Gemeinsame Fortschritte im Textilsektor Bündnis für nachhaltige Textilien „ALLEN, DIE NOCH IMMER SAGEN: WAS GEHT MICH DAS AN, WAS HAT DAS MIT UNS ZU TUN? – ANTWORTE ICH: SIE, ICH, WIR ALLE TRAGEN VERANTWORTUNG FÜR DIE MENSCHEN, DIE UNSERE KLEIDER FÜR UNS HERSTELLEN, UND FÜR DIE ENTWICKLUNG DER LÄNDER, IN DENEN DIESE PRODUZIERT WERDEN. WIR KÖNNEN NICHT LÄNGER AUF KOSTEN ANDERER BILLIG KONSUMIEREN.“ BUNDESENTWICKLUNGSMINISTER DR. GERD MÜLLER Vorwort LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER, im April 2013 stürzte in Bangladesch das Fabrikgebäude Rana Plaza ein. Mehr als 1.100 Menschen starben, darunter viele, die auch Kleidung für uns hier in Deutschland produzierten. Das Unglück in Bangladesch führte uns vor Augen, dass wir in einer globalisierten Welt leben, in der man sich nicht freimachen kann von der Situation in den Ländern, in denen unsere Kleidung hergestellt wird. Und deshalb bin ich überzeugt, wir alle sind uns einig: Wir brauchen weltweit menschenwürdige Arbeit! Für globalen Handel müssen globale Mindeststandards gelten. Wir müssen den globalen Handel gerechter gestalten. Mir ist klar: Die Lieferketten der Textilindustrie vom Rohstoff bis zur Verwertung sind verzweigt und unübersichtlich. Darum können wir nicht auf einen Schlag sämtliche Produktionsschritte ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltiger gestalten und die Einhaltung der Menschenrechte gewährleisten. Aber wir müssen uns auf den Weg machen. Deswegen haben wir im Oktober 2014 das Bündnis für nachhaltige Textilien initiiert. M ittlerweile stehen fast 190 Mitglieder aus der Textil- und Bekleidungsindustrie, dem Handel, Nichtregierungsorganisationen, Standardorganisationen, Gewerkschaften, Verbänden und auch die Bundesregierung gemeinsam für nachhaltige Verbesserungen entlang der gesamten Textil-Lieferkette ein. Die vorliegende Broschüre zeigt Ihnen: Wir sind bereits ein gutes Stück vorangekommen auf unserem Weg! Ich lade Sie ein: Machen Sie mit! Ihr Dr. Gerd Müller, MdB Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 1 Weitere Informationen in unserer Web-App www.bmz.de/textil 2 Inhalt Herausforderungen der globalisierten Textilwirtschaft 4 Ziele unseres E ngagements im Textilsektor 8 Das Textilbündnis – das haben wir bisher erreicht 12 Beitrag des BMZ zum Erfolg des Textilbündnisses 16 Verbrauchertipps für den verantwortungsvollen Kleidungskauf 22 3 Herausforderungen der globalisierten Textilwirtschaft DER GLOBALE TEXTIL- UND BEKLEIDUNGSSEKTOR – CHANCEN UND HERAUSFORDERUNGEN Deutschland ist ein international bedeutender Markt für Mode und Textilien. Ein Großteil der in Deutschland verkauften K leidung wird im Ausland hergestellt. China, Bangladesch, Indien, Vietnam, Kambodscha und Pakistan sind zentrale Produktionsländer. ← Näherin in einer Textilfabrik in Bangladesch 4 Herausforderungen der globalisierten Textilwirtschaft Vor allem in asiatischen Entwicklungsund Schwellenländern sind durch die Textilproduktion Millionen Arbeits plätze entstanden. Die Bedeutung des Textilsektors für Wirtschaftswachstum und Entwicklung ist in diesen Ländern immens. Insbesondere für viele Frauen bietet der Textilsektor einen Zugang zu eigenem Einkommen. Klar ist jedoch auch, dass in vielen Produktionsländern der Textil- und Bekleidungsindustrie noch großer Handlungsbedarf bei A rbeitsbedingungen und Umweltschutz besteht. Menschenrechte zu wahren, Umwelt- und Sozialbedingungen zu verbessern und gleichzeitig die Produktionsstandorte zu sichern, gehört zu diesen Herausforderungen. Höhere Nachhaltigkeit in der Textil produktion darf nicht dazu führen, dass in Entwicklungs- und Schwellenländern Arbeitsplätze verloren gehen. Ziel muss es vielmehr sein, bestehende Missstände zu beheben und bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen. Als großer Absatzmarkt von Mode und „Als ich vor sieben Jahren nach Dhaka kam, um in einer Textilfabrik zu arbeiten, war mein Einstiegslevel das Anfängerniveau: Level 7. In zwei Monaten hatte ich mich auf Level 2 hochgearbeitet. Trotzdem verdiene ich bei zehn Stunden Arbeit pro Tag am Ende des Monats nur 6.900 Taka [umgerechnet etwa 70 Euro].