Freigabe der Übernahme der Sierra Rutile Ltd. durch die Iluka

Fallbericht
7. Dezember 2016
Freigabe der Übernahme der Sierra Rutile Ltd. durch die Iluka Resources Ltd.
Branche:
Mineralsande, Titandioxid-Rohstoffe
Aktenzeichen:
B1-150/16
Datum der Entscheidung:
21. November 2016
Das Bundeskartellamt hat die Übernahme der Sierra Rutile Ltd. durch die Iluka Resources Ltd.
im Hauptprüfverfahren freigegeben.
Der Zusammenschluss betrifft den Bereich der Förderung und des Vertriebs von Mineralsanden
bzw. von deren werthaltigen Bestandteilen. Die beiden beteiligten Rohstoffunternehmen sind in
Sierra Leone bzw. Australien im Tagebau tätig. Dabei werden unter anderem die Minerale
Ilmenit und Rutil gewonnen. Diese enthalten Titandioxid (chemisch: TiO2). Dieses kommt in der
Natur nicht in reiner Form vor, sondern wird aus den genannten titandioxidhaltigen
Rohmineralien oder mittels deren Aufbereitung bzw. Veredelung zu synthetischem Rutil, TitanSchlacke und aufbereiteter Titan-Schlacke gewonnen. Der Gehalt an Titandioxid der genannten
Rohstoffe variiert dabei stark zwischen ca. 44% und ca. 96%. Der weit überwiegende Anteil der
Rohstoffe (ca. 90%) fließt in die Herstellung von Titandioxid-Pigmenten. Diese werden
wiederum vorrangig zur Herstellung von Lacken und Beschichtungen, Kunststoffen, Papier,
Tinte sowie Keramik, Fasern, Kosmetika, Sonnenschutzmitteln, Zahnpasta und anderen
Spezialprodukten eingesetzt. Titandioxid verleiht diesen Produkten aufgrund seines hohen
Brechungsindexes u.a. Helligkeit und Opazität. Andere, weitaus weniger bedeutsame
Einsatzgebiete sind die Herstellung von Titan und Titanschwamm sowie die Herstellung
bestimmter Schweißprodukte.
Das Zielunternehmen Sierra Rutile ist auf die Förderung und Vermarktung von besonders
titandioxidhaltigem natürlichem Rutil spezialisiert. In diesem Bereich ergeben sich starke
horizontale Überschneidungen mit der Produktpalette von Iluka Ressources. Wettbewerbliche
Probleme konnten daher nach anfänglichen Ermittlungen nicht ausgeschlossen werden, sodass
die eingehende Prüfung in einem Hauptprüfverfahren geboten war. Auf der Grundlage der
vertieften Ermittlungen konnte das Bundeskartellamt allerdings im Ergebnis ausschließen, dass
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durch den Zusammenschluss wirksamer Wettbewerb erheblich behindert wird. Weder ist zu
erwarten, dass der Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung der Beteiligten
begründet oder verstärkt, noch ist zu erwarten, dass der Zusammenschluss zu den Wettbewerb
erheblich behindernden nicht-koordinierten Effekten führt.
In sachlicher Hinsicht ist nach den Ergebnissen der Marktermittlungen nicht von einem
einheitlichen Gesamtmarkt für alle Arten von Titandioxid-Rohstoffen auszugehen. Die
maßgeblichen Grenzen für die Austauschbarkeit der Rohstoffe ergeben sich dabei
insbesondere aus der Tatsache, dass es im Bereich der Pigmentherstellung zwei
Produktionsverfahren gibt, für die jeweils unterschiedliche Titandioxid-Rohstoffe eingesetzt
werden. Der wettbewerblichen Beurteilung wurden daher getrennte sachlich relevante Märkte
für Titandioxid-Rohstoffe zum Einsatz im sogenannten Chlorid-Prozess (Chlorid-Rohstoffe)
einerseits und für Titandioxid-Rohstoffe zum Einsatz im Sulfat-Prozessen (Sulfat-Rohstoffe)
andererseits zugrunde gelegt. In räumlicher Hinsicht weisen die vom Zusammenschluss
betroffenen Rohstoffmärkte jeweils eine weltweite Dimension auf.
