die fingerlings-braut i/iii

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DIE FINGERLINGS-BRAUT I/III
EINE ALTPREUSSISCHE SAGA
Im Schloss Prassen wohnten einst kleine Geschöpfe, die von den
Landsleuten Fingerlinge genannt wurden, weil die größten von
ihnen doch nur einen Finger lang sind. Nun galt es unter dem
Volke für ein besonderes Glück, wenn diese Erdmännlein in einer
menschlichen Wohnung ihren Sitz aufschlugen, denn alles, was
der Hausherr unternahm, dass schlug zum Guten aus und gedieh;
kein Hackenschlag kam über die Felder, kein Viehsterben in die
Ställe, kein Unglück über das Haus. Gab es Kinder darin, so wurden sie groß, schön und brav; über die alten Leute aber kam Ehre,
Reichtum, Macht und Friede. Die Freiherren des Schlosses Prassen
sahen es daher gern, dass die Fingerlinge bei ihnen eingekehrt waren, und gaben strengen Befehl, dass niemand der Dienerschaft sie
störe oder beunruhige. Die kleinen Männlein kamen nur selten an
das Tageslicht und wohnten im tiefsten, verborgensten Keller des
Schlosses; wer aber einmal auch nur eines ihrer Lichtchen durch
eine Fensterritze schimmern sah, der hatte dann gewiss einen
glücklichen Tag und irgend eine unverhoffte Freude.
um die Hand eures holdseligen Töchterlein in allen Ehren für ihn zu
werben. Ist euch dieser Antrag genehm, so mögt ihr getrost heute
in 8 Tagen die liebliche braut in den großen Rittersaal dieses euren Schlosses geleiten und sie dort allein lassen. Glück und Freude
warten ihrer, und unser ganzes Volk wird sie lieben und ehren als
unsere Königin; Glück und reicher Segen aber wird auch euch und
all euren Nachkommen reichlich zu teil werden für alle Zeiten. Zum
Zeichen und Unterpfand schickt euch der König der Erdmännlich
diesen Fingerreif; verwahrt ihn gut, denn so er je verloren ginge
wurde Glück und Ruhm sich von eurem Stamme wenden!“
Damit übereichte der kleine Rittersmann dem Freiherren einen
seltsam gearbeiteten Goldring und verschwand ebenso spurlos
wie er gekommen war. Lange noch saß der Schlossherr und überdachte, was geschehen war.
So war es den auch dem Freiherren Bruno von Eulenburg keine unliebsame Überraschung, als er eines Tages, da er allein in seinem
Gemache saß und in einem alten Turnierbuche studierte, dass
plötzlich eine kleines Männchen in ritterlicher Tracht wie aus der
Erde gewachsen, vor ihm stand, sich tief vor ihm verneigte und ihm
mit seiner Stimme folgender Maßen anredete: „Viel edler Herr, ich
komme zu euch als Bote des Königs aller Fingerlinge, um bei euch
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Sa., 03.12., 11 Uhr: PETTERSON UND FINDUS UND DER HAHN IM KORB (ab 4)
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Fotos: René Jungnickel
Konzept und Umsetzung: Elisabeth Guzy, Johanna Jäger, Kora Tscherning
Redaktion: Elisabeth Guzy und Johanna Jäger
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