Geflügelte Bescherung Das kleine Kaffee-ABC Feine Rezepte fürs große Fest Elke und die Raritätensammlung 2 E I NFAC H . GUT . LEBEN 2 DEZEMBER 12/2016 EUR 4,50 DIE HEIMKEHR DER GROSSEN DREI Wie Luchs, Wolf und Bär unsere Wälder zurückerobern WINTERZAUBER IM GASTEINERTAL Von Anklöcklerinnen,Kräuterhexen und Zirbenschnitzern Frieden ein bisschen Wie wir die schönste Zeit des Jahres genießen – am Adventmarkt, mit handgemachten Lebkuchen, daheim unterm Weihnachtsbaum 90 94 dezember 2 16 natur & garten 70 küche 16Advent in Österreich 44Rubinrote Juwelen 26Bestechend schön 50Alpenküche mit Herz Ein vorweihnachtlicher Streifzug durch unsere Christkindlmärkte. Die Artenvielfalt der Nadelgehölze bereichert jeden Garten. Plus: So wird der Christbaum fit fürs Freie. 34Die Vermessung der Zeit Über die Entstehung von Kalendersystemen und was Sonne, Mond und Bäume damit zu tun haben. 40Aus der Natur-Apotheke Die sanfte Heilwirkung der Vogelbeere. 136Die Rückkehr der Jäger Bär, Wolf und Luchs waren verschwunden. Jetzt kehren sie zurück. 4 Servus Die süß-säuerlichen Kerne des Granatapfels verfeinern Gerichte. Jeremias Riezler aus dem Kleinwalsertal verrät, wie ein alpines Rindstatar besonders gut gelingt. 52Brust oder Keule? Vom Truthahn bis zur Wachtel – wir füllen und braten allerlei Geflügel für den Festtagsschmaus. 64Gutes von daheim In Kitzbühel fabriziert Andrea Sagmeister feine Kuchen im Glas. 70Das Geheimnis des Störi In Altheim bäckt Familie Weinhäupl traditionelles Früchtebrot wie damals. wohnen 80Die Verwandlung Das vergessene, desolate Haus sah aus, als hätte es 100 Jahre lang geschlafen. Heike Dobler hat aus dieser Ruine etwas ganz Neues geschaffen. 88Vom Keks zur Kerze Wir haben Ausstecher und Pralinenförmchen ins Wohnzimmer geholt und weihnachtliche Lichter gegossen. 90Basteln mit Kindern So werden aus Holzkugeln und Stoff Krippenfiguren, die wir in einem Glas auf Stroh betten. 94Schmucke Schönheiten Nicht nur die klassische Tanne glänzt festlich im Lichterschein. Auch eine Buche und ein Schwemmholz-Mobile sorgen für strahlende Augen(blicke). FOTOS COVER: PETER PODPERA, EISENHUT & MAYER, ROBERT MAYBACH Inhalt0 52 118 154 136 standards 44 land & leute FOTOS INHALT: KATHARINA GOSSOW, EISENHUT & MAYER, BERNAHRD HUBER, MICHAEL REIDINGER, JUNIORS BILDARCHIV, JULIA ROTTER, STOCK FOOD 102Der Mann, der Stock & der richtige Dreh Die Eisstöcke von Josef Gutscher aus Lengbachl haben das spezielle Etwas, das man auf Natureis braucht. 118Von den schönen Saiten 154Von altem Glanz und neuen Zeiten Der verblasste Charme des alten Kurorts Bad Gastein zieht heute kreative Menschen an. Und im Tal zu seinen Füßen geht alles wie immer seinen gewohnten Gang. In seiner Innviertler Harfen-Werkstatt baut Franz Reschenhofer das Instrument der Engel mit irdischer Handwerkskunst. 