“ NÄHERIN PARMIN Textilien muss Deutschland seiner globalen Verantwortung gerecht werden und so einen Beitrag zur Verbesserung der Sozial- und Umweltbedingungen in Produktionsländern leisten. LÖHNE UND ARBEITSZEITEN Löhne, die für die Textilproduktion gezahlt werden, reichen häufig nicht aus, um grundlegende Bedürfnisse der Arbeiterinnen und Arbeiter zu sichern. Miete, Essen, der Schulbesuch der Kinder oder die ärztliche Versorgung können häufig nicht bezahlt werden. Selbst gesetzlich festgelegte Mindestlöhne sind oft zu niedrig, um davon l eben zu können. In Bangladesch erhalten ungelernte Näherinnen beispielsweise einen Mindestlohn von umgerechnet ca. 60 Euro im Monat. In Deutschland kostete eine Arbeitsstunde in der Bekleidungsindustrie im Jahr 2015 laut Angaben des Gesamtverbands der 5 Herausforderungen der globalisierten Textilwirtschaft „FAST FASHION“ Textil- und Modeindustrie 30,80 Euro. In anderen europäischen Ländern ist das Lohnniveau ähnlich. Niedriglohnländer werden gezielt für viele Arbeitsschritte der Produktion ausgewählt, um in einem härter werdenden Wettbewerb bestehen zu können. Zeitdruck bestimmt die „Fast Fashion“: Wenn Preise und Liefertermine nicht eingehalten werden, verlieren Textilfabrikanten ihre Aufträge an die Konkurrenz. Diesen Druck geben sie an die Beschäftigten weiter. Viele Näherinnen und Näher arbeiten in dieser Situation nicht „nur“ 10 bis 12, sondern bis zu 16 Stunden am Tag. Für Überstunden werden sie häufig nicht angemessen entlohnt. Dies muss anders werden. Wettbewerbsfähigkeit darf nicht länger zulasten der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit gehen. Unter Fast Fashion versteht man schnell wechselnde Mode-Trends. Während früher zwei Kollektionen pro Jahr von den Unternehmen entwickelt wurden, sind es heute zwischen acht bis zwölf. Durch die immer neuen Kollektionen und häufig niedrigen Preise werden vermehrt Kaufimpulse gesetzt. ↑ Mitarbeiter einer Baumwoll-Entkörnungs fabrik, Benin GESUNDHEIT In vielen Textilfabriken werden Chemikalien eingesetzt, die schwere Krankheiten auslösen können – trotzdem steht den Angestellten oft keine entsprechende Schutzkleidung zur Verfügung. Gesundheitsgefährdend ist beispielsweise das Sandstrahlen von Jeans, die einen „Used-Look“ bekommen sollen. Die Sandstrahltechnik bedeutet für die Arbeiter ein hohes Risiko, an einer lebensbedrohenden Staublunge (Silikose) zu erkranken. Baumwollfelder w erden häufig durch Pestizid-Einsatz vor Schädlingen geschützt. Die Gifte werden oft per Hand oder von Flugzeugen auf die Felder gesprüht, während dort Menschen arbeiten. Ohne angemessene Schutzkleidung können gesundheitliche Schäden die Folge sein. Besonders häufig sind Erkrankungen der Atemwege, der Haut, der Augen und des Nervensystems. Entsorgung von Farbstoffen im Fluss → 6 Herausforderungen der globalisierten Textilwirtschaft SICHERHEIT UND UMWELT Unbeachtete Sicherheitsstandards führen immer wieder zu schweren Unfällen. Bei Bränden in den Textilfabriken Ali Enterprises (Pakistan, 2012) und Tazreen Fashions (Bangladesch, 2012) kamen insgesamt über 360 Menschen ums Leben. 