20161204 - Fachkräfteallianz Südwest

MENSCHEN UND MÄRKTE 19
Der Sonntag · 4. Dezember 2016
Größte Solaranlage im Kreis
Auf der ehemaligen HAUSMÜLLDEPONIE Herten wird ab 2017 grüner Strom erzeugt
Man könnte es als die größte Recycling-Maßnahme
im Landkreis Lörrach bezeichnen: Mit drei Megawatt Leistung wird die neue
Solaranlage auf der alten
Hausmülldeponie in Rheinfelden-Herten die größte
der Region. Auf den Ruinen
der Wegwerfgesellschaft
entsteht die erneuerbare
Energie der Zukunft.
FÖRDERUNG
Landräte schreiben für Landwirte
Erneut wenden sich neun südbadische Landrätinnen und
Landräte – unter ihnen Marion Dammann – in einem Schreiben
an das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz
in Stuttgart, um auf die Probleme in der Bearbeitung landwirtschaftlicher Förder- und Ausgleichsgelder hinzuweisen.
Hintergrund ist, dass sich die Befürchtungen, nach denen
eine fristgerechte Auszahlung der Leistungen massiv gefährdet
ist, bestätigen. Die Landwirte treffen diese Verzögerungen
zu einer ungünstigen Zeit, da die Betriebe in diesem Jahr wegen
DS
niedriger Erzeugerpreise unter Druck stehen.
Schopfheimer Glaser
wird zum Landesbesten
BORIS BURKHARDT
Nicht ganz so pathetisch aber
durchaus euphorisch beurteilten die drei beteiligten Bürgergenossenschaften Elektrizitätswerke Schönau (EWS), Bürgerwindrad Blauen und Bürgersolar
Hochrhein diese Woche beim
Pressetermin ihre Solaranlage,
die noch 2016 in Betrieb gehen
soll. „Es ist etwas Besonderes,
dass drei Genossenschaften so
gut zusammenarbeiten“, sagte
EWS-Geschäftsführer
Tobias
Tusch. Seine beiden Partner sind
jeweils zu 25 Prozent beteiligt.
Und Peter Schalajda von Bürgerwindrad Blauen gesteht: „Wir
sind mächtig stolz, dass wir dabei sind und es geschafft haben.“
Geschafft haben – das bezieht
sich vor allem auf die Frist bis
Jahresende: Bis dahin muss die
Anlage fertiggestellt sein und
Strom produzieren, weil nach einer Gesetzesnovelle des Erneuerbare-Energien-Gesetz
(EEG)
sonst eine internationale Ausschreibung nötig wird, die laut
Schalajda 20 bis 30 Prozent der
Vergütung kosten würde. Eine
Gesetzesänderung mit Grüßen
von den großen Energiekonzernen, wie die Genossenschaftler
anklingen lassen.
Dagegen soll in Herten eine
Stromproduktion „von unten“
verwirklicht werden. Dafür
nimmt Josef Pesch, Solarprojektleiter bei EWS, auch chinesische
und taiwanesische Bauteile in
Kauf, was nicht unumstritten
war. Das Ziel sei es gewesen, alles
KURZ GEFASST
Maximilian Meier gewinnt BUNDESWETTBEWERB
Mit Blick auf den Ortskern von Kaiseraugst entsteht auf der ehemaligen Deponie Herten die größte Solaranlage des Landkreis Lörrach. Derzeit werden die Gestelle der Anlage installiert.
möglichst lokal zu machen, erklärt er: „Aber im Notfall bin ich
ganz pragmatisch.“ Bei der großen Menge sei es schwierig gewesen, alle Komponenten von
deutschen Firmen zu erhalten;
und zum Beispiel Wechselrichter aus China schnitten im Test
besser ab als deutsche.
Der Zeitdruck erforderte eine
Umsetzung des Projekts in kürzester Zeit: So wurde erst im
Sommer dieses Jahres ein neuer
Bebauungsplan „Am Rhein“ aufgestellt, der notwendig für die
Baugenehmigung war. Alle Beteiligten dankten deshalb mehrmals der Stadt Rheinfelden als
Genehmigungsbehörde
und
dem Landkreis Lörrach als
Grundstückseigner für die konstruktive Zusammenarbeit. In
der zurückliegenden Woche
wurden die Gestelle für die Solaranlage aufgerichtet; das Fundament muss vorsichtig gelegt
werden, um die unter der Erde
liegende Folie der Deponie nicht
zu beschädigen.
