Amerika Dienst - Amerika Haus Archiv

AMERIKA
DIENST
U. S. Feature Service
Bad
Godesbergl
• Postfach
300
Wirtschaft
und Arbeit
• T e l e f o n Bad Godesbert; 7 1 3 2 5 7
V I I I . Jahrgang, Nr.
Wc
22. August 1956
INHALTSVERZEICHNIS
WIRTSCHAFTSREPORTAGE
DER KLEINBETRIEB - WICHTIGER FAXTOR
DER FREIEN MARKTWIRTSCHAFT
Wie das US-Büro für Klein- und Mittelbetriebe arbeitet - Listen über Verteidigungsaufträge
(100 Zeilen)
STREIFLICHTER AUS DER US-WIRTSCHAFT
NEUER HÖCHSTSTAND AMERIKANISCHER
EINFUHREN
Aufwärtstrend hält an - Auch Deutschland wesentlich beteiligt
Von Gilbert Grant
(70 Zeilen)
Seite
Seite
"KOMMUNIST" ERKENNT ERFOLG DER FREIEN
MARKTWIRTSCHAFT AN
Das sowjetische Journal und das US-Handelsministerium kommen zu ähnlichen Ergebnissen Konzept der freien Marktwirtschaft Vorbild
für die UdSSR?
Von Guy Sims Fitch
(85 Zeilen)
Seite
AUS WISSENSCHAFT UND TECHNIK
DER KOMMERZIELLE ATOMREAKTOR IN SICHT?
Die USA haben zur Zeit 29 Reaktoren in
Betrieb - 3 neue Reaktortypen wurden entwickelt
(60 Zeilen)
Seite
WELT DER ARBEIT
PENSIONSERHÖHUNGEN FÜR US-EISENBAHNER
(28 Zeilen)
Seite
11
ARBEITSFRIEDE IM NEiV YORKER TRANSPORTGEWERBE FÜR VIER JAHRE SICHERGESTELLT
(20 Zeilen)
Seite
12
* * * * *
"AMERIKA DIENST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT
22. August 1956
WIRTS CHAFTSREPORTAGE
DER KLEINBETRIEB - V/ICHTIGER FAKTOR DER FREIEN MARKTWIRTSCHAFT
Wie das US-Büro für Klein- und Mittelbetriebe arbeitet - Listen über
Verteidigungsaufträge
(100 Zeilen)
V/AS HINGTON - (AD) - Es ist seit jeher Absicht und Bestreben der
amerikanischen Regierung gewesen, die Klein- und Mittelbetriebe zu unterstützen und so das erforderliche Gleichgewicht in der gesaraten Wirtschaft
herzustellen und den freien Wettbewerb zu gewährleisten. In früheren Jahren erfuhren die Klein- und Mittelbetriebe insbesondere vom US-Handelsministerium entsprechende Unterstützung, bis 1953 auf Grund de3 Small
Business Act
das Büro zur Förderung der Klein- und Mittelbetriebe (SBA)
geschaffen wurde. Das Büro, das eine unabhängige Regierungsstelle ist
und seine Aufgabe mit den Förderungsbestrebungen, die vom US-Handelsministerium ausgehen, abstimmt, weiß den Klein- und Mittelbetrieben
hauptsächlich drei Formen von Beistand anzubieten:
1. Hilfe bei Ver-
tragsverhandlungen, die öffentliche Aufträge betreffen;
währung
2. Kreditge-
und 3. technische Hilfe.
In diesen drei Punkten kommt der Auftrag, den der US-Kongreß als
Gesetzgeber der US-Regierung als Exekutive erteilte, voll und ganz zum
Ausdruck und stellt sicher, daß "ein angemessener Anteil der gesamten
öffentlichen Aufträge und Dienstleistungen auf Klein- und Mittelbetriebe
entfällt."
Auch Kleinbetriebe erhalten öffentliche Aufträge
Um Klein- und Mittelbetriebe an der Vergabe öffentlicher Aufträge
angemessen beteiligen zu können, arbeiten SBA-Vertreter und Beschaffungsoffiziere der US-Streitkräfte zusammen und stellen Listen über solche
Verteidigungsgüter auf, für deren Lieferung ausschließlich diese Unternehmen herangezogen werden sollen. Die SBA-Regionalbüros unterrichten in
Frage kommende Klein- und Mittelbetriebe über geplante öffentliche Aufträge, um die sie sich durch Abgabe entsprechender Angebote bewerben
können. Die ausgeschriebenen öffentlichen Aufträge faßt das US-Handelsministerium noch einmal zu einer Liste zusammen, die in allen Regionalbüros der SBA und des Ministeriums eingesehen werden kann.
