pdf-ausgabe-2016-49 - Deutsche Gesundheits Nachrichten

Ausgabe | 49
16. Dezember 2016
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Pharma
US-Bundesstaat verklagt Monsanto wegen PCB-Produktion
Monsanto ist wegen der früheren Herstellung der giftigen Chemikalie PCB in den USA verklagt worden
D
er US-Bundesstaat Washingverkusener Chemie- und Pharmaton verlangt Schadensersatz
konzern will das US-Unternehmen
für Umweltverseuchung und
für 66 Milliarden Dollar kaufen.
die wirtschaftlichen Folgen. Das
Ende November hatte dann
Unternehmen aus St. Louis habe
Monsanto hat nach eigener Ausjahrzehntelang PCB produziert
kunft von einer Sammelklage geund dabei sein Wissen über die
gen die geplante Fusion mit Bayer
Gefahren des toxischen Stoffes
erfahren. Ziel der Klage sei es, dass
für Mensch und Umwelt verder Zusammenschluss untersagt
werde, gab Monsanto bekannt. Der
heimlicht, erklärte GeneralstaatsKonzernführung werde zur Last
anwalt Bob Ferguson. Monsanto
gelegt, Treuepflichten verletzt zu
sei von 1935 an der einzige PCBMonsanto ist der größte Hersteller für Saatgut.
Quelle: Flickr/*suika*/CC BY 2.0
haben. Nach Darstellung der Kläger
Hersteller in den USA bis zum
sei das Unternehmen in der ÜberVerbot der krebserregenden Substanz in den Vereinigten Staaten
nahmevereinbarung nicht richtig
und als Weichmacher bei Lacken, Dich- bewertet worden. Dem widersprach das
1979 gewesen.
Der Saatgut- und Herbizid-Produzent tungsmassen und Kunststoffen einge- Management: Monsanto gehe davon aus,
bezeichnete die Klage als grundlos. Denn setzt. Monsanto ist auch der Entwickler dass die Vorwürfe unbegründet seien.
die Chemikalie sei damals zugelassen und des Unkrautvernichters Glyphosat, der
Die ersten vier Milliarden Euro hatte
nützlich gewesen und von Behörden und im Verdacht steht, krebserregend zu sein sich Bayer Mitte November mit einer
Unternehmen gerne eingesetzt worden. und auch wegen seiner gentechnisch Pflichtwandelanleihe geholt, die späMindestens acht Städte an der US-West- veränderten Produkte umstritten.
testens in drei Jahren in Bayer-Aktien
Bayer hatte sich im September nach getauscht werden muss. Die Nachfrage
küste gehen mit ähnlichen Klagen gegen
Monsanto vor. PCB wurde früher häufig zu monatelangem Ringen mit Monsanto auf sei um ein Vielfaches höher gewesen,
Isolierungen bei elektrischen Produkten ein Zusammengehen verständigt. Der Le- erklärte Bayer. „Die mehrfache Überzeich-
Analyse
Pharmaunternehmen reduzieren eigene Forschung
62,4 Milliarden Euro haben die
deutschen Unternehmen im Jahr 2015
in eigene Forschung und Entwicklung
(F&E) investiert. Das sind 9,5 Prozent mehr
als im Vorjahr, heißt es in der aktuellen
FuE-Erhebung des Stifterverbandes. Das
Drei-Prozent-Ziel der Bundesregierung
ist damit erreicht. Getrieben wurde das
Wachstum vor allem durch die Automobilindustrie und ihre Dienstleister.
21,7 Milliarden Euro hat die KfZ-Branche
in eigene Forschung und Entwicklung
investiert, das sind zehn Prozent mehr
als 2014. Zusätzlich vergaben diese Unternehmen für 10,2 Milliarden Euro Forschungsaufträge an externe Dienstleister
wie Forschungseinrichtungen oder andere
Unternehmen – neun Prozent mehr als
im Vorjahr.
