POLITIK LEITLINIEN Neuer Umgang mit Interessenkonflikten Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften erprobt zurzeit eine Neufassung der Regeln zum Umgang mit Interessenkonflikten bei der Erstellung von Leitlinien. Dabei wird die Relevanz von Interessenkonflikten bewertet: von moderat bis gravierend. ie Zusammenarbeit zwischen Ärzten und pharmazeutischer Industrie steht derzeit im Schlaglicht der öffentlichen Aufmerksamkeit. Das liegt zum einen an dem in diesem Sommer in Kraft getretenen Antikorruptionsgesetz, das mehr Fragen aufwirft als es beantwortet (siehe DÄ 41/2016). Zum anderen hat es seine Ursache im sogenannten Transparenzkodex der Pharmaindustrie, bei dem Pharmafirmen ihre Zuwendungen an die Ärzte veröffentlicht, die einer Veröffentlichung zugestimmt haben (siehe DÄ 39/2016). Auch die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) positioniert sich derzeit neu. Bereits in diesem Sommer hat die AWMF neue Vorgaben für den Umgang mit Interessenkonflikten bei der Erstellung von Leitlinien erarbeit, die derzeit erprobt werden. Dabei sollen sämtliche Interessen zunächst D angegeben und dann von zuvor bestimmten Mitgliedern der Leitliniengruppe bewertet werden. Wer zu große Interessenkonflikte hat, darf an der Bewertung der Evidenzen im Rahmen der Leitlinienerstellung nicht teilnehmen (siehe Kasten). Geplant ist, dass diese Vorgaben im kommenden Jahr die derzeit bestehenden ersetzen. Sämtliche Interessen angeben Neu an dieser Version ist unter anderem, dass die an der Erstellung einer Leitlinie Beteiligten sämtliche Interessen angeben müssen und nicht nur diejenigen, die sich inhaltlich auf die Leitlinie beziehen. Zudem müssen die beteiligten Ärzte, für die interne Bewertung, die Höhe ihrer Bezüge angeben. Schließlich wird die Relevanz der Interessenkonflikte in die Bereiche gering, moderat und gravierend eingeteilt und Ko-Koordinatoren werden eingesetzt werden, wenn die Koordi- natoren thematisch relevante Interessenkonflikte haben. Der stellvertretende Präsident der AWMF, Dr. med. Dr. med. dent. Wilfried Wagner, hat Anfang Dezember den Hintergrund dieser Initiative erklärt. „Es ist das Anliegen der AWMF, die notwendige Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Pharmaindustrie so zu strukturieren, dass sie transparent ist“, sagte er im Vorfeld des „Berliner Forums“, auf dem sich die Gemeinschaft mit dem Thema Interessenkonflikte befasst hat. „Viele klinische Studien können wir nur mit Hilfe der pharmazeutischen Industrie durchführen, weil es nicht genügend öffentliche Geldgeber gibt.“ Dabei müsse klar werden, wofür die Gelder aus der Industrie verwendet würden, zum Beispiel für die Durchführung von Forschungsprojekten. Und es müsse klar werden, dass das Geld nicht an ▄ einzelne Ärzte fließe. Falk Osterloh DIE NEUEN VORGABEN Den neuen Vorgaben der AWMF zufolge sollen alle an der Erstellung einer Leitlinie Beteiligten sämtliche Interessen mit Hilfe eines standardisierten Formblattes offenlegen, direkte finanzielle wie indirekte, zum Beispiel akademische. Sogenannte Interessenkonfliktbeauftragte, die aus dem Kreis der Leitliniengruppe stammen können, sollen die Erklärungen im Anschluss bewerten. Die Bewertung beinhaltet die Einschätzung, ob Interessenkonflikte vorliegen, die Einschätzung des thematischen Bezugs zur Leitlinie insgesamt und in Bezug auf spezifische Fragestellungen sowie die Einschätzung der Relevanz von Interessenkonflikten auf einer Skala von 1 bis 3 (von gering über moderat bis gravierend). Koordinatoren von Leitlinienprojekten sollten keine thematisch relevanten Interessenkonflikte haben, heißt es in der neuen Version der AWMF-Regeln weiter. In Fällen, in denen dies unvermeidbar sei, zum Beispiel weil die Expertise der betreffenden Person als unverzichtbar angesehen werde, sollte ein Ko-Koordinator ohne thematisch relevante In- A 2360 teressenkonflikte bestellt werden. Mitwirkende mit thematisch relevanten, geringen Interessenkonflikten sollten der AWMF zufolge keine leitende Funktion innerhalb der Leitliniengruppe ausüben. In Fällen, in denen dies unvermeidbar sei, sollten Mitglieder ohne thematisch relevante Interessenkonflikte in Lenkungsgremien die Mehrheit darstellen. Mitwirkende mit thematisch relevanten, moderaten Interessenkonflikten sollen nicht an der Bewertung der Evidenzen und der Konsensfindung teilnehmen, heißt es weiter. Sie hätten, sofern auf ihr Wissen nicht verzichtet werden könne, den Status von beratenden, nicht stimmberechtigten Experten. Mitwirkende mit thematisch relevanten, gravierenden Interessenkonflikten sollen gar nicht an Beratungen der Leitliniengruppe teilnehmen. Ihr Wissen könne in Form von schriftlichen Stellungnahmen eingeholt werden. Leitlinien, bei denen Interessenkonflikte einzelner Mitwirkender oder der Umgang damit nicht transparent sind, werden nicht in das AWMF-Register aufgenommen. Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 51–52 | 26. Dezember 2016
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