Die Klein- und Mittelbetriebe, die von der SBA zur Lieferung von Ver- 1 -
•"AMERIKA DIENST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT
22. August 1956
Verteidigungsmaterialien anerkannt werden, erhalten entsprechende Ausweise, die für die Beschaffungsoffiziere als rechtsverbindliche Grundlage für alle finanziellen und technischen Fragen gelten, die sich aus
etwaigen Vertragsabschlüssen ergeben.
Die SBA berät und unterstützt
Klein- und Mittelbetriebe auch bei Vertragsabschlüssen mit anderen
Regierungsstellen.
Die an Klein- und Mittelbetriebe vergebenen militärischen Beschaffungsaufträge betrugen im ersten Halbjahr 1956 etwa 1,414 Milliarden Dollar gegenüber 1,268 Milliarden Dollar im ersten Halbjahr 1955;
das bedeutet einen Anstieg der von Klein- und Mittelbetrieben ausgeführten öffentlichen Verteidigungsaufträge von 15»7$ i m ersten Halbjahr 1955
auf 17,6$ im ersten Halbjahr 1956.
Der Gesamtanteil an öffentlichen Lie-
ferungen und Dienstleistungen, die von Klein- und Mittelbetrieben für
zivile Regierungsstellen ausgeführt wurden, stieg sogar von 46,2$ im
Wirtschaftsjahr 1954 auf 53 »4$ im Wirtschaftsjahr 1 955 Kredite für Geschäftszwecke und Katastrophenfälle
In besonderen Fällen sorgt das finanzielle Unterstützungsprogramm
für Kredite an Klein- und Mittelbetriebe, die einem für diesen Zweck
vom US-Kongreß bereitgestellten revolvierenden Fonds entnommen werden.
Grundsätzlich unterscheidet man zwei Arten von Krediten:
reine Ge-
schäftskredite einerseits und Katastrophenkredite andererseits.
Geschäftskredite stellt man gewöhnlich zur Finanzierung von Betriebserstellungen, Um- oder Erweiterungsbauten zur Verfügung} sie
sollen ferner der Anschaffung von maschinellen Ausrüstungen, Zubehör,
Materialien und der Ausstattung mit Betriebskapital dienen. Um jedoch
solche Kredite zu erhalten, muß der Bewerber nachweisen, daß er private
Geldquellen für seine Zwecke nicht heranziehen kann. Die Kredite können
von der SBA direkt beziehungsweise in Zusammenarbeit mit einer Bank oder
mit sonstigen örtlichen Kreditinstituten gewährt werden. Die Höchstgrenze
je Kreditnehmer ist auf 250 000 Dollar festgesetzt, während der Höchstzinssatz 6fo nicht übersteigen darf.
In der Zeit vom I.Juli bis 51.Dezember 1955 genehmigte die SBA insgesamt 625 Kreditanträge von Klein- und Mittelbetrieben mit einem Gesamtbetrag von 30 352 390 Dollar. In Übereinstimmung mit dem Grundsatz der
SBA, die Kreditfinanzierung möglichst gemeinsam mit Banken durchzuführen,
wurden über 66$ der Kredite in Zusammenarbeit mit Kreditanstalten zur
Verfügung gestellt.
Infolge
- 2 -
"AMERIKA DIENST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT
22. August 1956
Infolge zahlreicher Wirbelstürme und Überschwemmungen im Spätsommer
und Herbst 1955» die sowohl Privateigentum als auch Betriebe in Mitleidenschaft zogen, wurden große Anforderungen an den Katastrophenfonds
der SBA gestellt. Einige Tage, nachdem der Nordosten der Vereinigten
Staaten von den Katastrophen heimgesucht worden war, errichtete die SBA
bereits Notstandshüros in den betroffenen Gebieten. In der Zeit vom
I.Juli bis 31-Dezember 1955 stimmte die S3A
2056 Anträgen auf Katastro-
phenkredite in einer Gesamthöhe von 29 290 391 Dollar zu. Die vergleichbaren Zahlen für das zweite Halbjahr 1954 lauten:
813 Katastrophenkredite
mit einem Gesamtwert von 4 733 423 Dollar.
