Die wichtigsten Fragen zum Data Management Annette Dielmann

Die wichtigsten Fragen zum Data Management
Annette Dielmann, Chief Product Officer und Christian Rakowski, Senior Data Analyst bei der
Goldbach Digital Services AG haben sich den wichtigsten Fragen zum Data-Management gestellt.
Auszüge ihrer Antworten erschienen in der aktuellen Ausgabe des com!Magazin, Ausgabe 12/16.
Wie definieren Sie eine Data-Management-Plattform? Wie grenzen Sie DMP gegen andere
Lösungen für Online-Marketing und -Werbung ab?
AD: Eine Data-Management-Plattform (DMP) dient als zentrale Sammelstelle für subjektindizierte
Daten und ist im ersten Schritt eine Lösung für die Zielgruppenansprache im Online-Marketing. Daten
können aus unterschiedlichen Quellen stammen: von Web-, App-Anwendungen, Video Playern, von
E-Mail-Anwendungen, aus Social Media oder CRM – um einige Quellen zu nennen. In der DMP
werden diese Daten verwaltet, organisiert, strukturiert und segmentiert, um anschliessend
Auslieferplattformen zur werblichen Ansprache bereitgestellt zu werden. Eine DMP ist Enabler für
datengestütztes Online-Marketing inklusive Werbung und zeichnet sich durch eine kontinuierliche
Veränderung der Datensätze beziehungsweise Key Value Paare sowie eine hohes Mass an
Interoperablität und Schnittstellen zu anderen Systemen aus.
CR: Dadurch kann unter Anwendung von Businessreglen der boolschen Logik und einfachen Zählern
zu Frequency und Recency eine hohe Aktualität der aus diesen Datensätzen abbildbaren
Zielgruppensegmenten gewährleistet werden.
AD: Im Gegensatz zu einer Demand-Site-Plattform (DSP) oder zu einer Sell-Site-Plattform (SSP) wird
kein Inventar verwaltet – sondern es geht allein um die Daten-Segmente, die dann entsprechend auf
den DSPs oder SSPs aktiviert werden können.
Viele DSP beziehungsweise SSP Lösungen haben selbst bereits eine DMP angeschlossen und liefern
hier bereits DMP gestützte Targeting Lösungen.
Was ist der Unterschied zwischen einem Data Warehouse und einer DMP?
AD: Das Data Warehouse (DWH) stellt eine zentrale Speicherform parallel zu den operationalen
Datenlagern dar. Ziel der Nutzung von Data-Warehouse-Systemen ist es, einem Unternehmen einen
Überblick über seine Daten zu geben und diese auswertbar zu machen. Daten, die im Data
Warehouse verwaltet werden, sind vor allem Daten, die für den Betrieb des Unternehmens relevant
sind und auch langfristig vorgehalten werden müssen (beispielsweise Kundendaten und
Zahlungsvorgänge) und die als Basis für Berichte, Statistiken und Kennzahlen dienen. In der
deutschsprachigen Literatur wird auch der Begriff „Datenlager“ verwendet.
CR: Meist handelt es sich um transaktionale Daten und deren Metadaten, bei denen grosse
Anforderungen an ITIL Prozesse* gestellt werden, und zudem eine gewisse Audit- und
Revisionssicherheit gewährleistet werden muss (*ITIL = Information Technology Infrastructure Library
– auch IT Service Management). Meist geht dem DWH eine aufwendige Datenmodellierung und
Geschäftsobjektdefinition voraus.
AD: Somit sind Anforderungen an das Data Warehouse: Stabilität, Beständigkeit, Zeitorientierung
(Statistiken über Zeitverlauf) wie auch Kennzahlenorientierung.
Der Zielsetzung des Marketing, Daten aus dem Nutzungsverhalten aktuell (via Streaming) für eine
pseudonymisierten Ansprache zu nutzen und den Zeitversatz zwischen Beobachtung und Nutzung
dieser Beobachtung im Sekunden/Minuten Bereich zu halten wird dagegen mit einer DMP
entsprochen. Dazu gehört genauso auch die Aufgabe Reichweiten mit Prediction und 3rd Party Daten
auszuweiten. Es geht bei der DMP also um Pseudonymisierung, Flexibilität und Aktualität der Daten
(beispielsweise Kaufabsicht) bei der Kampagnenauslieferung.