Deutliche Steigerungen bei den Forschungsausgaben gab es bei den Chemieunternehmen (+6 Prozent). In der Pharmabranche hingegen steht einer Stagnation
bei der eigenen Forschung (-0,9 Prozent)
ein deutliches Plus bei der Auftragsforschung gegenüber (+25 Prozent).
Insgesamt ist das Ziel der Bundesregierung, jährlich drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Forschung und
Entwicklung einzusetzen, 2015 erstmals
erreicht worden. 2014 lag der Wert bei
2,88 Prozent. Zuvor war der F&E-Anteil
2013 rechnerisch auf 2,82 Prozent gesunken, weil im Zuge einer Umstellung der
volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
in der EU das BIP gestiegen war. Dieser
Knick ist jetzt dank der Rekordausgaben
für Forschung und Entwicklung mehr als
ausgeglichen.
„Noch nie wurde in Deutschland so
viel in Forschung und Entwicklung investiert wie 2015. Das ist ein großer gemeinsamer Erfolg von Staat und Wirtschaft.
Besonders erfreulich: Nach Jahren der
Stagnation investieren kleine und mittlere
Unternehmen wieder stärker in eigene
Forschung“, sagte Bundesforschungsministerin Johanna Wanka. „Forschung und Entwicklung sind ein wichtiger Faktor für den
Arbeitsmarkt geworden: Seit 2005 wurden
hier mehr als 110.000 hochqualifizierte
Arbeitsplätze in der Wirtschaft geschaffen.
Forschung ist die Basis für Deutschlands
starke Position als Technologiestandort.“
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nung zeigt die Attraktivität der Anleihe
für Investoren“, sagte Finanzvorstand
Johannes Dietsch. Bayer will für die größte
Bar-Übernahme der Geschichte insgesamt
19 Milliarden Dollar (17,8 Milliarden Euro)
Eigenkapital aufnehmen. Die Leverkusener zahlen für den US-Saatguthersteller
Monsanto insgesamt 66 Milliarden Dollar.
Als nächstes wird in Finanzkreisen
eine Kapitalerhöhung mit Bezugsrecht
erwartet, aller Voraussicht nach aber erst
im neuen Jahr. Den Rest will der Konzern
mit Hybridanleihen finanzieren. Dabei
fehlt für die Monsanto-Übernahme noch
die Zustimmung der Kartellbehörden. Die
Aktionäre des US-Konzerns sollen am 13.
Dezember darüber abstimmen.
Bayer zahlt 5,625 Prozent Zinsen pro
Jahr auf die Anleihe, das liegt im Rahmen
dessen, was andere zuletzt für vergleichbare Papiere gezahlt haben. Der Zins liegt
am oberen Ende der Spanne, in der Bayer
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die Anleihe angeboten hatte. Im Vergleich
zu einer Kapitalerhöhung erspart sich
Bayer damit 320 Millionen Euro. Der
Wandlungspreis von 90 bis 108 Euro liegt
bis zu 20 Prozent über dem Aktienkurs,
der kürzlich um fünf Prozent auf 90,09
Euro fiel. Mit dem Verwässerungseffekt
durch die Pflichtwandelanleihe lasse sich
der Kurssturz nicht erklären, sagte ein
beteiligter Banker. Es handele sich eher
um Gewinnmitnahmen.
Wirtschaft
Johnson&Johnson sagt Übernahme von Actelion ab
Bei der Übernahme des Biotech-Unternehmens Actelion wird hart verhandelt. J&J war dies offenbar zu viel
E
in Kauf-Interessent geht, ein neuer
kommt: Der US-Konzern Johnson &
Johnson (J&J) gibt seine Pläne auf, das
Biotech-Unternehmen Actelion zu übernehmen. Stattdessen ist der Schweizer
Konzern nun in Gesprächen mit einem
anderen Interessenten über „eine mögliche strategische Transaktion“, wie Actelion in der Nacht auf Mittwoch mitteilte.
