Änderung von Art. 69 der Spielbankenverordnung. Kommentar zu

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement EJPD
Bundesamt für Justiz BJ
Bern, 31. Oktober 2016
Änderung von Art. 69 der Spielbankenverordnung
Kommentar zu den einzelnen Bestimmungen
Referenz/Aktenzeichen: COO.2180.109.7.196063 / 217.1/2016/00009
1
Grundzüge der Vorlage
1.1
Ausgangslage
1.1.1
Geltendes Recht und vorgeschlagene Regelung
Nach Artikel 69 der Spielbankenverordnung (VSBG) muss der Tischspielbereich mindestens
während der Hälfte der täglichen Spielbankenöffnungszeiten geöffnet sein.
Seit der Änderung vom 5. September 2007 kann die Eidgenössische Spielbankenkommission (ESBK) Ausnahmen von der Regelung der Öffnungszeiten der Tischspiele in Spielbanken
mit einer Konzession B bewilligen. Es geht darum, dass Spielbanken an gewissen Tagen
den Tischspielbereich gänzlich schliessen dürfen. Solche Ausnahmen von der Betriebspflicht
können ausschliesslich Spielbanken gewährt werden, deren Standortregion wirtschaftlich
von ausgeprägt saisonalem Tourismus abhängig ist (mit anderen Worten Spielbanken in
Berggebieten), und die trotz wirtschaftlicher Unternehmensführung keine angemessene Rentabilität erzielen. Die Spielbanken dürfen den Tischspielbereich höchstens während 60 Tagen im Jahr schliessen. Diese Möglichkeit wurde 2007 eingeführt. Die Pflicht zur täglichen
Öffnung des Tischspielbereichs hatte die Spielbanken in touristischen Regionen, deren Umsatz saisonal variiert, besonders belastet. Denn diese Spielbanken mussten ihre Tischspiele
betreiben, obwohl sie ausserhalb der Saison weniger Kundschaft (Touristinnen und Touristen, Saisonarbeiterinnen und -arbeiter) hatten, und mussten die Personalkosten für den Betrieb dieser Tische während des ganzen Jahrs tragen. Mit der Änderung von 2007 sollten
also die negativen Auswirkungen der Nebensaison berücksichtigt werden.
Mit der vorgeschlagenen Änderung sollen die Tischspiele neu während 270 Tagen pro Jahr,
also während der gesamten Nebensaison, geschlossen werden können. Die Tischspiele
wären lediglich über die Hochsaison in den Wintermonaten geöffnet.
1.1.2
Heutige Situation der Spielbanken in Berggebieten
Es bestehen drei Spielbanken, deren Standortregion als wirtschaftlich von ausgeprägt saisonalem Tourismus abhängig erachtet wird. Sie befinden sich alle in einer Bergregion. Es geht
um die Spielbanken von Crans-Montana, Davos und St. Moritz. Nebst der hier behandelten
Ausnahme bezüglich der Öffnung der Tischspiele kann diesen Spielbanken gemäss Artikel 42 Absatz 2 des Spielbankengesetzes (SBG) eine Reduktion der Spielbankenabgabe
des Bundes um bis zu einem Drittel gewährt werden. 2014 beispielsweise belief sich die Abgabeermässigung auf 2 753 256 Franken.
Eine Ausnahme in Bezug auf die Öffnung der Tischspiele wurde bisher nur den Spielbanken
St. Moritz und Davos gewährt.
Seit ihrer Eröffnung sind diese beiden Spielbanken meist mit Rentabilitätsproblemen konfrontiert. 2014 betrug der Jahresverlust der Spielbank Davos 182 000 Franken und jener der
Spielbank St. Moritz 671 205 Franken (Quelle: ESBK, Jahresbericht).