124Tanz der Teufel Am Abend vor Nikolaus ziehen in den Hügeln des Sauwalds die „Midlaon“ von Haus zu Haus. 130Fröhlichs Weihnachten Die kunstvollen Lebkuchenfiguren aus der Wiener Manufaktur Fröhlich sind fast zu schade zum Essen. Dossier: Kaffee Elke Steiner und ihre Sammlung alter Kaffeemaschinen, eine kleine Geschichte über den Muntermacher und wie man ihn besonders gut zubereitet. Ab Seite 108 3Vorwort 6Postkastl 8Mundart: Kamin 10Servus im Dezember 24Der Garten-Philosoph 30Unser Garten 32Mondkalender 42Was unserem Körper jetzt guttut 68Omas Kochbuch: Grumbira in da Depsi 76Schönes für daheim 100Schönes Zuhause: Dekotipps für den Dezember 106Goldene Regeln fürs Eisstockschießen 128Kannst dich noch erinnern? Weiße Weihnachten 142Hund & Katz 144Michael Köhlmeier: Die Wilde Jagd 170Zwischen Stadt & Land 174ServusTV: Sehenswertes im Dezember 176Leben in alten Zeiten 178Worauf wir uns freuen, Impressum Servus 5 BRAUCHTUM Das Geheimnis des Früchtebrots Das traditionelle Störibrot ist nicht nur mit saftigem Dörrobst gespickt, sondern auch mit Geschichten über das Leben in früheren Zeiten. Familie Weinhäupl im Innviertel bäckt es noch heute so wie damals. TEXT: CHRISTOPH FRÜHWIRTH FOTOS: MICHAEL REIDINGER 70 Servus Seit 1604 gibt es einen „Pöck zu Althamb“, einen Bäcker in Altheim, namens Weinhäupl. Im Bild die jüngsten drei Generationen: Karl Weinhäupl (14. Generation, links), Sohn Markus (15. Generation, rechts) und Enkelin Maria (16. Generation). A lt’s Brot is nöt höcht, koa Brot, des is höcht“. Also, altes Brot ist nicht hart, kein Brot zu haben, das ist hart. So geht ein alter Spruch in Oberösterreich. Und hoch droben im Bezirk Braunau, dort, wo man bereits mit Bayern liebäugelt, da heißt es bei den Bauern, wenn einer Brot wegwirft: „Hiatzt greint der Himmelvater“. Es zieht also ein Gewitter auf. Früher hatten die meisten Bauernhäuser im Land ob der Enns ihr eigenes „Bahhäusl“. Alle 14 Tage wurde gebacken. Der „Bäckermann“ selbst kam einmal die Woche mit seiner „Bugökraxn“ und brachte die „Paarlsemmeln“ (Doppelsemmeln) und die „Salznägel“ (die Salzstangerln). Altheim im Bezirk Braunau ist eine bäuerlich geprägte Kleinstadt. Rund um den Stadtkern gruppieren sich die Katastralgemeinden, die nicht bewohnte Fläche wird zu drei Vierteln landwirtschaftlich genutzt. Mitten im Zentrum, am Stadtplatz 32, steht die Bäckerei und Konditorei Weinhäupl. Sie steht schon lange da. Genauer gesagt seit 1604. Da weist das örtliche Taufbüchl einen gewissen Carl Weinhäupl, „Pöck zu Althamb“, auf. Seit dieser Zeit ist der Betrieb in Familienbesitz – und damit die älteste durchgehend von einer Familie geführte Bäckerei Österreichs. Die Bauern um Altheim werden heute nicht mehr mit der Bugökraxn beliefert. Dafür bereichern sie die Bäckerei mit ihrem lten Wissen über die Kunst des Brotbaa ckens. Ein ganz spezielles Brauchtums gebäck ist es, das „den Weinhäupl“ bis weit über die Grenzen des Bundeslandes bekannt gemacht hat: das Störibrot, ein traditionelles Weihnachtsbrot. HINAUS IN DIE WELT DER BACKSTUBEN Karl Weinhäupl, 83, Bäcker und Konditor in der 14. Generation, hat das Geheimrezept dafür 1968 als Teil der Betriebsübernahme mündlich überliefert bekommen. 