Laterale Klavikulafraktur (PDF Available)

Leitthema
Unfallchirurg
DOI 10.1007/s00113-015-0003-1
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
Redaktion
F. Haasters, München
B. Ockert, München
B. Ockert1 · E. Wiedemann2 · F. Haasters1
1 Schulter- und Ellenbogenchirurgie, Klinik für Allgemeine, Unfall-, Hand- und Plastische Chirurgie,
Klinikum der Universität München (LMU), München, Deutschland
2 OCM Klinik, München, Deutschland
Laterale Klavikulafraktur
Klassifikationen und Therapieoptionen
Die laterale Klavikulafraktur ist eine
Verletzung der akromiokorakoklavikulären Region und beschreibt entweder eine isolierte Fraktur oder
eine Kombination aus Fraktur und ligamentärer Verletzung im lateralen
Drittel der Klavikula. Obwohl nur 10–
30 % aller Klavikulafrakturen beim
Erwachsenen das laterale Drittel betreffen [8, 20, 41, 42], finden sich hier
nach konservativer Therapie mehr als
die Hälfte aller Pseudarthrosen der
gesamten Klavikula [33, 43]. Aus dieser Diskrepanz geht hervor, dass die
laterale Klavikulafraktur eine besondere Herausforderung in Bezug auf
die korrekte Klassifikation und die
Wahl des optimalen Behandlungsverfahrens darstellt.
Hintergrund
Frakturen des lateralen Drittels treten am
häufigsten bei männlichen Patienten zwischen 30 und 50 Jahren auf. Ein zweiter
Altersgipfel findet sich geschlechtsunabhängig bei Patienten über 70 Jahren,
möglicherweise Osteoporose-assoziiert
[20, 49]. Die meisten Frakturen der lateralen Klavikula sind wenig disloziert und
weisen einen intakten korakoklavikulären Bandapparat auf. Daneben existieren
Frakturformen, bei denen eine hohe Rate an Pseudarthrosen beobachtet werden.
Diese Frakturentitäten wurden bereits in
den 1960er Jahren von Charles Neer in herausragender Weise identifiziert [33, 34]
und zeichnen sich typischerweise durch
eine Verletzung der korakoklavikulären
Integrität oder durch eine starke Dislokation aus [42–44]. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Pseu-
darthrose nach konservativer Behandlung
einer lateralen Klavikulafraktur entsprechend dem funktionellen Anspruch nicht
zwangsläufig symptomatisch sein muss
[35, 37, 43].
Den Komplikationen der konservativen Therapie stehen die spezifischen
Komplikationen der operativen Therapieverfahren gegenüber. Ungeachtet charakteristischer Frakturmerkmale weisen
insbesondere klassische Osteosyntheseverfahren (z. B. K-Drähte, Cerclagen) typische Komplikationen mit klinischer Beeinträchtigung auf [21]. Vor diesem Hintergrund wurden zur lateralen Klavikulafraktur in den letzten Jahren wissenschaftliche Grundlagen neu erarbeitet und innovative Operationsstrategien entwickelt
[17, 29, 45, 47].
Ziel dieser Übersichtsarbeit ist es, die
aktuellen Erkenntnisse und Behandlungsstrategien der lateralen Klavikulafraktur
beim Erwachsenen darzustellen. Dabei
sollen die wichtigsten Klassifikationen erklärt und hinsichtlich Stabilität und Instabilität geordnet werden. Darüber hinaus
werden die zur Verfügung stehenden chirurgischen Therapieverfahren dargestellt
und hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile
in der individuellen Fraktursituation diskutiert.
Klassifikationen
Im Vergleich zur isolierten Akromioklavikular(AC)-Gelenk-Verletzung existieren zur lateralen Klavikulafraktur mehrere akzeptierte Klassifikationen, die in
unterschiedlicher Weise die Frakturlokalisation, den Frakturverlauf und die Beteiligung der korakoklavikulären(CC)-Bänder berücksichtigen (. Abb. 1 [1, 11, 16,
35, 42]). Problematisch an der Koexistenz
dieser Klassifikationen ist, dass
55die Frakturen hinsichtlich ihrer Stabilität innerhalb der Klassifikationssysteme unterschiedlich bewerten werden,
55unter der gleichen Benennung (z. B.
IIa) unterschiedliche Frakturformen
beschrieben werden und
55gleiche Frakturformen trotz ähnlicher
Merkmale unterschiedlich subklassifiziert werden.
In der Konsequenz können Frakturen
falsch klassifiziert und hinsichtlich ihrer
Stabilität missinterpretiert werden, wodurch die Wahl des optimalen Therapieverfahrens grundlegend gefährdet ist.
Neer-Klassifikation
Die Klassifikation nach Neer [35] unterscheidet die stabilen Typ-I- und Typ-IIIFrakturen, die lateral der intakten CCBänder verlaufen (. Abb. 1, Gruppe 1)
von den instabilen Typ-II-Frakturen, die
medial der intakten (Typ IIa) oder partiell
gerissenen (Typ IIb) CC-Bänder lokalisiert sind, sowie dem instabilen Typ V,
bei dem die CC-Bänder knöchern ausgerissen sind (. Abb. 1, Gruppe 2). Craig
[11] ergänzte später einen ebenfalls instabilen Typ IIc, bei dem die Fraktur lateral der rupturierten CC-Bänder verläuft (. Abb. 1, Gruppe 2). Die Typ-IVVerletzung beschreibt eine Dissoziation
zwischen der Meta- und Diaphyse und ist
ausschließlich dem wachsenden Skelett
zugeordnet (hier nicht ausgeführt).