Beide Spielbanken machen geltend, dass in ihrer Standortregion die Nebensaison vom Frühling bis im Herbst dauert. Sie daure demnach viel länger als die 60 Tage nach dem geltenden Artikel 69 Absatz 1bis VSBG. Nur die Wintermonate (von Ende Dezember bis Ende März)
könnten als Hochsaison betrachtet werden. Die beiden Spielbanken machen darüber hinaus
geltend, dass sie ihre Verluste durch die Einsparung der Personalkosten in Verbindung mit
dem Betrieb der Tischspiele mindern könnten, wenn diese länger – während höchstens
270 Tagen im Jahr – geschlossen werden dürften. Die Spielbank Davos z. B. erhofft sich
Einsparungen von rund 200 000 Franken pro Jahr.
1.2
Die vorgeschlagene Neuregelung
Der Bundesrat schlägt vor, dass Spielbanken mit einer Konzession B, deren Standortregion
wirtschaftlich von ausgeprägt saisonalem Tourismus abhängig ist und die trotz wirtschaftlicher Unternehmensführung keine angemessene Rentabilität erzielen, den Tischspielbereich
statt wie bisher während 60 neu während höchstens 270 Tagen pro Jahr schliessen können.
Der Tischspielbereich solcher Spielbanken könnte also neu während der gesamten Neben2/5
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saison geschlossen werden. Zurzeit wären ausschliesslich die Spielbanken Davos und
St. Moritz von dieser Ausnahme betroffen. Die Spielbank Crans-Montana hat gegenwärtig
keine Rentabilitätsprobleme.
Bei der vorgeschlagenen Regelung handelt es sich um eine Übergangslösung zur Unterstützung der Spielbanken von Davos und St. Moritz bis zum Inkrafttreten des neuen Geldspielgesetzes.
Ziel ist es, die vorliegende Änderung auf Ende der Wintersaison 2016–2017, also per
1. März 2017, in Kraft zu setzen.
1.3
Bewertung der vorgeschlagenen Lösung
Wie oben erwähnt sind die Spielbanken Davos und St. Moritz mit Rentabilitätsproblemen
konfrontiert. Sie haben die meisten Geschäftsjahre seit ihrer Eröffnung mit Verlusten abgeschlossen. Allerdings variierte die Höhe der Verluste ziemlich stark. Der Fortbestand dieser
Spielbanken ist somit gefährdet. Der Bundesrat möchte mit der vorgeschlagenen Massnahme zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage beitragen. Denn für die Standortregion ist
es wichtig, dass es in den Berggebieten weiterhin Spielbanken gibt. Die Spielbanken erhöhen die touristische Attraktivität der betreffenden Regionen, da diese so nebst dem Schneesport andere Freizeitaktivitäten anbieten können. Zudem stärken die Spielbanken namentlich
durch die Schaffung von Stellen die Wirtschaft der Randregionen. Darüber hinaus stellen die
Spielbanken eine Einnahmequelle für den Standortkanton sowie, über die AHV, für den Bund
dar. Sowohl die Spielbankenabgabe des Bundes, deren Ertrag der AHV zugutekommt, als
auch die kantonale Abgabe gemäss Artikel 43 SBG werden auf dem Bruttospielertrag und
nicht auf dem Gewinn erhoben. Die Abgaben werden also auch dann erhoben, wenn die
Spielbank Verluste erzielt. Auch aus diesem Blickwinkel liegt der Fortbestand der Spielbanken im Interesse der Allgemeinheit.
Es steht zwar nicht fest, dass die betroffenen Spielbanken dank der vorgeschlagenen Regelung wieder schwarze Zahlen schreiben werden. Sie könnten jedoch zumindest ihre Verluste
reduzieren. Durch die Neuregelung würden somit ihre Chancen auf einen Fortbestand in den
nächsten Jahren, bis die neue Geldspielgesetzgebung voraussichtlich im Jahr 2019 in Kraft
treten wird, verbessert. Im Rahmen dieser laufenden Gesetzesrevision werden die Rahmenbedingungen für die Spielbanken, insbesondere die Spielbanken in den Berggebieten, diskutiert werden müssen.