Namen nannte die Firma nicht. Medienberichten zufolge handelt es sich dabei
um den französischen Pharmakonzern
Sanofi. Er wurde bereits zuvor als möglicher Käufer für das Biotech-Unternehmen genannt. An der Börse belastete
das Ende der Verhandlungen mit J&J die
Actelion-Aktien: Sie rutschten um rund
sieben Prozent auf 194 Franken ab.
Mit J&J hatten die Schweizer Insidern
zufolge über eine Übernahme im Volumen
von rund 27 Milliarden Dollar verhandelt.
Das „Wall Street Journal“ und die „Financial
Times“ berichteten nun, Sanofi könnte bis
zu 30 Milliarden Dollar für das BiotechUnternehmen auf den Tisch legen. Ein
Sanofi-Sprecher wollte sich dazu nicht
äußern.
Einem Insider zufolge zeigte sich Actelion gegenüber J&J zuversichtlich, eine
Offerte zu bekommen, die deutlich über
dem J&J-Angebot von rund 250 Franken
pro Aktie liege. Er begründete das Scheitern der Gespräche auch damit, dass es
unterschiedliche Auffassungen über die
Struktur des Deals gegeben habe.
Geld allein scheint bei einer Übernahme nicht entscheidend zu sein: Als
ein Schlüsselfaktor gilt die Haltung von
Das Angebot von J&J lag bei 27 Milliarden Dollar.
Quelle: Flickr/Sergei Golyshev/CC BY 2.0
Actelion-Chef Jean-Paul Clozel. Der 61-jährige Kardiologe, einer der Firmengründer
und größten Aktionäre, war in der Vergangenheit ein entschiedener Verfechter eines
eigenständigen Kurses. Der Ausstieg von
J&J zeigt, dass Clozel mit harten Bandagen
kämpft. Denn bereits eine Offerte von 27
Milliarden Dollar würde einem Aufschlag
von rund 60 Prozent im Vergleich zum
Firmenwert vor dem Aufkommen der
Übernahmespekulationen entsprechen.
Entsprechend kritisch äußerten sich
Börsianer zum Ende der Gespräche. „Es
kann nicht sein, dass die Firma ein Angebot zurückweist, das eine so hohe Prämie
beinhaltet“, sagte ein Händler. „Ich kann
mir gut vorstellen, dass einige Aktionäre
inzwischen etwas stinkig geworden sind“,
sagte ein anderer Börsianer.
Die 1997 gegründete Actelion mit Sitz
in Allschwil nahe Basel gilt seit längerem
als Übernahmekandidat. Das Unternehmen ist spezialisiert auf Medikamente zur
Behandlung von lebensbedrohlichem Bluthochdruck im Lungenkreislauf (PAH). Im
Vorjahr stand bei zwei Milliarden Franken
Umsatz unter dem Strich ein Gewinn von
552 Millionen Franken. Das weckt Begehrlichkeiten, doch bislang konnte Actelion
sämtliche Übernahmeversuche wie etwa
den des Finanzinvestors Elliott abwehren.
Auch dem US-Rivalen Amgen und dem
Pharmakonzernen Shire aus Großbritannien wurde bereits Interesse nachgesagt.
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Für Sanofi stünde mit einem Einstieg
in das Rennen um Actelion viel auf dem
Spiel: Der französische Konzern zog bereits
im Rennen um den US-Krebsspezialisten
Medivation den Kürzeren. Hier war letzt-
lich Pfizer mit einem 14 Milliarden Dollar schweren Angebot erfolgreich. Nach
Einschätzung von Analysten kann sich
Sanofi-Chef Olivier Brandicourt eine weitere Niederlage in einem hochkarätigen
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Bieterrennen nicht leisten. Er hatte Zukäufe
bereits in Aussicht gestellt und Ende Oktober gesagt: „Wir werden in der Lage sein,
schnell zu handeln, wenn sich attraktive
Gelegenheiten bieten.“
Medikamente
Ärzte in Deutschland und Frankreich haben die größte Auswahl
Ärzte informieren sich verstärkt bei Gesundheitsämtern und im Internet. Die Bedeutung von Vertretern nimmt ab
N
iedergelassene Ärzte in Frankreich
und Deutschland sehen deutlich
mehr Handlungsspielraum bei der Verschreibung von Arzneimitteln als ihre
Kollegen in Italien und Großbritannien.
