Gymnasium am Kothen

WZ FREITAG, 1. JUNI 2012
K
Klasse! 25
KLASSE! Die Klasse 8 d des Gymnasiums Am Kothen in Wuppertal recherchiert mit WZ und Stadtwerken Düsseldorf.
Alle Nationen ziehen an einem Strang
Jugendliche
recherchieren
PORTRÄTS Multikulti bei den Stadtwerken
Die Schülerinnen und Schüler
der Klasse 8 d des Gymnasiums
Am Kothen in Wuppertal haben
diese Seite gemeinsam mit den
Stadtwerken Düsseldorf und der
Klasse!-Redaktion gestaltet. Die
Schüler nehmen an dem WZProjekt Klasse! teil. Die Redaktion und Ansprechpartner der
Stadtwerke Düsseldorf haben mit
den Schülern in einer Konferenz
die Themen festgelegt, die Schüler haben selbstständig recherchiert und geschrieben. Klasse!-Klassen können sich für Redaktionskonferenzen bewerben.
Die Klasse!-Projektpartner Stadtwerke Düsseldorf und Barmenia
Versicherungen unterstützen bei
der Recherche. Alle Infos dazu im
Lehrmaterial und im Internet:
Düsseldorf: Fünf Mitarbeiter mit
Migrationshintergrund schildern ihr Leben.
Von Ugurcan Barut, Almasa Cengic,
Anis Faraj, Elvira Grzegorski, Katharina
Haase, Grischa Kaganov, Denis Krdzevic,
Toni Matosevic, Luca Schmidt und
D’Jenny Westhoff
Düsseldorf. In einem fremden
Land: Fünf Mitarbeiter mit Migrationshintergrund, die bei den
Stadtwerken Düsseldorf angestellt sind, erzählen uns von Herausforderungen und Chancen.
Hien Pham: „Als Ausländer ist es
nicht leicht, sich zu behaupten“
Hien Pham (37) kam nach
Deutschland, als sie gerade sieben
Jahre alt war. Sie erinnert sich,
dass sie anfangs große Sprachprobleme hatte, doch das
änderte sich schnell.
Bei den Stadtwerken
Düsseldorf, bei denen
sie seit 2008 beschäftigt ist, ist sie für die
Bilanzierung
und
steuerrechtlichen Fragen von Geschäftsvorfällen zuständig. „Für
einen Ausländer ist es nicht immer einfach, sich im Berufsleben
zu behaupten, auch vor allem als
Frau“, hat sie festgestellt. Sie erzählt: „Eines Tages kam ein älterer Mann zu mir und sprach mich
in ganz gebrochenem Deutsch an.
Die Leute wissen anfangs nicht,
ob man Deutsch kann, und einige
versuchen es dann mit grammatikalischem Kauderwelsch.“ Auch
hatte sie generell das Gefühl, dass
man als Ausländer mehr arbeiten
muss, um anerkannt zu werden.
Bei den Stadtwerken Düsseldorf
sei das aber anders.
Hülya Güclü: „Deutsche
und Türken verhalten sich anders“
Hülya Güclü (23) ist in Duisburg
geboren und ist in Deutschland
aufgewachsen. Ihre Familie
kommt ursprünglich aus der
Türkei und lebte dort in der Stadt
Hatay, im Süden nahe der Grenze
zu Syrien. Seit 40 Jahren lebt ihre Familie in
Deutschland. Für Hülya ist die Türkei eher
Urlaubsort denn Heimat.
Im Moment arbeitet die Wirtschaftsstudentin bei den Düsseldorfer Stadtwerken als Industriekauffrau. Ob es ihrer Meinung
nach überhaupt einen wesentlichen Unterschied zwischen Türken und Deutsche gibt, fragen wir
sie. „Ja“, meint Hülya, „das Verhalten der Menschen“. In der
Türkei seien die Menschen herzlicher und offener; sie würden
mehr auf einen zukommen. Und
im Gegensatz zu den Deutschen
seien die Türken viel entspannter
und lange nicht so hektisch.
Ismail Eren: „In Deutschland sind
noch nicht alle gleichberechtigt“
Ismail Eren (45) arbeitet seit 2001
bei den Stadtwerken Düsseldorf
als Rundfunk- und Fernsehtechniker in der Abteilung
Nachrichtentechnik.
