Von Pastor Dr. Joachim Diestelkamp, Loccum und

Von Pastor Dr. Joachim Diestelkamp, Loccum und Wiedensahl
Die Kuh steht träge auf der Straße. Neben ihr parken einige Motorroller, Autos kurven zwischen der Kuh, den Rollern und den Fußgängern
hindurch. Auf dem Bürgersteig werden allerlei lecker Sachen verkauft. Alltag in Rishikesh.
Rishikesh liegt im Norden Indiens am heiligen Fluss Ganges und bildet
mit der Stadt Haldwani zusammen eine Doppelstadt, in der ungefähr
300.000 Menschen wohnen. Dazu kommen die Pilger und Touristen.
Eine dieser Touristinnen war meine Frau in diesem Sommer.
Rishikesh und Haldwani sind ganz besondere Städte: Das Essen von
Fleisch ist dort gesetzlich verboten. Aus religiöser Achtung vor dem
Leben der Tiere. Bibelkundige erinnern sich, dass im Schöpfungsbericht vegetarische Ernährung als ideal und vollkommen gilt (1.Mose
1,29f). Erst später wird in der Bibel auch das Essen von Fleisch erlaubt, aber in der religiösen Vorstellung galt das als Kompromiss, als
Abfall vom Ideal. In Rishikesh und Haldwani geht es also noch „schöpfungsgemäß“ zu.
Stellen Sie sich das einmal in Deutschland vor: in einem städtischen
Raum etwas kleiner als Hannover gäbe es kein Fleisch zu essen. Undenkbar. Bei einem Fleischkonsum von durchschnittlich 60kg pro Person in Deutschland könnten so 18.000 Tonnen Fleisch im Jahr „gespart“ werden.
In Indien wird generell überwiegend vegetarisch gegessen. Das ist bei
ca. 1,3 Milliarden Indern auch überlebensnotwendig. Ein so hoher
Fleischkonsum wie in Europa und Nordamerika würde schlimme
Hungerkatastrophen in Indien hervorrufen, weil zu viel pflanzliche
Nahrung für die Fleischproduktion verbraucht würde.
Ich bin kein Vegetarier. Ich esse gern Fleisch. Aber das Beispiel Indien
gibt mir zu denken. Bald werden 10 Milliarden Menschen auf der Erde leben und satt werden wollen. Das wird gerecht nur gehen können, wenn wir in Europa und Nordamerika
unseren Lebensstil ändern. „Alles was ihr wollt, dass euch die Leute
tun sollen, das tut ihnen auch!“, sagt Jesus (Matthäus 7,12). Die
„Goldene Regel“. Bedeutet: wir sollen uns hineinversetzen in die
Hungernden und Entrechteten auf unserer Erde und uns so verhalten, dass auch sie gut leben können.
Meine Frau kam sehr beeindruckt von Rishikesh zurück nach Hause.
Die Stadt gilt als heilige Stadt. Und das ist sie wohl auch: in mancher
Hinsicht ein echtes Vorbild.
Joachim Diestelkamp, Pastor in Loccum und Wiedensahl