2013 stürzte in Bangladesch in der Nähe von Dhaka das Rana Plaza ein, ein neunstöckiges Geschäfts- und Fabrikgebäude, in dem auch westliche Textilkonzerne produzieren ließen. Mehr als 1.100 Menschen starben, ca. 2.500 wurden verletzt. Eine Untersuchung ergab, dass mehrere Geschosse des Gebäudes ohne Genehmigung und mit qualitativ schlechtem Baumaterial errichtet worden waren. Das Fehlen oder die Missachtung von Umweltstandards hat gravierende Folgen für die Natur und die Gesundheit der Menschen in den Produktionsländern. Chemikalien werden häufig nicht ordnungsgemäß entsorgt. Farbstoffe und Bleichmittel aus den Fabriken gelangen vielerorts ungeklärt ins Abwasser. Auch beim Baumwollanbau können Umweltprobleme entstehen. Zum Beispiel durch unsachgemäßen Einsatz von Pestiziden zur Schädlingsbekämpfung gelangen diese Wirkstoffe über die Böden ins Grund- und Trinkwasser. 7 Ziele unseres Engagements im Textilsektor Ziele unseres Engagements im Textilsektor GERECHTE GESTALTUNG DER GLOBALISIERUNG Die deutsche Entwicklungspolitik engagiert sich für die Bekämpfung von Armut, für Frieden, Freiheit, Demokratie und Menschenrechte, für eine gerechte Gestaltung der Globalisierung und für den Erhalt der Umwelt und der natürlichen Ressourcen. ← Schulungseinrichtung für Opfer des Rana-PlazaUnfalls in Bangladesch. Hier lernen die Näherinnen und Näher, ganze Kleidungsstücke selbst zu nähen 8 Ziele unseres Engagements im Textilsektor „BESSERE ARBEITSBEDINGUNGEN, UMWELTFREUNDLICHE PRODUKTIONSMETHODEN UND FAIRE LÖHNE: DAS IST NACHHALTIGKEIT KONKRET!“ BUNDESENTWICKLUNGSMINISTER DR. GERD MÜLLER Im Textilsektor zeigt sich deutlich, wie wichtig ein globaler Ansatz ist: Denn unser Leben ist heute enger mit dem der Menschen auf anderen Kontinenten verflochten als jemals zuvor. In Deutschland haben wir dadurch sehr viele Vorteile. Wir tragen aber auch eine größere Verantwortung als frühere Generationen. Die Weltgemeinschaft ist mit komplexen Problemen konfrontiert, für die globale Lösungsansätze gefunden werden müssen. SUSTAINABLE DEVELOPMENT GOALS Dem BMZ dient der Weltzukunftsvertrag „Agenda 2030“ als Kompass. Mit dem Bekenntnis zur Agenda 2030 der Vereinten Nationen und zu den Sustainable Development Goals (SDGs) drückt die Bundesregierung ihre Überzeugung aus, dass sich die globalen Herausforderungen nur gemeinsam lösen lassen. Entwicklungsländer, Schwellenländer und Industriestaaten: Alle müssen ihren Beitrag leisten. Regierungen allein können die Probleme nicht lösen: Alle gesellschaftlichen Kräfte – Wirtschaft, Staat und Zivilgesellschaft – müssen dafür Verantwortung übernehmen und konstruktiv zusammenarbeiten. Das BMZ setzt sich im Kontext von globalen Lieferketten gezielt für menschenwürdige Arbeit und wirtschaftliches Wachstum (SDG 8) sowie für nachhaltige Produktion und nachhaltigen Konsum (SDG 12) ein, damit Menschen weltweit Zukunftsperspektiven bekommen. Auch die Förderung von Partner schaften (SDG 17) ist ein wichtiger Beitrag zur Umsetzung der international vereinbarten Ziele der Agenda 2030. 9 Ziele unseres Engagements im Textilsektor BÜNDELUNG DER KRÄFTE VON WIRTSCHAFT, ZIVILGESELLSCHAFT UND POLITIK Das Engagement des BMZ im Textilbereich kann als Vorbild für andere Sektoren dienen: Das BMZ kooperiert nicht nur eng mit anderen Ländern und internationalen Organisationen, sondern bindet entscheidende Akteure aus der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft aktiv in die Problemlösung mit ein (sogenannte „Multi-A kteursPartnerschaft“). schaft und Bundesregierung vereinen ihren Sachverstand und ihre Kräfte im Bündnis für nachhaltige Textilien. Das Bündnis betrachtet die Lieferketten von Textilien und Bekleidung ganzheitlich: von der Rohstoffproduktion bis zur Entsorgung. Textil- und Bekleidungsindustrie, Handel, Gewerkschaften, Zivilgesell- NACHHALTIGE TEXTILIEN Ziel des Bündnisses für nachhaltige Textilien ist es, durch die Bündelung der Expertise und Ressourcen seiner Mitglieder und mit entsprechender Marktmacht die sozialen, ökologischen und ökonomischen Bedingungen entlang der gesamten Lieferkette des Textil- und Bekleidungssektors nachweislich zu verbessern. Die im Aktionsplan des Textilbündnisses festgelegten Strategieelemente unterstützen diese Zielsetzung: 1. G emeinsame Definition von Umsetzungsanforderungen und entsprechenden Indikatoren für eine kontinuierliche Verbesserung. 