–
Strom für 1500 Haushalte
–
11 319 Solarmodule mit je 60 Zellen wird die Anlage haben; jedes
ist 1 mal 1,6 Meter groß. 1300
Haushalte wollen die EWS und
ihre Partner laut Pesch mit der
Solaranlage mit Strom versorgen. Die drei Millionen Kilowattstunden der Anlage stellt der Solarspezialist den rund 1,5 Milliarden Kilowattstunden Jahresverbrauch im Landkreis gegenüber,
um zu belegen, dass der Strom
regional verbraucht und keine
Speicherung nötig sein werde.
Außerdem werde der Strom direkt in die vorhandene Leitung
eingespeist, die entlang der Deponie verläuft.
Für die Stromaktivisten war es
eine einmalige Gelegenheit, so
eine große Fläche zu finden. „Das
wird die größte Anlage im Landkreis für alle Zeiten sein“, sagt
Pesch. Hinzu komme, dass das
Grundstück als Altlast für nichts
anderes habe verwendet werden
können. Und, um dem Gedankenspiel vom Beginn noch einen
draufzusetzen, versprechen sich
die Verantwortlichen auch ein
Biotop vor allem für Vögel und
Eidechsen auf der Anlage. 25 bis
30 Jahre lang werde sich die Natur auf dem Grundstück ungestört entwickeln können, sagt
Pesch. So lange ist die Betriebsdauer der Anlage vorgesehen.
Vom frisch gebackenen Gesellen
zum Landes- und Bundessieger
in seinem Metier: Maximilian
Meier aus Lörrach, der im
Schopfheimer Schreiner- und
Fensterbauunternehmen H. Itzin als Glaser arbeitet, überzeugte mit seinem Gesellenstück bei
beiden Leistungswettbewerben
in der Fachrichtung Fenster- und
Glasfassadenbau.
„Die Leistung kommt nicht
nur von mir allein, denn wenn
nicht die Menschen um mich
mir alles beigebracht hätten, wäre ich nie so weit gekommen“,
konstatiert der 21-Jährige bescheiden. Ein zweiflügeliges
Fenster mit Sprossen war es, das
den in Hauingen wohnenden
Handwerker zum Gesellen und
dann zum Wettbewerbsersten
machte. Die Freisprechung, also
der feierliche Abschluss seiner
Ausbildung, erfolgte zum 1. September. An seinem Gesellenstück arbeitete er eine Woche
lang im Betrieb, dann ging es für
ihn als Vertreter der Handwerkskammer Freiburg, an der er
Kammersieger geworden war, an
Richtig Fahrt aufgenommen
Mit einer unkomplizierteren Projektförderung soll es in der FACHKRÄFTEALLIANZ SÜDWEST voran gehen
Mit 26 Mitgliedern als institutionelle Partner der Landkreise Lörrach und Waldshut ist die Fachkräfteallianz Südwest eine der
größten ihrer Art. Und habe sich
nun, im dritten Jahr ihres Bestehens, nicht nur etabliert, sondern richtig Fahrt aufgenommen, sagte Landrätin Marion
Dammann in einem Pressegespräch anlässlich der Vollversammlung der Allianz. Nun gibt
es leichte Veränderungen in der
Struktur und der Finanzierung –
die die Arbeit aber erleichtern
sollen.
Bislang wurde die Stelle der
Projektmanagerin – die Gudrun
Gempp im März 2016von Carolina Bahamondes Pavez übernahm – zur Hälfte vom Land, zur
anderen Hälfte von den beiden
Kreisen übernommen. Künftig
sollen Landesmittel in ähnlicher
Höhe (rund 35 000 Euro pro
Jahr) fließen, um damit Veranstaltungen und Aktionen zu fördern, sagte Dominik Schulze
vom Wirtschaftsministerium erklärte. Diese Förderung werde
sehr unkompliziert werden und
deutlich weniger Dokumentationsaufwand beinhalten als jetzt,
freute sich Gudrun Gempp. Drei
Arbeitsgruppen gibt es bei der
Fachkräfteallianz Südwest. Eine
widmet sich dem Beim IT-Beterich auf 100
reich Schule und Beruf
ausgeschriebene Stellen
und werde nun verstärkt
nur 25 Bewerber, sagt
einen Schwerpunkt auf
Schulze. Eckert berichtedie Berufsorientierung
te von 3 000 offenen
von Schülern setzen, erStellen im Bezirk der Arklärte Horst Eckert von
beitsagentur
Lörrach
der Arbeitsagentur Lörund 200 offene Lehrstelrach.
len. Hinzu käme rund
In der zweiten Arbeitsein weiteres Drittel an
gruppe werden Ideen
offenen Stellen, die der
ausgebrütet, wie FachAgentur erst gar nicht
kräfte für die Region gegemeldet würden: „Es
wonnen werden können.
