Löcher in der Matrix – „Wir Sparer“

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Löcher in der Matrix – „Wir Sparer“
Von Ralph Malisch
„BILD rechnet mit EZB-Chef Mario Draghi ab: Das kostet uns DIESER Mann“ (bild.de, 8.12.2017)
„Wie lange noch, Herr Draghi? 0%-Zins – Wir Sparer sind mal wieder die Dummen!“ (Bild Titelseite,
9.12.2017)
Es ist nicht so, dass man die Bild-Zeitung aufgrund der wertvollen und exklusiven Inhalte lesen würde. Nachdem
dort (Haus-)Meinung und Nachricht gerne zu einem untrennbaren Omelett verquirlt werden, kann man aus den
Beiträgen oft ganz gut herauslesen, wie man in diesem, noch immer sehr einflussreichen Verlagshaus so denkt –
genauer gesagt, wie die Leser denken sollen. Auffällig ist die Schärfe, mit der EZB-Chef Draghi nach der jüngsten
EZB-Ratssitzung angegangen wird. Es gab Zeiten, da verunglimpfte dieselbe Publikation selbst diejenigen
reflexhaft als „Euro-Hasser“, die es wagten, eine im Ton zurückhaltendere und in der Sache fundiertere Kritik an
der EZB-Politik vorzubringen.
Nun hat man sein Herz für die Sparer entdeckt … und befindet sich damit weit hinter der Kurve. Denn auf die Frage
„Wie lange noch, Herr Draghi? 0%-Zins ….“ wird die Antwort in der Wirklichkeit längst gegeben. Nicht mehr lange,
denn null Prozent können sich angesichts der konsequent vorangetriebenen Negativzinspolitik schon bald als
veritable Traumrendite erweisen. Auch das anheischige „Wir Sparer“ kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass
Solidarität mit den, durch die EZB schleichend enteigneten deutschen Sparern, oder auch nur Verständnis für
deren Sorgen, im Mainstream-Boulevard bislang eher keine Herzensangelegenheit war. Woher kommt also der
Sinneswandel?
Auch hier dürfte die Bundestagswahl 2017 ihre langen Schatten vorauswerfen. In dem Maße, wie sich das Blatt
bemüht, die Kanzlerin und frisch gebackene Kandidatin Merkel hochzuschreiben und von ihren massiven
Fehlleistungen reinzuwaschen, werden Sündenböcke benötigt, denen man die Negativaspekte ihrer Kanzlerschaft
„in die Schuhe schieben“ kann. Dabei ist es praktisch kaum vorstellbar, dass Mario Draghi ohne die
stillschweigende Rückendeckung der Bundesregierung im Rahmen der völlig missglückten „Euro-Rettung“ sein
Mandat je derart weit überdehnt hätte. Dieser Logik folgend, wird wohl auch für das absehbare Scheitern des
dilettantisch ausgehandelten Flüchtlingsdeals mit der Türkei entsprechend der türkische Präsident Erdo?an
verantwortlich gemacht werden. Warten wir’s ab.
Die „0%-Zins“-Titelseite ist zudem unter dem Aspekt des Titelseitenindikators interessant. Endet auch dieser
Trend, jetzt da er es auf Seite 1 einer fachfremden Publikation geschafft hat? Zumindest aus den USA mehren sich
seit der Wahl Donald Trumps die Anzeichen einer Zinswende. Wir bleiben dennoch skeptisch, denn der
Titelseitenindikator funktioniert in Märkten, die einem einigermaßen freien Spiel der Kräfte unterliegen. Der Zins
dagegen wird seit geraumer Zeit regelrecht gesteuert – Nullzinsen sind bekanntlich kein Marktphänomen. Von
daher ist auch keine psychologische Rückwirkung der Titelseite auf die EZB-Politik zu erwarten. Im Gegenteil, die
Notenbanken und deren geldpolitische Vor-„Denker“ arbeiten derzeit aggressiv daran, den Zins spürbar in den
Negativbereich zu manipulieren. Spätestens dann werden „Wir Sparer“ auch wieder eine Titelseite von Bild
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