Durch die vorgeschlagene Massnahme wird das aus Artikel 8 SBG und der Botschaft zu dieser Bestimmung abgeleitete Verbot von Spielbanken, in denen ausschliesslich Spiele an
Geldspielautomaten angeboten werden, zwar relativiert. Das Verbot wird jedoch nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Denn es soll nicht zugelassen werden, dass die betroffenen Spielbanken nur noch Geldspielautomaten anbieten. Beschränkt werden soll bloss die Betriebszeit für die Tischspiele. Solche Beschränkungen sind bereits im geltenden Artikel 69 VSBG
vorgesehen: Gemäss Absatz 1 muss der Tischspielbereich bloss während der Hälfte der
täglichen Spielbankenöffnungszeiten geöffnet sein. Eine weitere Beschränkung der Betriebszeit sieht Artikel 69 Absatz 1bis VSBG vor. Um den Besonderheiten der Spielbanken in Berggebieten Rechnung zu tragen, kann der Tischspielbereich in solchen Spielbanken während
60 Tagen ganz eingestellt werden. Durch die vorgeschlagene Änderung wird dieser Zeitraum
lediglich verlängert, damit die wirtschaftlichen Gegebenheiten möglichst gut berücksichtigt
werden können. Die Spielbanken sollen damit jedoch nicht die Erlaubnis erhalten, ausschliesslich Geldspielautomaten anzubieten. Die Tischspiele müssen weiterhin in Zeiten hoher Gästezahlen angeboten werden. Überdies wird der Geltungsbereich der vorgeschlagenen Ausnahme sehr beschränkt sein: Sie betrifft nur zwei Spielbanken während einer begrenzten Übergangszeit von einigen Jahren.
Der Vorschlag wurde in der Vernehmlassung gut aufgenommen. Insbesondere erklärten sich
23 Kantone einverstanden damit. Der Kanton OW stimmte der Lösung nur teilweise zu und
verlangte, dass die Höchstdauer für die Schliessung der Tischspiele verkürzt wird. Der Kanton NE lehnte den Vorschlag ab. Angesichts des weitgehend positiven Ergebnisses wurde
der Vorentwurf nicht angepasst. Für eine Zusammenfassung der eingegangenen Stellungnahmen, siehe den Bericht über die Vernehmlassungsergebnisse unter www.admin.ch >
Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2016 > EJPD.
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Erläuterung der Bestimmung
In der vorgeschlagenen Änderung von Artikel 69 Absatz 1bis VSBG wird der Wortlaut der geltenden Bestimmung übernommen. Es wird ausschliesslich die Höchstdauer der Ausnahme
geändert und auf 270 Tage im Jahr erhöht.
Die Bestimmung ist in Form einer Kompetenzzuweisung an die ESBK formuliert. Dieser obliegt es, zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für eine Ausnahme erfüllt sind. Sind die Voraussetzungen erfüllt, ist auch sie dafür zuständig, zu entscheiden, ob die Ausnahme bewilligt werden soll (Kann-Bestimmung). Es besteht demnach kein Anspruch auf eine Ausnahme.
Damit einer Spielbank eine Ausnahme bewilligt werden kann, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:
A. Die Standortregion muss wirtschaftlich von ausgeprägt saisonalem Tourismus abhängig
sein. Gemäss der festen Praxis der ESBK erfüllen nur die Spielbanken Davos, St. Moritz
und Crans-Montana diese Voraussetzung.
B. Die Spielbank erzielt trotz wirtschaftlicher Unternehmensführung keine angemessene
Rentabilität. Gemäss der Praxis der ESBK erfüllen diese Voraussetzung die Spielbanken,
die ihre Jahresrechnung mit einem Verlust abschliessen. Das trifft auf die Spielbanken
Davos und St. Moritz zu.
