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Markus Ferber, CSU-Europaabgeordneter, stellvertretender Telefax
Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im EU-Parlament,
gab heute, 15.12.16, dem Südwestrundfunk ein
Internet
Interview zum Thema: „Finanzkrise in Europa“.
Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Marion Theis.
07221/929-23981
07221/929-22050
Mit freundlichen Grüßen
Zentrale Information
15.12.2016
Datum:
www.swr2.de
Markus Ferber, CSU: Für Italien ist die Zeit der Rabatte vorbei
Baden-Baden: Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber hält es für falsch, für Italien die
europäischen Schuldenregeln zu lockern. Man habe Italien schon viele Zugeständnisse
gemacht, sagte Ferber im SWR (Südwestrundfunk). Das Land müsse jetzt einsehen, dass es
seinen „Laden selber auf Vordermann“ zu bringen habe. Ein Land, das dauerhaft nur vom Geld
privater Anleger lebe, könne nicht stabil sein.
Ferber, der stellvertretender Vorsitzender des Wirtschafts- und Währungsausschusses im EUParlament ist, nannte die Finanzkrise in Italien ein „rein italienisches Problem“. Es werde
Rettungsmaßnahmen für die Banken geben müssen. Das Land sei aber weit davon entfernt,
unter den Euro-Rettungsschirm gehen zu müssen.
Der CSU-Politiker mahnte dringende Reformen in Italien an. Dabei gehe es nicht vorrangig um
die Änderung der Verfassung, sondern um die Liberalisierung des Arbeitsmarkts und die
Reform des Pensionssystems.
Die EU-Kommission forderte Ferber auf, Italien stärker unter Druck zu setzen. Er verstehe nicht,
warum die Kommission die Sanktionsmechanismen des Wachstums- und Stabilisierungspakts
nicht in Gang setze. Die Zeit der politischen Rabatte sei jetzt eigentlich vorbei, so der
Europaabgeordnete.
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Theis: „Es gibt keinen Grund von einer Eurokrise zu reden.“ Das sagt der
Bundesfinanzminister - trotz der Rekordschulden in Griechenland und Italien. Stimmen
Sie ihm zu, Herr Ferber?
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Ferber: Ich stimme ihm zu. Wenn Sie die Situation von 2012, wo wir tief in der Eurokrise
steckten, mit heute vergleichen, dann ist, glaube ich, jedem klar, dass wir zwar Probleme
haben, aber keine Eurokrise haben.
Theis: Italien ist aber hoch verschuldet, und ob alle Banken die nächsten Monate
überleben weiß keiner. Schließen Sie denn aus, dass Italien die Hilfe des EuroRettungsschirms in Anspruch nehmen muss?
Ferber: Ich glaube, dass das italienische Problem ein italienisches Problem ist, und da sollten
wir es auch belassen. Wir haben da natürlich schon das Problem, dass ausfallgefährdete
Kredite in einem dreistelligen Milliardenvolumen in den Bilanzen der Banken liegen, das wird
bestimmte Rettungsmaßnahmen erfordern. Das ist aber Aufgabe der Italiener, hier Lösungen
anzubieten. Wir haben eine Bank, die stark unterkapitalisiert ist, die älteste Bank Europas, die
Monte dei Paschi di Siena. Auch da wird am Ende Italien eine Lösung finden müssen, aber
Italien ist weit davon entfernt, deswegen unter den Rettungsschirm gehen zu müssen. Und ich
halte auch nichts davon, wie es manche schon fordern, den Rettungsschirm jetzt zur
Bankenrettung in Italien anzusetzen. Dafür ist er ursprünglich nie geschaffen worden.
Theis: Das hört sich an, als wäre das alles nur Sache der Italiener. Allerdings hat die
Europäische Zentralbank italienische Staatsanleihen in Höhe von über 100 Milliarden
Euro aufgekauft. Italien hat massiv von den Euro-Rettungsmaßnahmen profitiert. Wie
lange soll das noch so weiter gehen?
Ferber: Ja gut, das Aufkaufprogramm gilt ja für alle Eurostaaten. Ich begrüße das grundsätzlich
nicht, dass Sie mich nicht falsch verstehen, aber ich kann jetzt nicht sagen, nur weil da auch
italienische Staatsanleihen betroffen sind, ist es ein Riesenproblem. Die Staatsanleihen sind
auch nicht ausfallgefährdet. Der italienische Staat ist weit davon entfernt, vor der Pleite zu
stehen. Der italienische Staat ist dringend reformbedürftig. Das hat Herr Renzi nicht geschafft.