Der Unfallchirurg
1
Leitthema
Abb. 1 9 Ausgewählte Typen der lateralen Klavikulafraktur beim Erwachsenen.
Zu jeder Frakturform ist die
Bezeichnung entsprechend
der verfügbaren Klassifikationssysteme angegeben.
Gruppe 1: Stabile Frakturen,
Gruppe 2: Instabile Frakturen. Frakturen der Gruppe 1
eignen sich für eine konservative Behandlung. Für
Frakturen der Gruppe 2 besteht entsprechend dem
Patientenanspruch eine
operative Therapieempfehlung. (Grafik: Igor Zovic)
»
Typ-I- und –III-Verletzungen
nach Neer können gut
konservativ behandelt werden
Hieraus wurde abgeleitet, dass Typ-Iund –III-Verletzungen nach Neer einer
konservativen Behandlung gut zugänglich sind, hingegen bei Typ-II- und TypV-Verletzungen nach konservativer Therapie Patienten häufiger Schmerzen und
Funktionseinschränkungen beklagen [34,
35]. Hierfür scheint neben der symptomatischen Pseudarthrose auch eine Skapula-
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Der Unfallchirurg
dyskinesie ursächlich zu sein [21]. Durch
das Gewicht des Arms und durch die deformierenden Kräfte der primären aktiven und passiven Stabilisatoren der oberen Extremität kommt es zu einem Versatz der Skapula und des Glenohumeralgelenks nach anterior und inferior. Lambert et al. [22] beobachteten im Rahmen
der klinischen Nachuntersuchung von
Patienten mit einer Pseudarthrose („nonunion“) nach lateraler Klavikulafraktur
eine skapulothorakale Dyskinesie mit
subakromialem Impingement, Kraftlosigkeit und periskapulärem Muskelschmerz
durch eine Veränderung der Hängeposition der Skapula in Bezug auf die Thoraxwand. Diese Beobachtungen sollten die
Entscheidung für eine operative Versorgung beeinflussen.
Klassifikation nach
Jäger und Breitner
Im deutschsprachigen Raum hat sich die
Klassifikation nach Jäger u. Breitner [16]
große Anerkennung erworben. Der Typ I
nach Jäger u. Breitner ist identisch mit
dem der Neer-Klassifikation (. Abb. 1,
Zusammenfassung · Abstract
Gruppe 1). Der Typ II hingegen bezeichnet bei dieser Klassifikation eine interligamentäre Fraktur und wird in den Typ IIa
mit Ruptur des Lig. conoideum und den
Typ IIb mit Ruptur des Lig. trapezoideum unterteilt. Der Typ IIa nach Jäger
u. Breitner entspricht also dem Typ IIb
nach Neer. Konsequenterweise werten
die Autoren diesen Typ durch den Zug
des M. trapezoideum als instabil, wodurch er ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Pseudarthrose birgt und
deshalb primär operativ adressiert werden sollte. Im Gegensatz dazu wird der
Typ IIb nach Jäger u. Breitner zunächst
als stabil angesehen, weil die skapuloklavikuläre Aufhängung über das Lig. conoideum erhalten ist und deshalb eine vertikale Dislokation des medialen Fragments
selten auftritt. Nach eigenen Beobachtungen kann aber bei der Typ-IIb-Verletzung nach Jäger u. Breitner eine horizontale Instabilität resultieren. Diese ist charakterisiert durch eine Ventralisierung
der Schuler mit konsekutivem Abweichen des medialen Fragments nach dorsal. Typ III (. Abb. 1, Gruppe 2) entspricht
dem Typ IIa nach Neer und ähnelt funktionell dem Typ IIa nach Jäger u. Breitner.
Edinburgh-Klassifikation
Die Edinburgh-Klassifikation von Robinson [42] geht von einer erhaltenen
Kontinuität der CC-Bänder aus. Die
Verbindung zwischen Processus coracoideus und der Klavikula kann aber durch
einen Ausriss der knöchernen Insertionsstelle unterbrochen sein (Varianten von
Edinburgh 3B1). Es resultiert somit eine
vergleichbare Instabilität wie beim Typ II
nach Neer. Robinson und andere Autoren
beschrieben, dass der Bruchspalt bei diesen instabilen Typen häufig schräg von
posterolateral nach anteromedial verläuft,
was sich mit den eigenen klinischen Erfahrungen deckt. Bei Patienten mit einem
hohen funktionellen Anspruch kann für
diese Frakturen eine Indikation zur operativen Behandlung gesehen werden. Frakturen zwischen den CC-Bändern (Edinburgh 3A) stellen hingehen einen stabilen
Querbruch dar. Mit Varianten der Typen
3B1 und 3B2 beschrieb Robinson Frakturtypen, bei denen die intakten CC-Bänder
an einer knöchernen Schuppe ausbrechen
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B. Ockert · E. Wiedemann · F. Haasters
Laterale Klavikulafraktur. Klassifikationen und Therapieoptionen
Zusammenfassung
Hintergrund. Zehn bis 30 % der Klavikulafrakturen betreffen das laterale Drittel. Die laterale Klavikulafraktur ist als Verletzung der
akromiokorakoklavikulären Region in vielen
Fällen eine Kombination aus Fraktur und ligamentärer Verletzung. Für die Wahl des optimalen Therapieverfahrens ist daher die Bewertung der Stabilität von entscheidender
Bedeutung.