Während französische (80 Prozent) und
deutsche Mediziner (62 Prozent) ihre
Entscheidungen hinsichtlich der Medikamentenverschreibung weitestgehend
selbstbestimmt treffen, sind Ärzte in Italien (38 Prozent) und Großbritannien (25
Prozent) deutlich eingeschränkter. Dies
hängt vor allem mit der Regulierung der
2016“ der internationalen Managementberatung Bain & Company ergeben, für die in
Deutschland, Frankreich, Großbritannien
und Italien neben Klinikärzten und Krankenhausmanagern auch niedergelassene
Ärzte befragt wurden.
Bei der Auswahl verschreibungspflichtiger Medikamente ist für die Ärzte
in allen vier EU-Ländern eine ausreichende Datenbasis durch vergleichende und
evidenzbasierte Studien das wichtigste
Kriterium. Beim Preis allerdings enden die
Gemeinsamkeiten. Während britische (61
Günstige Arzneien bevorzugen vor allem deutsche und britische Mediziner.
Quelle: Flickr/Allison Turrell /Cc by nc nd 2.0
einzelnen Gesundheitsmärkte zusammen.
Je stärker ein Markt reguliert und systematisiert ist – so wie in Großbritannien
und Italien –, desto spürbarer greifen die
Krankenversicherer in die Entscheidungshoheit der Ärzte ein. Dies hat die aktuelle
Studie „Front Line of Healthcare Report
Prozent) und deutsche Ärzte (57 Prozent)
es für wichtig halten, ihren Patienten ein
möglichst preisgünstiges Medikament zu
verschreiben, hat der Preis in Italien (42
Prozent), vor allem aber in Frankreich (19
Prozent) weit weniger Gewicht. Die Reputation eines Medikamentenherstellers spielt
für die Ärzte insgesamt eine untergeordnete
Rolle.
Als Manko empfinden Ärzte in Frankreich, Großbritannien und Italien insbesondere die Bereitstellung wissenschaftlicher
Informationen. Auch die Weiterbildung
durch die Hersteller ist ihrer Ansicht nach
nicht ausreichend. In Deutschland sehen
Mediziner andere Defizite. Ihnen fehlt es
vor allem an Transparenz und ethischem
Verhalten beispielsweise in Bezug auf die
Bereitstellung vergleichbarer Wirksamkeitsdaten aus klinischen Studien und Real World
Evidence sowie bei der Preisfestsetzung der
Medikamente und Therapien.
In puncto Beschaffung von Informationen sind medizinische Fortbildungen
und Konferenzen für die meisten Ärzte (72
Prozent) in den vier untersuchten Ländern
noch immer die mit Abstand wichtigste
Quelle. Danach folgen Fachzeitschriften,
die für die Hälfte der Befragten von Bedeutung sind. Immer häufiger nutzen
Mediziner aber auch Datenbanken der
Gesundheitsämter. Jeder Dritte recherchiert dort Informationen – ein Plus von
6 Prozent gegenüber 2013, der letzten entsprechenden Erhebung von Bain.
Das traditionell sehr enge Verhältnis
zu Pharmavertretern nimmt hingegen
zugunsten anderweitiger Informationsbeschaffung ab. Gaben vor drei Jahren noch
53 Prozent der Ärzte in Europa an, dass
Pharmavertreter zu ihren drei wichtigsten Informationsquellen zählen, sind es in
der aktuellen Studie nur noch 43 Prozent.
In Deutschland ist dieser Abwärtstrend
besonders stark. Während 2013 noch 52
Prozent die Pharmavertreter als eine der drei
wichtigsten Informationsquellen nannten,
sind es 2016 nur noch 35 Prozent. Und auch
in Frankreich ist der Stellenwert der Pharmavertreter im Vergleich zu 2013 gesunken
– um zehn Prozentpunkte auf 49 Prozent.