Beratung in Betriebsführungs- und technischen Fragen
Das Technische Hilfsprogramm der SBA sucht den Klein- und Mittelbetrieben mit Veröffentlichungen auf allen Gebieten der Betriebsführung
und Technik hilfreich an Hand zu gehen. Die Veröffentlichungen, die von
auf den jeweiligen Gebieten anerkannten Fachleuten bearbeitet werden,
geben übersichtlich und in leicht verständlicher Weise jede gewünschte
Auskunft. Unter den Mitarbeitern der Regionalbüros befinden sich erfahrene Eetriebsberater, die in besonderen Fällen mit den Eigentümern und
Leitern von Klein- und Mittelbetrieben bei der Bewältigung spezieller
Probleme direkt zusammenarbeiten. Die technischen Berater der SBA stehen
ebenfalls bereit, um bei produktionstechnischen Schwierigkeiten sofort
einzugreifen. Die gewährte Unterstützung erstreckt sich vom Bezugsquellennachweis bis zum organisatorischen Betriebsaufbau. Betriebsführungslehrgänge, die von der SBA gemeinsam mit 58 Universitäten und anderen Lehranstalten abgehalten werden, geben den Eigentümern und Leitern von Kleinund Mittelbetrieben das Rüstzeug an Hand, das sie zur erfolgreichen Führung
ihrer Betriebe benötigen.
Die Unterstützung, die die Regierung der Vereinigten Staaten Kleinund Mittelbetrieben zukommen läßt, kann keineswegs nur als eine Geste zugunsten der Schwachen gewertet werden. Die Politik und die Überlegungen,
die der US-Kongreß anstellte und die die Beweggründe für die Sorge der
Regierung offenlegen, beweisen das Gegenteilt
"Das amerikanische V/irtschaftssystem beruht auf privatwirtschaftlichen und Wettbewerbsgrundsätzen. Nur durch freien und uneingeschränkten
Wettbewerb kann der freie Markt, der freie Eintritt ins Geschäftsleben und
die Möglichkeit, ... zu persönlicher Initiative und individueller Stellungnahme gewahrt werden. Diesen Wettbewerb zu erhalten und zu erweitern, ist
- 3 -
•"AMERIKA PIEKST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT
22. August 1956
ist von grundsätzlicher Bedeutung nicht nur für die wirtschaftliche
Wohlfahrt, sondern auch die Sicherheit dieser Nation. Diese Sicherheit und Wohlfahrt können aber nur dann verwirklicht werden, wenn
man die tatsächliche und potentielle Kapazität der Klein- und Mittelbetriebe ... weiterentwickelt."
* * * * *
STREIFLICHTER AUS DER US-WIRTSCHAFT
NEUER HÖCHSTSTAND AMERIKANISCHER EINFUHREN
Aufwärtstrend hält an
-
Auch Deutschland wesentlich beteiligt
Von Gilbert Grant
( 70 Zeilen)
WASHINGTON - (AD) - Die Auffassung einflußreicher amerikanischer
Außenhandelskreise, daß das Einfuhrgeschäft der Vereinigten Staaten 1956
einen Gesamtumsatz von 12,5 Milliarden Dollar und damit eine neue Rekordhöhe erreichen werde, ist dieser Tage durch einen vom US-Handelsministerium herausgegebenen Bericht unterstrichen worden. Der Bericht
zeigt nämlich, daß die amerikanischen Importe im ersten Halbjahr 1956
auf 6,3324 Milliarden anstiegen und rund B/o über denen im zweiten
Halbjahr 1955, dem bisherigen Rekord-Halbjahr, liegen.
Alle Warengruppen waren beteiligt
Der neue Rekord an Einfuhren im ersten Halbjahr 1956 ist nicht
zuletzt mit Hilfe von Juni-Importen in Höhe von 1,0324 Milliarden
Dollar zustande gekommen, was eine Einfuhrerhöhung gegenüber Juni 1955
um 10$ darstellt. Im übrigen waren fast alle bedeutenderen Warengruppen
an der in die Augen springenden Importsteigerung in der Zeit vom Juni
1955 bis Juni 1956 beteiligt, wenn auch Getränke und Erfrischungen, Gemüse und Lebensmittel den Hauptanteil auf sich vereinigten. Nennenswerte
Einfuhrsteigerungen konnten auch bei Eisen-, Blech- und Metallwaren,
Maschinen und Fahrzeugen sowie nichtmetallischen Mineralien verzeichnet werden.