10 2. Gemeinsame Verbesserung von Rahmenbedingungen in den Produktionsländern und Handlungsempfehlungen für eine abgestimmte Politik in Deutschland sowie der EU. 3. Transparente Kommunikation der Fortschritte des Bündnisses und seiner Mitglieder, um so den Verbraucherinnen und Verbrauchern eine leichte Erkennbarkeit von nachhaltigen Textilien zu ermöglichen. 4. Bündnis-Plattform, um den Fortschritt und die Machbarkeit der Umsetzung zu prüfen und zu unterstützen, Erfahrungen zu teilen und voneinander zu lernen. Ziele unseres Engagements im Textilsektor ENTSCHEIDUNGSPROZESSE IM TEXTILBÜNDNIS STEUERUNGSKREIS (12 SITZE) 1 Gewerkschaft 4 Wirtschaft 1 Standard organisation 3 NRO 3 BReg 1 kooptiertes Mitglied Mitglieder wählen Sechs Facharbeitsgruppen aus Mitgliedern und externen Experten: AG Sozialstandards, AG Chemiekalien, AG Naturfasern, AG Review, AG Umsetzung/ Internationalisierung und AG Kommunikation Steuerungskreis entscheidet über die Besetzung der Facharbeitsgruppen Externe Experten zu einzelnen Themen Steuerungskreis Bündnissekretariat Fachliche und prozessbegleitende Unterstützung Facharbeitsgruppen beraten Steuerungskreis Fast 190 Mitglieder, davon über 130 Unternehmen sowie zivilgesellschaftliche Organisationen, Gewerkschaften, Standardorganisationen, Verbände und Bundes regierung (BMZ, BMAS, BMUB) Der Steuerungskreis wurde von den Mitgliedern gewählt und ist das Entscheidungsgremium für das Textilbündnis. In Facharbeitsgruppen beraten sich Mitglieder und externe Experten zu thematischen und/oder regionalen Fragestellun- gen. Über die Besetzung der Facharbeitsgruppen entscheidet der Steuerungskreis. Die Facharbeitsgruppen erarbeiten Empfehlungen und Entscheidungsvorlagen, auf deren Grundlage der Steuerungskreis seine Entscheidungen trifft. 11 Das Textilbündnis – das haben wir bisher erreicht Das Textilbündnis – das haben wir bisher erreicht MARKTABDECKUNG BEI 55 PROZENT Gemeinsam mit der Wirtschaft, Zivilgesellschaft, standardsetzenden Organisationen und den Gewerkschaften ist es gelungen, das Textilbündnis auf eine breite Grundlage zu stellen. Nach zwei Jahren ist die Mitgliedschaft von 30 auf derzeit rund 190 Organisationen angewachsen (Stand November 2016). Damit deckt das Textilbündnis etwa 55 Prozent des deutschen Textil- und Bekleidungsmarkts ab. ← Textilfabrik in Bangladesch 12 Das Textilbündnis – das haben wir bisher erreicht INDIVIDUELL ÜBERPRÜFBARE MASSNAHMENPLÄNE Die Bündnismitglieder haben sich auf den Weg gemacht, die Produktionsbedingungen entlang der gesamten Textil-Lieferkette schrittweise zu verbessern. Dafür entwickelten sie in Arbeitsgruppen Anforderungen und konkrete Maßnahmen. Diese umfassen beispielsweise Schulungen für Näherinnen, die Unterstützung lokaler Gewerkschaften in den Produktionsländern, einen stärkeren Einsatz nachhaltig produzierter Baumwolle und den Verzicht auf giftige Chemikalien. Dies bildet den Rahmen für das Verfolgen der Bündnisziele in den Bereichen Chemikalien, Naturfasern und Sozialstandards. haltigkeitsprogramms dazu verpflichtet, bis 2020 mindestens 50 Prozent der Textilien nachhaltig zu beschaffen. Die Fortschritte der Bündnismitglieder werden von unabhängigen Experten überprüft. Dadurch kann das Textilbündnis die Zielverfolgung eines jeden Mitglieds sowie des Bündnisses insgesamt nachvollziehen. Werden die Maßnahmen eines Mitglieds als unzureichend bewertet, greifen