Dennoch werden Pharmahersteller, die
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mit ihren Wirkstoffen in einem bestimmten
medizinischen Bereich in einem Land führend sind, von Ärzten auch als besonders
innovativ angesehen. „Pharmahersteller
sollten also ihre führende Marktposition in
therapeutischen Gebieten weiter ausbauen“,
rät Michael Kunst, Bain-Partner und Leiter
der Praxisgruppe Healthcare im EMEARaum. Und er fügt hinzu: „Wollen sie auch
künftig direkter Ansprechpartner für die
Ärzte sein, müssen sie ihnen auf verschiedenen Kanälen verifizier- und vergleichba-
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re wissenschaftliche Informationen über
Arzeimittel und Therapien zur Verfügung
stellen. Nur so können pharmazeutische
Unternehmen den steigenden Informationsbedarf decken und die wissenschaftliche
Liaison aufrechterhalten.“
Studie
Ärzte: Bürokratie senkt Behandlungszeit für Patienten
Klinikärzte fordern Entlastung bei bürokratischen Tätigkeiten, um sich auf ihre eigentliche Arbeit zu konzentrieren
E
in typischer Arzt in einem durchschnittlichen deutschen Krankenhaus geht motiviert zur Arbeit, weil er gern mit Menschen
arbeitet und sich freut, seinen Patienten
tagtäglich bestmöglich helfen zu können.
Das ist nicht immer einfach, denn er verzweifelt an der Büroarbeit. Das zeigt eine
aktuelle Umfrage des Marktforschungsinstituts DocCheck, für die in Asklepios-Kliniken
bundesweit 100 niedergelassene Ärzte aller Fachrichtungen und 100 in einer Klinik
angestellte Ärzte aller Fachrichtungen der
Humanmedizin (ohne Zahnmedizin) im
August und September 2016 online befragt
wurden.
Acht von zehn Krankenhausärzten geben an, dass sie der Spaß an der Tätigkeit mit
Menschen und die Hilfe für ihre Patienten
motiviert, jeden Tag für sie da zu sein. Aber
genau so viele Mediziner wünschen sich nichts
mehr, als von bürokratischen Aufgaben entlastet zu werden. DocCheck hat in der Umfrage
im Auftrag der Asklepios Kliniken untersucht,
welche Herausforderungen Ärzte in ihrem
Arbeitsalltag besonders belasten und wie ihrer
Einschätzung nach das Gesundheitssystem
in Deutschland besser funktionieren könnte.
Die Belastung durch überbordende Bürokratie beeinträchtigt Krankenhausärzte nicht
nur in ihrer eigenen Klinik, sondern belastet
das gesamte Gesundheitssystem. 77 Prozent
von ihnen würden sich „auf jeden Fall“ weniger
Bürokratie und Dokumentation wünschen.
Das einzige, was den Klinik-Medizinern für
das deutsche Gesundheitssystem im Ganzen
noch wichtiger wäre, ist mit 80 Prozent eine
bessere Entlohnung von medizinischem und
Pflegepersonal.
„Nach der Alltagserfahrung der Mediziner
ist das Grundübel im deutschen Gesundheitssystem die Fehlbelastung der Ärzte durch eine
Vielzahl medizinfremder Tätigkeiten, hervorgerufen vor allem durch den vorgeschriebenen
Dokumentationsaufwand“ so Christoph U.
Herborn, Medizinischer Direktor bei Asklepios.
„Sie sehen darin eine massive Belastung, da
ihnen diese Zeit für die Patienten fehlt.“
Die niedergelassenen Ärzte sehen die
Problemlage ähnlich wie ihre Kollegen in
den Kliniken, sogar noch etwas stärker: 84
Prozent der Praxisärzte sind überzeugt, dass
das Gesundheitssystem an der Bürokratie
krankt. Dass mehr Geld für medizinisches
Personal und für Pflegekräfte gut wäre, meinen
83 Prozent der niedergelassenen Ärzte. An
dritter Stelle der Wünsche der Praxisärzte
für eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung steht eine Reduzierung des Drucks
durch die Kostenträger, also vor allem der
Krankenkassen, den zwei Drittel „auf jeden
Fall“ für notwendig halten.