Ziel. Ziel dieser Arbeit ist es, eine Übersicht
über die bestehenden Klassifikationssysteme zu geben und die einzelnen Frakturtypen
unter Berücksichtigung anatomisch-funktioneller Aspekte bzgl. Stabilität und Instabilität zu ordnen. Weiterhin werden die etablierten Operationsverfahren mit ihren typischen
Vor- und Nachteilen dargestellt, um frakturtypspezifisch geeignete Operationsverfahren
zu ermitteln.
Ergebnisse und Diskussion. Stabile Frakturen heilen unter konservativer Behand-
lung meist problemlos aus, instabile Frakturen haben ein höheres Risiko, in einer symptomatischen Pseudarthrose zu enden. Instabile Frakturen sollten daher bei hohem funktionellem Anspruch des Patienten operativ therapiert werden. Die operative Behandlung instabiler Frakturen führt mit winkelstabiler Plattenosteosynthese und zusätzlicher
korakoklavikulärer(CC)-Fixierung zu guten klinischen Ergebnissen. Die arthroskopisch unterstützte CC-Fixierung bietet neben der Behandlung von Begleitpathologien den Vorteil
der Minimal-Invasivität.
Schlüsselwörter
Klassifikation · Akromioklavikular(AC)Gelenk · Korakoklavikuläre(CC)-Bänder ·
Arthroskopie · Operative Therapie
Distal clavicle fractures. Classifications and management
Abstract
Background. Fractures of the distal third of
the clavicle represent 10–30 % of all clavicle
fractures. Frequently, these fractures result in
instability due to a combination of bony and
ligamentous injury. Thus, assessment of the
stability is essential for adequate treatment
of these fractures.
Aim. This article presents a review of the different classification systems for distal clavicle fractures with respect to anatomical and
functional factors to allow for comprehensive assessment of stability. Furthermore, the
different treatment options for each fracture
type are analyzed.
Results and discussion. Fractures to the distal third of the clavicle without instability can
be treated conservatively with satisfacto-
und dem Typ V nach Neer entsprechen.
In ähnlicher Form, mit einer großen knöchernen Schuppe, wurde diese Fraktur
auch von Latarjet et al. [23] dokumentiert,
weshalb sie auch als Latarjet- oder „Butterfly-Fraktur“ bekannt ist. Eine Fraktur
1–2 cm medial der CC-Bänder und damit medial des Trapeziusansatzes kann
dagegen wie eine Schaftfraktur im mittleren Drittel bewertet werden; wenn kei-
ry outcome. In contrast, instability may result
in symptomatic non-union under conservative treatment; therefore, distal clavicle fractures with instability should be treated operatively with respect to the functional demands of the patient. Operative treatment
with locked plating in combination with coracoclavicular fixation results in excellent functional results. Arthroscopically assisted fracture fixation may be beneficial in terms of a
minimally invasive approach as well as assessment and treatment of associated glenohumeral lesions.
Keywords
Classification · Acromioclavicular joint ·
Coracoclavicular ligaments · Arthroscopy ·
Operative therapy
ne Verkürzung und keine primäre Dislokation vorliegen, ist eine konservative Behandlung geeignet.
Prinzipien nach Goss
Ein den unterschiedlichen Klassifikationen gewissermaßen übergeordnetes Konzept beschreibt Goss. Unter dem Begriff
des „superior shoulder suspensory comDer Unfallchirurg
3
Leitthema
plex“ werden die knöchernen und ligamentären Strukturen dieser Region in
ihrer Funktion als intakte Einheit und
Prinzipien der instabilen Verletzung hervorragend zusammengefasst [14]. Goss
beurteilt dabei eine singuläre Verletzung
eines Ligaments oder eine einfache Fraktur als stabil. Eine zweifache Verletzung
(2 Bandkomplexe, 2 Frakturen oder die
Kombination aus Fraktur und Bandver­
letzung) führt zur Instabilität und soll­
te operativ adressiert werden. Bezieht
man dieses Konzept auf die laterale Klavikulafraktur, wird klar, dass eine Fraktur der Gruppe 1 keine wertige Instabi­
lität nach sich zieht, da es sich hier um
Frakturen ohne Verlust der korakokla­
vikulären Integrität handelt. Ähnlich wie
bei einer isolierten AC-Gelenk-Distorsion
Grad I nach Rockwood darf unter tem­
porärer Ruhigstellung und frühfunktionellen Nachbehandlung von einem günstigen Heilungsverlauf ausgegangen werden. Hingegen beinhalten Frakturen der
Gruppe 2 im Grunde immer eine Verletzung von 2 Komponenten: eine Fraktur
in Kombination mit einer Bandruptur,
die die Verbindung zwischen Klavikula
und Skapula zerstört. Die schräg verlaufenden Frakturen knapp medial der CCBänder sollten funktionell dieser Gruppe
zugeordnet werden, da durch den noch
vorhandenen Ansatz des M. trapezius
eine funktionelle Instabilität häufig vorhanden ist.
