Predigt zum 3. Advent, 2016-12-11 (Bür 11.00) Friedensnobelpreis zu Mt 11,2-11 Liebe Schwestern und Brüder, an diesem Wochenende wurden die Nobelpreise verliehen. Bob Dylan ist nicht nach Stockholm gereist. Keiner weiß warum? Vor 6 Jahren wurde einem Menschen der Friedensnobelpreis 2010 verliehen, der konnte nicht nach Oslo reisen, weil er in China im Gefängnis saß und bis heute dort ein erbärmliches Leben fristen muss, der Schriftststeller Liu Xiaobo. Liu Xiaobo hatte im Jahre 2008 wesentlich die Charta der Menschen-rechte in China initiiert und verbreitet. Deswegen warfen sie ihn ins Gefängnis. Die Gruppe der Charta 2008 in China ist inspiriert durch die Bergpredigt im Matthäusevangelium und das Gebot der Gewaltlosigkeit. Selbst aus dem Gefängnis schrieb Liu Xiaobo anläßlich der Verleihung des Friedensnobelpreises: „Ich habe keine Feinde. Weder die Polizisten, die mich überwachen, gefangen genommen und verhört haben, noch die Staatsanwälte, die mich angeklagt, noch die Richter, die mich verurteilt haben, sind meine Feinde. Ich akzeptiere eure Überwachung, euren Arrest, eure Urteile nicht, aber ich respektiere … eure Persönlichkeiten.“ „Liebet Eure Feinde, respektiert, die euch verfolgen…“ Das ist fast wortwörtlich Jesus v. Nazareth. Liu saß wie einst Johannes der Täufer im Gefängnis, konnte den Nobelpreis bis heute nicht annehmen. Und ich wage mir die Zustände in chinesischen Gefängnissen und Arbeitslagern nicht vorzustellen. Sie sind wahrscheinlich nicht besser als die in den Kerkern des Herodes. Was läßt Menschen so etwas wagen, was läßt sie wie Johannes den Täufer im Gefängnis nicht verzagen? Aus der Gruppe um Liu Xiaobo kommt daraus folgende Erklärung "Die Mächte des Bösen können den Körper eines Menschen zerstören, aber nicht seine Seele." Denn in dieser Seele sind wir verbunden mit einem unendlich liebenden Gott, der uns auch im Tod nicht verloren gibt. Müssen wir Christen das wieder lernen von chinesischen Widerstandskämpfern, die keine Christen sind, die aber nach der Bibel leben? Mir geht oft der Gedanke durch den Kopf, ob ich für meine christliche Überzeugung Farbe bekennen könnte, wenn ich dafür strafrechtlich verfolgt würde? Ich merke doch schon in ganz alltäglichen Situationen, wie blockiert ich bin. Da wird zum Beispiel in einer Gruppe ein Mensch gedemütigt. Ein intellektuell Überlegener zeigt einem anderen, wie dumm er doch ist, dass er keine Ahnung hat. Mach ich dann den Mund auf und sage, dass hier gerade psychische Gewalt passiert? Ganz oft nicht, denn es verschlägt mir die Sprache. Ich möchte am liebsten wegsehen, ich bin ein Blinder meiner Angst und ein Taub-Stummer meiner Feigheit. Und ich möchte so gern frei sein für meinen eigenen Glauben wie diese Dissidenten in China und auch so manche Menschen in Deutschland. Vorgestern ist im hohen Alter die große alte Dame der FDP gestorben, Hildegard Hamm-Brücher. Sie war das letzte lebende Mitglied der Widerstandsgruppe „Die weiße Rose“ ,dieser jungen Studenten die wie Sophie Scholl, Hans Scholl und andere Flugblätter gegen Hitler verteilt hatten. Im 5. Flugblatt der Weißen Rose steht geschrieben: „Versteckt eure Feigheit nicht hinter dem Mantel der Klugheit.“ Immer hatte man ihnen gesagt: Es ist nicht klug, was ihr da tut, Flugblätter gegen die Nazis versenden, nachts Parolen an die Wände zu schreiben „Nieder mit Hitler…“ Es ist nicht klug, ihr gefährdet nur euch und andere. Und heute? Wie reden sie denn unsere Spitzendiplomaten und Wirtschaftshändler: Es ist nicht klug, sich mit dem chinesischen Regime anzulegen. Da könnten die Märkte der Zukunft verloren gehen. Dass unsere Wirtschaft boomt, liegt doch sehr stark auch am Handel mit den Chinesen. „ Versteckt eure Feigheit nicht hinter dem Mantel der Klugheit.“ Das Wochenmagazin DIE ZEIT hat kürzlich geschrieben: „Es scheint, wir sind heute viel zu sehr mit der Verteidigung unseres eigenen Wohlstands beschäftigt. Ich kann mir nicht helfen, ich komme mir zunehmend wie ein willfähriger Konsumsklave vor, der am besten auf Haltung, Meinung, Überzeugung und demokratischen Einfluss zu verzichten hat.“ Weil sie ihren Wohlstand verteidigen wollen, wählen Menschen immer mehr die Populisten, werden unendlich viele Ängste geschürt. Aber geht es letztlich um die Verteidigung des Wohlstands oder geht es um die Verteidigung der Seele? Früher hatte man den Aufkleber SOS im Portemanais, Rette deine Seele. In unserer Seele sind wir verbunden mit der unendlich liebenden Macht, die unser Leben für ewig bestehen lässt und das allein ist wichtig. Niemand verlangt von uns den Mut eines Johannes oder Lius, aber so kleine Schritte der Courage könnten wir doch wagen in unserer kleine Welt, oder?
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