Bei der Wahl des Arbeitsplatzes stehen für
die Klinikärzte mit 97 Prozent die Arbeitsbedingungen im Vordergrund, wie zum Beispiel die
Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben. 91
Prozent erwarten von einem Krankenhaus als
Arbeitgeber gute Möglichkeiten zur fachlichen
Weiterbildung. Nachrangig ist für die Mediziner, wie der Träger oder ärztliche Institutionen
und Standesvertreter die Klinik einschätzen,
sowie die Möglichkeit, klinisch zu forschen.
Solche Aspekte spielen nicht einmal für jeden
vierten Arzt bei der Wahl eines Krankenhauses
als Arbeitgeber eine entscheidende Rolle.
Obwohl sie den Träger bei der Wahl des
Arbeitsplatzes für sich selbst als nachranging
einstufen, empfinden Klinikärzte aus privat
betriebenen Krankenhäusern ihr Arbeitsumfeld verglichen mit den Kollegen in öffentlicher
Trägerschaft doppelt so häufig als attraktiv für
Nachwuchsärzte: 36 Prozent der befragten
Ärzte aus Kliniken mit privater Trägerschaft
meinen, junge Mediziner finden als Angestellte in Krankenhäusern das attraktivste
Arbeitsumfeld. Unter den befragten Ärzten
aus Kliniken in öffentlicher Hand sehen dies
lediglich 18 Prozent so. Unter Ärzten aus konfessionellen Krankenhäusern liegt diese Quote
bei 32 Prozent.
Viele Ärzte klagen über immer weniger Zeit für den Patienten bei wachsenden Anforderungen in der
Dokumentation ihrer Arbeit.
Quelle: Flickr/ILO in Asia and the Pacific/CC BY NC ND 2.0
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Pharma-Branche
Chemisch-pharmazeutischen Industrie wächst nur leicht
2016 war ein durchwachsenes Jahr für die chemisch-pharmazeutische Industrie
Die Chemieunternehmen investierten 7,1 Milliarden Euro.
T
rotz eines schwierigen weltwirtschaftlichen Umfeldes konnte Deutschlands drittgrößte Branche Investitionen,
Kapazitätsauslastung und Beschäftigung
stabil halten. Die Produktion wuchs aber
weniger als erwartet. Gleichzeitig ging
der Umsatz wegen der erneut sinkenden
Herstellerpreise zurück. Insgesamt stieg
die Chemie-Produktion um 0,5 Prozent.
Ohne Pharmazeutika stagnierte die Produktionsmenge. „Diese Bilanz mag in
Anbetracht der politischen Turbulenzen
in Europa und der Verunsicherung vieler
Marktteilnehmer nicht überraschen – für
uns ist sie gleichwohl unbefriedigend“,
stellte Kurt Bock, Präsident des Verbandes
der Chemischen Industrie (VCI), fest.
Prognose: Auch für 2017 sieht der VCI
keine stärkere Dynamik für die ChemieProduktion: Der Verband geht von einer
Steigerung um 0,5 Prozent aus. Der Gesamtumsatz sollte bei leicht ansteigendem
Preisniveau wieder um 1 Prozent auf 185
Milliarden Euro zulegen können. Einen
Wachstumsbeitrag erwartet der VCI lediglich vom Auslandsgeschäft.
Zu den Aussichten der Branche sagte
Bock: „Zum Jahresende hin ist der Umsatz
zwar wieder gestiegen, aber eine Trendwende können wir darin noch nicht erkennen.