Die allgemeinen Anzeichen deuten indes nicht darauf hin, daß mit
einer Abnahme der US-Einfuhren in der nächsten Zeit zu rechnen ist; es
scheint vielmehr sicher zu sein, daß in den nächsten Monaten noch eine .
weitere Steigerung der Einfuhrrate bevorsteht. Dies läßt sich unter
- 4-
"AMERIKA DIENST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT
22. August 1956
unter anderem auch aus den vom US-Finanzministerium registrierten Zolleinnahmen entnehmen, die sich - obwohl etwa 50$ der Güter zollfrei in die
Vereinigten Staaten eingeführt werden - schon immer als das untrügliche
Barometer der Importtrends erwiesen haben. So ist es denn nicht uninteressant zu erfahren, daß die Zolleinnahmen im Juli 195& über 61,7 W.O.
Dollar betrugen und damit die Einnahmen im Juni 195° um y/o und im
Juli 1955 - als der Gesamtwert der Einfuhren bei 885 Mio. Dollar lag sogar um 19$ überstiegen.
Yerbraucherwünsche müssen berücksichtigt werden
In diesem Zusammenhang spielen natürlich die auf die eingeführten
Waren gerichteten Verbraucherwünsche eine nicht unerhebliche Rolle, wie
ein Artikel in dem einflußreichen Vv'irtschaftsmagazin "Journal of Commerce"
zeigt. In diesem Artikel weist man darauf hin, daß dem amerikanischen
Käufer heutzutage mehr attraktive ausländische Waren als je zuvor zur
Verfügung stehen und daß Verkaufsexperten eine weitere Umsatzsteigerung
in Importartikeln für das zweite Halbjahr 1956
um
10$ gegenüber der ent-
sprechenden Zeit von 1955 erwarten.
Neben den allgemeinen Auftriebserscheinungen, die man gegenwärtig
im amerikanischen Einzelhandel beobachten kann, machen Fachleute noch
?ine Reihe anderer Faktoren für diesen kontinuierlichen Aufschwung im
US-Importgeschäft verantwori"ich. Ein solcher nicht zu unterschätzender
Faktor ist.in der Anstrengung dei ausländischen Lieferanten zu sehen,
den Geschmack der amerikanischen Verbraucher bei ihrer Fertigung und der
Zusammenstellung ihrer Kollektion zu berücksichtigen. Die amerikanischen
Importeure dagegen suchen durch sorgfältigere Auswahlmethoden noch bessere
Angebote auf den heimischen Märkten machen zu können. Insbesondere diesen
beiden Faktoren ist es zuzuschreiben, daß immer mehr Amerikaner auf Wert
und Qualität der Importgüter aufmerksam werden.
Die Spezialitäten der Importländer
Zur Zeit gilt auf dem Importgütersektor Großbritannien noch als
Hauptlieferant der Vereinigten Staaten, obwohl in der letzten Zeit eine
Reihe anderer Länder, wie zum Beispiel Italien und Japan, im Importgeschäft mit den USA ständig Boden gewonnen haben. Die Erwartungen der
Fachleute gehen dahin, daß sich Großbritannien insbesondere in Textilien, Herrenbekleidung und Fahrrädern durchsetzt, während Italien, ähnlich wie Frankreich, sich mit Erzeugnissen der Haute Couture einen Namen
zu machen sucht. Auch italienische Leder-, Porzellan- und keramische
- 5-
'ALTERIKA DIENST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT
22. August 1956
keramische Waren sowie Tuchfabrikate stehen bei den amerikanischen Verbrauchern hoch im Kurs.
Die deutschen Firmen konnten in der jüngsten Vergangenheit wieder
einen ansprechenden Anteil sowohl an den Welt- als auch an den amerikanischen LTärkten zurückgewinnen. Zu den Favoriten der deutschen Importgüter zahlen vor allem Präzisions- und feinmechanische Erzeugnisse;
Spiel-, Schneid- und Stahlwaren sowie Damenhandschuhe und Uhren.
Die ganz besondere Aufmerksamkeit der amerikanischen Import- und
Verkaufsfachleute erregte aber zweifellos das reichhaltige Warenangebot
der Japaner, die keine Chance vorübergehen lassen, auf den amerikanischen
Märkten Fuß zu fassen. Dabei bemühen sie sich in steigendem Maße, den
an die Ware gestellten Qualitätsanforderungen gerecht zu werden, ein
Bemühen, das - wie jeder, der den amerikanischen Markt kennt, gern zu
bestätigen bereit ist - sich hundertfach bezahlt macht.