3
Auswirkungen
3.1
Auf die Spielbanken
Gemäss den von der Spielbank Davos gelieferten Zahlen, deren Plausibilität nicht in Frage
gestellt wird, würde die Einstellung des Betriebs der Tischspiele während 270 Tagen im Jahr
zu Einsparungen von Personalkosten in der Höhe von 300 000 Franken führen. Der Reingewinn würde aufgrund der Betriebseinstellung um schätzungsweise 110 000 Franken zurückgehen. Gegenüber dem aktuellen Stand könnte der Nettoerfolg der Spielbank somit um
190 000 Franken verbessert werden.
Es ist nicht auszuschliessen, dass ein Teil der während der Nebensaison anwesenden
Kundschaft sich in andere Spielbanken begeben wird, wenn sie in Davos oder St. Moritz
keine Tischspiele mehr vorfindet. Aufgrund der geografischen Distanz zwischen den Spielbanken dürfte diese Kundenabwanderung jedoch beschränkt ausfallen.
3.2
Für die AHV
Die Einnahmen aus der Spielbankenabgabe des Bundes auf dem Bruttospielertrag kommen
vollumfänglich der AHV zugute.
Gegenwärtig beläuft sich die von den Spielbanken Davos und St. Moritz erhobene und an
die AHV überwiesene Abgabe auf rund 800 000 Franken (Zahlen 2014).
Wird der Zeitraum für die Schliessung der Tischspiele verlängert, so ist mit einem Rückgang
des jährlichen Bruttospielertrags der Spielbanken zu rechnen. Damit wären auch die an die
AHV überwiesenen Einnahmen tiefer. Gemäss den Zahlen der Spielbanken würde der Bruttospielertrag der Spielbank Davos um rund 150 000 Franken sinken. Dadurch würden der
AHV 24 000 Franken weniger überwiesen.
Der Rückgang der an die AHV überwiesenen Einnahmen ist jedoch im Verhältnis zum alternativen Szenario zu betrachten: der Schliessung der betroffenen Spielbanken mangels angemessener Rentabilität. Sollte dieser Fall eintreten, gingen der AHV auf einen Schlag rund
800 000 Franken pro Jahr verloren.
3.3
Für die Kantone
Der Kanton Graubünden erhob im Jahr 2014 auf den Bruttospielertrag der Spielbanken Davos und St. Moritz eine Abgabe in der Höhe von insgesamt 533 464 Franken (279 764 Franken für Davos und 253 700 Franken für St. Moritz). Nach Artikel 43 SBG wird die kantonale
Abgabe von der Abgabe des Bundes abgezogen. Es ist davon auszugehen, dass der jährliche Bruttospielertrag der Spielbanken und damit die Einnahmen aus der kantonalen Abgabe
mit der längeren Schliessung der Tischspiele zurückgehen werden. Dieser Verlust fiele jedoch noch höher aus, wenn die betroffenen Spielbanken gänzlich schliessen müssten.
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Referenz/Aktenzeichen: COO.2180.109.7.196063 / 217.1/2016/00009
Auf die anderen Kantone hat die Änderung kaum Auswirkungen.
4
Rechtliche Aspekte
Die Vereinbarkeit der Vorlage mit höherrangigem Recht wurde in Bezug auf Artikel 8 SBG
oben bereits geklärt.
Artikel 106 der Bundesverfassung seinerseits enthält keinen Hinweis auf eine eventuelle
Pflicht der Spielbanken, Tischspiele anzubieten. Die vorliegende Änderung ist mit dieser Verfassungsbestimmung somit ohne weiteres vereinbar.
Es stellt sich hingegen die Frage nach der Gleichbehandlung der verschiedenen Spielbanken. Mit der vorgeschlagenen Ausnahme werden die Nachteile der Spielbanken, die unter
saisonalen Schwankungen der Gästezahlen aufgrund ihres geografischen Standorts leiden,
ausgeglichen. Damit beruht die Ungleichbehandlung auf unterschiedlichen tatsächlichen
Verhältnissen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung wird deshalb beachtet.
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