Sanktionen bis hin zum Bündnisausschluss. Jedes Bündnismitglied verpflichtet sich, auf Grundlage der Anforderungen jährlich einen individuellen Maßnahmenplan (Roadmap) zu erstellen und über dessen Umsetzung zu berichten. Zum Beispiel hat sich die deutsche Bundesregierung im Rahmen des Nach- ↑ Arbeiterinnen in einer Schuhfabrik, Äthiopien „Jedes Mitglied im Textilbündnis muss sich für seine Roadmap mindestens 14 konkrete Ziele in den Bereichen Sozialstandards, Prozesschemikalien und Naturfasern setzen. Dies bedeutet, dass wir mit unseren 190 Mitgliedern Jahr für Jahr über 2.000 Schritte in die richtige Richtung gehen. Mehr als 2.000 Verbesserungen, die es ohne das Textilbündnis nicht geben würde. Das ist doch was!“ DR. BERNHARD FELMBERG, BMZ 13 Das Textilbündnis – das haben wir bisher erreicht GRÖSSERE TRANSPARENZ GEGENÜBER DER Ö FFENTLICHKEIT Gegenüber der Öffentlichkeit schafft das Textilbündnis eine bessere Nachvollziehbarkeit konkreter Schritte, die einzelne Mitglieder zur Verbesserung der Umwelt- und Sozialstandards in Textil-Lieferketten machen. Bereits ab 2017 sollen, ab 2018 müssen alle Bündnismitglieder ihre jährlichen Maßnahmenpläne veröffentlichen. Der Öffent- lichkeit werden Informationen über konkrete Fortschritte bei der Umsetzung geplanter Maßnahmen zur Verfügung gestellt. Durch die Transparenz nach außen schafft das Textilbündnis Anreize für seine Mitglieder, ernsthaft und kontinuierlich an der Verfolgung vereinbarter Ziele zu arbeiten. BÜNDNISINITIATIVEN Das Textilbündnis wird eine Reihe von Bündnisinitiativen auf den Weg bringen. Es handelt sich um breit angelegte Projekte zur Verbesserung der Rahmenbedingungen in den Produktionsländern. Sie sollen Zulieferer und lokale Akteure wie Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen einbeziehen. Die geplanten Bündnis initiativen decken Themenbereiche ab, die nur durch die Verknüpfung der Erfahrung, Expertise und Ressourcen mehrerer Bündnismitglieder gemein- sam bearbeitet werden können. So sollen strukturelle Veränderungen angestoßen werden. Vier Themen aus der Bündnisarbeit wurden hierfür bislang ausgewählt: Substitution giftiger Chemikalien in der Textilproduktion, nachhaltige Wassernutzung im Baumwoll anbau, existenzsichernde Löhne und Arbeits- und Sozialstandards auch in tieferen Ebenen der Lieferkette (zum Beispiel in Spinnereien). „Die breite Basis im Textilbündnis ist wichtig. Je mehr Unternehmen aus den Käufermärkten nachhaltig zertifizierte Textilien einkaufen, desto mehr passiert in den Lieferländern.“ CLAUDIA KERSTEN, GOTS (GLOBAL ORGANIC TEXTILE STANDARD) 14 Das Textilbündnis – das haben wir bisher erreicht DIE PRODUKTIONSKETTE DIE PRODUKTIONSKETTE Das Bündnis betrachtet die Lieferkette von Textilien und Bekleidung ganzheitDas Bündnis betrachtet die Lieferkette von Textilien und lich – die Produktionskette soll schrittweise nachhaltig gestaltet werden. Bekleidung ganzheitlich – die Produktionskette soll schrittweise nachhaltig gestaltet werden. Naturfaser Chemiefaser Faseranbau und -ernte Gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen durch den Einsatz von Dünger und Pestiziden. Veredelung Gesundheits- und Umweltbelastung durch den Einsatz von Öl und Chemikalien. Gesundheits- und Umweltbelastung durch Bleichen, Färben und Imprägnieren mit teils gefährlichen Chemikalien. Konfektionierung / Nähen Lange Arbeitszeiten sowie sehr niedrige Löhne beeinträchtigen Gesundheit und Sicherheit der Arbeiterinnen und Arbeiter. 