Auszuschließen war nach den vertieften Ermittlungen ein enger, ausschließlich auf natürliches
Rutil begrenzter Markt. Natürliches Rutil ist jedenfalls im Rahmen der Herstellung von
Titandioxid-Pigmenten in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht mit anderen höher
konzentrierten Chlorid-Rohstoffen hinreichend austauschbar. Zumindest für einige Verwender
gilt dies sogar für Chlorid-Ilmenit, welches einen niedrigeren Titandioxid-Gehalt aufweist.
Gleiches gilt für die Hersteller von Titan und Titanschwamm, die bei Bedarf sogar in noch
größerem Umfang auf Chlorid-Ilmenit ausweichen können. Lediglich die Hersteller von
Schweißprodukten, auf deren Vorleistungsbedarf jedoch maximal 5% des jährlichen Absatzes
an Titandioxid-Rohstoffen entfallen, verfügen über eine begrenztere Auswahl an Substituten.
Diese können aber ebenfalls auf (reduziertes) Chlorid-Ilmenit sowie zusätzlich auf chemisch
synthetisiertes Titandioxid als Ausweichalternativen zurückgreifen.
Als wichtige Indizien für die Abgrenzung eines verschiedene (Chlorid-)Rohstoffe umfassenden
Marktes hat das Bundeskartellamt die ausgeprägten positiven Preiskorrelationen zwischen den
Rohstoffen und das durch ausgeprägte Schwankungen des eingesetzten Rohstoff-Mix
insbesondere auch im Zeitablauf geprägte Beschaffungsverhalten der Abnehmer gewertet. Im
Ergebnis offen bleiben konnte in diesem Zusammenhang die Frage, ob der Markt für ChloridRohstoffe in einen separaten Markt für Chlorid-Ilmenit und einen Markt für Chlorid-Rohstoffe mit
hoher Titandioxidkonzentration (natürliches Rutil, synthetisches Rutil, Chlorid-Schlacke,
aufbereitete Titan-Schlacke) unterteilt werden muss. Selbst bei Zugrundelegung der jeweils
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engeren Abgrenzung konnte das Bundeskartellamt ausschließen, dass als Folge des
Zusammenschlusses wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde.
Gegen die Prognose der Entstehung oder Verstärkung einer einzelmarktbeherrschenden
Stellung der Beteiligten sprach bereits die Tatsache, dass die gemeinsamen Marktanteile der
Beteiligten auf den in Frage kommenden Märkten jeweils vergleichsweise deutlich unter der
gesetzlichen Vermutungsschwelle für eine einzelmarktbeherrschende Stellung liegen. Die
Marktermittlungen erbrachten auch keine sonstigen Hinweise auf eine aktuelle oder zukünftige
Marktdominanz der Zusammenschlussbeteiligten.
Seit der Einführung des SIEC-Tests in das deutsche Recht erfüllen Zusammenschlüsse jedoch
auch dann die Untersagungsvoraussetzungen, sofern sie unterhalb der Schwelle und außerhalb
des Regelbeispiels der Einzelmarktbeherrschung aufgrund nicht-koordinierter bzw. unilateraler
Effekte eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs erwarten lassen. In Märkten, die
– wie im vorliegenden Fall – im Gegensatz zu hoch differenzierten Konsumgütermärkten durch
vergleichsweise
homogene
Produkte
gekennzeichnet
sind,
können
sich
erhebliche
wettbewerbsbehindernde nicht-koordinierte Wirkungen insbesondere daraus ergeben, dass das
zusammengeschlossene Unternehmen als Folge des Zusammenschlusses über verbesserte
Möglichkeiten und erhöhte Anreize verfügt, durch eine Verringerung der Angebotsmenge
Preiserhöhungen
zu
induzieren. Antizipieren
die
übrigen
Anbieter
diese verstärkten
Möglichkeiten und Anreize und reagieren diese nicht in einem hinreichenden Umfang mit einer
kompensierenden Ausweitung der Angebotsmenge, führt der Zusammenschluss insgesamt zu
einer Verknappung des Angebots und entsprechenden Preissteigerungen.
