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Rede von Hubertus Zdebel am 15.12.2016
Rede von Hubertus Zdebel, 15. Dezember 2016
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn Atomkonzerne nichts mehr verdienen
können oder wenn hohe Kosten drohen, muss der Staat ran. Nach diesem ewig gleichen Prinzip
wollen nun im großen Schulterschluss CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen die
Verstaatlichung der gesamten Atommüllentsorgung besiegeln und dabei den Steuerzahlern die
wesentlichen Risiken aufbürden. Das macht die Linke nicht mit.
(Beifall bei der LINKEN – Ute Vogt [SPD]: Wie? Ihr wollt keine Verstaatlichung? – Gustav Herzog
[SPD]: Revolutionär! – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Linke will die
Atomrisiken lieber privat haben!)
CDU/CSU und SPD sowie – unter Trittin als Umweltminister – die Grünen hatten Jahrzehnte Zeit, die
Probleme bei der Organisation und Finanzierung der Atommülllagerung zu regeln. Das haben sie –
freundlich formuliert – verpennt, als die Milliardengewinne für die Atomkonzerne noch sprudelten.
Lassen Sie mich kurz aus einer Studie im Auftrag der Grünen aus dem Jahre 2010 zitieren –
nachzulesen auf der Homepage von Bärbel Höhn –:
"Insgesamt machten die drei Konzerne E.ON, RWE und EnBW im Jahr 2009 einen Gewinn von mehr
als 23 Milliarden Euro, seit 2002 von über 100 Milliarden Seit dem Jahr 2002 haben sich die
Gewinne vervierfacht. Und für 2010 deutet sich ein weiteres Rekordjahr an ..."
Das zeigt deutlich: Die Konzerne haben Milliardengewinne gemacht. Jetzt sagen Sie, man müsse
sofort handeln; wenn man jetzt nichts tue, sei das Geld weg.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Geld ist schon weg!)
Hätten Sie mal eher gehandelt!
(Beifall bei der LINKEN)
Sicherlich – das räumen wir ein, und das sehen wir auch; wir sind ja keine Surrealos –
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Aber Irrealos!)
stecken die Konzerne in einer schweren Strukturkrise. Aber sie sind weiterhin potent genug, um den
Umbau in Richtung erneuerbare Energien zu schultern. Auf den Weg haben sie sich jetzt auch
gemacht. Gucken Sie sich die Fernsehwerbung von Eon und RWE an! Da ist nicht mehr von Atom
und Kohle, sondern nur noch von erneuerbaren Energien die Rede.
(Christine Lambrecht [SPD]: Das ist doch gut so! Das ist das, was wir wollen! – Dr. Michael Fuchs
[CDU/CSU]: Was wollen Sie denn haben?)
Sie werden ihre Marktmacht darauf verwenden, das auszunutzen. Deswegen bestehen wir Linken
darauf, dass die Verursacher dauerhaft in der weiteren atomaren Haftung bleiben und für den
atomaren Dreck geradestehen müssen.
(Beifall bei der LINKEN)
Stattdessen sollen die Konzerne nach dem Willen einer supergroßen Koalition aus CDU/CSU, SPD
und Grünen für einen Schnäppchenpreis von 23 Milliarden Euro von sämtlicher Verantwortung für
die finanziellen Risiken des Atommüllerbes befreit werden.
(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Unerträglich!)
Das ist skandalös!
(Beifall bei der LINKEN)
In Wirklichkeit zahlen die Konzerne diese 23 Milliarden Euro nämlich gar nicht, sondern eigentlich
nur 17 Milliarden Euro. Denn der vermeintlich so hart abgerungene Risikoaufschlag von
6 Milliarden Euro, der der Öffentlichkeit als Erfolg verkauft wird, wird bei den Konzernen durch den
von Ihnen gewollten Wegfall der Brennelementesteuer zum Jahresende eingespart. Damit gleicht
sich das de facto wieder aus. Das sind Taschenspielertricks, die mit uns Linken nicht zu machen
sind.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Gesetzentwurf der drei Fraktionen sieht ferner eine Aufhebung des Verursacherprinzips durch
die Festlegung eines für den Steuerzahler höchst riskanten Festpreises für die Entsorgungskosten
vor. Die dem zugrundeliegenden Kostenschätzungen sind auf Sand gebaut. Nach allen Erfahrungen
werden die Kosten der Entsorgung deutlich steigen. Ob die prognostizierte langfristige 4‑prozentige
Verzinsung der in den Fonds einzuzahlenden 23 Milliarden Euro tatsächlich eintritt, weiß zum
jetzigen Zeitpunkt niemand. Eine Nachschusspflicht der AKW-Betreiber ist im Gesetzentwurf nicht
vorgesehen: einmal zahlen, und der Atommüll ist aus den Bilanzen der Konzerne verschwunden.
(Ulrich Freese [SPD]: Das stimmt ja nicht!)
Zusätzlich will sich die Super-GroKo jetzt auch noch auf eine Ermächtigung der Bundesregierung
zum Abschluss eines zusätzlichen öffentlich-rechtlichen Vertrags mit den Konzernen einlassen, mit
dem sich diese sozusagen für die Ewigkeit vor künftigen Neuregelungen schützen wollen.
Erschreckend, dass sich die Grünen darauf einlassen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Jürgen Trittin sagt: Die Chancen, dass dieses Modell funktioniert, stehen fifty-fifty. – Mit anderen
Worten: Sie wollen uns zu einem Flug einladen, der mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent in
einer Bruchlandung enden wird,
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich nicht gesagt! – Hubertus Heil [Peine]
[SPD]: Hat er nicht gesagt! – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ein anderes
Modell!)
einer Bruchlandung, deren Folgen die Bürger dieses Landes ausbaden müssen. Diese Einladung zum
Harakiri lehnen wir ab.
(Beifall bei der LINKEN)
Stattdessen fordern wir schon seit Jahren die längst überfällige Neuordnung der bisherigen Praxis
der Entsorgungsrückstellungen. Sie setzen weiter quasi auf diese betriebswirtschaftliche
Rückstellungspolitik. Wir wollen sie durch eine Rücklagenpolitik ersetzen. Nur Rücklagen schaffen
in den Unternehmen eine hinreichende liquide Finanzierungsmasse. Das ist jahrzehntelang
versäumt worden, und deswegen haben wir jetzt den Salat.
Ferner fordern wir die schnellstmögliche gesetzliche Einrichtung eines öffentlich-rechtlichen Fonds,
in den die verantwortlichen Unternehmen sofort 24 Milliarden Euro einzuzahlen haben. Ebenso
braucht es ein wirksames Nachhaftungsgesetz, aber vor allen Dingen eine weitere
Nachschusspflicht für die Atomkonzerne, wenn die eingezahlten Beträge nicht ausreichen.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie können heute in namentlicher Abstimmung deutlich machen, was Sie von diesem Gesetzentwurf
der Super-GroKo halten.
Im Übrigen möchte ich Ihnen sagen: Der Umgang mit der Linken in diesem ganzen Verfahren war
skandalös und schäbig.
(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: War sachgerecht!)
Sie haben uns von Anfang an aus der KFK herausgehalten. Das sagt sehr viel über Ihr
Demokratieverständnis aus.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN)
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Hubertus Zdebel
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