BLICK IN DEN NORDEN FREITAG Hunderte Schweine verenden in Flammen KOMPAKT Not-OP: Ärzte retten Vierjährige Großeinsatz mit 141 Feuerwehrleuten Von Matthias Röhrs und Guido Menker Paar gibt Mädchen in Praxis ab und flieht HAMBURG � Ein Paar soll nach Medienberichten ein lebensgefährlich verletztes Kind in einer Hamburger Notfallpraxis abgegeben haben und dann verschwunden sein. Das vier Jahre alte Mädchen konnte demnach durch eine Notoperation gerettet werden. Die Mitarbeiter der Notfallpraxis hätten am Sonntag angesichts der schweren Verletzungen sofort die Polizei alarmiert. Bevor die Beamten kamen, habe das Paar bereits die Praxis verlassen. Polizei und Staatsanwaltschaft wollten sich zu dem Fall und zu den Hintergründen gestern nicht äußern. Mehrere Fälle von schwerer Kindesmisshandlung hatten Hamburg in den vergangenen Jahren erschüttert. Die elfjährige Chantal war 2012 an einer Überdosis Methadon gestorben; die Heroin-Ersatzdroge war für ihre Pflegeeltern gedacht. Die dreijährige Yagmur überlebte 2013 die Misshandlungen durch ihre Mutter nicht. Zwei Jahre später soll ein 27-Jähriger seinen einjährigen Stiefsohn Tayler zu Tode geschüttelt haben. Im November vergangenen Jahres hatten Ärzte durch eine Notoperation das Leben eines neun Monate alten Babys aus dem Stadtteil Osdorf gerettet. Die Eltern stehen unter Verdacht, den kleinen Deljo beinahe zu Tode geschüttelt zu haben, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. � dpa „Reichsbürger“ verletzt Polizisten SÖGEL/HANNOVER � Ein sogenannter Reichsbürger hat in seiner Wohnung im emsländischen Sögel sechs Polizeibeamte mit Pfefferspray leicht verletzt. Laut Polizeiangaben waren die Beamten zu der Wohnung des polizeibekannten 42-Jährigen gefahren, weil gegen ihn ein Haftbefehl vorlag. Als die Beamten ihn an der Flucht hindern wollten, zielte er mit Pfefferspray auf sie. Auch der 42-Jährige wurde verletzt und kam ins Krankenhaus. In der Wohnung fand sich eine geladene Schreckschusspistole. Innenminister Boris Pistorius (SPD) verurteilte den Angriff. Von den „Reichsbürgern“ gehe eine hohe Gefahr aus. � dpa GEWINNQUOTEN Lotto Gewinnklasse: 1: Jackpot: 2: Jackpot: 3: 4: 5: 6: 7: 8: 9: unbesetzt 1 341 365,00 EUR unbesetzt 777 744,40 EUR 28 x 13 888,20 EUR 203 x 5 746,80 EUR 1 372 x 283,40 EUR 13 024 x 59,70 EUR 31 863 x 24,40 EUR 284 743 x 12,20 EUR 272 121 x 5,00 EUR Spiel 77 Gewinnklasse: 1: unbesetzt Jackpot: 1 692 216,90 EUR 2: 4 x 77 777,00 EUR 3: 24 x 7 777,00 EUR 4: 181 x 777,00 EUR 5: 2 128 x 77,00 EUR 6: 21 864 x 17,00 EUR 7: 186 470 x 5,00 EUR KENO Ziehung vom 17. November: 6, 12, 13, 17, 22, 27, 28, 29, 30, 31, 33, 35, 36, 37, 38, 47, 59, 64, 68, 69 Plus 5: 3 2 7 4 4 (Angaben ohne Gewähr) 18. NOVEMBER 2016 H5N8: Immer mehr Landkreise ordnen Stallpflicht an Um die Nutztierbestände vor einer Infektion mit dem hochansteckenden Vogelrippevirus H5N8 zu schützen, muss ab morgen auch im Kreis Gifhorn das Geflügel in den Stall. Zuvor war bei einer im Nachbarkreis Peine gefundenen Wild- ente der Erreger nachgewiesen worden. Bislang seien in diesem Jahr rund 870 Wildtiere untersucht worden, davon allein im November 170, sagte die Sprecherin des Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Hiltrud Schrandt, gestern. Unterdessen gab der Landkreis Stade bekannt, dass die zwei toten Bussarde und eine Wildente, die am Wochenende gefunden worden waren, nicht mit dem Vogelgrippevirus infiziert waren. Inzwischen gilt in mehr als der Hälfte der Landkreise in Niedersachsen die Stallpflicht. Mehrere Länder Europas und Asiens sowie Südafrika haben Einfuhrsperren für Geflügel und Geflügelerzeugnisse aus Deutschland verhängt. � Foto: dpa Welfen haben an „Arisierung“ kräftig mitverdient Untersuchung: Akten aus Familienarchiv belegen Verstrickung mit NS-Geschichte Von Christina Sticht HANNOVER � „Mein Sohn, Dr. Lothar Elbogen, dessen Firma Sie, königliche Hoheit arisieren, befindet sich nun seit einem Jahr in Haft“, schreibt Melanie Elbogen am 4. Juli 1939 an Herzog Ernst August, den Chef des Welfenhauses. „Ich bitte Sie, flehntlichst, königliche Hoheit, geben Sie mir mein Kind wieder.