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Armin Krenz | Irmgard M. Burtscher (Hrsg.)
Handbuch für ErzieherInnen
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– in Krippe, Kindergarten, Kita und Hort –
Ausgabe: 90
Thema: Umgang mit Kindern: Vermittlung von Werten und Normen
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Titel: Dieser Beruf ist mein Leben, meine Begeisterung Gespräch mit Renate Kriegl (20 S.)
Produkthinweis
Dieser Beitrag ist Teil einer Printausgabe des Praxiswerks „Handbuch für
ErzieherInnen“. Das Handbuch bietet Ihnen aktuelle Informationen zu den
wichtigsten Themen der täglichen Arbeit, professionelle Konzepte zur Qualitätsverbesserung, kreative Ideen und praktische Lösungen für Problemstellungen sowie Checklisten und Mustervorlagen, die Ihnen die Umsetzung
der Inhalte in die pädagogische Praxis erleichtern.
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eDidact - Fachwissen
Teil 5
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Dieser Beruf ist mein Leben – Gespräch mit Renate Kriegl
Dieser Beruf ist mein Leben, meine Begeisterung –
Gespräch mit Renate Kriegl
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Wie komplex und dicht stellt sich unser Berufsfeld mit einer auf hohem Niveau reflek­
tierenden Pädagogin dar! Renate Kriegl vereint als Kindergartenpädagogin Gestalt­
pädagogik und Logopädagogik nach Viktor Frankl. Sie ist eine Pädagogin, die viel über
Beziehungsgestaltung und Haltungen nachdenkt, die über lange Berufserfahrung verfügt,
begleitet von persönlicher und fachlicher Weiterentwicklung, die Sprachförderung mit
viel Eigeninitiative, Kreativität und Engagement tagtäglich umsetzt und Sprachen- und
Kulturvielfalt im Alltag lebt. Außerdem kann Renate Kriegl Auslandserfahrungen in
Kindergarten-EU-Projekten vorweisen – eine seltene und spannende Mischung von
beruflichem Know-how.
Welche Haltungen und Wertvorstellungen tragen durch ein Berufsleben, werden tag­
täglich gelebt, entwickeln sich weiter? Was ist „Beziehungskultur“ und wie kann sie
ausgestaltet werden? So oft heißt es: „Pädagog(inn)en sollen auf jedes einzelne Kind
eingehen.“ Doch wie gelingt dies 39 Jahre lang, welche Theorien und persönlichen Er­
fahrungen und Überzeugungen helfen und unterstützen? Was braucht unser Berufsfeld,
um sich von innen heraus mit Überzeugung für die Basis weiterzuentwickeln: Abgeho­
bene Theorien, garniert mit abstrakten, oft hohlen In-Begriffen, oder menschliche, aus
Überzeugung gelebte Konzepte mit praktikabler Substanz? Alle Anstrengungen müssen
sich darin bemessen lassen, ob sie die Entfaltungsmöglichkeiten jedes einzelnen Kindes
befördern und eine Pädagogik forcieren, die allen gut tut: Kindern, Pädagog(inn)en,
Familien und auch der Gesellschaft. Alles andere kann man vergessen.
Interview: Irmgard M. Burtscher
Frau Kriegl, erzählen Sie uns von Ihrer ersten Stelle im Mühlviertel und
wie es danach weiterging.
Ich bin Mühlviertlerin, geboren im Bezirk Freistadt und auch dort aufgewachsen. Nach
meiner Ausbildung zur Kindergarten- und Hortpädagogin in Linz, bei den Kreuzschwestern, begann ich im Mühlviertel als Leiterin, mit 18 Jahren, blutjung, und war dort letztendlich 30 Jahre lang. Die Beziehungen sind dort gewachsen und sie bestehen heute
noch. Wenn ich jetzt im Mühlviertel auf Besuch bin, kommen die damaligen Kinder, heute
Erwachsene, auf mich zu. Das war eigentlich die schönste Zeit.