1994, als er den Betrieb an die nächste Generation, seinen Sohn Markus, 47, übergeben hat, ist das Rezept wiederum wie selbstverständlich an diesen übergegangen. Der hatte sich zu dieser Zeit, mit 25 Jahren, bereits in der Welt der Konditoren „umg’schaut g’habt“, wie er erzählt. Der Zauner in Bad Ischl, bei dem bereits der Senior gearbeitet hat, war ihm dabei das „Tor zur weiten Welt“. Beim Grandseigneur der Konditorzunft verfeinerte Markus das daheim gelernte Handwerk. Danach ging’s nach München zum „Käfer“, wo er auf hohem Niveau experimentierte. „Da hamma g’urasst!“, sagt er grinsend und denkt ans Champagnersorbet. Über eine Zwischenstation als Bäcker auf einem Kreuzfahrtschiff landete der junge Mann schließlich in Tokio bei „Harada“, einem der größten und besten Konditor betriebe der Welt. Zehn Tonnen Schoko- ➻ Servus 71 Beim Störibrotbacken arbeiten Vater Karl und Sohn Markus Hand in Hand. „Ich lerne noch heute tagtäglich vom Vater“, sagt der Sohn. lade wurden hier an einem Tag verarbeitet. Eine wichtige Erfahrung in der Ferne, um sich einer irdenen Tugend zu erinnern: „Mit der Gottesgab’ darfst nöt urassen.“ VOM STÖRI WIRD MAN STARK „A weng a Broad is a guada G’föhrt“. So sagen die Oberösterreicher. Das Brot ist ein Gefährte von der Suppe, vom Most und vom Sauerkraut. Im Dezember aber, „wenn d’ Nacht’n daherkeman“, die vier Raunächte zwischen Thomastag (21. 12.) und Dreikönig (6. 1.), ist es seit jeher ein Früchtebrot, das sogenannte Störibrot. Hauptbacktag dafür war früher der Thomastag. „Der Thomerl rührt’s Uarah an“, sagten die Bauern und meinten damit den Sauerteig, mit dem das Dampfl angerührt wurde. Mit dem Mehlmahlen begannen sie bereits „zu Andrä“ (30. 11.). Für den Teig wurde Roggenmehl mit Weizenmehl vermischt, und Roggen und Weizen verarbeiten auch Vater und Sohn Weinhäupl, die stets zu zweit in der Back- 72 Servus stube stehen. „Bei uns gibt’s keine fertigen Mischungen“, betonen die beiden standesbewusst. Ab und zu hilft bereits die 16. Genera tion aus. Die neunjährige Maria, die von ihren Schulkameraden „Zuckerbäckerin“ 9 „ALT’S BROT IS NÖT HÖCHT, KOA BROT, DES IS HÖCHT.“ Alter Bauernspruch 9 gerufen wird, weil sie bereits im Volksschulalter ganz genau weiß, was sie nach der Schule einmal werden will. Am liebsten sticht sie in der Vorweihnachtszeit mit dem Opa Lebkuchen aus. Bei unserem Besuch macht sie eindeutig klar, dass sie in der Backstube zu Hause ist. Geschickt hantiert sie zwischen Opa und Papa mit dem Laib mit der Früchtemischung aus kandierten Orangenschalen, Rosinen und Kletzen. Richtig schön fruchtig wird das Brot durch das richtige Mischverhältnis des Trockenobstes. Das ist eines der Geheimnisse des Weinhäupl’schen Früchtebrots. Dann kommt es noch auf das Verhältnis zwischen Brot und Früchten an. „Der Fruchtanteil beträgt 80 Prozent“, sagt Markus Weinhäupl. „Wir retten also die Ernte des Sommers in den Winter hinüber.