CR: Transaktionssicherheit muss ebenso wie ein starres Datenmodell bei einer DMP nicht gegeben
sein. Es wird vielmehr ein geringfügiger Datenverlust zu Gunsten von zeitlichem und
mengenmässigem Durchsatz mit generischen Datenmodellen in Kauf genommen. Allein die
Mechanismen von Adblockern und Cookielöschern auf der Userseite beinhalten schon diesen
Datenverlust und eine datenschutzrechtlich gewollte Unschärfe.
AD: Für die Kampagnenauslieferung gibt es dann die entsprechenden Schnittstellen, die die
definierten Datensegmente für das Targeting zur Verfügung stellt. Die für die Kommunikation
relevante Datenvorhaltung ist zeitlich limitiert (in der Regel verfallen Daten nach 90 Tagen). Die
Segmente sind pseudonymisiert und nicht auf Einzelfälle reduzierbar.
Durch die unterschiedliche Zielsetzung: Businesskennzahlen (Fokus auf Stabilität) vs.
Kampagnenauslieferung (Fokus auf Aktualität und Reichweite) sind die Anforderungen an die
Systeme sehr unterschiedlich und werden müssen daher auch auf einer unterschiedlichen
Technologieplattform behandelt werden.
Welche Vorteile bietet eine DMP?
AD: Viele Herausforderungen in der datengestützten Kommunikation sind ohne eine DMP gar nicht
mehr handelbar. Die DMP dient als „Enabler“ für die Herausforderungen rund um die Themen Cross
Device und Cross Channel. Diese Themen sind ohne eine DMP in ihrer Komplexität und mit den
Anforderungen an Geschwindigkeit nicht mehr handelbar.
Mit Hilfe einer DMP werden strukturierte und unstrukturierte Daten aus unterschiedlichsten Quellen
automatisch zusammengeführt. Eigene Daten können mit Hilfe von 3rd Party Data ergänzt werden.
Alle Daten können separat und geschützt in eigenen Räumen gehostet werden. Die Strukturierung,
Analyse, Bewertung und Segmentierung sowie die Aktivierung grosser Datenmengen und komplexer
Datenstrukturen erfolgt automatisch. Genauso wie der datengestützte Zugang zu digitalen
Echtzeitmarktplätzen.
Gibt es auch Nachteile / Probleme, die beim Einsatz einer DMP auftreten können?
AD: Eine Data-Management Plattform benötigt Daten. Hierbei ist die Datenmenge, die die DMP füttert
ein kritischer Faktor. Herausforderung ist hier, die Datenquellen, die man hat, konsequent und
strukturiert abzuschöpfen Eine klare Zielsetzung und Strategie – was will ich mit dem DataManagement erreichen - ist hierbei essentiell.
Die Technologie-Plattform ist somit nur ein Teil des Data-Managements. Viel wichtiger ist, eine klare
Strategie im Umgang mit den Daten zu haben: Was will ich mit dem Data-Management erzielen? Wie
geht man mit der Mehrdeutigkeit um? Wie ist der 3rd Party Data Ansatz? Wie mache ich
Qualitätsmonitoring? Wie ist das Zusammenspiel meiner Segmente in der DMP mit den
Auslieferplattformen (verliere ich Daten, überschreibe ich Daten…)? Dies sind nur einige
Fragestellungen. Vor diesem Hintergrund ist es essentiell, Datenexperten zu haben, die Hand in Hand
mit den Technologie-Experten arbeiten und den Fragestellungen und Herausforderungen, die sich im
Daily Business ergeben, begegnen.
Somit sind sicherlich Kostenfaktoren, Unverständnis und Missinterpretation dessen, was DataManagement kann, Stolpersteine auf dem Weg zu einem erfolgreichen Data-Management.
Wann ist der Einsatz einer DMP sinnvoll?
AD: Die DMP macht Sinn, wenn datengestützt die Kommunikation zielgerichteter ausgesteuert werden
soll. Aber die richtige Person zu erreichen – mit Transparenz über Targeting Qualität, der Möglichkeit
eines Cross Device Cappings sowie zukünftig auch Cross Media Kampagnen auszusteuern – macht
den Einsatz einer DMP unerlässlich. Mit der DMP ist es ebenso möglich, eigene Daten (beispielsweise
Kundencluster) einzubauen und hier potentielle Neukunden über Lookalikes und 3rd Party Daten zu
finden.