"KOMMUNIST" ERKENNT ERFOLG DER FREIEN MARKTWIRTSCHAFT AN
Das sowjetische Journal und das US-Handelsministerium kommen zu ähnlichen Ergebnissen
-
Konzept der freien Marktwirtschaft Vorbild für
die UdSSR?
Von Guy Sims Fitch
(85 Zeilen)
WASHINGTON - (AD) - In der letzten Woche waren es insbesondere zwei
Nachrichten, die mit Recht das Interesse der Öffentlichkeit auf sich lenkten. Die beiden Meldungen befaßten sich mit den wirtschaftlichen Erfolgen
der Vereinigten Staaten und deren Bedeutung für den amerikanischen Durchschnittsbürger - und beweisen wieder einmal mehr das große Vertrauen, das
man - wenn von der einen Seite auch ungewollt - der freien und dynamischen
Marktwirtschaft amerikanischer Prägung entgegenbringt.
Kaufkraftanstieg auf Rekordhöhe
Die soeben gemachte Feststellung trifft um so mehr zu, wenn man bedenkt, daß die beiden Nachrichten aus so entgegengesetzten Quellen wie dem
- 6-
"AMERIKA DIENST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT
22. August 1956
dem US-Handelsministerium einerseits und dem in Moskau erscheinenden
theoretisch-ideologischen Journal "Kommunist" andererseits stammen.
Man muß es wohl als einen Zufall besonderer Art ansehen, daß gerade
das US-Handelsministerium und das sowjetische Journal sich am gleichen
Tage mit amerikanischen Wirtschaftsverhältnissen befaßt haben. Das
amerikanische Ministerium konnte dabei über einen Kaufkraftanstieg
auf Rekordhöhe berichten, während "Kommunist" mehr oder weniger widerstrebenO zugeben mußte, daß das amerikanische Wirtschaftssystem "irgendwie" zur Erhöhung der Lebenshaltung der amerikanischen Arbeiter beigetragen habe. Dies von so bedeutsamer Stelle ausgesprochene Zugeständnis
stellt eine überraschende, wenngleich auch realistische Abkehr von der
orthodoxen marxistischen These von der "Verarmung und Ausbeutung" der
Arbeiter in
kapitalistischen Staaten dar.
Die fadenscheinige Ar,spimentation
Freilich hieße es etwas zuviel verlangen, wollte man erwarten, daß
die mit der kommunistischen Doktrin aufgewachsenen Theoretiker nun das
etwas in Mitleidenschaft gezogene marxistische Konzept mit einem Male
ganz verleugnen würden. So wundert es denn auch nicht, daß das sowjetische Organ in breit angelegten Ausführungen versucht, den hohen Lebensstandard der amerikanischen Arbeiter mit den marxistischen Anschauungen
in Einklang zu bringen. Die Tatsache, daß mehr als 35 Millionen amerikanische Familien eigene Wagen haben, erklärt "Kommunist" zum Beispiel mit
dem Umstand, daß die meisten amerikanischen Arbeiter eine ziemlich weite
Anfahrt zur Arbeitsstätte zurückzulegen hätten. Auch die andere Tatsache,
daß 35 Millionen Familien Fernsehapparate besitzen, sucht man mit
marxistischen Gründen hinwegzuargumentieren, obwohl man zur gleichen
Zeit zugibt, daß Radio und Television für den Durchschnittsamerikaner
dieser Zeit fast von eben solcher Bedeutung seien wie die Zeitung am
Morgen.
Die sowjetische Zeitschrift unterläßt es freilich - was hätte man
auch anders erwarten können? -, ihren Lesern zu erklären,
wie
die
amerikanischen Arbeiter die Mittel zur Anschaffung und Unterhaltung
eigener Wagen aufbringen, und
wie
es kommt, daß so viele amerikani-
sche Arbeitnehmer so weite Anfahrten zu ihrer Arbeitsstelle zurückzulegen haben. In vielen Fällen kommt das doch nur daher, daß sich die betreffenden Arbeiter neue Häuser in Vorstädten und ländlichen Gemeinden
kauften. Immerhin kam "Kommunist" nicht um die Feststellung herum, daß
- 7-
'"AMERIKA DIENST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT
22. August 1956
daß zur Zeit ungefähr 60 Prozent aller amerikanischen Familien in
eigenen Häusern leben und daß die Anzahl der Eigentumswohnungen ständig zunimmt.
