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showbiz IntervIew
MAssiMo PiGiNi, iNhAbER DER FiRMA PiGiNi
Goldenes Handwerk
Fotos: Pigini
70 Jahre Pigini – das interview zum Jubiläum
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tastenwelt 6/2016
IntervIew showbiz
1946 gegründet, hat die Firma Pigini im italienischen Castelfidardo über
mehrere Inhaber-Generationen hinweg Akkordeonbau-Geschichte geschrieben.
Warum Pigini den Ruf einer Edelmarke gepachtet hat und welche Philosophie
hinter dem weltweit erfolgreichen Unternehmen steht, erklärt Firmenchef
Massimo Pigini im Interview mit tastenwelt-Autor Detlef Gödicke.
Gab es Änderungen beim Bau von Akkordeons?
Um das Jahr 2000 wurde uns Akkordeonbauern
vorgeworfen, mit der Entwicklung in der Musik
nicht schritthalten zu können. Das konnten wir
mittlerweile widerlegen, denn mit unseren Instru­
menten kann man heute jede Art von Musik spie­
len. Meiner Meinung nach genießt das Akkordeon
gerade heute eine große Popularität.
Wie erklären Sie sich das?
Das Akkordeon wurde lange Zeit als Instrument
zweiter Klasse angesehen. Ich habe mittlerweile
die Berliner Philharmoniker erleben dürfen, mit
Stefan Hussong am Bajan. Ksenija Sidorova spiel­
te 2014 die Nokia Night of the Proms­Tour – ein
Konzert­Teil klassisch, der andere Pop­Musik. Es
ist egal, in welcher Art von Musik das Instrument
eingesetzt wird, es berührt einfach die Herzen der
Menschen.
Fotos: Pigini
Pigini hat die Entwicklung des Convertor-Akkordeons maßgeblich mitgestaltet – erzählen Sie davon.
Es gibt hier in Castelfidardo ein Museum. Man
sieht dort erste Convertor­Instrumente aus den
frühen 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts,
darunter auch einige Entwicklungen aus Russland.
Convertor­Instrumente haben also eine fast
100­jährige Geschichte.
Und wann begann Ihre Firma, sich damit
zu beschäftigen?
1962 arbeitete mein Vater daran, die hochkompli­
zierte Mechanik besser mechanisch zu organisie­
ren, sie war anschließend deutlich einfacher her­
zustellen. Zuvor wurde hin und wieder ein Instru­
ment von Hand gebaut; wir waren die Ersten, die
in der Lage waren, ein Convertor­Akkordeon indus­
triell in größeren Stückzahlen zu fertigen – und wir
hatten das Know­how unserer Akkordeonbaumeis­
ter für die damalige Weltelite der Akkordeonspie­
ler. Mogens Ellegard war für uns dabei eine große
Hilfe, wir sind ihm zu großem Dank verpflichtet.
www.tastenwelt.de
Konnten Sie dadurch dem Convertor-Akkordeon
letztendlich zum Durchbruch verhelfen?
Ich denke schon. Auf der Konstruktionsbasis
meines Vaters konnten wir bezahlbare Instrumente
für Schüler entwickeln, die diesen den Zugang zu
polyphoner Spielweise auf dem Akkordeon mit der
linken Hand erst ermöglicht haben – die Konstruk­
tion wurde von den meisten Herstellern bis heute
übernommen.
Pigini hat sich an der Königsklasse des Akkordeonsounds versucht: italienische Baukunst in Verbindung mit Stimmplatten aus Russland – wie kam es
dazu?
Wir bekamen immer wieder Anfragen von Spitzen­
spielern, die sich ein Pigini­Instrument wünschten,
allerdings mit Stimmplatten aus Russland. So ent­
stand bei uns der Gedanke, das „Mythos“ zu bau­
„Das Akkordeon berührt
die herzen der Menschen“
en. Wir entschieden uns, von diesem Instrument
nur 33 Stück zu bauen, für höhere Stückzahlen
war der Aufwand einfach zu groß. Hilfe bekamen
wir besonders von Mogens Ellegaard, Viatcheslav
Semionov und Friedrich Lips, die auch selbst ein
„Mythos“ besitzen.