15 Beitrag des BMZ zum Erfolg des Textilbündnisses Beitrag des BMZ zum Erfolg des Textilbündnisses 16 Beitrag des BMZ zum Erfolg des Textilbündnisses KOOPERATION MIT INTERNATIONALEN ORGANISATIONEN Deutschland setzt sich dafür ein, dass internationale Organisationen im Dialog mit Entwicklungsländern Umwelt- und Sozialstandards fördern. Insbesondere die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) als federführende Institution zur weltweiten Durchsetzung der Kernarbeitsnormen wird von Deutschland unterstützt. Es besteht eine Kooperationsvereinbarung zur Förderung von ILO-Vorhaben in der asiatischen Textilund Bekleidungsindustrie. Auch die im Jahr 2016 initiierte EU- Garment-Initiative wird seitens des BMZ unterstützt, um in engem Schulterschluss mit Partnern auf EU-Ebene die Situation in der globalen Textilindustrie zu verbessern. Darüber hinaus hat die Bundesregierung im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft 2015 das Thema Nachhaltigkeit in globalen Lieferketten erstmals erfolgreich auf der G7-Agenda platziert (siehe S eite 19). Auch in anderen internationalen Prozessen wie zum Beispiel Verhandlungen über Freihandels- und Investitionsabkommen der EU machen wir uns stark für hohe Umwelt- und Sozialstandards sowie die Achtung der Menschenrechte. ZUSAMMENARBEIT MIT DEN PARTNERLÄNDERN Die Einführung und Anerkennung von Umwelt- und Sozialstandards in den Kooperationsländern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit ist ein wichtiges Anliegen in der Arbeit des BMZ. Im Bereich der Textilproduktion fördert das BMZ entsprechende Programme zum Beispiel in Bangladesch, Pakistan, Kambodscha und Äthiopien mit insgesamt über 70 Millionen Euro. Unter anderem werden die Regierungen dieser Länder bei der Ausgestaltung der Arbeits- und Umweltgesetzgebung beraten. D amit die ILO-Kernarbeitsnormen in der Textilbranche besser eingehalten werden, fördert Deutschland „SCHWERPUNKTE DES BMZ“ Das BMZ verfolgt drei verschiedene Ansatzpunkte zur Verbesserung der sozialen und ökologischen Standards in der T extil-Lieferkette. Zum einen bringt sich das BMZ aktiv in politische Prozesse mit Bezug zur Textil-Lieferkette ein, zum anderen unterstützt es die Umsetzung vor Ort in den Produktionsländern und fördert die nachhaltige öffentliche Beschaffung. 17 Beitrag des BMZ zum Erfolg des Textilbündnisses gezielt den Dialog zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten. Damit die Arbeit- nehmerseite ihre Interessen wirksam vertreten kann, unterstützt Deutschland die Bildung von Gewerkschaften und Verbänden und fördert die Aus- und Weiterbildung gewerkschaftlicher Fachkräfte. Damit internationale Umweltabkommen bei der Produktion beachtet werden, setzt sich Deutschland dafür ein, dass Abwässer geklärt, Reststoffe fachgerecht entsorgt und schädliche chemische Substanzen substituiert werden. AKTIVE MITWIRKUNG IN DEN BÜNDNISGREMIEN Das BMZ setzt sich als Initiator und Gründungsmitglied auf vielfältige Weise für den Erfolg des Bündnisses für nachhaltige Textilien ein. Bis 2018 finanziert das BMZ die Arbeit des Bündnissekretariats. Im Steuerungskreis gestaltet das BMZ die Strategie zur Verfolgung der ambitionierten Bündnisziele mit und moderiert die Verhandlungen zwischen den unterschiedlichen Akteuren. Gemeinsam mit anderen Ministerien (BMAS und BMUB) bringen wir die inhaltlichen Positionen der Bundesregierung in die Arbeitsgruppen des Textilbünd nisses ein. KOOPERATION MIT DER WIRTSCHAFT Bei der Einführung und Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards ist die Privatwirtschaft ein wichtiger Partner der Politik. Das BMZ arbeitet darum in vielfältiger Weise mit ihr zusammen. Im Rahmen des Programms develoPPP.de finanziert das BMZ anteilig gemeinsame Projekte mit Unternehmen vor Ort in den Produk tionsländern, wie zum Beispiel den Aufbau von Produktionsstätten-Pools, 18 die Einführung von neuen Verfahrenstechniken oder Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen in der Textil- und Bekleidungsproduktion. Bei diesen