Im Mühlviertel wurde mir ein EU-Projekt angeboten. Dazu habe ich Fortbildungen gehalten und allen hat es gefallen. Aber der Zielgruppe war es letztendlich zu aufwendig, zu
zeitintensiv. Weitere Fortbildungen haben mich verändert. Und ich wollte mich sowieso
Handbuch für ErzieherInnen, Ausgabe 90, 12/2016
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nochmals neu ausrichten. Deshalb habe ich in Linz die Leitung in einem zweigruppigen
Haus übernommen. Das waren drei Jahre mit besonderer Erfahrung, die mich sehr gefordert haben. Ich spürte, wenn ich so weitermache, geht es mir nicht gut.
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Als ich erfuhr, dass im Innviertel eine Leiterin gesucht wird, habe ich mir den Kindergarten
zweimal angeschaut und gedacht: „Ja, das riskiere ich nochmals.“ Zu diesem Zeitpunkt
war ich 51 Jahre alt. Mittlerweile bin ich sieben Jahre hier und mit Jahresende 2016 gehe
ich in Pension. Hier habe ich die Altersteilzeit angenommen, damit ich einfach auch mehr
Zeit für mich habe.
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Letztes Jahr schloss ich den Viktor Frankl Lehrgang ab. Ich habe mir gesagt, dass ich,
wenn ich in meinem späteren Berufsleben noch eine Weiterbildung mache, dann diese
machen würde.
In Österreich wurde seitens des Bundes eine 15a Vereinbarung getroffen,
die Geldmittel frei macht für die Sprachförderung, und das Land Ober­
österreich hat ein eigenes Screening, den BESK O.Ö., entwickelt und setzt
Schwerpunkte für die Förderung der Kinder mit DaE (Deutsch als Erst­
sprache) und DaZ (Deutsch als Zweitsprache). Was sagen Sie dazu?
Ich freue mich, dass jetzt ein größerer Zeitrahmen gegeben ist. Unseren Kindergarten
besuchen türkische, ungarische, bosnische und polnische Kinder. Ich habe auch deutschsprachige Kinder bei der Sprachförderung dabei, weil sie oft Schwierigkeiten mit der
Grammatik haben oder so schüchtern sind, dass die Kommunikation nur schwer gelingen
kann.
Im ersten Kindergarten, in dem ich gearbeitet habe, hatten wir keine türkischen Familien,
nur einmal kurz Flüchtlingskinder. Und in Linz hatte ich vor allem Akademiker-Eltern.
Diese Eltern wollten zum Teil nicht, dass ich ausländische Kinder aufnehme. Ich habe
trotzdem eine jüdische Familie aufgenommen. Der Träger meinte, dass ich das entscheiden dürfe. Ich habe mit der Familie auf Englisch kommuniziert. Die Begegnungen waren
eine große Bereicherung!
Einmal nahm ich ein türkisches Kind auf, das direkt in der Nachbarschaft des Kindergartens
in Linz wohnte. Ich habe nur ein Schild mit „Willkommen“ auf Türkisch geschrieben. Doch
eine Mutter sorgte sich, dass wir jetzt im Kindergarten auch noch Türkisch lernen würden.
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Und hier, in meinem jetzigen Kindergarten, nahe der deutschen Grenze, haben wir relativ viele türkische Familien. Ich finde das sehr bereichernd, mir gefällt das. Ich bin auch
gleich von Anfang an mit den Familien gut ins Gespräch gekommen. Aber das wurde
nicht von allen als positiv angesehen. Ich wurde sogar angesprochen, dass ich zu nett zu
den Türken sei.
Gab es Einwände?
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Ja, aber mittlerweile hat sich viel getan. Ich habe viele Gespräche geführt und betont: „Es
geht nur, wenn wir auf die türkischen Familien zugehen und uns für ihre Herkunft und
auch für ihre Religion, z.B. für ihren Ramadan, interessieren“. Mit dieser Haltung habe ich
sehr gute Erfahrungen gemacht. Beim Martinsfest ist es umgekehrt üblich geworden, dass
auch türkische Familien in die Kirche kommen. Ich lade immer noch persönlich ein, wenn
ich die Eltern treffe, und sage: „Wir sehen uns dann eh abends, da singen eure Kinder.“
Oder ich frage direkt, wenn wir z.B. einen Kuchen brauchen usw. Ich koste dann immer
auch ihre Spezialitäten.
