FORSCHEN & HEILEN
FREIE BAHN FÜR DIE
LEBENSKRAFT
Die Uniklinik ist ein Hotspot der Schulmedizin. Trotzdem lässt die Czerny-Station für Kinder mit psychischen oder psychosomatischen Krankheiten der
Shiatsu- und Physiotherapeutin Elke Werner eine Nische, in der sie ihre Patienten mit einer fernöstlichen Methode behandelt. Die heute 14-jährige Julia
aus Hörstel ist froh, dass sie Shiatsu kennengelernt hat.
Von Stefan Werding
E
lke Werner drückt Julia, sie hält Julia. Sie
lehnt sich an Julia an.
Oder ist es umgekehrt?
Shiatsu, die aus ‚Fernost
stammende
Berührungskunst, gehört auf der Czerny-Station der Uniklinik
Münster seit 20 Jahren zum
festen Programm. Kinder
und Jugendliche sind für
mehrere Wochen auf der
Station, weil sie zum Beispiel
mit
Depressionen,
Ess-,
Schmerz- oder traumatischen Belastungsstörungen
zu tun haben.
Ihre
große
Schwester
starb, als Julia sieben Wochen alt war. Sie hat die
Trauer ihrer Eltern zu spüren
bekommen, ist mit ihr groß
geworden,.
Die
Bauchschmerzen begannen, als sie
ia genießt die Behandlung mit der Shiat-Therapeutin Elke Werner.
zehn war. Und sie dauerten
zwei Jahre. Ihre Eltern liefen
mit ihr von Arzt zu Arzt. Als
sie irgendwann auch ihre
Knie nicht mehr spürte, landete sie auf der Czerny-Station der Uniklinik Münster.
Dort werden Kinder und Jugendliche mit psychiatrischen und psychosomatischen Erkrankungen behandelt. Neun Wochen war sie
dort, sprach mit Psychologen und in Gruppensitzungen. „Vielleicht waren meine
Bauchschmerzen
ein
Wunsch nach mehr Aufmerksamkeit“, sagt die 14Jährige heute.
Elke Werner sah ihre Auf-
zu begleiten. Egal, welche
Probleme ihre Patienten bedrücken: Sie bräuchten Anregung, „damit sich die Lebenskraft wieder auf den
Weg macht. Ich versuche,
den freien Energiefluss zu
fördern“, sagt sie.
In der Turnhalle der Czerny-Station riecht es nach
Turnmatten. Auf dem Boden
liegt ein mit einem Laken
bezogener Futon. An der Tür
hängt ein Zettel mit dem
Hinweis „Shiatsu“. In einer
Ecke stehen Straßenschuhe
herum. Auf dem Flur zwei
Ecken weiter laufen aufgeregte Jugendliche mit Handys in der Hand herum. In
»Es versteht sich von
selbst, dass die achtsame und liebevolle
Berührung eine
dankbare Möglichkeit
ist, Jugendliche auf
der Czerny-Station zu
erreichen.«
Elke Werner
gabe nicht darin, nur Julias
Bauchschmerzen zu behandeln. „Es hilft ja nichts, die
Symptome isoliert zu betrachten“, sagt sie. „Es geht
um die Lebenskraft des
Menschen, der vor mir liegt.“
In dem Wort „Psychosomatik“ steckt die Verbindung
von Seele (Psyche) und Körper (Soma). „Weder das Betrachten auf rein körperlicher Ebene noch seelische
Behandlungsansätze,
die
den Körper nicht integrieren, sind sinnvoll“, sagt Werner. „Es versteht sich von
selbst, dass die achtsame
und liebevolle Berührung
eine dankbare Möglichkeit
ist, Jugendliche auf der Czerny-Station zu erreichen und
Sanft und liebevoll sind die Berührungen bei Shiatsu. Für die heute 14-jährige Julia w