Entwicklungspartnerschaften, die bis zu drei Jahre andauern können, stellt das BMZ finanzielle und auch fachliche Unterstützung zur Verfügung. Von den Gesamtkosten muss das Unternehmen mindestens die Hälfte tragen. Beitrag des BMZ zum Erfolg des Textilbündnisses STANDARDS IN LIEFERKETTEN – FÜR GUTE ARBEIT WELTWEIT Faire Arbeits- und Umweltbedingungen in Lieferketten – zum Beispiel in der Kleiderproduktion – standen 2015 beim Gipfeltreffen in Elmau erstmals erfolgreich auf der G7-Agenda. Sie sollen befördert werden unter anderem … … durch starke Bündnisse in den G7-Ländern, ähnlich dem BMZ-initiierten Bündnis für nachhaltige Textilien. … durch mehr Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher (zum Beispiel durch siegelklarheit.de). … durch die Unterstüt zung der Herstellerländer (zum Beispiel durch Trainingsmaßnahmen in Produktionsbetrieben vor Ort). ← Schulung von Näherinnen und Nähern in Bangladesch 19 Beitrag des BMZ zum Erfolg des Textilbündnisses „DER WELTFRIEDE KANN AUF DAUER NUR AUF SOZIALER GERECHTIGKEIT AUFGEBAUT WERDEN.“ Präambel der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) von 1919 →F rauen durchsuchen in einer Fabrik, die Stoffe und Garne herstellt, Roh-Baumwolle nach Verunreinigungen, Pakistan ↓ Schneider mit ihren Nähmaschinen, Dreiländereck Kongo, Kamerun und Zentralafrikanische Republik 20 Beitrag des BMZ zum Erfolg des Textilbündnisses UNTERSTÜTZUNG VON UNTERNEHMEN BEI DER NICHT- FINANZIELLEN BERICHTERSTATTUNG Ab 2017 sind kapitalmarktorientierte Unternehmen in Deutschland mit mehr als 500 Mitarbeitern gesetzlich verpflichtet, Angaben zu den Bereichen Umwelt, Soziales und Arbeitnehmerbelange, Achtung der Menschenrechte und Korruptionsbekämpfung in einer „nichtfinanziellen Erklärung“ offenzulegen. Der Review-Prozess und die Berichterstattung im Rahmen des Textilbündnisses können Textilunter nehmen dabei unterstützen, dieser Berichtspflicht nachzukommen. Auch die Berichterstattung im Rahmen anderer internationaler Prozesse (VN Global Compact, Umsetzung der VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte) kann durch die Erfahrungen aus dem Textilbündnis erleichtert werden. ZUSAMMENARBEIT MIT DER ZIVILGESELLSCHAFT Bei der Erarbeitung, Einführung und Kontrolle von Umwelt- und Sozialstandards im Textilbereich spielen Nichtregierungsorganisationen (NROs) eine wichtige Rolle. Sie verfügen meist über gute Kontakte zur Bevölkerung und genießen aufgrund ihrer Unabhängigkeit von staatlichen Stellen hohes Vertrauen. Auch im fairen Handel übernehmen zivilgesellschaftliche Organisationen und Initiativen entscheidende Funktionen. Sie definieren zum Beispiel gemeinsam mit allen Beteiligten Standards und zeigen dabei auf, dass es möglich ist, ehrgeizige Standards umzusetzen. Auch kontrol lieren NROs häufig die Einhaltung dieser Standards. NACHHALTIGE ÖFFENTLICHE BESCHAFFUNG Für bis zu 300 Milliarden Euro kauft allein die öffentliche Hand in Deutschland jährlich ein. Deshalb muss der Staat hier mit gutem Beispiel vorangehen. Die Bundesregierung hat sich klare Ziele im Bereich Beschaffung gesetzt, unter anderem bis 2020 insgesamt 50 Prozent der Textilien nach sozialen und ökologischen Kriterien zu beschaf- fen. Das BMZ berücksichtigt schon jetzt Umwelt- und Sozialstandards bei der öffentlichen Beschaffung. Mit dem Portal Kompass Nachhaltigkeit (www. kompass-nachhaltigkeit.de) werden öffentliche Beschaffer in Bund, Ländern und Kommunen bei der nach haltigeren Beschaffung unterstützt. 