“ Der Hilferuf der Mutter des rechtmäßigen Eigentümers der Wiener Talkumfabrik blieb ungehört. Der Brief befindet sich im vor einem Jahr geöffneten Familienarchiv des Hauses Hannover. Nach Ausstrahlung einer NDR-Dokumentation über die „dunklen Geschäfte der Welfen“ in der Nazi-Zeit hatte Ernst August von Hannover (33) mehr als 3 200 Akten zu Forschungszwecken dem niedersächsischen Landesarchiv überlassen. „Meines Erachtens muss sich jede Familie – insbesondere diejenigen, die in dieser Zeit Unternehmen geführt haben oder Teil des öffentlichen Lebens waren – ihrer NS-Geschichte stellen“, sagt der in London aufgewachsene Repräsentant des Welfenhauses. „Auch deshalb war es mir ein persönliches Anliegen, hier eine umfassende und professionelle Aufarbeitung zu ermöglichen. Es geht mir dabei vor allem um Glaubwürdigkeit und Transparenz.“ Seit Ende 2015 untersuchen junge Historiker der Unis Hannover, Göttingen und Bremen die NS-Geschäfte der Welfen und haben dazu auch Akten aus anderen Archiven in Deutschland, Österreich und den USA hinzugezogen. Bislang konnte nachgewiesen werden, dass Ernst August (1887 bis 1953) an neun „Arisierungen“ – also der Entrechtung und gewaltsamen Verdrängung von Juden aus dem Geschäftsleben – beteiligt war. Nur die drei bedeutendsten Fälle waren der Forschungsliteratur zuvor bekannt. Außerdem geht aus dem Welfenarchiv hervor, dass der auf Schloss Blankenburg im Harz residierende Herzog 1939 einen Rüstungsbetrieb im österreichischen Wels gründete, wo im Verlauf des Krieges immer mehr Zwangsarbeiter eingesetzt wurden. „Mit seinen Geschäften hat sich Ernst August am NS-Un- zeugungstäter waren“, erläutert die Professorin für Zeitgeschichte an der Uni Hannover. Der letzte regierende Herzog der Welfen war nach der Novemberrevolution 1918 ins österreichische Exil gegangen. 1924 erhielt er mehrere Besitztümer vom Land Braunschweig zurückerstattet, die es – samt Personal – zu unterhalten galt. Zu Beginn der NS-Zeit hatte er vor Gericht gegen den Preußischen Staat eine Entschädigungssumme von 5,75 Millionen Reichsmark erstritten. Anders als die Mehrzahl der Hochadeligen setzte er bei der Anlage dieses Geldes nicht nur auf Land- und Forstwirtschaft, sondern auf Aktienbesitz oder direkte Beteiligungen an Unternehmen der Industrie und Finanzwirtschaft. Pläne für einen Konzern, der in der Nachkriegszeit aufgebaut werden sollte, zeigt eine Skizze aus dem Familienarchiv. Die vom Schloss Marienburg bei Hannover ins Landesarchiv verlegten Familienakten sollen nach Projektab- schluss auch für andere Wissenschaftler zugänglich sein. Sie sind interessante Quellen: „Wir haben kaum vergleichbare Studien zu vermögenden Familien, allenfalls zu Unternehmerfamilien liegt Forschung vor“, sagt Rauh. Welche Konsequenz zieht der junge Ernst August aus den bisherigen Forschungsergebnissen? „Zunächst einmal hilft es mir und meiner Familie, die in der damaligen Zeit getroffenen Entscheidungen besser verstehen und einordnen zu können“, sagt der 33-Jährige. Sein Vater Ernst August, der Ehemann von Professorin Cornelia Rauh Prinzessin Caroline, hatte schaute ins