Quelle: Flickr/Hans Splinter/CC BY-ND 2.0
Das Chemiegeschäft dürfte 2017 ohne nennenswerte Dynamik bleiben, zumal die
politischen Unsicherheiten und konjunkturellen Risiken auf den Auslandsmärkten
rund um den Globus zugenommen haben.
Die Verunsicherung wegen der anhaltenden
Wachstumsschwäche der Schwellenländer
trägt dazu ebenso bei wie die Sorge um die
Stabilität Europas.“
Bei rückläufigen Preisen von -2 Prozent
verringerte sich der Gesamtumsatz der
chemisch-pharmazeutischen Industrie
um 3 Prozent auf 183 Milliarden Euro. Im
Inland orderten die Kunden aus anderen
Industriezweigen deutlich weniger Chemikalien. Dadurch sank der Umsatz um 4
Prozent auf 71,5 Milliarden Euro. Nur wenig
besser verlief das Auslandsgeschäft: Der
Auslandsumsatz sank im Vergleich zum
Vorjahr um 2,5 Prozent auf 111,5 Milliarden
Euro.
Nach vier Jahren steigender Investitionen stagnierten die Ausgaben 2016 im
Inland. Die Chemieunternehmen investierten mit 7,1 Milliarden Euro nahezu gleich
viel (-0,3 Prozent) wie im Jahr davor. Die
Investitionen der Branche im Ausland waren
rückläufig: Die Unternehmen investierten
knapp 8,4 Milliarden Euro an ausländischen Standorten in Sachanlagen – fast
3 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Die
Forschungsbudgets der Branche wurden
2016 erneut aufgestockt. Insgesamt gaben
die Unternehmen rund 10,7 Milliarden Euro
für Forschung und Entwicklung aus – 2
Prozent mehr als im Vorjahr.
Kurz- und mittelfristige Schwankungen der Konjunktur sind in einem
marktwirtschaftlichen System normal.
Die Welt der chemischen Industrie befindet
sich aber darüber hinaus grundsätzlich
in einem Umbruch: Verschiebung der
Wachstumszentren nach Südostasien sowie Forcierung der Innovationsprozesse
in Schwellen- und Industrieländern verschärfen den internationalen Wettbewerb
für die Unternehmen, die am Standort
Deutschland produzieren. Zudem muss
sich die Branche durch Globalisierung und
Digitalisierung der Wertschöpfungsketten
darauf einstellen, ihre Produktionsweisen
und Geschäftsmodelle zu verändern.
„Ich bin überzeugt, dass wir erneut vor
einer Weichenstellung unserer Branche
stehen. Chemie 4.0 drückt dies aus und
ist mehr als nur die weitere Digitalisierung
der chemischen Industrie“, betonte VCIPräsident Bock. Chemie 4.0 stehe für die
Strategie, durch Innovationen auf allen
Ebenen nachhaltiges Wachstum für die
Branche zu erzeugen. „Mit Chemie 4.0 arbeiten wir daran, dass wir unsere globale
Top-Position weiterhin behaupten – und so
unseren Beitrag zum Standort Deutschland
auch in Zukunft leisten werden.“
Die intensive Nutzung von digitalen
Daten und die zunehmende horizontale
Vernetzung von Wertschöpfungsketten verändern das Zusammenspiel der Unternehmen über Branchen hinweg. Die Chemie ist
Teil dieser Entwicklung: Vorausschauende
Steuerung der Anlagen durch „Predictive
Maintenance“, punktgenauer Einsatz von
Pflanzenschutz- und Düngemitteln in der
Landwirtschaft durch „Digital Farming“
oder bessere Steuerung der Logistik sind
nur einige Beispiele für Anwendungsfelder,
bei denen digitalisierte Informationen zur
Steigerung der Kosten- und Ressourceneffizienz bereits genutzt werden.
Auch Forschung und Entwicklung profi-
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tieren stark von den Auswertungsmöglichkeiten großer Datenmengen. Mit Chemie
4.0, so der VCI, will die Branche zudem ihre
Funktion in den Wertschöpfungsketten weiterentwickeln. Das Ziel: Nicht nur Lieferant
von Vorleistungen zu sein, sondern sich als
Anbieter von ganzheitlichen Lösungen für
die Kunden zu etablieren. 3D-Druck ist hier
ein Beispiel für ein neues Geschäftsmodell.