21 Verbrauchertipps für den verantwortungsvollen Kleidungskauf Verbrauchertipps für den verantwortungsvollen Kleidungskauf EINFLUSS AUF ARBEITS- UND UMWELTBEDINGUNGEN DURCH KONSUMVERHALTEN Verbraucherinnen und Verbraucher tragen durch ihr Konsumverhalten Mitverantwortung für die Arbeitsund Umweltbedingungen in der Bekleidungsindustrie. ← Einige Textilunternehmen, wie hier in Marokko, bieten eine duale Berufsausbildung nach deutschem Vorbild an 22 Verbrauchertipps für den verantwortungsvollen Kleidungskauf Das heißt aber auch: Sie können durch bewusste Kaufentscheidungen dafür sorgen, dass nach und nach immer mehr umwelt- und sozialverträglich hergestellte Produkte auf den Markt kommen. Das BMZ arbeitet daran, die Transparenz im Textilsektor zu erhöhen, damit Käuferinnen und Käufer ihre Kaufentscheidungen bewusster treffen können. HIER EINIGE TIPPS FÜR DEN VERANTWORTUNGSVOLLEN KLEIDUNGSKAUF: Achten Sie auf Gütesiegel, die die Einhaltung ökologischer und/oder sozialer Standards bestätigen; das Verbraucherinformationsportal „Siegelklarheit.de“ bietet hierzu Hilfestellung. edingungen die angebotene Ware B hergestellt wird. Kein U nternehmen kann es sich auf Dauer leisten, Kundenwünsche zu ignorieren. K aufen Sie weniger, aber hochwertigere Kleidung. Verzichten Sie auf billige Kleidungsstücke, die nur eine Saison halten. Informieren Sie sich und äußern Sie Ihre Meinung. Fragen Sie in Ihrem Lieblingsgeschäft oder bei Ihrer Lieblingsmarke nach, unter welchen ↑ Duale Berufsausbildung, Marokko NEUES VERBRAUCHERPORTAL SIEGELKLARHEIT Anfang 2015 startete die Bundesregierung das Portal www.siegelklarheit.de. Eine Website und eine App geben Auskunft darüber, wofür die verschiedenen Umwelt- und Sozialsiegel – sowohl für den Bereich Textil wie auch für andere Produktgruppen – jeweils stehen, wie glaubwürdig sie sind und worin sie sich unterscheiden. 23 Verbrauchertipps für den verantwortungsvollen Kleidungskauf LINKTIPPS BÜNDNIS FÜR NACHHALTIGE TEXTILIEN www.textilbuendnis.com INFORMATIONSSEITE DES BMZ www.bmz.de/textilwirtschaft INFORMATIONSSEITE DER GIZ ZU DEN AKTIVITÄTEN IN BANGLADESCH www.giz.de/de/mit_der_giz_ arbeiten/11859.html DIE KERNARBEITSNORMEN DER ILO www.ilo.org/berlin/arbeits-und- standards/kernarbeitsnormen/lang-de/index.htm KOMPASS NACHHALTIGKEIT www.kompass-nachhaltigkeit.de SIEGELKLARHEIT www.siegelklarheit.de OECD-LEITSÄTZE FÜR MULTI NATIONALE UNTERNEHMEN www.oecd.org/berlin/publikationen/ oecd-leitsaetze-fuer-multinationale- unternehmen.htm 24 DIE ALLGEMEINE ERKLÄRUNG DER MENSCHENRECHTE www.un.org/depts/german/ menschenrechte/aemr.pdf INTERNATIONALE KAMPAGNE FÜR SAUBERE KLEIDUNG www.saubere-kleidung.de FAIR WEAR FOUNDATION www.fairwear.org INFORMATIONSPORTAL ZU CSR IN DEUTSCHLAND www.csr-in-deutschland.de INFORMATIONSANGEBOT DER VERBRAUCHER INITIATIVE E. V. ZUM THEMA NACHHALTIGER KONSUM www.oeko-fair.de/ INFORMATIONSSEITE DER VERBRAUCHERZENTRALE NRW ZU TEXTILSIEGELN www.verbraucherzentrale.nrw/fairerhandel?i=3 HERAUSGEBER Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Referat Öffentlichkeitsarbeit, digitale Kommunikation und Besucherdienst REDAKTION BMZ, Referat 115 (Nachhaltigkeitsstandards) GESTALTUNG Atelier Hauer + Dörfler GmbH, Berlin DRUCK BMZ Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier FOTOS Titel: Ute Grabowsky/photothek.net Thomas Ecke, Ecke/Schweizer, Michael Gottschalk/ photothek.net, Tom Felix Joehnk, Thomas Koehler/ photothek.net, Steffen Kugler/Bundesregierung, Textilbündnis STAND November 2016 BEZUGSSTELLE Publikationsversand der Bundesregierung Postfach 48 10 09 18132 Rostock Tel. +49 (0) 30 18 272 272 1 [email protected] POSTANSCHRIFTEN DER DIENSTSITZE BMZ Bonn Dahlmannstr. 4 53113 Bonn Tel. +49 (0) 228 99 535-0 Fax+49 (0) 228 99 535-3500 BMZ Berlin im Europahaus Stresemannstr. 94 10963 Berlin Tel. +49 (0) 30 18 535-0 Fax +49 (0) 30 18 535-2501 [email protected] www.bmz.de Die vom BMZ unentgeltlich herausgegebenen Broschüren sind nicht zum gewerblichen Vertrieb bestimmt. 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