»
Erst die zweifache Verletzung
führt zur Instabilität
Unter den bestehenden Klassifikationssystemen lassen sich die meisten Pathologien gut mit der Neer-Klassifikation und
der Erweiterung nach Craig beschreiben.
Dennoch lassen sich Frakturtypen beobachten, bei denen die Frage der Stabilität nur durch die anderen oben genannten Klassifikationen beantwortet wird. In
unserer klinischen Praxis hat sich daher
eine Bewertung der Stabilität unabhängig
von den verschiedenen Klassifikationssystemen bewährt. Wir unterteilen daher in
stabile Frakturen (Gruppe 1) und instabile
Frakturen (Gruppe 2), welche in . Abb. 1
aufgeführt sind.
4
Der Unfallchirurg
Klinische Evaluation
Patienten mit einer lateralen Klavikulafraktur berichten in der Akutsituation über
diffuse Schulterschmerzen. Bei der Inspektion findet sich oftmals eine Deformität durch Herabsinken des Arms mit dem
lateralen Fragment [11, 35]. Dieses Zeichen kann aber bei stabilen Frakturen lateral der CC-Bänder fehlen. Die klinische
Untersuchung erfasst Hautkontusionen
und Schwellungen entlang des gesamten
Verlaufs der Klavikula und der angrenzenden Gelenke. Ein Anstoßen des medialen Fragments gegen die Haut, ähnlich dem Bild einer AC-Gelenk-Sprengung, kann ein Hinweis für eine partielle oder komplette Ruptur der CC-Bänder sein. Offene Frakturen und relevante Weichteilverletzungen sind selten [42].
Bei der Palpation kann typischerweise ein
punktueller Schmerz über der Frakturzone ermittelt werden [20]. In der Regel lässt
sich ein schmerzhaft eingeschränktes Bewegungsausmaß feststellen. Die gesamte Extremität, der Thorax und die Halswirbelsäule sollten explizit nach Begleitverletzungen wie Rippenfrakturen und
neurovaskuläre Verletzungen untersucht
werden [40]. Neurovaskuläre Begleitverletzungen sind insgesamt selten und mit
Hochrasanztraumata assoziiert [6, 9].
Bildgebung
Die radiologische Basisuntersuchung sollte eine a.p.- und eine zweite Ebene der
Klavikula beinhalten. Nach unserer Erfahrung haben sich die axiale Schulteraufnahme und die Rockwood-Aufnahme (30° kraniokaudal) bewährt [18]. Die
überwiegende Anzahl der unterschiedlichen Frakturtypen der lateralen Klavikula und ihr jeweiliger Dislokationsgrad
können mit diesen 2 Ebenen identifiziert
werden. In der a.-p.-Aufnahme ist insbesondere auf den Abstand zwischen Processus coracoideus und Klavikula zu achten, der Rückschlüsse auf einen Verlust
der korakoklavikulären Integrität ermöglicht. Eine Zanca-Aufnahme [53] in 10–
15° kraniokaudaler Neigung kann helfen,
eine Gelenkbeteiligung zu identifizieren.
Eine Panoramaaufnahme kann eine Kranialisierung der Klavikula im Vergleich
zur Gegenseite aufdecken, sollte jedoch
aufgrund der hohen Strahlenbelastung
zurückhaltend, bzw. mit Schilddrüsenschutz erfolgen. Der Einsatz von Gewichten ist nach unserer Auffassung in der
Akutsituation schmerzhaft und deshalb
nicht empfehlenswert, zumal eine Dislokation auch anhand der oben genannten Kriterien sichtbar wird. Die Computertomographie mit 3-D-Rekonstruktionen kann das Verständnis für die Pathologie erleichtern, ist aber mit Rücksicht
auf die zusätzliche Strahlenbelastung nur
in Ausnahmefällen indiziert. Im MRT
werden bei frischer Fraktur die Strukturen der akromiokorakoklavikulären Region durch eine erhebliche Signalintensität häufig überlagert, Begleitpathologien
des Schultergelenks (Rotatorenmanschette, Superior-labrum-anterior-to-posterior[SLAP]-Läsion etc.) lassen sich aber damit weitestgehend ausschließen.
Therapieoptionen
Konservative Therapie
Eine konservative Behandlung nicht-/gering dislozierter Frakturen der Gruppe 1
(. Abb. 1) führt zu guten klinischen Ergebnissen [37, 43]. Für die konservative
Therapie werden meistens Armschlingen, Gilchrist- oder Rucksackverbände
verwendet. In einer vergleichenden Studie konnte gezeigt werden, dass keines
der Hilfsmittel eine dislozierte Fraktur reponiert, dagegen das funktionelle sowie
das kosmetische Ergebnis identisch ist.