"Kommunist" macht Zugeständnisse
Die Möglichkeit, materielle Güter zu erwerben, sei aber nicht
der einzige Aspekt der amerikanischen Gesellschaft, fügt das sowjetische
Blatt etwas kleinlaut hinzu und macht darauf aufmerksam, daß man
sich gerade in letzter Zeit der Notwendigkeit gegenüber gesehen habe,
die Aus- und V/eiterbildungseinrichtungen der amerikanischen Arbeiter beträchtlich zu erweitern. Unbewußt wies "Kommunist" damit auf einen wichtigen Faktor in der heutigen amerikanischen Gesellschaft hin.
Die sowjetische Zeitschrift geht sogar so weit, all diejenigen
kommunistischen Wirtschaftler zu kritisieren, die, trotz der gegenteiligen Erfahrungen und Beweise, hartnäckig an der etwas aus der Mode gekommenen marxistischen Doktrin festhalten, daß der Reallohn der Arbeiter
in den sogenannten "kapitalistischen" Vereinigten Staaten Jahr für Jahr
absinke.
Doch "Kommunist" scheint die eben getadelten Wirtschaftler - und
sich selbst - dann auf der anderen Seite wieder mit der Bemerkung trösten zu wollen, daß die Zuwachsrate der mit den amerikanischen Arbeitskräften erzielten Geschäftsgewinne die Zuwachsrate der Reallöhne übersteige und so doch eine "relative" Ausbeutung der amerikanischen Arbeiter stattfinde. Dies Argument scheint jedoch nur vorgebracht worden sein,
um noch einen kümmerlichen Rest traditioneller kommunistischer Dogmatik
zu retten.
Die kommunistische Rechnung geht nicht auf
Die Redakteure der sowjetischen Zeitschrift haben, so scheint es,
sich außerdem noch einige Mühe geben müssen, ein paar der schlagendsten
Beweise unbeachtet zu lassen, sonst wäre ihnen aufgefallen, daß das
heutige tatsächliche Einkommen der Amerikaner - also nach Abzug der
Steuern und unter Berücksichtigung der Kaufkraftschwankungen - gegenüber 1955 um 6 Prozent angestiegen ist.
Wenn sie sich darüber hinaus noch die Mühe gemacht hätten, die
ihnen jederzeit zugänglichen Statistiken etwas genauer zu studieren,
so hätten sie feststellen müssen, daß in den letzten sechs Jahren das
wirklich zur Verfügung stehende Einkommen in den Vereinigten Staaten
- 8 -
"AMERIKA DIENST" - A'IRTSCHAFT UND ARBBIT
22. August 1956
Staaten ständig anstieg, und zwar von 229,5 Milliarden Dollar im
Jahre 1950 auf 270,6 Milliarden Dollar im Jahre 1955 • Die nach
Steuerabzug verbleibenden Gewinne der amerikanischen Firmen sanken
dagegen von 22,1 Milliarden Dollar im Jahre 1950 - übrigens der
höchsten jemals erreichten Gewinnquote - auf 21,1 Milliarden Dollar
im Jahre 1955«
Die soeben angeführten Zahlenvergleiche widerlegen auf das entschiedenste die Behauptung von der Ausbeutung der amerikanischen
Arbeiter - nenne man sie nun "absolut" oder "relativ".
* * * * *
AUS WISSENSCHAFT UND TECHNIK
DER KOMMERZIELLE ATOMREAKTOR IN SICHT?
Die USA haben zur Zeit 29 Reaktoren in Betrieb - 5 neue Reaktortypen wurden entwickelt
( 60 Zeilen)
V1SHIHGTOH - (AD) - Von den Vereinigten Staaten werden zur Zeit
insgesamt 29 Atomreaktoren betrieben, wie kürzlich von James A» Lane
vom Kernphysikalischen Institut der Amerikanischen Atomenergiekommission in Oak Ridge mitgeteilt wurde; 22 Reaktoren dienen Forschungs- und
Materialtestzwecken, während die restlichen 7
zur
Erzeugung elektrischer
Kraft eingesetzt werden.
