Vorlesung Einführung in die Ethik Smail Rapic Handout zur den Vorlesungsstunden am 30.01. und 06.02.2017 Der Utilitarismus 1. Für die utilitaristische Ethik bilden Glück und Unglück im Sinne von Freude und Schmerz (pleasure - pain) die einzig sinnvollen Orientierungspunkte des moralischen Handelns. Wir sollen bei jeder intendierten Handlung auf der Basis der bisherigen Erfahrung ermitteln, welche Personen von ihren Folgen voraussichtlich betroffen sind und ob das durch die fragliche Handlung hervorgerufene Glück das Unglück überwiegt. Wenn dies der Fall ist, ist die intendierte Handlung für den Utilitarismus ethisch legitim. 2. Die von Jeremy Bentham und John Stuart Mill – den beiden klassischen Autoren des Utilitarismus – explizit vorgetragene Begründung des utilitaristischen Moralprinzips erscheint auf den ersten Blick abwegig. Den entscheidenden Argumentationsansatz erwähnt Bentham en passant (bei Mill bleibt er außer Betracht): Er besagt, dass unter nachmetaphysischen Bedingungen die Geltung einer Norm mit ihrer Konsensfähigkeit unter rationalen Diskursbedingungen zusammenfällt und das natürliche Glücksstreben den einzig möglichen Bezugspunkt eines solchen Diskurses bildet. 3. In einer utilitaristischen Ethik stellt sich das Problem des Minderheitenschutz: Könnte unter utilitaristischen Gesichtspunkten nicht die Diskriminierung und Ausbeutung einer Minderheit im Interesse der Bevölkerungsmehrheit legitim sein? Bei Mill bleibt diese Frage offen. 4. Die entscheidende kritische Anfrage an die utilitaristische Ethik lautet, ob diese universell gültige Ge- bzw. Verbote rechtfertigen kann. In der Utilitarismus-Diskussion des 20. Jahrhunderts stehen hierbei zwei Beispielfälle im Vordergrund: ein Versprechen, für das es keine Zeugen gibt, und die Hinrichtung Unschuldiger zum Zweck der Abschreckung in den Fällen, in denen Morde unaufgeklärt bleiben. 5. Der Versuch James Urmsons, die Pflicht zur Einhaltung von Versprechen im Rahmen der utilitaristischen Ethik mittels der – bei J. St. Mill vorgebildeten – Unterscheidung von Handlungsutilitarismus und Regelutilitarismus zu begründen, bleibt unzureichend. Urmson hat allerdings die Tragweite des Problems des Versprechens überschätzt. 6. John Rawls hat in seinem frühen Aufsatz „Zwei Regelbegriffe“ (1955) vergeblich versucht, den Einwand zu entkräften, dass ein Utilitarist gezwungen sein kann, einen ‚perfekten Mord’ unter bestimmten Umständen für legitim zu erklären. Das Scheitern von Rawls’ Argumentation in diesem Aufsatz bringt das fundamentale Defizit der utilitaristischen Ethik zutage. (Rawls hat den Utilitarismus aus diesem Grunde selber aufgegeben.)
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