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Sigrid Hupach
Mitglied des Deutschen Bundestages
Stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE
Leiterin des Arbeitskreises Lebensweise und Wissen
Kulturpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE
Rede zu unserem Antrag „Alleinerziehende entlasten – Umgangsmehrbedarf
anerkennen“ (DS 18/10283)
2. Dezember 2016
Wir haben in der Debatte bisher schon viel darüber gehört, wie schwierig die
Lebenssituation für viele Alleinerziehende ist.
Mit unserem Antrag „Alleinerziehende entlasten – Umgangsmehrbedarf anerkennen“
sprechen wir eine ganz konkrete Baustelle an und machen einen Lösungsvorschlag,
der eine erhebliche Verbesserung für die Betroffenen bringt.
In Deutschland leben inzwischen 2,2 Mio. Kinder in 1,7 Mio. Familien mit einem
Elternteil. Alleinerziehend zu sein gehört noch immer zu einem der größten
Armutsrisiken in Deutschland. 39 % der Alleinerziehenden mit minderjährigen
Kindern beziehen Leistungen nach dem SBG II.
Diese Menschen haben es, und das wissen wir alle, schon schwer genug, den
Lebensalltag zu bewältigen. Und gerade jene, die versuchen, dem Kind auch einen
Umgang mit dem anderen Elternteil zu ermöglichen, werden in vielen Fällen von den
Jobcentern bestraft.
Zu Recht haben umgangsberechtigte Elternteile, die im SGB-II-Bezug stehen, einen
Mehrbedarf für ihr Kind geltend gemacht. Dies darf doch aber nicht dazu führen,
dass genau dieser Anteil bei dem Elternteil abgezogen wird, wo das Kind
hauptsächlich lebt. Wie lebensfremd ist das denn?
Jeder weiß doch, dass Fixkosten so heißen, weil sie eben fest, konstant, also
unveränderlich sind: die Miete fürs Kinderzimmer muss man schließlich auch
bezahlen, wenn das Kind jedes zweite Wochenende beim anderen Elternteil
verbringt. Oder soll man es in der Zeit untervermieten?
Der Mitgliedsbeitrag für den Sportverein oder für die Musik- oder Jugendkunstschule
reduziert sich – natürlich – auch nicht entsprechend.
Zum Glück wurde im Frühjahr dank der Petition von Anna-Maria Petri-Satter und des
großen öffentlichen Protestes auf die geplante Gesetzesänderung verzichtet, die den
Regelsatz strikt nach den einzelnen Aufenthaltstagen aufteilen wollte.
Das war richtig.
Platz der Republik 1  11011 Berlin   (030) 227 – 75000   (030) 227 – 70000
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Sigrid Hupach
Mitglied des Deutschen Bundestages
Kulturpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE.
Aber: die damalige Debatte hat leider dazu geführt, dass manche Jobcenter jetzt erst
recht die unklare Gesetzeslage ausnutzen und sich die Situation für viele
alleinerziehende Hartz-IV-Empfänger sogar noch verschärft hat.
Und leider geht dieses Feilschen auch zu Lasten der Kinder.
Wir sollten doch jede Möglichkeit nutzen, damit Kinder im regelmäßigen Kontakt mit
beiden Elternteilen aufwachsen können – auch wenn die Eltern getrennt leben.
Deswegen brauchen wir eine klare gesetzliche Regelung, damit kein Elternteil
finanzielle Einbußen befürchten muss.
Wir schlagen mit unserem Antrag eine klare Lösung vor: voller Regelsatz für das
Elternteil, in dessen Haushalt das Kind überwiegend lebt; halber Regelsatz für das
Elternteil, das umgangsberechtigt ist.
Zugleich muss dies auch bei den Kosten der Unterkunft und der Heizung
entsprechend berücksichtigt werden.
Dies bringt nicht nur Rechtssicherheit für die Alleinerziehenden und für die
umgangsberechtigten Elternteile, sondern es entlastet entscheidend auch die
Bürokratie und vor allem – vor allem hilft es den Kindern.
Die Zahl der Alleinerziehenden wird weiter wachsen, einfach weil die Lebensformen
heute viel differenzierter sind und es keineswegs von allen als defizitär erachtet wird,
allein zu leben.
Wir sollten dieser Lebensrealität endlich auf politischer Ebene gerecht werden und
auch Alleinerziehenden und umgangsberechtigten Elternteilen im SGB-II-Bezug und
vor allem den Kindern eine gleichberechtigte Teilhabe ermöglichen.
Eigentlich brauchen wir dafür den Systemwechsel: Weg mit Hartz IV – und her mit
einer sanktionsfreien Mindestsicherung. Bis dahin aber verbessert eine gesetzliche
Regelung nach unserem Vorschlag den Alltag von genau jenen Menschen, die es
ohnehin schon schwer haben.
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