Er wurde in der Türkei
geboren und zog im
Alter von sechs Jahren
nach Deutschland. Er
ist verheiratet und Vater zweier Kinder.
Sie wurden bewusst zweisprachig erzogen, denn nach Ismail
Erens Meinung ist es ein Muss,
mehrere Sprachen zu beherrschen – vor allem aber die Sprache des Landes, in dem man lebt:
„Ohne Weiterbildung kommt
man im Berufsleben nicht voran.“ Wir fragen ihn, was er von
Multikulti hält. Seine Antwort:
„Ja, ich stehe zu Multikulti.“ Er
fühlt sich als Europäer: „Wenn
ich hier bin, vermisse ich die Türkei mit ihrem Klima und den
Menschen. Wenn ich dort bin,
Die Journalisten der
8 d stellen sich vor
Ewz-klasse.de
Vielfalt in
Deutschland
Nicht nur in der ARD-Serie „Türkisch für Anfänger“ treffen die Kulturen aufeinander – auch im wahren Leben gibt es Herausforderungen. Die Klasse 8 d des Gymnasiums am Kothen hat sich bei den Stadtwerken Düsseldorf umgehört.
Foto: dpa
fehlt mir Deutschland mit seinem
geregelten und geordneten Leben.“ Was Ismail Eren fürchtet,
sind Parallelgesellschaften. Jeder
solle seine Herkunftskultur leben
dürfen, aber auch die der anderen
respektieren. Dafür müssten sich
alle öffnen. Toleranz sei angesagt.
Dann gebe es auch keine Probleme. Davon sei man in Deutschland aber noch ein ganzes Stück
entfernt: „Noch sind in Deutschland nicht alle gleichberechtigt.“
schon seit 24 Jahren in Deutschland. Er ist verheiratet und hat einen Sohn – und arbeitet bei den
Stadtwerken nun bereits seit zehn
Jahren im Bereich Produktionssysteme als System-Administrator.
Zum Thema Religion sagt
Herr Eghdam: Das sei für ihn eine
Sache, die jeder für sich selbst
entscheiden solle. In Deutschland
schätzt er vor allem, dass die Religion von der Politik getrennt ist.
Er sagt: Integration dürfe nicht
einseitig sein; auch die einheimiJahanbakhsh Ketabchy Eghdam:
sche Bevölkerung sollte Migran„Integration nicht einseitig“
Jahanbakhsh Ketabchy Eghdam ten akzeptieren.
(48) wurde in der iranischen
Hauptstadt Teheran geboren und Mustafa Alaca: „Vor- und Nachteile
kam mit 24 Jahren nach bei Migrationshintergrund“
Deutschland. Seine Fa- Mustafa Alaca (24 Jahre) ist in
milie, die Eltern, sein Neuss geboren und dort auch
Bruder und eine seiner aufgewachsen. Seine Wurzeln lieSchwestern leben eben- gen jedoch in der Türkei. Nach
falls hier. Inzwischen ist Eghdam dem 2. Weltkrieg kam zunächst
Junkers: Mitarbeiter aus 27 Nationen
INTERVIEW Sprachkurse
unterstützen die
Migranten, berichtet
HERKUNFT Die Schüler stammen aus 13 Nationen
die Leiterin der
– Probleme gibt es dabei aber nicht.
Personalentwicklung.
Von Saskia Hoffmann, Julia Jacobi, Lea
Prause, Jelena Schlenke
Wir sind die Klasse 8 d des Gymnasiums Am Kothen in Wuppertal. Unsere Klasse besteht aus
28 Schülern. Außerdem haben an
diesem Zeitungsprojekt noch drei
Mädchen aus der 8 a unserer
Schule mitgearbeitet. Insgesamt
stammen wir aus 13 verschiedenen Nationen. Wir alle sind der
Meinung, dass in unserer Klasse
keinerlei Probleme aufgrund unserer unterschiedlichen Herkunftsländer bestehen, sondern
jeder den anderen respektiert und
so schätzt, wie er ist.
