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Technik: Piloten können Flugzeuge noch leiser anfliegen lassen
Geschrieben 25. Nov 2016 - 16:31 Uhr
Landeanflüge leiser gestalten, das ist die Motivation zweier gemeinsamer Forschungsvorhaben des Deutschen Zentrums für
Luft- und Raumfahrt (DLR) und des Umwelt- und Nachbarschaftshauses (UNH) in Kelsterbach, deren erste Ergebnisse heute
auf der internationalen Konferenz für aktiven Schallschutz ICANA 2016 am Flughafen Frankfurt vorgestellt wurden.
Ein Pilotenassistenzsystem für leisere Anflüge sowie ein Verfahren für flexiblere lärmentlastende Anflugrouten konnten in
diesem Jahr erprobt werden. Beide Verfahren haben ihr Potential unter Beweis gestellt und werden zukünftig noch
umfangreichere Tests durchlaufen. Die vorgestellten Arbeiten sind Teil zahlreicher Forschungsaktivitäten für leiseres Fliegen,
die der Fachausschuss Fluglärm im DLR koordiniert.
Fahrwerk und Klappen lärmschonend einsetzen
Bei Flugversuchen vom 26. bis 28. September 2016 erfolgte ein Realitätstest des Piloten-Assistenzsystems LNAS (Low Noise
Augmentation System) während des alltäglichen Hochbetriebs am Frankfurter Flughafen. Das vom DLR-Institut für
Flugsystemtechnik entwickelte System für lärmoptimierte Anflüge erprobten die Wissenschaftler an Bord des
Forschungsflugzeugs A320 ATRA in fünf Versuchsreihen mit insgesamt 74 Anflügen auf Frankfurt, unterstützt von der
Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS). Am Steuer saßen Linienpiloten von vier Fluggesellschaften, die ihre Anflüge zum
Vergleich mit und ohne Unterstützungssystem absolvierten.
"Bereits jetzt zeigt sich, dass das Prinzip Lärmminderung durch präzisere Handlungsabläufe beim Einsatz von Klappen und
Fahrwerk während der Anflüge funktioniert", sagt der Leiter der Abteilung Flugdynamik und Simulation des DLR-Instituts für
Flugsystemtechnik Prof. Klaus-Uwe Hahn bei seinem Vortrag auf der ICANA-Konferenz. Die Beurteilungen der Piloten, die mit
dem System geflogen sind, waren durchweg positiv. Das Assistenzsystem sei äußerst hilfreich, insbesondere in schwierigen
Situationen, etwa bei starkem Rückenwind oder hohen Geschwindigkeitsvorgaben durch die Luftverkehrskontrolle. Selbst
unter den schwierigen Bedingungen im Volllastbetrieb am Flughafen Frankfurt werden die Anflüge um bis zu über ein
Dezibel im Maximalpegel leiser.
Für detailliertere quantitative Aussagen zur Lärmminderung mit Hilfe des neuen Systems analysieren DLR-Forscher intensiv
die gemessenen Lärm- und Cockpitdaten. Einzelne Flugzustände, beispielsweise das Maß der ausgefahrenen Landeklappen,
müssen dabei exakt den Lärmwerten am Boden zugeordnet werden. Zudem führt das DLR Nachsimulationen durch, um die
Lärmsituation unterhalb der Anflugbahnen vollständig zu erfassen. Diese Arbeiten sollen bis zum Ende des ersten Quartals
2017 abgeschlossen sein.
Siedlungen häufiger umfliegen
Das zweite in Kooperation mit dem UNH laufende Forschungsprojekt zielt auf die Ausweitung lärmentlastender
Anflugrouten. Bereits heute gibt es die Möglichkeit, den Flugverkehr in den verkehrsarmen Randzeiten um dicht besiedelte
Siedlungsschwerpunkte herum zu lenken, wobei die Piloten erst vergleichsweise spät in den direkten Anflug auf die
Landebahn einschwenken. Die Herausforderung besteht darin, diese flexible Routenführung auch in Hochverkehrszeiten
anzuwenden, was bisher aufgrund internationaler Regularien noch nicht möglich ist.
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Flugführung
hat in mehrjähriger
Forschungsarbeit ein Sicherheitskonzept entwickelt, das die
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lärmentlastende Routenführung basierend auf modernen Navigationstechnologien auch im unabhängigen
Parallelbahnbetrieb erlaubt. Dieser ist entscheidend dafür, den Flugverkehr in Hochlastzeiten zu bewältigen. Wie gut sich
dieses Verfahren am Flughafen Frankfurt anwenden lässt, haben die DLR-Forscher im September und Oktober 2016 im Air
Traffic Management and Operations Simulator (ATMOS) in Braunschweig gemeinsam mit der Deutsche Flugsicherung GmbH
(DFS) getestet.
"Generell zeigte sich bei den Echtzeitsimulationen des Frankfurter Flugverkehrs, dass unser Konzept für weniger Lärm über
stark besiedelten Gebieten für die Lotsen handhabbar ist", sagt der Leiter der Abteilung Pilotenassistenz im DLR-Institut für
Flugführung Dr. Bernd Korn bei seinem Vortrag auf der ICANA-Konferenz. "Je geringer der Anteil der Luftfahrzeuge wird, die
ohne moderne Navigationstechnologien einen klassischen geraden Anflug benötigen, desto weniger Aufwand haben die
Lotsen bei gleichzeitiger Nutzung der gekrümmten Anflüge." Aber auch eine gleichmäßige Verteilung des Flugverkehrs zu
jeweils 50 Prozent auf eine gerade und eine gekrümmte Streckenführungen ist mit einer akzeptablen Arbeitsbelastung
verbunden und für die Lotsen mit stetig hohem Situationsbewusstsein kontrollierbar.
