2 Tages-Anzeiger – Donnerstag, 15. Dezember 2016 Seite Zwei Kommentar Fabian Renz, Leiter Bundeshausredaktion, über den innerlinken Richtungsstreit. Wenn die Braven rebellieren In der SP wird gestritten, wieder einmal: Eine neu formierte Gruppe «reformorientierter» Kräfte um Pascale Bruderer (AG) und Daniel Jositsch (ZH) will dem sozialliberalen Flügel mehr Gewicht und Wahrnehmung verschaffen. Die Website Reform-sp.ch ist seit gestern online, ein Positionspapier soll folgen. Ein Kommentar aus dem alten Rom drängt sich auf: Cui bono? – Wem nützt es? Gemässigt linke Positionen werden zweifellos von vielen Menschen geteilt. Bruderer und Jositsch sind mit ihren guten Wahlresultaten der beste Beweis. Doch können sie nicht ernsthaft glauben, ihre Partei sei dorthin zu verfrachten, wo sich Grünliberale, CSP und Teile der CVP tummeln. Ebenso wenig können sie glauben, eine Einmittung würde der SP mehr Listenstimmen einbringen. Die Misere der Mitte-Parteien macht das wenig plausibel. Wem also nützt es? Eine bösartige Antwort könnte lauten: Bruderer und Jositsch. Spätestens um 2020 werden wohl die beiden SP-Sitze im Bundesrat wieder frei. Ein Ruf als gemässigter Pragmatiker kann einem da bei allfälligen Ambitionen nur gelegen kommen. Das zeigt nicht zuletzt die Karriere der amtierenden SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga. Hilfreicher ist der Hinweis, dass Bruderer und Jositsch eine Tradition bedienen. Im 20. Jahrhundert zwang der Gegensatz von Kommunismus und liberaler Demokratie jeden Linken zum Systembekenntnis (das keineswegs immer eindeutig ausfiel). Flügelkämpfe und mit viel Schrifttum befeuerte Grundsatzdebatten wurden Teil sozialdemokratischer DNA. Konzeptioneller Streit brandete letztmals vor anderthalb Jahrzehnten auf, als Tony Blair und Gerhard Schröder die europäische Linke auf einen wirtschaftsfreundlichen «dritten Weg» führten. Es war die Zeit, als Simonetta Sommaruga ihr provokatives Gurten-Manifest für eine liberale, migrationskritische Neuausrichtung lancierte. Es wird sich weisen, ob Bruderer und Jositsch eine ähnliche Debatte in Gang bringen. In einer Demokratie kann so etwas – cui bono? – durchaus guttun. Für «Gurten, das Zweite» muss die bisher harmlos auftretende Gruppe aber noch viel Substanz liefern. Ansonsten gilt bis auf weiteres: Bundesratswahlverdacht. blogs.tagesanzeiger.ch Private View Was ist vaginaler Globalismus? – Ewa Hess Die New Yorker Galerie The Hole hat es an der Art Basel Miami Beach wieder einmal richtig hingekriegt, indem sie auf Punk setzte. Kathy Grayson, die Gründerin von The Hole, ist selber eine extravagante Persönlichkeit, und sie lud die PussyRiot-Nadya (Tolokonnikowa) nach Miami ein, um ein politisches Event im South-Beach-Hotel Nautilus zu animieren. Nadyas Vortrag in Miami erwies sich als genau das zu sein, was der Doktor der eher müden Messe verschrieben hat. Die Russin ist nämlich studierte Philosophin und entschied sich, der versammelten Kunst-Intelligenzija etwas über Michel Foucault zu erzählen. Das ist bei ihr allerdings nicht Angeberei, sondern erlebte Wirklichkeit, denn das foucaultsche «Überwachen und Strafen» kennt sie aus eigener Vergangenheit; seine Gefängnis-Theorie konnte sie an der härtesten sibirischen Praxis überprüfen. Zum Erstaunen des Publikums erlebte man am Pool des schicken Hotels in Floridas Ferienmetropole keine schrille Göre, die unausgegorene Sprüche klopft, sondern eine reife und leise sprechende junge Frau, die sehr persönliche Ratschläge für ein Leben unter einem autoritären Regime geben konnte. Sie begann mit ihrem Steckenpferd der letzten Jahre, dem «vaginalen Globalismus», wobei sie damit nichts anderes meint als gleiche Rechte für alle. Warum vaginal? Weil alle, alle Menschen