„Unter Chemie 4.0 verstehen wir mehr,
als nur die Chancen zu nutzen, die sich
durch die Digitalisierung eröffnen. Nachhaltigkeit wird zum umfassenden Leitbild
und Zukunftskonzept für das Handeln der
Branche. Das unterstreicht unsere Nachhaltigkeitsinitiative“, betonte Bock. Dazu
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gehöre, dass die Chemie eine wichtige
Funktion in einer Kreislaufwirtschaft durch
die Wiederverwertung kohlenstoffhaltiger
Abfälle übernehmen könne. Aber auch die
mittelfristige Perspektive, Wasserstoff aus
erneuerbaren Energien in Kombination mit
CO2 für die Produktion von Grundchemikalien einzusetzen.
Wirtschaft
In der Stadt sind Apotheken lukrativer
Auf dem Land haben Apotheken weniger Kunden. Daher ist der Standort rein geschäftlich auch weniger attraktiv
I
n Deutschland sind Apotheken meist
dort, wo Ärzte sind. Die Kombination
aus Festvergütung für Arzneiabgabe und
Beratung sowie Niederlassungsfreiheit für
Apotheken trägt dazu bei: Verschreibende
Ärzte erhöhen den Gewinn. Zur flächendeckenden Versorgung – auch auf dem
Land – trägt das aber nicht zwingend bei.
Will man die Ansiedlung von Apotheken
in dünnbesiedelten Regionen fördern, liegt
der Schlüssel in der Ansiedlung von Ärzten und einer besseren Honorierung von
Nacht- und Notdienst. Auch Versandapotheken sind jetzt schon ein unverzichtbarer
Baustein in der Versorgung auf dem Lande.
Deutsche Apotheker erhalten eine Festvergütung pro Arzneipackung und wenige
Prozente vom Arzneimittelpreis als Vergütung. Nacht- und Notdienste werden extra
bezahlt. Das bedeutet, je mehr Kunden, desto
mehr Umsatz. Durch die Niederlassungsfreiheit für die Apotheken ziehen sie in die
begehrten Lagen nahe bei Ärztehäusern. Am
Preis der verschreibungspflichtigen Medikamente selbst dürfen die Apotheker derzeit
nichts ändern. Somit können Apotheken
Effizienzvorteile nicht an Verbraucher und
Krankenkassen weitergeben.
In der aktuellen Diskussion um Rabatte
auf verschreibungspflichtige Medikamente,
die derzeit nur ausländische Versandapotheken gewähren dürfen, wird oft wie folgt
argumentiert: Sollte die Festpreisregelung für
Medikamente in Deutschland aufgehoben
werden, ist die Versorgung gefährdet. Bereits
dem Europäischen Gerichtshof (EUGH) fehl-
Versorgungsdichte der Apotheken in Deutschland
ten für diese Behauptung die Beweise. Das
Argument baut eher auf Emotionen und ist so
alt wie alle den Apothekenmarkt betreffenden
Reformen. Wir haben heute etwa so viele Apotheken wie 1990. Wer einen Preiswettbewerb
bei verschreibungspflichtigen Medikamenten – am besten mit Höchstpreisen – zulässt,
entkoppelt die Abhängigkeit der Apotheke
Quelle: BVDVA
von der in der Nähe liegenden Arztpraxis,
weniger wettbewerbsintensive Lagen auf
dem Lande würden attraktiver werden und
man würde somit auch die gute Beratung
in die Fläche bringen. Denn die Beratung
wird in Deutschland, entgegen der Praxis in
manch anderem EU-Land, nicht gesondert
honoriert.
Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV).
Redaktion: Anika Schwalbe, Gloria Veeser, Julia Jurrmann, Cüneyt Yilmaz. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. Copyright:
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