Der Patientenkomfort ist jedoch höher
bei Verwendung eines Armschlingenverbands, neurovaskuläre Beeinträchtigungen sowie Pseudarthrosen häufiger bei
Verwendung des Rucksackverbands beobachtet werden [2]. Eine Ruhigstellung
ist nur während der akuten Schmerzphase notwendig. Im Anschluss werden
schmerzadaptierte krankengymnastische
Eigenübungen als ausreichende Rehabilitationsmaßnahmen angesehen [20]. Frakturen im Bereich der CC-Bänder weisen
eine höhere Rate an Pseudarthrosen auf,
da sie aufgrund der fehlenden Fixierung
zum Processus coracoideus instabil sind
[35]. So liegt die Pseudarthrosenrate für
Frakturen medial oder auf Höhe der CCBänder zwischen 30 und 44 % [5, 34, 37,
43, 44]. Als Risikofaktoren für eine Pseud-
arthroseentwicklung wurden zunehmendes Alter, hoher Dislokationsgrad, weibliches Geschlecht, Vorliegen einer Trümmerzone und Frakturtypen Neer Typ IIa
identifiziert [44]. Die Pseudarthrose präsentiert sich in dieser Region typischerweise mit Schmerz und Einschränkungen der Schulterfunktion [35, 36]. Eine
Pseudarthrose kann jedoch für Patienten mittleren und gehobenen Alters mit
nur milden klinischen Symptomen und
hoher Patientenzufriedenheit assoziiert
sein [37]. Eine Fallserie von Robinson u.
Cairns [43] konnte darüber hinaus keinen
Unterschied zwischen Patienten zeigen,
die konservativ behandelt wurden, Patienten, die eine Pseudarthrose entwickelten
und Patienten, bei denen eine Pseudarthrose sekundär operiert wurde. Daraus lassen sich folgende Schlüsse ziehen:
55dislozierte und instabile laterale Klavikulafrakturen tragen ein Risiko, in
einer Pseudarthrose zu münden,
55die radiologisch nachgewiesene Pseudarthrose muss nicht zwangsläufig
mit einem schlechten klinischen Ergebnis korrelieren,
55die sekundäre operative Versorgung
bei symptomatischer Pseudarthrose führt überwiegend zu guten klinischen Ergebnissen.
Die Pseudarthrose bei stabiler Bruchform
(lateral der CC-Bänder) ist selten. Ihre
Therapie ist bei kleinen lateralen Fragmenten denkbar einfach: Entfernung des
lateralen Fragments analog einer lateralen
Klavikularesektion (z. B. arthroskopisch).
Operative Therapie
Indikationen für eine operative Behandlung lateraler Klavikulafrakturen sind instabile Frakturen der Gruppe 2 (. Abb. 1),
dislozierte Frakturen ohne knöchernen
Kontakt sowie alle offene Frakturen und
Frakturen mit neurovaskulärer Begleitverletzung [20, 35]. Für ältere Patienten
oder Patienten mit geringem funktionellem Anspruch sollte die Entscheidung für
eine operative Therapie aufgrund der geringen Symptomatik einer Pseudarthrose individuell besprochen und zurückhaltend gestellt werden. Die wissenschaftliche Evidenz für eine primär operative Therapie bei jungen Patienten, Sport-
lern und körperlich beanspruchter Arbeitern ist gering. Neuere Studien zeigen jedoch, dass Patienten nach winkelstabiler Plattenosteosynthese in Kombination
mit einer CC-Fixierung eine sehr niedrige Komplikationsrate aufweisen, frühzeitig schmerzfrei sind und ein vollständiges
Bewegungsausmaß in vielen Fällen bereits
nach 6 bis 12 Wochen erreichen und somit potenziell früher in den beruflichen
Alltag eingegliedert werden können [15,
30, 38, 50]. Insbesondere der funktionelle
Unterschied in den ersten Wochen nach
operativer Therapie kann ein Argument
für eine operative Therapie für diese Patienten darstellen.
Operative Techniken
Für die operative Therapie der lateralen
Klavikula wurde eine Vielzahl verschiedener Techniken beschrieben [13, 19, 21,
24, 27, 34]. Die Mehrzahl dieser Studien
sind retrospektive Fallserien. Vergleichende Studien mit prospektivem Ansatz sind
Ausnahmen. Im Folgenden werden die
gängigsten Verfahren kurz zusammengefasst.
Plattenosteosynthese mit
oder ohne CC-Fixierung
Frakturen der Gruppe 2 (. Abb. 1) eignen sich gut für eine Versorgung mit
einer Plattenosteosynthese. Aufgrund
der Instabilität, die diese Frakturen kennzeichnet, kann eine Fixierung des medialen Fragments bzw. der Platte mit dem
Processus coracoideus generell erwogen
werden, da es die Stabilität der Versorgung erhöht [28]. Aufgrund der vorhandenen Verbindung zwischen dem lateralen Fragment mit den AC-Bändern kann
durch dieses Verfahren die horizontale
und vertikale Stabilität wiederhergestellt
werden. Martetschläger et al. [30] konnten zeigen, dass mit dieser Technik die Rate sekundärer Dislokationen und Pseudarthrosen gering ist und Patienten innerhalb der ersten 10 Wochen die schmerzfreie und vollständige Schulterfunktion
zurückerhalten.
Die Verwendung eines winkelstabilen
Implantats ist keine Voraussetzung für ei­
ne knöcherne Heilung, nach unserer Erfahrung wird durch die Verwendung klei-
ner winkelstabiler Schrauben die Verankerung im lateralen Fragment aber begünstigt. Einige Plattensysteme ermögli­
chen die Inkorporation der CC-Fixierung
in einem Plattenloch, ein Verknoten der
durch 2 Plattenlöcher geführten Fäden ist
aber ebenso effektiv. Eine Fixierung un­
terhalb oder hinter der Platte bietet den
Vorteil, dass im Falle der Implantatentfernung die CC-Fixierung belassen werden kann.