eben ursprünglich nicht aus Puerto Rico, Russland oder von der Elfenbeinküste kommen, sondern aus einer Frau gekrochen sind, was sie gleich und wertig macht. «Straight Outta Vagina» heisst auch ein Song zu diesem Thema auf Nadyas letztem Album. Die «vaginale» Bezeichnung macht Sinn, schliesslich wurde Donald Trump, wie der Soziologieprofessor Roger Friedland in der neusten Ausgabe von «Lettre International» konstatiert, nicht nur als ein Politiker, sondern als ein Phallus gewählt. Friedland analysiert, dass in einem erotisierten Macht-Umfeld der Kampf Donald versus Hillary eigentlich ein Kampf zwischen der Faust und dem Schoss war, dem Phallus und der Gebärmutter. Auf der einen Seite die männliche Bereitschaft zur Gewalt, auf der anderen die weibliche zur Fürsorge – für Kinder, für Frauen, für die Armen und die Einwanderer. Nadya bezieht eindeutig die Position auf der Seite der Gebär- Welt im Bild Grosse Ereignisse werfen ihre Schatten voraus: Auf einem gewaltigen Stadtplan von Washington werden die Sicherheitsmassnahmen für die Amtseinführung von Donald Trump am 20. Januar 2017 als US-Präsident geplant. Mittendrin das Weisse Haus, und dieses Sujet liessen sich Fotografen anlässlich einer Medieninformation nicht entgehen. (TA) Foto: Andrew Harnik (Keystone) Anzeige IM ABO LESEN UND PROFITIEREN Ihre persönliche erhalten Sie gratis und exklusiv zum Tages-Anzeiger-Abo, 0848 848 840 oder www.tagesanzeiger.ch/abo Shadowland 2 Samstag, 4. Februar 2017, 20.00 Uhr, Zürich Eventpark Dübendorf Die neuen Abenteuer im Schattenland der US-Tanzkompanie PILOBOLUS spielen in einem Lagerhaus, im dunklen Inneren von Kisten. Darin eingesperrt sind phantastische Kreaturen von grosser Schönheit – unschuldig, erwachsen der Geschichte noch aus dem finstersten Szenario umwerfende Bilder. Natürlich geht es um die Befreiung der Figuren. Der Wärter, der die Kisten bewacht, entdeckt zusammen mit der jungen Frau von der Poststelle unvermittelt einen Zugang zu dem Schattenleben im Inneren der Kisten. Die beiden wagen sich in verbotene Welten. Retten sie die Gefangenen? Das Pilobolus Dance Theatre aus Connecticut (USA) ist seit seiner Gründung für Überraschungen gut, für rauschhafte Illusionen auf der Bühne. 1971 gegründet, machte es sich mit kurzen, poetischen Bewegungsstücken schnell einen Namen. 2009 entstand dann die erste abendfüllende Inszenierung «Shadowland», ein Grenzgang zwischen Tanz, Schattenspiel und Artistik. mutter, wobei sie die Vagina als weibliches Symbolorgan wählt – wohl, weil mit wesentlich lustvolleren Assoziationen verbunden. Als fürsorgliches, wenn auch durchaus wehrhaftes Weib gibt sie nun den Künstlern und allen Menschen, die mit Repressionen rechnen könnten, den Ratschlag: Helft anderen! Ihr selber habe das durch die schwere Zeit im Gefängnis geholfen. An andere denken, die Schwächeren unterstützen: Das sei eine Einstellung, die stark mache. «Tut was!», predigte Nadya den Amis mit nur wenig russischem Akzent. «Gründet alternative Kunsträume, schafft gesellschaftliche Oasen, in welchen sich alle Menschen entfalten können.» Die konstruktive Tat sei die richtige Antwort auf institutionalisierte Gewalt und soziale Repression, denn Worte allein hätten ihre Glaubwürdigkeit verloren. Ihr CARTE BLANCHE-Angebot CHF 80.– statt CHF 100.– CHF 68.– statt CHF 85.– CHF 56.– statt CHF 70.– CHF 44.– statt CHF 55.– exkl. VVK-Gebühr Vorverkauf Tickets unter www.ticketcorner.ch. Bitte wählen Sie die CB-Aktion aus und geben Sie Ihre CB-Nummer an. Tickets ausserdem bei allen Vorverkaufsstellen von Ticketcorner, Ticketcorner-Hotline 0900 800 800 (CHF 1.19/min., Festnetztarif) oder über Act Entertainment, Tel. 061 226 90 03, [email protected]. 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