“ Die Herkunft dieses „besser’n Hausbrots“, wie man sagt, ist nicht gänzlich geklärt. Abstammen dürfte das Wort vom althochdeutschen starah für stark. „Iss a wenig a Störi, dass d’ stark wirst“, heißt es. Und es geht die Mär, dass „d’ Störi“ nicht schimmelt. Tut sie es doch, kündige das den Tod eines Haus bewohners an. Aberglaube. Hundert Kilo Masse verarbeiten die Weinhäupls täglich. Das ergibt in der ➻ Die neunjährige Maria (rechts oben) schnuppert bereits in die Bäckerei rein und radelt das Störibrot. Es besteht zu 80 Prozent aus Früchten, um die der Teig geschlagen wird (Bilder links). Familie Weinhäupl hat mit dem uralten Rezept für das weihnachtliche Brauchtums gebäck weit über Altheim hinaus Erfolg. Die hübsch verpackten Laibe (rechts unten) werden von den Kunden an Freunde und Verwandte in aller Welt verschickt – als süßer festlicher Gruß aus dem Innviertel. Servus 73 Ganz wichtig in der „staden Zeit“: gemütliches Z’samm’hocken zwischen Ladenschluss um 18 Uhr und Arbeitsbeginn in der Bäckerei um zwei Uhr früh. Von links: Maria, Elisabeth, Karl, Markus und Romy Weinhäupl. Vorweihnachtszeit 200 Früchtebrote pro Nacht, die auch in feinen Wiener Geschäf ten verkauft werden. Viel öfter allerdings geht das Brot über die eigene Budel. Im Geschäft steht Romy Weinhäupl, die Ehefrau von Markus. Sie ist das stets freund liche Gesicht des Traditionsbetriebs. „Mir passiert’s mittlerweile immer öfter“, sagt sie, „dass sich die Kundschaft das Früchte brot gleich zum Verschicken mit der Post einpacken lässt.“ Für Freunde oder Ver wandte in der Ferne. So ist „d’ Störi“ bereits in alle fünf Kontinente gelangt. Riss zuvorzukommen, radelt Maria das Brot mit besonderer Sorgfalt. Schließlich möchte sie nicht für die Kreuzschmerzen ihrer Mut ter zur Verantwortung gezogen werden. Das Radeln mit einem hölzernen Gerät sorgt auch für die charakteristische Ober 9 „A WENIG A BROAD IS A GUADA G’FÖHRT.“ Alter Bauernspruch DIE KRUSTE UND DER HAUSFRAUENRÜCKEN Inzwischen hat Karl Weinhäupl den Ofen angeheizt. Früher bei den Bauern konnte das Backen zu einem regelrechten OrakelWettlauf ausufern. Wurde das Brot zu hell gebacken, war der Tod mit eingebacken. War es zu dunkel, standen Zwist und Hader ins Haus. Ein Riss in der Brotkruste hatte Kreuzschmerzen der Hausfrau zur Folge. Um diesem möglichen 74 Servus 9 fläche: Löchrig wie ein Schweizer Käse prä sentieren sich die Brote, die auf dem Leinen tuch des „Abziehers“ liegen. Karl wässert sie noch einmal, Markus prüft die Temperatur des Ofens. Beim „Einschießen“ muss alles rasch gehen. „Kimm auf d’ Feirta a weng Störibrot kosten!“ Um gesund zu bleiben im neuen Jahr, musste man in der staden Zeit sieben, neun oder zwölf verschiedene Störibrote geges sen haben. Deshalb gönnt sich auch die Bäckerfami lie im hektischen Advent die eine oder an dere Mußestunde, um das erste Störi zu kosten. Dann knistern die Scheiter im Holz ofen, der Jagatee kocht, und Lisl, die elf jährige Schwester von Maria, füttert den Nussknacker. Opa Karl bedauert den zu nehmend warmen Winter, der ihm seit eini gen Jahren das Eisstockschießen verleidet, und Markus ist mit dem Kopf bei seinen Oldtimern. Schließlich schneidet Romy das Früchtebrot an. Wie heißt es doch? „A wenig a Broad is a guada G’föhrt.“ 3 ✽ Bäckerei Weinhäupl: 4950 Altheim, tadtplatz 32, Tel.: +43/7723/422 86. S Das Früchtebrot kann auch auf www.weinhaeupl.eu bestellt werden. 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