Welche Branchen profitieren am meisten von einer DMP?
AD: Eine Data-Management Plattform ist das Rückgrat einer datengestützten, automatisierten,
digitalen Kommunikation. Somit kommen Vermarkter und grosse Publisher kaum noch um eine DMP
herum. Eine Tatsache, die im Markt auch zu beobachten ist. Auch Mediaagenturen, die
Werbetreibenden eine differenziertere Kundenansprache gewähren wollen, sind hier Nutzer einer
DMP.
Bei den Werbetreibenden sind es vor allem e-commerce Plattformen, aber auch Markenartikler, die
neue Kundenpotentiale über ein ausgefeilteres Targeting angehen wollen, diejenigen, die von einer
DMP profitieren.
Welche Auswahlkriterien sollte man bei der Wahl einer DMP berücksichtigen?
AD: Grundsätzlich sind die Kriterien abhängig von der Zielsetzung und der eigenen Data-Roadmap.
Die Liste der Faktoren:
a. Business Modell (Self Service / Managed Service / Neutralität (wer steht hinter der DMPTechnologie) / Partnerschaften / Pricing)
b. Data Security (Privacy Richtlinien / Wo werden die Daten gespeichert)
c. First Party Data Collection & Storage (Funktionsweise, Transparenz)
d. Audience Building (Funktionsweise & Möglichkeiten, Prediction / Look alike Modelling)
e. Sonstige Features (Faktoren abhängig von der Wichtigkeit, z.B. A/B Testing, Data-Selling,
Zielgruppenestension, Cross Device…)
f. Third Party Data Integration (Funktionsweise, Schittstellen, Partnerschaften…)
g. Reports, Exports, Forecasting
h. Unique ID Synch Möglichkeiten (auf wieviel Dimensionen)
i. Einfachheit der Bedienoberfläche
j. Customer Service, Support
k. Roadmap.
Data-Management Plattformen sind eine noch recht „junge“ Technologie. Wichtig ist, hier einen
Partner zu finden, der die Roadmap des Auftragsgebers begleitet. Nicht für jeden stehen gleiche
Prioritäten im Vordergrund. Auch wichtig: Hat die DMP den finanziellen Hintergrund, sich weiter zu
entwickeln und geht hier gemeinsam die Roadmap mit dem Auftraggeber weiter.
In dem Markt sind sicherlich auch weitere M&As zu erwarten. Deshalb ist in der Evalutation auch zu
prüfen, wie die Shareholder Struktur der DMP ist und was auch bei einer potentiellen Übernahme
durch einen Dritten passieren könnte.
Was muss man beim Aufsetzen einer DMP beachten?
AD: Wichtig sind eine klare eigene Roadmap und das Aufsetzen einer Taskforce. Bei der Wahl der
DMP sollte hier auch direkt Support des Technologiedienstleisters eingefordert werden.
Direkt zu Beginn zu klären ist: Welche Abteilungen müssen inhouse involviert werden? DataManagement ist ein komplett neuer Prozess: Hier müssen alle Stakeholder und auch ausführenden
Abteilungen abgeholt werden, was mit der DMP erzielt werden soll. Ebenso sind klare
Verantwortlichkeiten bezüglich der Prozesse Datenerhebung, Datenanalyse/-segmentierung und
Datenauslieferung zu bestimmen.
Bezüglich der Datenintegration und auch -Übergabe sind Prioritäten, technische Anforderungen und
auch Auswirkungen zu definieren. Bei den Datensegmenten ist es wichtig, mit Data-Experten das Set
Up und Regeln zu definieren um „shit in – shit out“ gar nicht erst entstehen zu lassen.
Data-Management ist eine neue Teamaufgabe für die Unternehmung. Der Integrationsprozess ist
sicherlich mit 12 bis 18 Monaten anzusetzen – auch wenn man sicherlich schon früher mit Daten
arbeiten kann. Es ist essentiell, einen „Dutchmaster“ zu bestimmen, der die Ziele und die
Zielverfolgung begleitet.
CR: Grundsätzlich sollte man von Anfang an Wert auf die Einhaltung von Data Privacy Fragestellung
eingehen und den operativen Umgang mit einer DMP in die Governance/Compliance Prozesse des
Unternehmens und den Verträgen mit anderen Unternehmen integrieren.
