Die Debatte um den Marktwirtschaftsstatus für

Die Debatte um den Marktwirtschaftsstatus für China
Position von Reinhard Bütikofer, Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei, und Katharina Dröge,
Sprecherin für Wettbewerbspolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen
Hintergrund
Fairer Wettbewerb ist die Grundlage unserer sozialen Marktwirtschaft. Die Grundvoraussetzung für
fairen Wettbewerb sind Marktregeln, die für alle Unternehmen gleichermaßen gelten – egal welcher
Größe und Nationalität. Wenn das der Fall ist, kann Wettbewerb um Innovation, um Qualität und auch
um Preise entstehen. Doch wenn einzelne Unternehmen außerhalb der Marktregeln spielen, ist der
Wettbewerb verzerrt. Unternehmen, die sich an die Spielregeln halten, haben dann das Nachsehen.
Sie werden im schlimmsten Fall aus dem Markt gedrängt.
Bei China und dem Marktwirtschaftsstatus geht es um genau diese Frage. Seit knapp 15 Jahren spielt
China in der WTO, im globalen Welthandelssystem, mit – bisher jedoch ohne den Status einer
Marktwirtschaft. Das bedeutet, andere WTO-Mitglieder können annehmen, dass in China die Preise
wegen staatlicher Eingriffe verzerrt, und nicht das Ergebnis von Angebot und Nachfrage sind. Bei der
Berechnung von Zöllen auf chinesische Produkte können die EU und andere WTO-Mitglieder daher
Preise aus Staaten verwenden, die sich an Marktwirtschaftsregeln halten. Hierdurch sind relativ hohe
und effektive Schutzzölle auf chinesische Importe möglich.
Nach Artikel 15 (d) des chinesischen WTO-Beitrittsprotokolls läuft diese Möglichkeit der Berechnung
von Dumping-Zöllen am 11. Dezember 2016 aus. Nach Lesart Chinas folgt daraus automatisch, dass es
ab sofort den Status einer Marktwirtschaft hat. Diese Interpretation ist jedoch umstritten. Denn China
erfüllt bislang nur eins der fünf EU-Kriterien für eine Marktwirtschaft. Europäische Branchen wie die
Stahlindustrie, die Keramikbranche, die Solarindustrie oder die Fahrradhersteller warnen vor unfairer
Konkurrenz. Staatliche Interventionen haben in China zu massiven Überkapazitäten und Exportpreisen
geführt, die teilweise unterhalb der Produktionskosten liegen. Doch nimmt Brüssel eine zu harte
Haltung ein, besteht die Befürchtung, dass Peking mit handelspolitischen Sanktionen reagieren könnte.
Auch dies bliebe nicht ohne Folgen für Wirtschaft und Beschäftigung in Europa.
Grüne Position
Aus Grüner Sicht ist China keine Marktwirtschaft. Faktisch geht es aber nicht darum, ob die EU bereit
ist, China diesen Status formal zuzugestehen. Vielmehr muss die EU schlicht ihr allgemeines AntiDumping-Recht an den Umstand anpassen, dass nach Auslaufen einer im chinesischen
Beitrittsprotokoll zur WTO festgelegten 15-Jahres Frist die bisher angewandte Anti-DumpingMethodologie nicht mehr weiter verwendet werden kann. Es wäre falsch, diese Anpassung zu
verweigern; Im Zweifel würde die WTO uns nach einem von China angestrengten Verfahren dazu
verurteilen. Falsch wäre es aber auch, nicht gleichzeitig dafür Sorge zu tragen, dass ein wirksamer
Schutz gegen chinesische Dumping, Exporte gewährleistet bleibt. Denn der unmittelbare Übergang zur
Anwendung der Standartmethode im Anti-Dumping-Verfahren, wie das die EU-Kommission
ursprünglich vorsah, hätte zahlreiche europäische Industrien gegenüber chinesischen
Dumpingexporten schutzlos gelassen. Unsere Position ist also: eine WTO-kompatible und zugleich
gegen Dumping wirksame Regulierung neu zu entwickeln; dabei können wir uns am Beispiel der in den
USA bzw. in Kanada geübten Verfahren orientieren.
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Position der EU-Kommission
Am 9. November 2016 hat die KOM einen Legislativvorschlag veröffentlicht, der die handelspolitischen
Schutzinstrumente aktualisiert, stärkt und rechtlich belastbarer macht. Die KOM schlägt eine neue
Antidumpingmethodik für Marktverzerrungen vor, die auf staatliche Eingriffe zurückzuführen sind.