Welfen-Archiv. schon in den 1990er-Jahren recht beteiligt“, sagt Projekteine Aufarbeitung angekünleiterin Cornelia Rauh. Dabei digt. gibt es bisher keine konkreDirekt nach dem Krieg ten Hinweise auf eine antiseherrschte bei den Welfen wie mitische Einstellung, eine bei den meisten Deutschen Parteizugehörigkeit oder gar eine Schlussstrich-Mentalität. eine politische FührungsIn der britischen Besatzungsfunktion des Welfenoberzone wurde die Entnazifiziehaupts. „Viele Deutsche und rung nicht so rigoros verÖsterreicher haben sich am folgt, wie – zumindest anRaubzug zulasten jüdischer fänglich – in der amerikaniUnternehmer beteiligt, ohne schen. In seinem Spruchkamdass sie der NSDAP angehörmerverfahren 1949 in Sprinten oder ideologische Überge bei Hannover stellte Herzog Ernst August sein Mitwirken an der Enteignung von Juden als normale geschäftliche Transaktion dar. Die Kammer folgte dieser damals gängigen Argumentation und stufte ihn – auch weil er kein Mitglied der NSDAP war – als „entlastet“ ein. Zwischen 1946 und 1965 gab es vor ordentlichen Gerichten zudem zehn Restitutionsverfahren, in denen über den Entschädigungsanspruch der jüdischen Eigentümer oder ihrer Erben entschieden wurde. An einigen im Zuge der „Arisierungen“ erlangten Unternehmen blieb das Adelshaus sogar noch eine Zeit lang beteiligt. Ernst August Prinz von Hannover hat das Familienarchiv der Welfen „Es wird noch zu klären sein, wie das funktioniert hat“, für die Wissenschaft geöffnet. � Fotos: dpa sagt die Historikerin. � dpa Adlige als Hitlers Helfer Viele Adlige setzten schon zu Beginn der NS-Diktatur auf Adolf Hitler. Stephan Malinowski beschreibt in seinem Buch „Vom König zum Führer“, wie im Kaiserreich die Annäherung an rechtsradikale Bewegungen beginnt und Adlige bald in der NS-Bewegung mitwirken. Hintergrund ist nach seiner Analyse auch der politische und soziale Niedergang der früheren Elite. Kaum eine bekannte adelige Familie – besonders aus dem preußisch-protestantischen Milieu – blieb ohne Eintritt in die NSDAP. Die Widerstandskämpfer rund um Claus Schenk Graf von Stauffenberg, die am 20. Juli 1944 das Hitler-Attentat verübten, waren allerdings auch zum größten Teil Adlige. Karina Urbach beschreibt in ihrem kürzlich auch auf Deutsch erschienenen Buch „Hitlers heimliche Helfer“, dass sich Aristokraten als Geheimdiplomaten in den Dienst des NS-Regimes stellten. Anhand bisher unveröffentlichter Quellen zeigt die Historikerin, wie Prinzen und Herzöge mit Hilfe ihrer verwandtschaftlichen Beziehungen über Ländergrenzen hinweg agierten und sogar Mitglieder des britischen Königshauses für den Nationalsozialismus gewannen. � dpa VISSELHÖVEDE-HÜTTHOF � Es ist auch für die 141 Feuerwehrleute kaum zu fassen, was sich da am späten Mittwochabend auf einem Hof in Visselhövede-Hütthof im Landkreis Rotenburg abspielt: Ein Schweinestall steht lichterloh in Flammen – und in dem Gebäude befinden sich Hunderte von Tieren. Sie schreien um ihr Leben, als nach und nach brennende Teile der Zwischendecke und auch des Daches auf sie herunterfallen. Die Hitze ist unerträglich. Am Tag danach ist klar: Mehr als 300 Tiere überleben diese Nacht nicht. Gegen 21.30 Uhr geht der Notruf bei der Leitstelle ein, ein Visselhöveder Feuerwehrmann ist zufällig in der Nähe und trifft früh am Einsatzort ein. Aufgrund seiner Einschätzung wird kurz darauf der Großalarm ausgerufen. Neun Ortsfeuerwehren inklusive der Leiterwagen aus Rotenburg und Walsrode machen sich auf den Weg nach Hütthof. Ein Einrücken in das Gebäude der Feuerwehrkräfte sei laut Dennis Preißler, Sprecher der Feuerwehr im Brandschutzabschnitt