James A. Lane wies bei dieser Gelegenheit darauf hin, daß Amerika
bei der Entwicklung neuer Techniken und Methoden den anderen Ländern
vorangegangen sei und es dadurch ermöglicht habe, neue und verbesserte
Reaktortypen herzustellen.
Reaktoren zur Elektrizitätsgewinnung - das Ziel
Gegenwärtig würden außerhalb der Vereinigten Staaten insgesamt
noch einmal 16 Atomreaktoren betrieben, wobei es sich um 15 Forschungsreaktoren und 1 Kraftstromreaktor handele. Das amerikanische Reaktorprogramm sei aber keineswegs darauf abgestellt, sagte Lane weiter, nun
auf schnellste Art und V/eise eine größere Anzahl von Reaktoren zur Erzeugung von Elektrizität in Betrieb zu setzen. Sein ursprünglicher Zweck
- 9-
"AMERIKA DIENST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT
22. August 1956
Zweck bestehe vielmehr darin, die Erfahrungen der einschlägigen Wissenschaftler und Techniker hinsichtlich Entwurf, Bau und Betrieb zu erweitern sowie eine Reihe neuer Reaktortypen zu entwickeln, die sämtlichen,
in allen Teilen der Welt an sie gestellten Anforderungen gerecht werden.
Das amerikanische Reaktorprogramm ziele mit Nachdruck darauf ab, die
friedliche Nutzung der Atomenergie sobald wie möglich sicherzustellen.
Der 7/eg zu diesem Ziel schließe immer neue Versuche und Entwicklungsarbeiten ein, sagte James A. Lane ferner, und das 1954 begonnene Programm
der Atomenergiekommission habe ursprünglich nur Entwicklung und Bau von
5 Reaktortypen vorgesehen, nämlich:
Druckwasserreaktor, Natrium-Graphit-
reaktor, Siedewasserreaktor, Schnellneutronen-Brutreaktor und Homogenreaktor.
Die Forschungen gehen weiter
Die unaufhaltsam fortgeführten Forschungen ermöglichten jetzt den
Bau von 3 weiteren Reaktortypen:
den Homogenreaktor mit U 235 in ver-
dünnter Lösung, den Reaktor mit organischer Flüssigkeit als Brems- und
Kühlmedium und den sogenannten Flüssigmetallreaktor.
Die Hauptmerkmale, die die einzelnen Reaktortypen unterscheiden,
leiten sich hauptsächlich von den verschiedenen nuklearen Brennstoffen
sowie den verschiedenen Kühlmittel und Moderatoren her, die zu deren
Betrieb herangezogen werden. Moderatoren nennt man diejenigen Materialien, die das Abbremsen der bei den Kettenreaktionen freiwerdenden
Neutronen bewirken.
Die Erfahrungen, die jetzt von der Atomenergiekommission mit den
8 Reaktortypen gesammelt werden, dürften, so glaubt man an zuständiger
Stelle sagen zu können, zu der Entwicklung von 1 oder mehreren Reaktoren
führen, die für die kommerzielle Kraftstromerzeugung unter Wettbewerbsbedingungen herangezogen werden können.
Die Aufgabe der Atomenergiekommission
Indem er auf die Frage der wirtschaftlichen Nutzung der Atomenergie
einging, erklärte Lewis L. Strauss, der Leiter der Atomenergiekommission,
vor gar nicht so langer Zeit:
"Wenn wir eine Anzahl verschiedener Reaktoren entwerfen, so geschieht
das nur, um diejenigen Typen ausfindig zu machen, die sich zur Herstellung
wirtschaftlich wettbewerbsfähiger Energie eignen - das heißt atomar gewonnene Energie, die mit der aus herkömmlichen Quellen gewonnenen Energie
wirtschaftlich konkurrieren kann.
- 10 -
Es
"AMERIKA DIENST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT
22. August 1956
Es ist unsere feste Überzeugung, daß wir unseren eigenen Interessen
und den Interessen der uns befreundeten Länder am besten dienen, wenn
wir weiter an der Vervollkommnung der Reaktortechnologie arbeiten, anstatt uns durch den Bau unwirtschaftlicher Reaktoren und dem damit
erforderlichen großen Geldaufwand das Erschließen neuer Forschungsgebiete unmöglich zu machen. '.Vir werden auch fernerhin jeden aussichtsreichen Reaktortyp bauen und ausprobieren - solange, bis wir den
sichersten und wirtschaftlichsten gefunden haben."
