Auch ohne Antibiotika zum Ziel

PHARMA
AKUTE HARNWEGSINFEKTION
Auch ohne Antibiotika zum Ziel
Phytopharmaka zielen nicht auf eine Keim-Eradikation, sondern auf die
entzündliche Reaktion des Wirts.
ezidivierende Harnwegsinfektionen bedingen einen hohen
Verbrauch von Antibiotika. Diese
helfen zwar sehr gut, schwächen
aber auch die Kolonisationsresistenz. Phytopharmaka, die nicht auf
Elimination der Erreger, sondern
die entzündliche Reaktion des Wirts
abzielen, könnten eine wirksame
Alternative bieten.
Die akute unkomplizierte Zystitis ist vor allem für Frauen ein häufiges Problem. Bei einem Drittel
der Betroffenen tritt die Harnwegsinfektion rezidivierend auf. Mit
dem inzwischen auch in deutscher
Sprache validierten Acute Cystitis
Symptom Score (ACSS) kann eine
akute unkomplizierte Zystitis mit
einer Sensitivität von 93 % und einer Spezifität von 86 % klinisch diagnostiziert werden.
Werden bei der mikrobiologischen Untersuchung Keime im Urin
gefunden, ist dies nur dann eine Therapie-Indikation, wenn klinische Symptome wie Dysurie oder
Pollakisurie bestehen. Eine asymptomatische Bakteriurie sollte nicht
behandelt werden, betonte Prof. Dr.
med. Kurt G. Naber, Straubing. Es
habe sich gezeigt, dass eine Antibiotikatherapie in diesem Fall sogar ungünstig ist, weil sie das Auftreten von Rezidiven begünstige.
Dies erklärt man sich damit, dass
die Antibiotika die kolonisierenden
wenig virulenten Bakterien eliminieren, die einen Schutz vor aufsteigenden Infektionen mit virulenten
Bakterien bieten.
Mit Antibiotika-Kurzzeittherapien
lassen sich 80–90 % der akuten unkomplizierten Zystitiden innerhalb
einer Woche abheilen. Da der Haupterreger E.coli immer mehr Resistenzen gegen Amoxicillin, orale Cephalosporine, Cotrimoxazol oder Fluorochinolone entwickelt, empfehlen
die Leitlinien bevorzugt ältere orale
Antibiotika wie Fosfomycin-Trome-
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tamol, Nitrofurantoin, Pivmecillinam
oder Nitroxolin.
Aber es gibt auch Antibiotikafreie pflanzliche Alternativen. Sie
zielen nicht auf eine Keim-Eradikation, sondern auf die entzündliche
Reaktion des Wirts, die letztlich für
die Symptome verantwortlich ist.
Die Erreger werden entweder spontan eliminiert oder adaptieren sich
im Sinne einer asymptomatischen
Bakteriurie. Gut belegt ist die Wirkung des Phytotherapeutikums CLR
(Bionorica), das Tausendgüldenkraut, Liebstöckelwurzel und Rosmarinblätter als Wirkstoffe enthält.
Präklinische Untersuchungen weisen auf antiinflammatorische und
spasmolytische Eigenschaften des
Präparats hin.
Direkter Vergleich in Studie
In einer offenen multizentrischen Pilotstudie wurden 125 Frauen mit einer akuten unkomplizierten Harnwegsinfektion mit CLR behandelt.
Die Therapie besserte die Symptome
deutlich und erreichte eine Heilungsrate von 71,2 % nach sieben Tagen
und 85,6 % nach 37 Tagen. Nur drei
Frauen (2,4 %) benötigten doch
noch Antibiotika, weil die Symptome unter der Phytotherapie persis-
tierten. Keine Frau erlitt ein Rezidiv.
Derzeit läuft eine prospektive Phase3-Studie, die das Phytotherapeutikum mit einer Fosfomycin-Trometamol-Einmaltherapie vergleicht.
Der Frankfurter Pharmazeut
Prof. Dr. rer. nat. Theodor Dingermann warnte davor, sich allzu viel
zu erwarten von Kopien erfolgreicher Phytopharmaka, die derzeit
auf den Markt drängen. Anders als
bei chemischen Arzneimitteln oder
Biologika ist das Kopieren eines
Originals bei den pflanzlichen Arzneimitteln kaum möglich. Dies sehen auch die Arzneimittelbehörden
so und haben „Phytogenerika“ bisher nur als „traditionell registrierten Arzneimitteln“ den Zugang zum
Markt ermöglicht.
Das heißt, ein Wirksamkeitsbeleg fehlt, aber es liegt eine jahrzehntelange Erfahrung mit der medizinischen Anwendung der Droge
vor. Zugelassene Original-Phytopharmka sind nicht registiert, sondern zugelassen. Das heißt, sie haben den Nachweis von Wirksamkeit
▄
und Sicherheit erbracht.
Dr. med. Angelika Bischoff
Komitee Forschung Naturmedizin e.V. (KFN) –
Weihnachtspressekonferenz, München,
7. Dezember 2016
KURZ INFORMIERT
Gerinnungs-Selbstmanagement: CoaguChek
INRange – Roche Diagnostics hat mit dem
CoaguChek-INRange-System ein neues Patientensystem für das Gerinnungs-Selbstmanagement (GSM) eingeführt. Neue Funktionen erleichtern nicht nur die regelmäßige Messung des
INR-/%Quickwertes, sondern auch die Arzt-Patienten-Kommunikation: Bis zu 400 Testergebnisse können im CoaguChek-INRange-Gerät gespeichert, abgerufen und grafisch im Verlauf dargestellt werden. Über eine USB-Schnittstelle lassen
sich die Ergebnisse in PDF-Dokumente umwan-
deln und direkt zu Hause oder in der Praxis ausdrucken, ohne dass eine spezielle Software nötig
ist. Aktuelle Begleitumstände wie Operationen, Ernährungsumstellungen oder Auslandsaufenthalte
können durch die Kommentarfunktion bei jeder
Messung erfasst werden. Auf dieser Basis können
in der Praxis Gespräche auf Augenhöhe stattfinden, was die Kommunikation erleichtern und sich
zeitsparend auswirken kann.
Weitere Informationen unter www.coaguchek.
de sowie unter der kostenfreien Telefonnummer
0800 0800855.
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 51–52 | 26. Dezember 2016