Bei der Ermittlung von Verzerrungen sollen verschiedene Kriterien berücksichtigt werden, unter
anderem staatliche Politik und Einflussnahme, ausgeprägte Präsenz staatseigener Betriebe,
Diskriminierung zugunsten heimischer Unternehmen und Unabhängigkeit des Finanzsektors. Die neue
Methodik wird „länderneutral“ sein und soll gleichermaßen auf alle Mitglieder der WTO angewandt
werden. Die in den Antidumpingvorschriften aufgeführte Liste der Länder ohne Marktwirtschaft soll
abgeschafft werden. Rechtsvorschriften und Praxis der EU würden sich dadurch stärker an die der USA
und Kanadas annähern.
Werden Verzerrungen festgestellt, sollen Preise und Kosten bei der Berechnung des Dumpings
unberücksichtigt bleiben. Die KOM wird dann andere verfügbare Benchmarks, wie etwa die Kosten
und Preise in anderen Volkswirtschaften, heranziehen. Die Kommission wird länderspezifische oder
sektorspezifische Berichte erstellen, in denen entsprechende Verzerrungen beleuchtet werden. Wie
es bereits heute der Fall ist, wird auch weiterhin der jeweilige Wirtschaftszweig der EU einen Antrag
einreichen müssen. Er kann er sich dabei aber künftig auf die Berichte der KOM stützen.
Die Vorschläge der EU-Kommission zur Änderung der Anti-Dumping und Anti-Subventionsvorschriften
sind unzureichend, um die europäische Wirtschaft vor unfairem Wettbewerb zu schützen. Der von ihr
gewählte Ansatz ist viel schwächer als der der USA und überträgt die Beweislast unnötigerweise auf
die EU. Die EU-Kommission sollte sich an dem US-Ansatz orientieren und die Kriterien dafür, ob
Marktverzerrungen vorliegen entsprechend ergänzen. Wenn die EU-Kommission für ein Land oder
einen Sektor in einem Land Marktverzerrungen feststellt, sollte die Beweislast dafür, dass Preise
Ergebnis von Angebot und Nachfrage sind, auf das Exportland übertragen werden. Die
handelspolitischen Schutzinstrumente der EU sollten zudem so gestärkt werden, dass es der EUKommission möglich ist, im Falle neuer Subventionen tätig zu werden, die erst im Laufe oder nach
Abschluss einer Untersuchung zutage treten.
Aus Grüner Sicht weist der Kommissionsvorschlag in die richtige Richtung, ist aber insgesamt nicht
mutig genug. Offenbar hat die Kommission auch nicht die Unterstützung von genügend EUMitgliedstaaten, um entschlossenere Schritte zu ergreifen:
- Marktwirtschaftsstatus von Fall zu Fall
Ein möglicher Weg wäre der MWS von Sektor zu Sektor. Die Beweislast für das Erreichen der fünf
europäischen Marktwirtschaftskriterien in einem bestimmten Sektor sollte dabei bei China liegen.
Wenn China für einen bestimmten Sektor nicht beweisen kann, dass Marktwirtschaftsbedingungen
vorliegen, sollten die Dumping-Zölle weiterhin auf Grundlage von Preisen aus Drittstaaten kalkuliert
werden.
- Anti-Subsidy und andere Countervailing Duties könnten stärker genutzt werden
Um die europäische Wirtschaft gezielt und wirksam gegen wettbewerbsverzerrendes Verhalten zu
schützen, sollten Antisubventions- und andere Ausgleichszölle stärker genutzt werden. Aktuell können
europäische Unternehmen beim Verdacht, dass importierte Produkte aus einem Drittland staatlich
subventioniert werden, eine Beschwerde bei der EU-Kommission einreichen. Diese kann dann eine
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Untersuchung vornehmen und eine Ausgleichsmaßnahme vorschreiben. Bei der Berechnung der
Subventionshöhe kann die EU kann nach Artikel 15(b) des chinesischen WTO-Beitrittsprotokolls auch
Preise aus Drittstaaten zu Grund legen.
Grundsätzlich kann die EU im Einklang mit WTO-Recht auch besondere Schutzmaßnahmen bei einem
rapiden Anstieg chinesischer Importe ergreifen. Und sie kann sich auf das europäische Kartellrecht
berufen, um gegen staatliche Beihilfen oder andere wettbewerbsverzerrende Maßnahmen
vorzugehen. Von diesen Möglichkeiten sollte die EU verstärkt Gebrauch machen.
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