Ich hoffe, dass nach den Wahlen im Februar, die da wahrscheinlich stattfinden werden, eine
Regierungsmehrheit gebildet werden kann, die an wichtige Reformvorhaben rangehen kann.
Und es ist nicht die Änderung der Verfassung, sondern es ist die Liberalisierung des
Arbeitsmarktes, die Reform des Pensionssystems - die öffentlichen Pensionen sind eine
Riesenlast im italienischen Staat - diese Probleme müssen angegangen werden.
Theis: Das ist so ähnlich wie in Griechenland mit den Renten. EU-KommissionsPräsident Juncker hat den Italienern ja schon versprochen, dass der EU-Wachstumsund Stabilitätspakt flexibel ausgelegt werden soll. Das heißt, wir gucken bei den
Schulden nicht so genau hin. Ist das denn der richtige Weg, das Land aus der Krise zu
bringen?
Ferber: Ich halte dies für einen falschen Weg, weil bei Italien hat man schon alle Augen,
Hühneraugen und was man sonst noch hat, zugedrückt und viele Zugeständnisse gemacht.
Italien hat jetzt natürlich wieder darauf hingewiesen, dass es im Rahmen der Erdbebenopfer
Sonderkosten und Sonderlasten zu tragen hat. Das ist grundsätzlich richtig, aber auch an
anderer Stelle hat Italien immer wieder Sonderanwendungen für sich in Anspruch genommen.
Und irgendwann ist halt mal das Fass leer, was es an Ausnahmen und Flexibilitäten gibt. Das
muss der italienische Staat schon mal zur Kenntnis nehmen. Er muss auch selber seinen Laden
auf Vordermann bringen. Ein Land, das dauerhaft nur vom Geld privater Anleger lebt, ist
dauerhaft nicht besonders stabil.
Theis: Aber dann gibt es ja eigentlich nur die Chance, Italien zu zwingen seine Schulden
zu senken, so wie das im Falle Griechenlands ist. Geht das?
Ferber: Ja, in Griechenland ist natürlich eine andere Situation. Dort hat der Rettungsschirm ja
im Prinzip die Gläubigerfunktion übernommen und damit haben wir auch massive
Einwirkungsmöglichkeiten auf den Haushalt. Nur am Rande bemerkt: Deswegen ist es auch
inakzeptabel, dass Herr Tsipras jetzt die ersten leichten Überschüsse, die er erzielt, sofort
wieder ausgibt, sondern die sollten eigentlich in die Schuldentilgung gehen. So war es
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
verabredet. Also diese 13. Rente, die da jetzt ausbezahlt werden soll, ist nicht abgestimmt
gewesen. Deswegen halte ich es auch für richtig, da keine Schuldenerleichterungen zu geben.
Italien bräuchte jetzt im Rahmen des Stabilitätspakts entsprechende Sanktionsmechanismen.
Das ist eigentlich der Punkt, wo ich die Kommission nicht verstehe, dass sie hier nicht die
Möglichkeiten, die der Stabilitätspakt gibt, auch aktiviert, um Italien stärker unter Druck zu
setzen.
Theis: Aber solche Mechanismen werden die Staats- und Regierungschefs auch nicht
gutheißen, dafür wird es keine Mehrheit geben, oder?
Ferber: Also, jetzt müssen wir mal schon ehrlich sagen, der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist
ja nicht auf politische Opportunitäten ausgerichtet, sondern auf ökonomische Notwendigkeiten.
Herr Juncker hat uns noch erzählt, vor dem Referendum, ja, man darf die Italiener nicht unter
Druck setzen, damit das Referendum gut ausgeht. So, das ging jetzt nicht gut aus. Jetzt heißt
es, man darf keinen Druck ausüben, damit die Wahlen gut ausgehen. Es steht im Stabi-Pakt
nirgends drin, dass innenpolitische Randbedingungen zu beachten sind, sondern es steht
ausdrücklich drin, dass makroökonomische Gesichtspunkte zu beachten sind. Und deswegen
ist die Zeit der politischen Rabatte jetzt eigentlich vorbei. Beschließen müssen das ja auch nicht
die Staats- und Regierungschefs, es reicht ja, wenn es die Finanzminister machen.
Theis: Frankreich würde trotzdem nicht mitmachen, oder?
Ferber: Frankreich hat natürlich Angst, die sind nächstes Jahr auch im Wahlkampf, haben
große Sorgen, dass die Rechten da reüssieren könnten und erhoffen sich eben auch, dass sie
mit Milde bedacht werden, weil jeder weiß, dass Frankreich im Schlepptau Italiens die gleichen
Probleme hat - bei den Banken nicht so wie Italien, aber bei der Staatsverschuldung genauso
wie Italien.
- Ende Wortlaut -
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