Ich möchte nun zu Ihrer persönlichen pädagogischen Philosophie, zu
dem, was Sie alles von Ihrer Person, Ihrer Überzeugung in die Sprachför­
derung hineinleben, kommen.
Ich bin eine Pädagogin, die sehr viel reflektiert und die das auch von ihren Kolleg(inn)en
im Team einfordert. Ich denke generell, dass Selbstreflexion die Voraussetzung für diesen Beruf ist, wenn wir mit Kindern arbeiten, dass ich mich selbst immer besser kennen,
mich steigern und herausfordern muss, dass ich mich auf jeden Fall entwickeln möchte.
Unlängst hat mir eine Kollegin beim Mitarbeiterinnengespräch gesagt, sie habe noch nie
eine Leiterin erlebt, die so viel Fachwissen besitze und es auch weitergebe, es erzähle und
so begeistert sei. Und die Kollegin war schon in vielen Kindergärten beschäftigt. Das war
eine schöne Rückmeldung. Das ist mein Leben, das ist meine Begeisterung: dieser Beruf.
Sicherlich ist es auch manchmal zehrend gewesen, es gab auch solche Phasen.
Aber ich frage mich, warum mir die Sprachförderung so wichtig ist oder die Beziehungsarbeit mit den Kindern. Noch dazu, seitdem ich bestätigt wurde, dass Bildung nur über
Beziehung funktionieren kann (Stichwort: Gehirnforscher Dr. Gerald Hüther). Zeigen wir
Interesse an der Herkunftssprache der Kinder? Respektiere ich überhaupt, dass sie eine
andere Sprache sprechen, und lasse ich diese im Kindergarten zu? Das ist einmal das Um
und Auf, oder?
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Dann überlege ich mir: Wann fühle ich mich denn fremd? Ich bin ja auch fremd in diesen Ort gekommen und lebe zum Teil anders. Ich bin auch anders als die Kolleginnen.
Ich setze mich für gezielte Bildungsarbeit ein, für Prinzipien wie Geschlechtssensibilität,
Partizipation, Differenzierung u.v.m., sodass sich der Kindergarten qualitätsvoll darstellt.
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Ich frage mich auch, wo ich fremd bin und wie ich damit umgehe. Wie stehe ich dann zu
meiner Authentizität und zu dem, wie ich bin? Ich muss natürlich Bescheid wissen und
überzeugt sein von der Sache. Einmal kam eine Mutter vor dem Familienfest ­empört zu
mir und sagte, sie wolle auf keinen Fall, dass ihr Kind beim ungarischen Tanz mitmache
und beim türkischen Lied mitsänge. Ich hatte eine lange Diskussion mit der Mutter, aber
das Kind durfte letztendlich nicht mitsingen. Ich habe es natürlich akzeptiert, das sagte
ich der Mutter auch. Ich habe sie aber auch gefragt, ob ihr schon bewusst sei, welche
Haltung sie ihrem Kind vorlebe.
Das sind so Situationen, in denen ich mit meiner Persönlichkeit auftrete, mit meinem Engagement, mit meinem Einsatz, mit meiner Überzeugung. Ich setze mich ein und werde
dann mitunter richtig politisch. Und ich möchte andere mitbegeistern, was oft nicht so
leicht ist. Manchmal muss ich es auch lassen. Ich kann Haltungen anregen, das ist mein
Ansatz, aber was die Person daraus macht, ist ihre Entscheidung und Verantwortung.
Unsere Aufgabe ist es, die Kinder als einzigartige Persönlichkeiten zu sehen, mit ihnen in
Beziehung zu treten, ihre Entwicklung entfalten und sie wachsen zu lassen und sie dabei
zu begleiten. Wir haben in unserem Haus einen Leitsatz entwickelt: „Kinder begleiten,
dass sie wachsen, sich entfalten und blühen können“. Das Logo haben wir unter anderem
an die Fenster geklebt. Da steckt sehr viel drin.
Logo des Kindergartens
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