Arthroskopische Technik
Seit einigen Jahren besteht die Möglichkeit, die CC-Fixierung in arthroskopischer Technik durchzuführen. Damit lassen sich die anatomische Reposition und
Plattenosteosynthese in offener Technik mit den Vorteilen einer arthroskopischen CC-Fixierung kombinieren. Ein
Vorteil kann in der geringeren Invasivität gesehen werden, eine CC-Cerclage in
offener Technik benötigt hingegen in einigen Fällen einen längeren Hautschnitt
und erzwingt die stumpfe Eröffnung des
ventralen Deltaansatzes. In eigenen Beobachtungen zeigte sich für Patienten mit
offener Cerclage häufiger die Bildung einer asymptomatischen heterotopen Ossifikation.
Ein weiterer Vorteil der arthroskopischen Technik liegt in der Behandlung
von Begleitpathologien. Für höhergradige AC-Gelenk-Verletzungen konnte eine
Prävalenz glenohumeraler Begleitpathologien von 10–30 % festgestellt werden [3,
39, 52] Zu den am häufigsten beobachteten Verletzungen zählen dabei SLAP-Läsionen und Schäden der posterosuperioren Rotatorenmanschette. Es ist anzunehmen, dass sich bei lateraler Klavikulafraktur in ähnlicher Form glenohumerale Begleitpathologien finden lassen, welche Bedeutung sie für die Therapieentscheidung
haben, ist allerdings noch offen. Mögliche Nachteile der arthroskopisch assistierten CC-Fixierung sind in der notwendigen Eröffnung des Rotatorenintervalls
und im zusätzlichen Zeit- und Kostenaufwand zu sehen.
Hakenplatte
Zur Versorgung der unterschiedlichen
Frakturen der lateralen Klavikulafrakturen darf die Hakenplatte als universelles
Der Unfallchirurg
5
Leitthema
Abb. 2 8 Konservative Therapie einer stabilen lateralen Klavikulafraktur Typ I nach Neer. a Im a.-p.-Strahlengang zeigt sich
ein Frakturverlauf lateral der korakoklavikulären(CC)-Bänder mit geringer Dislokation. Der korakoklavikuläre Abstand ist physiologisch, da keine Verletzung der CC-Bänder vorliegt. b Ausheilungsergebnis ein Jahr postoperativ nach konservativer Therapie
Implantat angesehen werden. Ihr Vorteil
liegt darin, dass die oben genannten dislozierenden Kräfte über den Haken auf das
Akromion fortgeleitet und damit über die
Frakturzone hinweg neutralisiert werden.
Somit können auch sehr lateral gelegene Frakturen mit einer Hakenplatte versorgt werden, bei denen keine Schrauben im lateralen Fragment verankert werden können. Durch die Verwendung von
Platten mit unterschiedlicher Hakentiefe
kann auch auf anatomische Variationen
reagiert werden. In der Literatur lassen
sich für die Versorgung mit der Hakenplatte nach lateraler Klavikulafraktur gute klinische Ergebnisse finden [10, 38, 51].
Womöglich sind Mikrobewegungen zwischen Hakenplatte und Akromion günstig für die knöcherne Heilung im lateralen Aspekt der Klavikula.
Demgegenüber steht eine hohe Komplikationsrate der Hakenplatte, wobei das
subakromiale Impingement neben Osteolysen und Frakturen des Akromions
sowie Läsionen der Rotatorenmanschette am Häufigsten beschrieben wird und
dann zu schlechten klinischen Ergebnissen führen kann [10]. Eine weitere Problematik liegt in der Terminierung der Implantatentfernung. Es herrscht Konsens,
dass die Platte entfernt werden sollte, der
geeignetste Zeitpunkt für die Implantatentfernung ist dagegen offen. Während einige Autoren die Entfernung der Hakenplatte aufgrund drohender Osteolyse des
Akromions nach 3 bis 6 Monaten empfehlen, kann in Einzelfällen zu diesem Zeitpunkt eine stabile Ausheilung gefährdet
sein [20, 32]. Die Autoren einer aktuelle
Metaanalyse schlussfolgern deshalb, dass
die Hakenplatte insgesamt aufgrund ihrer
erhöhten Komplikationsrate nicht als pri-
6
Der Unfallchirurg
märes Behandlungsverfahren der lateralen Klavikulafraktur zu empfehlen ist [50].
Kirschner-Draht- Fixierung
Die Technik der K-Draht-Fixierung mit
und ohne Drahtcerclage wurde über viele Jahre häufig, aber in den letzten Jahren aufgrund von Komplikationsberichten immer weniger angewendet. Die wesentlichen Komplikationen dieser Technik waren K-Draht-Migration, Implantatversagen, Infektion und eine hohe Pseudarthroserate [21, 26]. Eskola et al. [12] berichten nach K-Draht-Fixierung über gute und zufriedenstellende klinische Ergebnisse in 95 % der Fälle, bei einer Pseudarthroserate von 23 %. Kona et al. [21] publizierten 53 % befriedigende und unbefriedigende Ergebnisse mit 31 % Infektionen oder Pseudarthrosen. Ein weiterer
Nachteil liegt in der bewegungslimitierten Nachbehandlung.