* * * * *
WELT DER ARBEIT
PENSIONSERHÖHUNGEN FÜR US-EISENBAHNER
(28 Zeilen)
WASHINGTON - (AD) - Präsident Eisenhower unterzeichnete kürzlich
ein Gesetz, das eine zehnprozentige Pensionserhöhung an aus dem Dienst
ausgeschiedene Bahnarbeiter vorsieht. Das Gesetz tritt rückwirkend mit
dem I.Juli 1956 in Kraft.
Eisenhower sagte bei der Unterzeichnung der Gesetzesvorlage, er
sei davon überzeugt, daß der US-Senatsausschuß für Arbeit und öffentliche Wohlfahrt sowie die Eisenbahnergewerkschaften in der nächsten
Sitzungsperiode des US-Kongresses zufriedenstellende Vorschläge zur
Deckung der durch die zehnprozentige Erhöhung der Ruhestandsgelder entstehenden Mehrausgaben machen würden.
Das Bundessozialprogramm für Bahnarbeiter und deren Familien, das
durch das Ruhestandsgesetz der Eisenbahner ermöglicht wurde, unterscheidet sich von dem allgemeinen und obligatorischen Bundessozialprogramm
dadurch, daß seine Beiträge und Leistungen entschieden höher liegen.
Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen zum Beispiel je 6,25$ Beitrag auf
Einkommen bis zu 550 Dollar pro Monat, während der Beitrag für das
obligatorische Bundessozialprogramm je 2$ von der Lohnsumme ausmacht.
Bereits jetzt weist das Ruhestandsgeldsystem der Eisenbahner ein
Defizit auf, und man erwartet, daß die durch das neue Gesetz zusätzlich
entstehenden Kosten noch einmal 83 Mio.Dollar pro Jahr betragen und das
Gesamtdefizit auf 169 Mio.Dollar pro Jahr steigern werden.
- 11 -
_.
4
"AMERIKA DIENST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT
22. August 1956
Die Höchstzahlungen auf Grund des neuen Gesetzes kommen insgesamt
298 OOO pensionierten Bahnarbeitern zugute, deren Monatsbezüge sich damit
von durchschnittlich 104,4 Dollar auf durchschnittlich 114,7 Dollar erhöhen. Witmen und sonstige Hinterbliebene, die bereits im Rahmen der allgemeinen und obligatorischen Sozialgesetzgebung Unterstützung empfangen,
bleiben von dieser Maßnahme ausgeschlossen.
* * * * *
ARBEITSFRIEDE IM NEW YORKER TRANSPORTGEWERBE
FÜR VIER JAHRE SICHERGESTELLT
(20 Zeilen)
NEW YORK - (AD) - Der New Yorker Ortsverband der Transportarbeitergewerkschaft stimmte mit einem Verhältnis von nahezu 2:1 für Gesamt-Lohnerhöhungen von 18,5 Cent pro Stunde. Man hofft, daß der Lohnvertrag, der
von den Beauftragten der 10 000 gewerkschaftlich organisierten Lastwagenfahrer und 1250 Arbeitgebern für einen Zeitraum von vier Jahren ausgehandelt und unterzeichnet wurde, den Arbeitsfrieden im New Yorker Transportgewerbe für diese Zeit sicherstellt. Bei der Wahl stimmten 135& Stimmberechtigte für und 756 gegen den am I.September 195° in Kraft tretenden
Vi erJahresvertrag.
Der Gesamtbetrag der Erhöhung um 18,5 Cent pro Stunde setzt sich aus
folgenden Einzelposten zusammen: 9 Cent an direkter Lohnerhöhung, 5,5 Cent
an Zuschüssen für einen Pensions- und 4 Cent für einen ärztlichen Betreuungsplan. Im übrigen konnten bei den Vertragsverhandlungen auch für die
Arbeitnehmer günstigere Senioritäts- und Urlaubsbedingungen erzielt werden.
• Der jetzt eingeführte Tarif sieht Stundenlöhne von 1,97 bis 2,41 Dollar
vor. Das bedeutet, daß ein Zugmaschinenfahrer auf Grund der neuen Bedingungen mindestens 100 Dollar pro 40-Stunden-Woche verdient und einen Anspruch
auf Pensionszahlungen in Höhe von 100 Dollar pro Monat erwirbt.
Die neuen Abmachungen enthalten unter anderem auch einen Passus, wonach neue Lohnverhandlungen frühestens 1958 wieder aufgenommen werden
können.
* * * * *
- 12 -