Rotenburg, unmöglich. Aufgrund des Wellblechdachs können die Flammen zunächst nicht nach oben ausbrechen, das Feuer wütet zunächst nur innerhalb des Gebäudes. So gut es geht versuchen die Einsatzkräfte, von draußen Herr der Lage zu werden. Etwa eine halbe Stunde nach dem Eintreffen der Feuerwehren stoßen die Flammen laut Preißler schließlich durch das Dach, der Stall ist von diesem Zeitpunkt an nicht mehr zu halten. Es gehe eigentlich nur noch darum, ein Ausbreiten der Flammen auf angrenzende Gebäudeteile zu verhindern, sagt Preißler. Die Feuerwehren geben ihr Bestes – können aber nur noch wenige Tiere befreien. Ferkel, Kühe und Kälber aus den benachbarten Ställen können laut dem Feuerwehrsprecher evakuiert werden. Bereits mehrere hundert Meter vor dem Hof verlegen die Kräfte jede Menge Schläuche, um das erforderliche Löschwasser herbeizuschaffen. Dessen Versorgung sei unzureichend gewesen – etwa zwei Kilometer Schläuche müssen sie laut Preißler verlegen, um zusätzliches Wasser aus naheliegenden Gewässern wie der Vissel an den Einsatzort zu schaffen. Gegen 1 Uhr bekommt die Feuerwehr die Flammen schließlich unter Kontrolle. 134 Schweine wurden gestern Mittag in Bremen notgeschlachtet. Die Brandexperten der Polizei nahmen die Ermittlungen auf. Auch einen Gutachter zogen die Beamten hinzu. Allerdings sei mit Ergebnissen laut Polizeisprecher Heiner van der Werp nicht vor heute Mittag zu rechnen. Die Beamten schätzen die Schadenssumme auf mehrere 100 000 Euro. Großeinsatz für die Wehren im Landkreis Rotenburg: In einem brennenden Stall verenden mehr als 300 Schweine. � Foto: Menker Land will Inklusion an Schulen voranbringen Beratungszentren sollen „Schwungräder“ sein HANNOVER � Niedersachsen will die Inklusion an seinen Schulen organisatorisch und pädagogisch weiter voranbringen. Im kommenden Jahr werde unter anderem mit dem flächendeckenden Aufbau eines Beratungs- und Unterstützungssystems zur Umsetzung der inklusiven Schule begonnen, sagte Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) gestern in Hannover. Zudem sei ein neuer Erlass „Die Arbeit in der inklusiven Schule“ in Vorbereitung. Das Konzept der Inklusion beschreibt eine Gesellschaft, in der jeder Mensch akzeptiert wird und gleichberechtigt und selbstbestimmt an dieser teilhaben kann. Das geschieht unabhängig von Geschlecht, Alter oder Herkunft, von Religionszugehörigkeit, Bildung und von eventuellen Behinderungen. In Niedersachsen wurde die inklusive Schule verbindlich zum Schuljahresbeginn 2013/ 14 eingeführt. Sie ermöglicht allen Schülerinnen und Schülern einen barrierefreien und gleichberechtigten Zugang zu den Schulen. Eltern von Schülerinnen und Schülern, die eine sonderpädagogische Unterstützung brauchen, können wählen, ob ihr Kind die allgemeine Schule oder eine Förderschule besuchen soll. Im vergangenen Jahr hatte der Landtag ein „Rahmenkonzept Inklusive Schule“ auf den Weg gebracht. Sie sei mit dem Start der Inklusion „durchaus zufrieden“, sagte Heiligenstadt. Es sei inzwischen in vielen Schulen normal, dass Schüler mit und ohne Behinderung gemeinsam lernten. Ihr sei aber auch bewusst, „dass es noch Nachsteuerungsbedarf gibt“, fügte die Ministerin hinzu: „Mit dem Rahmenkonzept gehen wir jetzt Schritt für Schritt weiter in dem komplexen Prozess der Inklusion und machen uns sozusagen an den Feinschliff.“ Die regionalen Beratungsund Unterstützungszentren inklusive Schule dienten dabei als „Schwungräder“, um die Inklusion in den Schulen weiter auszugestalten. Ziel sei es, dass spätestens zum Schuljahr 2020/2021 in allen Kommunen neue Zentren bereitstünden. � epd
© Copyright 2024 ExpyDoc