Was kostet der Einsatz? Wie lässt sich ein ROI darstellen?
AD: Die Kosten einer Data-Management Plattform sind je nach Modell unterschiedlich. Baut man
inhouse Data-Management auf oder nutzt man eine DMP im managed Service – das sind
unterschiedliche Ansätze, die auch eine andere Kostenstruktur beinhalten. Auch ist zu
berücksichtigen, dass die Technologie allein nicht reicht, sondern inhouse auch Data- und
Technologie-Experten das Thema begleiten müssen – das gilt insbesondere für die self-service
Lösung.
Der ROI ist allerdings eine schwierige Fragestellung. Ist das Business-Modell auf Targeting aufgebaut
kommt man um eine DMP kaum noch herum und hier stellt sich die Frage, was passiert ohne die
eigene Targeting Lösung. Hinzu kommen die Insights, die die DMP ebenfalls generieren kann
bezüglich Neukundenansprache. Ist die DMP in diesem Zusammenhang nicht eher wie ein CRM
System zu bewerten – als Basisinfrastruktur für das Salesprodukt.
CR: Letztendlich werden Nutzer und nicht Inventarräume oder andere Subjekte. Da sich ein
Nutzerprofil wenig für eine interne Aufbauorganisation oder B2B Geschäfte interessiert, kann eine ROI
und Opportunitäten Darstellung über die Kosten zur Erstellung und Pflege eines Profils (TCO (=Total
Cost of Ownership) Betrachtung) gegenüber dem mit dem Profil direkt und indirekt erwirtschafteten
Verwendungen erfolgen. Oftmals würde eine exakte monetäre Messung von Nutzung und
Verwendung jedoch einen zusätzlichen, recht großen BI Overhead bedeuten.
Was zeichnet Ihre DMP-Lösung aus? Was unterscheidet sie vom Wettbewerb?
AD: Seitens Goldbach haben wir uns für eine self-service DMP-Lösung entschieden. Wir haben hier
mit Lotame eine robuste DMP Lösung als Basis-Technologie, ergänzt um einen spezialisierten
Anbieter rund um Machine Learning, um unsere Prediction auch in Hinblick auf Cross Device zu
optimieren. Unser USP ist ein Transparenter Ansatz bezüglich differenzierter Qualitätsstufen bei der
Segmentbildung wie auch unser Ansatz bezüglich des Unique Identifiers für Cross Device. Die DMP
Lösung ist nicht durch die technische Plattform unique sondern durch die Anwendung – wie werden
die Daten in welcher Form verarbeitet.
CR: Die von uns gewählte Technologie-Lösung zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass keine
versteckten Revenue Streams existieren, unsere Daten komplett autark in unserer Hoheit liegen und
wir innerhalb unseres Mandanten beliebig viele Submandanten abbilden können. Nur so sind wir in
der Lage den steigenden Governance & Compliance Anforderungen unserer Businesspartner gerecht
zu werden.
CR: Zu einem gewissen Grad handelt es sich auch bei dieser Lösung um eine Black Box. Nicht alle
Sachverhalte sind offensichtlich. Ein sehr guter Support und Zugriff auf das Produktmanagement und
Entwicklungsabteilungen machen dies jedoch wett. Die Lösung ermöglicht generisches Arbeiten auf
strukturierten und unstrukturierten Daten. Die Plattform erlaubt die m:n Zuordnung von Datenpunkten
in verschiedene, eigene dimensionale Modellierungen, ohne sich dabei auf Datenmodelle fixieren zu
müssen. Entsprechende Metriken und Fakten werden automatisch auf die gewählten Dimensionen
und Dimensions-Hierarchien aggregiert. Bezüglich der Wettberwerbs-Differenzierung möchten wir
gerne auf eine Forrester Studie „The Forrester Wave™: Data-Management Platforms, Q4 2015“
verweisen.
Annette Dielmann, Chief Product Officer Goldbach Digital Services AG
verantwortlich für das Data-Management der Goldbach Gruppe im gesamten DACH Raum.
Christian Rakowski, Data Analyst, Goldbach Digital Services AG
Architekt für das Data-Management der Goldbach Gruppe im gesamten DACH Raum