Auf der Grundlage der Ergebnisse der vertieften Ermittlungen konnte das Bundeskartellamt aus
folgenden Gründen aber ausschließen, dass die Möglichkeiten und Anreize der Beteiligten für
eine Mengenverknappung in einem Ausmaß zunehmen, das die Erwartung einer erheblichen
Behinderung wirksamen Wettbewerbs rechtfertigt: Der Zusammenschluss stärkt zwar einerseits
signifikant die Marktposition von Iluka im Marktsegment für natürliches Rutil, und die Beteiligten
sind insoweit auch als enge Wettbewerber anzusehen. Andererseits ist jedoch insbesondere
der Bereich der höher konzentrierten Chlorid-Rohstoffe durch große Überkapazitäten
gekennzeichnet, sodass eine Strategie der Mengenverknappung im Segment des natürlichen
Rutils unter anderem durch kompensierende Mengenausweitungen im Segment der ChloridSchlacke ausgeglichen würde. Auch weisen die Ergebnisse der Marktermittlung darauf hin,
dass im Falle einer solchen Strategie das Hinzutreten von Newcomern auf den Markt zu
erwarten
ist.
Diese
projektieren
bereits
entsprechende
Mineralsandminen
bzw.
Veredelungsanlagen und warten zu deren Realisierung nur noch auf ein günstiges Marktumfeld.
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Gleiches gilt für Erweiterungsprojekte bereits etablierter Anbieter. Marktzutritte werden zudem
durch insgesamt niedrige bis moderate Marktzutrittsschranken begünstigt. Sierra Rutile als
Zielunternehmen ist nach den Ergebnissen der Marktermittlungen ferner in der Vergangenheit
weder im Verhältnis zu Iluka noch im Markt insgesamt als wettbewerblich besonders aktiver und
expansiver Marktteilnehmer in Erscheinung getreten. Schließlich haben die Marktermittlungen
auch ergeben, dass die Hersteller von Titandioxid-Pigmenten, die teilweise selbst bereits im
Bereich der Förderung der benötigten Rohstoffe aktiv und damit vertikal integriert sind, einer
Strategie der Mengenverknappung durch Gegen- und Ausweichstrategien wirksam begegnen
könnten.
In Ansehung der Ergebnisse der Marktermittlungen konnte das Bundeskartellamt ferner
ausschließen, dass der Zusammenschluss die Entstehung oder Verstärkung einer gemeinsam
marktbeherrschenden Stellung und damit wirksamen Wettbewerb erheblich behindernde
koordinierte Wirkungen erwarten lässt. Die Marktanteilsvermutungen 1 für eine gemeinsam
marktbeherrschende Stellung sind zwar rechnerisch erfüllt. Aufgrund der strukturellen
Marktbedingungen kann diese Vermutung jedoch als widerlegt angesehen werden. Die Märkte
für Chlorid-Rohstoffe sind zwar einerseits aufgrund der Homogenität der betroffenen Produkte,
des vergleichsweise hohen Konzentrationsgrades sowie der Verfügbarkeit von detaillierten, von
externen Anbietern zusammengestellten Marktinformationen vergleichsweise transparent.
Andererseits sind die betroffenen Märkte jedoch aufgrund des unterschiedlichen Grades der
vertikalen Integration und des differenzierten Produktportfolios durch eine sehr asymmetrische
Anbieterstruktur
tendenziell
eine
gekennzeichnet.
Einigung
auf
Die
resultierenden
ein
stabiles
Interessengegensätze
implizit-kollusives
erschweren
Parallelverhalten
und
Marktergebnis. Auch aus der Analyse des tatsächlichen Wettbewerbsgeschehens ergaben sich
keine Hinweise auf einen fehlenden Binnenwettbewerb zwischen den führenden Anbietern. Die
vergleichsweise niedrigen Marktzutritts- und Expansionsschranken sowie die Möglichkeiten und
Anreize der Marktgegenseite für erfolgversprechende Gegenstrategien ließen zudem erwarten,
dass ein Parallelverhalten der führenden Anbieter durch wirksamen Außenwettbewerb
hinreichend destabilisiert bzw. unterbunden würde.
Der Zusammenschluss konnte daher ohne Bedingungen oder Auflagen freigegeben werden.
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§ 18 Abs. 6 GWB
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