Zurück zu den Anfängen Ihrer Firma. Warum
verkaufte Ihr Großvater ab 1946 Akkordeons in
die ganze Welt, nur nicht in Italien?
Das ist die wahre Erfolgsgeschichte unseres Ortes
Castelfidardo. Italien zwischen den beiden Welt­
kriegen war ein politisch instabiles Land. Viele
italienische Akkordeonspieler wanderten mit ihren
Familien aus, z.B. in die USA, nach Kanada, Süd­
amerika. Das erste Geld in ihrer neuen Heimat
verdienten die Auswanderer mit Musik auf ihrem
Akkordeon. Die Instrumente wurden dann von
anderen Musikern dort angefragt; die Italiener
verkauften sie mit Gewinn und bestellten bei uns
im Ort ein neues Instrument für sich. So ent­
wickelte sich unser erstes „italienisches Außen­
dienst­Netzwerk“ in der ganzen Welt gewisser­
maßen von alleine.
Und heute? Ist Italien für Pigini wieder
ein größerer Markt geworden?
Nein, nach wie vor verkaufen wir 95 Prozent
unserer Instrumente ins Ausland.
PRoFiL
1994 haben Sie die Firmenleitung als
Nachfolger Ihres Vaters Gino übernommen.
Was hat sich seither für Sie verändert?
Das gesamte Business hat sich komplett verändert.
Die digitale Welt ist da, Informationen werden an­
ders übermittelt, das System der ganzen Arbeit hat
sich verändert. Das Akkordeon ist allerdings tradi­
tionell geblieben, es ist immer noch ein akusti­
sches Instrument, „unplugged“, ein mechanisches
und transportables Instrument, das glücklich
macht, wenn man es fühlen und spielen kann.
Massimo
Pigini
JAHRGANG 1958
GEBURTSORT
Castelfidardo/Italien
ROLLE Leiter der Firma
Pigini in der dritten
Generation seit 1994
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showbiz Interview
Gruppenbild mit Akkordeon:
Massimo Pigini (vorne mit­
te) mit Schwester Fran­
cesca, Sohn Federico und
einem Team von mehr als
40 Frauen und Männern.
2015 mussten einige Akkordeonbau-Firmen
in Castelfidardo schließen. Eine Krise im Ort?
Die eigentliche Krise startete 2008, hervorgerufen
durch die weltweite Finanzkrise. Viele große Ge­
schäfte in unseren Innenstädten und große Indus­
trie-Komplexe am Stadtrand stehen seitdem leer.
Davon war natürlich auch die gesamte Musik­
instrumenten-Industrie in Italien betroffen.
Ist Pigini 2016 der „Leuchtturm“ in Castelfidardo?
Es gab und gibt immer starke Winde in unserer
Branche. Je besser das Fundament, umso besser
kann man der Gewalt des Windes widerstehen.
Unsere Firmen-Familie hat das Fundament von
„Wir verkaufen 95 Prozent
der Instrumente ins Ausland“
vier Generationen und unser Team, wir konnten
dadurch bislang alle Stürme heil überstehen.
Wie muss man sich Castelfidardo vorstellen?
Eine Straße, an der jeder Akkordeons baut,
und jeden Abend fliegen die Messer?
Natürlich nicht, aber ein bisschen schon. Wenn
wir uns privat treffen, sind wir sehr gute Freunde,
wenn wir uns im Geschäftlichen treffen, etwas
weniger, aber das ist für uns ganz normal.
Ist Pigini in den sozialen Netzwerken aufgestellt?
