Das Leser-Forum - Deutsches Ärzteblatt

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Das Leser-Forum
gen“ wären nicht schlecht. Die Lösung:
Fünf bis acht Prozent der Ärztinnen und
Ärzte in der Facharztweiterbildung sollen zu
„Clinician Scientists“ qualifiziert werden
und als „nichtärztlich Tätige differenzierte
Entwicklungsmöglichkeiten“ bekommen.
Die Idee, jungen, ambitionierten Ärzten zu
ermöglichen, selbst ganzzeitlich zu forschen, ist begrüßenswert, aber das wissen
wir schon lange. Dass die fünf bis acht Prozent Freigestellten weder die „Dominanz
Alles nichts ohne Geld
der Versorgungsaufgaben“ noch die nichtakademische Ausrichtung der Unikliniken
Die Analyse der Universitätsmedizin durch
den Wissenschaftsrat hat ergeben, dass eine zu beseitigen vermag, liegt jedoch auf der
Hand. Die wichtigste Forschungsaufgabe
„zunehmende Dominanz der Versorgungsaufgaben und eine Marginalisierung der aka- einer Uniklinik ist die klinische Forschung,
die zweitwichtigste die translationale Fordemischen Zielsetzung“ bestehen. Geld
schung – also die unmittelbare Übertragung
fehlt, aber „Geld ist nicht alles“, heißt es
weiter, auch „verbesserte Rahmenbedingun- von Erkenntnissen der Grundlagenfor-
HOCHSCHULREFORM
Der Wissenschaftsrat mahnt in seinen jetzt vorgelegten „Perspektiven der Universitätsmedizin“ nicht nur eine finanzielle Stärkung der
Hochschulmedizin an, sondern strukturelle Reformen, unter anderem den Aufbau von „Profilbereichen“ (DÄ 45/2016: „Hochschulmedizin –
Experten sehen Reformbedarf“ von Dr. Eva
Richter-Kuhlmann).
schung in die klinische Wirklichkeit. Beides geht nur, wenn ausreichend viele Patienten in den Unikliniken behandelt werden.
Da es kaum eine Erkrankung gibt, bei der
wir genug wissen und alles nur noch Routine ist, würde die klinisch ausgerichtete Forschung praktisch allen Patienten zugutekommen. Um klinische Forschung betreiben zu können, braucht man nicht nur genug Patienten, sondern auch genug Ärzte,
jedenfalls mehr Ärzte als in Versorgungskrankenhäusern, in denen nicht geforscht
wird. Leider ist es Realität in den meisten
deutschen Unikliniken, dass man die personelle Ausstattung den finanziellen Gegebenheiten anpasst und diese den Versorgungskliniken angleicht. Denn die Bezahlung klinischer Leistungen in Unikliniken
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entspricht 1:1 der Vergütung in Versorgungskrankenhäusern, so dass zusätzliches,
ärztliches (Forschungs-)Personal nicht finanzierbar ist. Dadurch ist nur noch Versorgung, mitnichten Forschung möglich.
Erste Erfahrungen mit der Freistellung eines
Arztes für ein Jahr Forschung decken ein
weiteres Problem auf. Die frei gewordene
Stelle soll für ein Jahr durch eine/n andere/n
Ärztin/Arzt besetzt werden. Wenn man einem Bewerber heutzutage eine einjährige
Arbeitsstelle anbietet, erntet man mit hoher
Wahrscheinlichkeit eine Ablehnung – durchaus verständlich, Flexibilität hin oder her.
Denn jeder Mensch wünscht sich eine Perspektive, ein Einjahresvertrag stellt keine
Perspektive (auf Verlängerung) dar.
Wenn der Vorschlag des Wissenschaftsrates
beinhaltet, dass eine Aufstockung des ärztlichen Personals um (mindestens) fünf bis
acht Prozent beabsichtigt ist, muss endlich
akzeptiert werden, dass in Unikliniken
mehr Ärzte als in Versorgungskrankenhäusern arbeiten. Wer soll das eigentlich finanzieren? Dass sich die Krankenkassen weigern, die Mehrkosten zu übernehmen, dürfte hinreichend bekannt sein. Dass Verwaltungen und Leitungen der Unikliniken nur
so viele Ärzte beschäftigen können, die sie
auch bezahlen können, ist ebenso verständlich. Jeder weiß es, dass die Landeszuschüsse für die Lehre dafür gebraucht werden, Ärzte zu beschäftigen, die mehrzeitlich Patientenversorgung betreiben.
Freistellung für die Lehre wäre ein ähnlich
sinnvoller Schritt, um die Studentenausbildung zu verbessern. In den USA werden in
den meisten Unikliniken nicht nur junge
Ärzte, sondern auch Dozenten und Professoren mindestens monatsweise „freigestellt“ – d. h. dass in dieser Zeit ihre Hauptaufgabe die Lehre ist, nicht die Patientenversorgung. Davon können wir aber in
Deutschland weiterhin nur träumen . . .
Dass Ärzte für Forschung und/oder Lehre
nicht freigestellt werden, scheitert, nicht an
unserer mangelnden Bereitschaft sondern
an der fehlenden Finanzierung. Ideen und
gute Absichten haben wir genug, aber Geld
scheint doch „alles“ zu sein . . .