fehlen viele ArbeitskräfSei es aus ganz Deutschte und junge Menschen,
land, aber auch aus Spadie eine Ausbildung starnien, Frankreich und Itaten wollen.“
lien. Zudem beschäftigt
Dem will man dasich diese Gruppe mit
durch begegnen, dass
dem Thema „Arbeiten
sich die Fachkräftealli4.0“, also der Zukunft der
anz, die nun eine stabile
Arbeit in einer digitali- Die Integration von Flüchtlingen auf den Arbeits- Struktur hat, stärker auf
sierten Welt. Gerade die markt ist ein wichtiges Thema für die Fachkräfte- die inhaltliche Arbeit
FOTO: DPA konzentrieren
Zusammenarbeit
der allianz Südwest.
kann.
Fachkräfteallianz
mit
Und durch das daraus
Spanien sei vorbildlich, erklärte Horst Eckert. Dazu gebe es nun entstandene Netzwerk. Dies soll
Dominik Schulze. Davon könn- beispielsweise Merkblätter für laut Gudrun Gempp eben kein
ten andere Allianzen und auch alle Arbeitgeber, die Flüchtlinge lockerer Zusammenschluss sein,
das Ministerium lernen. Der einstellen wollen, ergänzte der sondern sichvor allem durch seifachliche Austausch untereinan- Waldshuter Landrat Martin Kist- ne Verbindlichkeit auszeichnen.
KATHRIN GANTER
der ist ein wichtiger Aspekt.
ler. Diese können auf der HomeDie dritte Gruppe befasst sich page der Allianz heruntergelamit dem Thema Migration und den werden.
> WEITERE INFORMATIONEN
Integration. Geflüchtete sollen
Der Fachkräftemangel sei zur Allianz und ihren Projekten
möglichst rasch in den Arbeits- nach wie vor ein konstant großes gibt es unter www.fachkraefteallimarkt integriert werden, so Problem. So kämen zum Beispiel anz-suedwest.de.
Bester Glaser Deutschlands: Maximilian Meier aus LörrachFOTO: ADS
die Gewerbliche Akademie für
Glas-, Fenster- und Fassadenbau
in Karlsruhe. Dort hatte er zwölf
Stunden Zeit, um unter den Augen der dreiköpfigen Jury sein
Werk fertig zu stellen.
Gegen wie viele Mitbewerber
aus den Handwerkskammern in
Baden-Württemberg er sich
durchsetzte, weiß Maximilian
Meier nicht. Allerdings überzeugte er die Jury derart, dass er
mit 253 von 300 Punkten den
Landeswettbewerb gewann und
zum Bundeswettbewerb nach
Münster weiter gereicht wurde.
Auf Bundesebene gab es in
diesem Jahr zwei Bewerber, die
um den Rang des landesbesten
Glasers buhlten. Eine geringe
Anzahl, denn wie vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) in Berlin zu erfahren ist, sei es üblicherweise so,
dass jedes der 16 Bundesländer
seinen Landessieger zum Wettbewerb schicke. Vermuten kann
man dort nur, dass sich auf Landesebene weniger Handwerker
als sonst für den Bundeswettbewerb qualifizierten.
Nichtsdestotrotz aber hat Maximilian Meier Grund zur Freude. Für den 21-Jährigen stand
schon während des Realschulbesuchs in Steinen fest, dass er im
Handwerk tätig sein möchte. „In
Mathe und Technik war ich immer gut“, sagt der bescheidene,
aber ehrgeizige Glaser. Durch
ein Praktikum bei H. Itzin lernte
er seinen späteren Ausbildungsbetrieb aufmerksam.
Über den Erfolg ihres früheren
Azubis freut sich auch Firmeninhaber Bernd Itzin, der klar
macht, dass dem jungen Mann
im Betrieb Aufstiegsmöglichkeiten geboten werden sollen. Wie
es für ihn auf Wettbewerbsebene
weitergehen und ob er europaweit als Glaser antreten wird,
weiß Maximilian Meier derzeit
nicht. Als nächstes steht für ihn
am Samstag, 10. Dezember, die
Ehrung als Bundessieger in
Münster an. Am Freitag, 16. Dezember, wird er dann im Rahmen einer Feierstunde der
Schreinerinnung Lörrach geehrt. Mit Fabian Ackermann aus
Zell-Pfaffenberg, der in Wieden
gelernt hat und beim Bundeswettbewerb der besten Schreinergesellen mit einem modernen Schaukelpferd die Goldmedaille gewann, kann sich dort ein
weiterer Preisträger aus der Innung freuen. ADRIAN STEINECK