Isolierte CC-Fixierung und
weitere Techniken
Die korakoklavikuläre Schraubenfixierung (Bosworth-Schraube) ist eine viel
beschriebene Technik dieser Verfahrensgruppe [7]. Die Hauptkomplikationen sind Schraubenlockerung, fehlerhafte Schraubenplatzierung, Implantatversagen und eine deutliche Einschränkung
der Schulterfunktion durch Blockierung
der Klavikularotation [4, 21]. Dieses rigide Verfahren ist deshalb zugunsten korakoklavikulärer Cerclageverfahren weitestgehend verlassen worden. Rokito et
al. [46] verglichen ein Verfahren der transklavikulären-subkorakoidalen Cerclage mit nichtresorbierbarem Fadenmaterial mit einer konservativen Therapie. In
dieser Studie zeigte sich eine vollständige
Ausheilung der instabilen Frakturtypen
im Vergleich zu 44 % Pseudarthroserate
in der konservativen Gruppe. Allerdings
ergab sich daraus kein signifikanter Unterschied im funktionellen Ergebnis beider Gruppen nach einem mittleren Follow-up von 59 Monaten.
Die konsequente Weiterentwicklung
dieser Prozeduren sind arthroskopische
Verfahren, die meistens eine transklavikuläre-transkorakoidale Buttonfixierung
nutzen [25, 31]. Erste Fallserien einer ausschließlich arthroskopischen Versorgung
von Frakturen des Typs Neer IIa, IIb und
V beschreiben gute klinische Ergebnisse.
In einer Fallserie mit 21 Patienten betrug
der mittlere Constant-Score 2 Jahre postoperativ 95 Punkte. Zu den beobachteten
Komplikationen zählten jeweils in einem
Fall eine transiente adhäsive Kapsulitis, eine symptomatische AC-Arthrose und eine Pseudarthrose nach Implantatversagen [25].
Weitere Verfahren sind die Fadencerclagetechnik nach Levy sowie die Undercoracoid-around-clavicle(UCAC)-Technik, die eine Kombination aus CC-Fixierung und Fadencerclage darstellt [24, 48].
Eigenes Vorgehen
Gruppe-1-Frakturen
Stabile Frakturen (Gruppe 1) werden
konservativ behandelt (. Abb. 2). Nichtdislozierte Frakturen medial und auf Höhe der CC-Bänder (Gruppe 2) können
gemäß des individuellen Patientenanspruchs ebenfalls konservativ behandelt
werden, der Patient muss über die Risiken der sekundären Dislokation und der
Pseudarthrose aufgeklärt werden. Die
konservative Therapie umfasst eine Ruhigstellung der betroffenen Extremität
im Gilchrist-Verband für eine Woche,
gefolgt von einer Röntgenkontrolle. Berichtet der Patient rückläufige Schmerzen und wurde in der Bildgebung eine sekundäre Dislokation ausgeschlossen, erfolgt anschließend die Behandlung funktionell schmerzadaptiert. Der GilchristVerband kann zum Komfort eine weitere
Woche angelegt bleiben. Eine Abschlusskontrolle nach 6 Wochen beinhaltet eine
konventionelle Röntgenuntersuchung
und bei regelrechtem klinischen Verlauf
die Freigabe für einen Belastungsaufbau.
Diese Patienten rehabilitieren in der Regel
schnell und ohne Folgeschäden. Falls sich
im Verlauf eine posttraumatische AC-Gelenk-Arthrose ausbildet, kann diese mittels arthroskopischer lateraler Klavikularesektion einfach therapiert werden.
Gruppe-2-Frakturen
Abb. 3 8 Operative Therapie einer instabilen Fraktur Typ IIb nach Neer. Versorgung mittels winkelstabiler Plattenosteosynthese und arthroskopisch unterstützter transklavikulär-transkorakoidaler Fixierung
(Clavicle Plate System, Arthrex GmbH, München-Freiham). a In der a.-p.-Aufnahme der Klavikula zeigt
sich ein Abstand > 1 cm zwischen medialem Fragment und Korakoid. b Dislokation in der axialen Aufnahme. c, d Begleitpathologie: Superior-labrum-anterior to-posterior(SLAP)-Läsion Typ V nach Maffet.
e Eröffnen des Rotatorenmanschettenintervalls zur Darstellung des Processus coracoideus. f Subkorakoidale Fixierung zur transklavikulär-transkorakoidalen Stabilisierung. g Postoperative Röntgenkontrolle in a.p.- und (h) lateralem Strahlengang: anatomische Reposition und korrekte Plattenlage bzw. Platzierung der korakoklavikulären(CC)-Fixierung. i, j Klinisches Ergebnis 3 Monate postoperativ
Patienten mit instabiler Fraktur (Gruppe 2) werden bevorzugt operativ behandelt. Auf Basis der aktuellen Evidenzlage
werden die Argumente für eine operative
Behandlung veranschaulicht und in der
individuellen Entscheidungsfindung Alter, Dislokationsgrad, Frakturtyp, funktioneller Anspruch und berufliche Belastung berücksichtigt. Für die operative Therapie verwenden wir überwiegend
anatomisch vorgeformte winkelstabile
Plattensysteme in Kombination mit einer
zusätzlichen CC-Fixierung (. Abb. 3 und
4). Die Plattenosteosynthese wird in Minimal-invasive-plate-osteosynthesis(MIPO)-Technik durchgeführt. Die CC-Fixierung richtet sich nach dem Frakturtyp: Liegt eine Ruptur des Lig. conoideum
oder beider Ligamente (Neer Typ IIb,
Craig IIc) vor, wird eine arthroskopisch
unterstützte transklavikuläre-transkorakoidale Fixierung (. Abb. 3) oder alternativ eine offene korakoklavikuläre Cerclage mit nichtresorbierbarem Nahtmaterial durchgeführt (. Abb. 4). Wir sehen
einen Vorteil in der weichteilschonenden
arthroskopischen Technik sowie in der
Identifikation und Behandlung glenohumeraler Begleitverletzungen.