Triebwerke im Leerlauf sparen Treibstoff
Für Piloten ist es oft schwierig während der arbeitsintensiven Landung, die Zeitpunkte zum Ausfahren der Klappen und des
Fahrwerks so optimal zu wählen, dass ein Teil der Landephase komplett im besonders leisen und treibstoffsparenden
Leerlauf stattfinden kann. Hier setzt das Assistenzsystem LNAS an. Es zeigt den Piloten über ein Display im Cockpit exakt zu
welchem Zeitpunkt sie welche Handlung durchführen müssen. "Diese optimierten Abläufe im Cockpit bringen neben der
Lärmoptimierung auch Treibstoffeinsparungen", erklärt Hahn. "Je Landeanflug sinkt der Kerosinverbrauch um zehn Prozent,
gegenüber einem Anflug ohne System auf den letzten 25 Meilen." Als nächsten Schritt planen die DLR-Forscher bereits des
Assistenzsystems im Alltagsbetrieb verschiedener Fluglinien zu erproben.
Ziel: Internationaler Standard
Aufbauend auf den Ergebnissen dieser ersten Reihe von Echtzeitsimulationen werden weitere Forschungsarbeiten in den
kommenden zwei Jahren folgen. Anschließend ist geplant, das Konzept der unabhängig segmentierten
Parallelanflugverfahren gemeinsam mit Boeing bei der international zuständigen Luftfahrtbehörde ICAO (International Civil
Aviation Organization) vorzustellen und es als akzeptierten Standard aufnehmen zu lassen.
Breite Forschung zum Phänomen Fluglärm
Beide vom Umwelt- und Nachbarschaftshaus mit insgesamt 950.000 Euro für ein bzw. drei Jahre geförderten Projekte reihen
sich in die umfangreichen Forschungsaktivitäten des DLR zur Minderung des Fluglärms ein. Dabei untersucht das DLR nicht
nur, welche technischen Möglichkeiten zur Lärmminderung vorhanden sind, etwa wie ein massiv auf Lärmminderung
getrimmtes Fluggerät aussehen würde oder welche Lärmminderungsmöglichkeiten optimierte Flugverfahren bieten.
Vielmehr setzen sich die Wissenschaftler des DLR auch mit der grundlegenden Frage auseinander, wie der Fluglärm auf den
Menschen als Individuum aber auch auf die Gesellschaft als sozio-ökonomisches System wirkt. Nur auf dieser Grundlage
können Maßnahmen des aktiven Schallschutzes sinnvoll ausgelegt und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit überwacht werden.
Derzeit nimmt sich das vom DLR finanzierte Projekt MIDAS (Maßnahmen und Instrumente des Aktiven Schallschutzes) dieser
Aufgabe an. Die Forschungsarbeiten decken alle von der internationalen Luftfahrtbehörde ICAO benannten Facetten des
Fluglärmmanagements ab. Zusätzlich ist eine Feldstudie zur Wirkung von Fluglärm auf Kinder Teil des Projekts. Die
Auslegung von Lärmminderungsmaßnahmen wird bei MIDAS durch verbesserte Rechenmodelle unterstützt und deren
Wirksamkeit durch speziell entwickelte Konzepte umfangreich kontrolliert. Im Zeitraum 2015 bis 2018 setzt MIDAS eine
Reihe von interdisziplinär orientierten DLR-Projekten der Fluglärmforschung konsequent fort, die 1999 mit dem Projekt
"Leiser Flugverkehr" begannen.
"Die Vielfalt der DLR-Institute ermöglicht es uns, das Forschungsthema Fluglärm über die Breite der zahlreichen
Detailfragestellungen wissenschaftlich übergreifend zu bearbeiten", sagt Dr. Ullrich Isermann, der den Fachausschuss
Fluglärm im DLR leitet. Der Fachausschuss koordiniert im DLR die wissenschaftlichen Arbeiten im Bereich Fluglärm und ist
mit Experten der einzelnen Kernforschungsthemen besetzt. "Unsere Forschung wird sich weiterhin auf die interdisziplinäre
Behandlung des Fluglärmproblems konzentrieren, was wir durch die detaillierte Bearbeitung relevanter Problemstellungen
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ergänzen", so Isermann
auf der
ICANA-Konferenz.
täglich
aktuellen
News "Wichtig ist aber vor allem, sich nicht am Status Quo zu orientieren –
Fluglärmforschung muss zukunftsorientiert ausgerichtet bleiben."
Videoaufzeichnungen der Präsentationen finden sich hier.
Auf den Bildern
Im Anflug auf Frankfurt: ATRA. Das neu entwickelte Piloten-Assistenzsystem (Low Noise Augmentation System, LNAS)
für ein lärmoptimiertes Anflugverfahren testet das DLR im Realitätscheck am Frankfurter Flughafen – dem größten
Flughafen Deutschlands – mit dem Forschungsflieger ATRA.
Display des Pilotenassistenzsystems: Das Display des getesteten Assistenzsystems zeigt dem Piloten Vorschläge für
eine optimale Landung an.
Prinzipskizze segmentierter Anflug: Bereits heute gibt es die Möglichkeit, den Frankfurter Flugverkehr in den
verkehrsarmen Randzeiten um dicht besiedelte Siedlungsschwerpunkte herum zu lenken. Das DLR untersucht, nun
wie sich der segmentierte Anflug zur Lärmentlastung von dichtbesiedelten Siedlungsschwerpunkten, von den
verkehrsarmen Randzeiten auf weitere Tageszeiten mit mehr Flugverkehr übertragen lässt.
Artikel Bilder:
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