„Es ist doch langweilig, wenn alle die
gleiche Nationalität haben“
Zum Thema „Chancen des Multikulti“ gaben die meisten zur
Antwort, dass sie von ihren Mitschülern vor allem Wörter und
Sätze anderer Sprachen erlernen
– Schimpfwörter eingeschlossen
– und fremde Kulturen und Religionen aus nächster Nähe kennenlernen können. Dabei meinten viele, dass man oft schon am
Verhalten einer Schülerin oder
eines Schülers erkennen kann,
aus welchem Land sie oder er
kommt, eben weil jedes Land seinen eigenen Lebensstil hat.
Zu jeder Kultur und Religion
gehören Traditionen, Feste und
Rituale (wie beispielsweise der
Fastenmonat Ramadan und das
Opferfest als das höchste Fest im
Islam), die wir auch mitmachen,
doch beeinflusst dies die Klassengemeinschaft und die unterei-
Das Schulprojekt der
Mit freundlicher Unterstützung von:
nander bestehenden Freundschaften überhaupt nicht negativ,
sondern weckt viel eher Neugier
und Interesse. Und so sprechen
wir darüber nicht nur im Unterricht, sondern oft auch privat.
Das fördert das wechselseitige
Verständnis und die Toleranz.
Ein Schüler merkt dazu an: „Es ist
doch langweilig, wenn alle der
gleichen Nationalität angehören.
In unserer Klasse haben wir immer wieder etwas zu erzählen.“
sein Großvater als Gastarbeiter
nach Deutschland. Später holte er
dann seine Familie nach und begann hier ein neues Leben. „Bis
zu meinem jetzigen Job als Gasund Wasserinstallateurmeister war
es ein harter
Weg“,
erklärt
„Deutschlands
bester
Azubi
2006“.
Mustafa Alaca sagt, er habe bei
den Düsseldorfer Stadtwerken
noch nie eine auch nur annähernd rassistische Bemerkung gehört, und er sei vollkommen
gleichrangig mit seinen deutschen Kollegen. Zum Thema
Multikulti vertritt Mustafa den
Standpunkt, dass jeder Mensch
mit Migrationshintergrund seine
Vorzüge und Nachteile hat.
Das Interview führten Maja Lusch, Lisa
Pickut und Ann-Katrin Reichert
Claudia Junkers (45) ist Leiterin
im Bereich Personalentwicklung
und Veränderungsmanagement
bei den Stadtwerken Düsseldorf.
Was halten Sie von „Multikulti“?
Junkers: Ich lege sehr viel Wert auf
„Multikulti“. Wir haben in allen
Berufszweigen der Stadtwerke
Düsseldorf Mitarbeiter mit Migrationshintergrund. Die Quote
unserer ausländischen Beschäftigten im Teilkonzern Stadtwerke
Düsseldorf liegt bei fast vier Prozent. Sie kommen aus insgesamt
27 verschiedenen Nationen.
Sprechen alle Ihre Mitarbeiter fließend Deutsch?
Junkers: Nicht alle. Hier unterstützen wir die Beschäftigten durch
Sprach- und Rechtschreibkurse.
Besteht die Möglichkeit, dass ausländische Mitarbeiter an ihren religiösen Feiertagen von der Arbeit
befreit werden?
Junkers: Ja, diese Möglichkeit besteht. Wir versuchen immer, mit
Rücksicht auf die betrieblichen
Belange, die unterschiedlichen
STATISTIK 16
Prozent
der Bevölkerung sind
Migranten.
Von Ronja Dietrich, Annika Hanau und
Leopoldine Parczanny
Wissen Sie eigentlich, auf wie viele Nationen Sie treffen, wenn Sie
durch die Straßen gehen? Laut
Statistischem Bundesamt lebten
2011 in Deutschland insgesamt
15,7 Millionen Menschen mit
Migrationshintergrund. Davon
stammen 14 Prozent aus der Türkei und 10,5 Prozent aus Polen.
Aber auch Mitbürger aus Russland, Italien und Kasachstan sind
besonders stark vertreten. Der
Anteil aller in Deutschland lebenden Migranten beträgt 19 Prozent
an der Gesamtbevölkerung. Davon besitzen 7,1 Millionen keinen deutschen Pass und gelten
somit als Ausländer. In 2,3 Millionen Familien gibt es mindestens ein Elternteil mit ausländischen Wurzeln; ein Anteil von
29 Prozent aller in Deutschland
lebenden Familien.