Prof. Dr. med. Dr. h. c. Serban-Dan Costa, Magdeburg
Die Redaktion veröffentlicht keine ihr anonym zugehenden Zuschriften, auch keine Briefe mit fingierten
Adressen. Alle Leserbriefe werden vielmehr mit
vollem Namen und Ortsangabe gebracht. Nur in
besonderen Fällen können Briefe ohne Namensnennung publiziert werden – aber nur dann, wenn
der Redaktion bekannt ist, wer geschrieben hat. DÄ
Danke für diesen Artikel. Die tägliche
Praxis ist noch viel haarsträubender: In
der Nähe meiner Wohngegend hat eine
Heilpraktikerin in der Lokalpresse mit
Eigenblutspende geworben (gegen Alternsfalten). Ärzte dürfen solche Handlungen nur durchführen, wenn sie alle
Voraussetzungen einhalten (medizinische Indikation, Transfusionsgesetz,
Mehr Qualität
Medizinproduktgesetz u. a.). Die Ärztekammer ist nicht zuständig. Die HeilHätten sich die Autorinnen mit ihrem Lobgesang auf ein gutes, gelebtes Qualitätsmapraktikerkammer (?) hat wohl nichts danagement zufrieden gegeben, ich wäre ihnen gegen. Meinem Hinweis an das zuständige Gesundheitsamt folgte die Zusage
uneingeschränkt dankbar. Allerdings reibt
einer Überprüfung mit dem Ergebnis,
man sich verwundert die Augen, wenn jetzt
dass ein Jahr später eine erneute Anzeidie „stabilen Ergebnisse“ von methodisch
ge in der Lokalpresse auftauchte.
indiskutablen Erhebungen aus den letzten
Jahren als Grund angegeben wird, diese Er- Wird hier mit zweierlei Maß gemessen? Sind Heilpraktiker die besseren
hebungen zukünftig nur noch in zweijährigen Intervallen durchzuführen. Offenbar hat Ärzte? Gelten für Heilpraktiker mediziman bei der KBV immer noch nicht wahrge- nischen Gesetze nicht, da sie keine
nommen, dass deren fragwürdiger Umgang Ärzte sind?
mit der Datenerhebung dem Qualitätsmana- Die restriktiven Gesetze bezüglich der
Durchführung ärztlicher Handlungen hagement und damit der „qualitätsorientierten
ben doch einen sehr ernsten und begrünGesundheitsversorgung“ einen Bärendienst
erwiesen hat. Stattdessen könnten mehr Wis- deten Hintergrund. Oder sollten wir die
kostspielige Ausbildung von Ärzten zusenschaftlichkeit und mehr Transparenz
wichtige Impulse setzen, um die „Akteure in gunsten von computerassistierten Heilder Gesundheitsversorgung“ für (mehr)
praktikern abschaffen?
Qualität zu begeistern. Cui bono?
Dr. Jacobsohn, 16321 Bernau
QUALITÄTSMANAGEMENT
Die neue Qualitätsmanagement-Richtlinie –
vereinheitlichte Regelungen für die ambulante
und stationäre Versorgung (DÄ 45/2016: „Qualitätsssicherung: Einheitliche Richtlinie mit Gestaltungsspielraum“ von Dr. med. Franziska
Diel und Dr. Constanze Lessing).
Dr. med. Armin Mainz, 34497 Korbach
Wirtschaftlichkeitsgebot
ARZNEIMITTEL
Warum verordnen Ärzte so häufig Arzneimittel
ohne Zusatznutzen? Weil sie schlecht informiert sind, meint der Gesetzgeber. Es gibt jedoch auch noch andere Gründe (DÄ 44/2016:
Kommentar zur „Verordnung neuer Arzneimittel: Mehr Vertrauen“ von Falk Osterloh).
... viele Studien (sind) das Papier nicht
wert, auf dem sie stehen, wie man zum
Beispiel bei der Neubewertung der PSA
Beurteilung sehen kann. Der Gesetzgeber
ist offensichtlich bereit, Studien vollstes
Vertrauen zu schenken. Die Erfahrung
mahnt aber zur Skepsis. Im übrigen: Warum sollte es in der Pharmazie anders sein
als in der Autoindustrie ?
Stephan Eisfeld, 35066 Frankenberg (Eder)
A 2214
Zum Editorial „Heilpraktiker: Kosmetische Änderungen“ (DÄ 45/2016) von Michael Schmedt:
Zweierlei Maß
Mahnung zur Skepsis
ANONYM
HEILPRAKTIKER
Alle Leistungserbringer im Gesundheitswesen unterliegen dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Es wäre wünschenswert,
wenn sich die staatlichen Organe auch mit
der Erstattung der Heilpraktikerleistungen
für Beamte beschäftigen würden.
Wussten Sie eigentlich, dass die gesamte Wundversorgung einschließlich der
Eröffnung von Abszessen, von Heilpraktikern durchgeführt, von der Beihilfe erstattet wird0? Zum Glück gab es ja eine
Kenntnisprüfung. Wie wäre es denn
mit einer Anfrage beim Petitionsausschuss des Bundestages zu diesem
Problem?
Dr. med. Rüdiger Vogel, 56410 Montabaur
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Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 48 | 2. Dezember 2016