Liegt ein knöcherner Ausriss der CCBänder vor (Neer Typ V), verwenden wir
zusätzlich zur winkelstabilen PlattenosDer Unfallchirurg
7
Leitthema
Abb. 4 8 Radiologischer Verlauf bei instabiler lateraler Klavikulafraktur Typ IIb nach Neer. Versorgung mittels winkelstabiler
Plattenosteosynthese (LCP, SynthesDePuy GmbH, Tuttlingen) und korakoklavikuläre (CC)-Cerclage mit nicht resorbierbarem
Nahtmaterial. a Im a.-p.- Strahlengang zeigt sich ein Frakturverlauf zwischen den CC-Ligamenten mit deutlicher kranialer Dislokation des medialen Fragments als Ausdruck einer Ruptur des Lig. conoideum (b). c, d Ausheilungsergebnis nach Material­
entfernung ein Jahr postoperativ
teosynthese eine fragmentumgreifende
nichtresorbierbare Fadencerclage. Bei dislozierten Frakturtypen mit intakten CCBändern (Neer IIa, Edinburgh 3B1 und
3B2) kann nach unserem Verständnis eine winkelstabile Plattenosteosynthese ohne zusätzliche CC-Stabilisierung ausreichend Stabilität gewährleisten, sofern eine angemessene Anzahl an Schrauben im
lateralen Fragment platziert werden kann.
In Fällen, in denen das laterale Fragment
zu klein ist, um Schrauben zu verankern
(z. B. Craig IIc), verwenden wir eine arthroskopische CC-Fixierung ohne Plattenosteosynthese.
Für Frakturen mit größerer Trümmerzone, kleine laterale Fragmente ohne arthroskopische Versorgungsoption oder bei
Kombinationsverletzungen aus lateraler
Klavikulafraktur und Processus-coracoideus-Fraktur ist die Hakenplatte das Mittel der Wahl. Die Nachbehandlung entspricht dem Vorgehen bei konservativer
Therapie.
Eigene Versorgungsrealität
Im Zeitraum 07/2011 bis 04/2014 wurden
nach den oben genannten Kriterien in
unserer Klinik 76 Patienten aufgrund einer lateralen Klavikulafraktur der Gruppe 2 operativ versorgt. In 46 Fällen (61 %)
wurde eine winkelstabile Plattenosteosynthese verwendet, wobei in 16 Fällen (21 %)
zusätzlich eine nichtresorbierbare Faden-
8
Der Unfallchirurg
cerclage eines knöchernen klavikulären
Bandausrisses angelegt wurde und in 16
Fällen (21 %) eine korakoklavikuläre Fixierung erfolgte. Die korakoklavikuläre
Fixierung wurde bisher in 63 % arthroskopisch assistiert transkorakoidal durchgeführt und in 37 % offen. In 29 Fällen
(38 %) wurde eine Hakenplatte verwendet
und in einem Fall eine arthroskopische
korakoklavikuläre Fixierung mit doppelter transkorakoidaler Fixierung. Eine Implantatentfernung wurde in allen Fällen
bei Hakenplatte und in 6 weiteren Fällen
vorgenommen.
Fazit für die Praxis
55Die laterale Klavikulafraktur ist als
Verletzung der akromiokorakoklavikulären Region in vielen Fällen eine
Kombination aus Fraktur und ligamentärer Verletzung.
55Von den verschiedenen Klassifikationen hat sich die Neer-Klassifikation in
der Praxis bewährt, da sie die häufigen Frakturtypen umfasst und Therapieentscheidungen ermöglicht.
55Stabile Frakturen bei intakten CCBändern sind eine Domäne der konservativen Behandlung.
55Instabile Frakturen (Gruppe 2) tragen
ein hohes Risiko in einer symptomatischen Pseudarthrose zu münden und
sollten deshalb operativ therapiert
werden.
55Die operative Behandlung instabiler Frakturen führt mit winkelstabiler
Plattenosteosynthese und zusätzlicher CC-Fixierung zu guten klinischen
Ergebnissen.
55Die arthroskopisch unterstützte CC-Fixierung bietet neben der Behandlung
von Begleitpathologien den Vorteil
der Minimal-Invasivität.
Korrespondenzadresse
PD Dr. B. Ockert
Schulter- und
Ellenbogenchirurgie, Klinik für
Allgemeine, Unfall-, Hand- und
Plastische Chirurgie – Campus
Großhadern
Klinikum der Universität
München (LMU)
München
ben.ockert@
med.uni-muenchen.de
Danksagung. Die Autoren danken Herrn Igor Zovic
für die Darstellung der Frakturtypen.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. B. Ockert, E. Wiedemann und
F. Haasters geben an, dass kein Interessenkonflikt
besteht.
Dieser Beitrag enthält keine Studien an Menschen
oder Tieren.
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