Das ist für uns ein wichtiges Thema. Die meisten
Menschen sehen morgens auf die Nachrichten
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ihres Smartphones. Für uns ist das allerdings
nur ein „Teil des Kuchens“.
Und wer kümmert sich in Ihrer Firma
um diese Dinge?
Das macht meine Schwester Francesca. Sie hat
ein wunderbares Gespür für unsere MarketingAktionen wie Kataloge, Anzeigen, Weihnachts­
karten und vieles mehr.
Sie begannen mit 20 Jahren in der Firma
zu arbeiten. Warum nicht früher?
In unserer Familiennachfolge gibt es ein Gesetz.
Mit 15 Jahren muss man im Juli während der
Schulferien vier Wochen lang in der Firma arbei­
ten. Anschließend habe ich meine Schule been­
det, meinen Wehrdienst absolviert und bin dann in
die Firma eingetreten, bei uns ein ganz normaler
Verlauf.
Spielen Sie selbst Akkordeon?
Nein!
Warum nicht?
Ich nahm einige Unterrichtsstunden und kam zu
der Entscheidung, kein Talent dafür zu haben.
Ich kann jedes Instrument aus unserer Fertigung
testen, aber mit einer Kombizange viel besser
umgehen als mit den Tasten eines Akkordeons.
Wer testet dann in Ihrer Firma, ob das fertige
Instrument einem Weltklasse-Spieler entspricht?
Viele unserer Mitarbeiter sind selbst hervorragende
Spieler, aus dem Thema halte ich mich ganz ein­
fach raus.
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Interview showbiz
Was denken Sie über die Entwicklung
elektro­nischer Akkordeons?
Ich halte diesen Trend für sehr gut, diese Instru­
mente geben dem Spieler neue Möglichkeiten. Mit
Kopfhörer in einer Mietswohnung ein Instrument
spielen zu können, finde ich großartig. Pigini hat
die Wettbewerbe für elektronische Akkordeons
hier in Castelfidardo immer unterstützt – wenn
sich jemand allerdings für die akustische Variante
entscheidet, sind wir da.
Wird Pigini in der Zukunft elektronische
Akkordeons anbieten?
Nein, unser Anspruch ist, das bestmögliche
traditionelle Akkordeon zu fertigen, hier in Castel­
fidardo. Das wird auch so bleiben.
Wie viele Mitarbeiter haben Sie derzeit?
Es sind 46 Angestellte. Der Altersdurchschnitt
liegt bei unter 40 Jahren, wir sind in der Alters­
struktur breit aufgestellt, und unser Team ist
wirklich wie eine große Familie, alle lernen von­
einander.
1997 haben Sie das Firmengebäude vergrößert?
Ja, und wir haben längst schon wieder zu wenig
Platz. Wir arbeiten wie so oft in der Vergangenheit
„komprimiert“, unser Grundstück bietet Platz für
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eine erneute Vergrößerung, es ist eine Investition,
über die wir nachdenken müssen.
Wie sehen Sie die Zukunft von Pigini?
Alles ist offen. Wir haben ein junges Team, mein
Sohn Federico repräsentiert mittlerweile die vierte
Generation der Familie Pigini, wir alle freuen uns
auf die Zukunft, auf jede neue Herausforderung
und natürlich über jeden neuen Akkordeonspieler.
Abschließende Frage: Gibt es aus Ihrer Sicht
noch Raum für Verbesserungen im Akkordeonbau?
Alle Akkordeonhersteller – und wir natürlich auch
– arbeiten hart daran, das Akkordeon noch weiter
„Wir konnten bislang
alle Stürme heil überstehen“
zu verbessern. Neuen Ideen und jeder Art von
Input, wie man das „perfekte Akkordeon“ bauen
könnte, begegnen wir mit höchster Aufmerk­
samkeit. Ich bin mir sogar sicher, dass es in den
nächsten fünf Jahren eine ganze Menge interes­
santer Neuheiten auf unserem Spielfeld geben
tw
wird.
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