Deutschland – das Land in der EU mit
den meisten Nationalitäten
Die Anzahl der Migranten ohne
■ DATEN UND ZAHLEN
KOMMENTAR
berufsqualifizierenden Schulabschluss lag 2010 bei 45 Prozent,
Von
Schülern
der
8
d
VIELFALT Viele Mitarbeiter bei den
während dies bei Deutschen
Stadtwerken Düsseldorf haben
„nur“ 20 Prozent waren. Generell
einen Migrationshintergrund.
muss man feststellen, dass Mig„Vielfalt ist belebend“, findet Silranten oft eine schlechtere Bilvia Perl (34), Beraterin aus dem
dung haben. Damit besteht für sie
Bereich Personal. Ihre Mutter
ein höheres Risiko, in Armut abstammt aus Mazedonien, ihr
Wir finden Multikulti gut, denn zudriften. Dies kann man auch
Vater ist Deutscher. Von den 3363
viele Menschen profitieren: Der
anhand der Zahl der Hartz-IVMitarbeitern der Stadtwerke
deutsche Staat bekommt junge
Empfänger belegen: Obwohl die
haben insgesamt 127 Beschäftige
Leute ins Land, die er braucht,
Menschen mit Migrationshintereine andere Staatsangehörigkeit.
weil seine Bevölkerung überaltert grund nur ein knappes Fünftel an
Von Sri-Lanka über Togo bis zu
ist. Den Bürgern mit Migrations- der
Gesamtbevölkerung
Finnland sind 27 Nationen vertrehintergrund öffnet sich die Tür
Deutschlands ausmachen, bilden
ten. Das Durchschnittsalter der
zu einem neuen Leben. Auch die sie ein Drittel sämtlicher HartzMitarbeiter liegt bei 47 Jahren.
Deutschen haben Vorteile: So sit- IV-Bezieher. Andererseits gibt es
zen wir in einer italienischen Eis- unter ihnen aber auch etliche, die
AUTOREN Nele Götz, Greta Nipdiele oder Pizzeria, kaufen unser das Abitur gemacht oder auch ein
pert, Silvia Perl, Katharina Paisler,
Obst und Gemüse beim Türken, Studium abgeschlossen haben.
Matilda Döring und Lena Schenkel
verabreden uns in einer spaniVon den Studenten mit Migratischen Tapas-Bar oder in einer
onshintergrund wollen laut SachDöner-Bude. Und was wäre die
Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen deutsche Fußballnationalmann- verständigenrat Deutscher Stiftungen für Integration und Miund Mitarbeiter zu beachten.
schaft ohne Mesut Özil, Sami
gration (SVR) die meisten später
Khedira, Lukas Podolski und
Dürfen muslimische Mitarbeite- Jérôme Boateng? Für uns Jugend- in Deutschland bleiben. Deutschrinnen bei Ihnen Kopftücher tra- liche ist es ganz normal, Freunde land ist in der EU das Land mit
den meisten Nationalitäten.
gen und gab es dabei Probleme? mit Migrationshintergrund zu
Junkers: Ja, dürfen sie. Und bis haben, weil wir mit ihnen aufjetzt hatten wir noch keine Pro- wachsen. Und dabei stellt man
bleme damit.
fest, dass sie ja gar nicht soviel
anders sind als man selbst. Man
Was könnten Sie tun, um Ihre aus- sollte allerdings nicht verlangen,
ländischen Mitarbeiter zu inte- dass sie ihre Traditionen völlig
grieren?
aufgeben. Es ist doch gerade das
Junkers: Ich denke, man sollte ge- Miteinander der verschiedenen
nerell einfach sensibel mit den Kulturen, das in den deutschen
verschiedenen Themen umgehen Alltag Abwechslung bringt.
Rund 16 Millionen Menschen mit
und andere Menschen wertschät- Von Shirin Ahsant, Lily Blaß,
Migrationshintergrund lebten 2011 in
zen, egal woher sie kommen.
Linda Dunckert, Mathias Huber
Deutschland.
Foto: dpa
Multikulti?
Ja, bitte!