer 47 Neffen und Nichten – hat sie gerade
die Neuheiten der Biermesse in Nürnberg erkundet. Nächste Woche ist sie
zum Empfang des elitär angehauchten
„Tower Circle“ am Münchener Flughafen
geladen. Der Urlaub 2015 führt sie wahrscheinlich nach Afrika. Doris Engelhard,
siebtes Kind einer fränkischen Bauernfamilie, hat einen vollen Terminkalender.
Neben dem Besuch von Fachmessen, offiziellen Terminen und drei Wochen
Jahresurlaub hat die Ordensfrau zwischen Morgengebet und Abendandacht
schließlich auch noch ihr Klosterbier zu
brauen. 8 000 Liter pro Woche. Denn das
ist die Aufgabe und Berufung der kernigen Schwester, seit über 40 Jahren.
„Ich würd’s immer wieder so machen“, sagt die 65-Jährige im Gespräch.
Mit 12 Jahren kommt sie 1962 als Internatsschülerin in die FranziskanerinnenKongregation Mallersdorf nach Niederbayern. Zusammen mit weiteren fünf
Schülerinnen bleibt sie nach Beendigung ihres Realschulabschlusses im
Kloster, um nach dem Noviziat und einer nur kurzen Rückkehr auf den elter-
Nonne im strengen Takt aus Gebetszeiten und Ritualen. „In der Kirchenbank
kann ich zur Ruhe kommen, mich ordnen. Ich brauche diesen Halt in Gott.“
Dass den „modernen Menschen“ ein
vergleichbarer Ort zum Innehalten
fehlt, darüber ist sie sich mit Johannes,
ihrem Bruder, Benediktiner-Mönch in
der Abtei Münsterschwarzach, einig.
Doch auch Doris Engelhard kann sich
den Zwängen der digitalisierten Welt
nicht ganz entziehen: Ihre
E-Mails kontrolliert sie einmal am Tag. Das Klosterbräu
ist sogar online bestellbar –
fast täglich fährt der Paketdienst zur Abholung von
„Jubiläumsbier“, „Hellem“
und „Zoigl“ vor.
„Gott verherrlichen, das
kann ich überall. Am liebsten in der Tat“, sagt sie beim
Rundgang, vorbei an monströsen Gärkesseln, Kühlbehältern und der großen Abfüllanlage.
Die Türglocke ertönt. Wichtiger als der
Verkauf ist nun zunächst das Zuhören.
Es ist der Ehemann einer schwerkranken Nachbarin.
Reingard Bröcker