die Wohnimmobilienkreditrichtlinie

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Eine weitere EU-Richtlinie, die einen
massiven Einfluss auf Schweizer
Finanzinstitute hat – die
Wohnimmobilienkreditrichtlinie
Kurz und knapp
Contacts
Dr. Günther Dobrauz
Partner, Leader Legal FS
Regulatory and Compliance
Services
[email protected]
+41 58 792 14 97
Michael Taschner
Senior Manager, Legal FS Regulatory
and Compliance Services
[email protected]
+41 58 792 10 87
Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie (WIKR), auch als Mortgage Credit Directive
(MCD) bekannt, trat am 20. März 2014 in Kraft und ergänzt die bereits bestehenden
Richtlinien zum Konsumentenschutz, zur irreführenden und vergleichenden Werbung
sowie zu unlauteren Geschäftspraktiken im Bereich der Wohnimmobilienkredite.
Die WIKR hat einen umfassenden Geltungsbereich und gilt auch für
Nichtkreditinstitute. Dies umfasst auch den Vertrieb von Versicherungs- und
Rückversicherungsprodukten und betrifft alle Kreditgeber sowie Kreditvermittler, die
bestimmte Kredite an Verbraucher gewähren.
Die Mitgliedstaaten mussten die WIKR bis zum 21. März 2016 in nationales Recht und
Vorschriften umsetzen. Nicht alle EU-Mitgliedstaaten sind dieser Pflicht
nachgekommen. So haben Kroatien, Zypern, Finnland, Griechenland, Luxembourg,
Portugal, Rumänien,
Slowenien, Spanien und
Schweden
noch
keine
Umsetzungsbestimmungen publiziert. Belgien, Lettland, Litauen und Polen haben erst
Teile der Umsetzungsbestimmungen publiziert.
(http://ec.europa.eu/finance/enforcement/directives/index_en.htm#mortgage-credit)
Nichtsdestotrotz müssen betroffene Kreditgeber seit dem 21. März 2016 den
Anforderungen der WIKR entsprechen. Die WIKR wirkt sich auch auf Schweizer
Kreditinstitute und Nichtkreditinstitute aus, die Kredite im Sinne der Richtlinie an in
der EU / im EWR domizilierte Verbraucher oder an in der Schweiz domizilierte
Kunden mit dem Zweck des Erwerbs einer Liegenschaft in der EU / im EWR erteilen.
Was ist der Zweck der WIKR?
Die Richtlinie soll sicherstellen, dass alle Verbraucher, die eine Hypothek oder einen
ähnlichen Kredit für den Erwerb einer Wohnimmobilie aufnehmen, angemessen
informiert und vor den Risiken geschützt werden. Sie sorgt für bessere
Verbraucherinformationen über verfügbare Hypothekarprodukte und ähnliche
Kreditprodukte. Die WIKR fördert grenzüberschreitende Geschäftstätigkeiten und die
Errichtung eines Binnenmarkts für Wohnimmobilienkredite in der EU.
Welche Kreditarten sind betroffen?
Die WIKR gilt für alle Kreditverträge, die seit dem 21. März 2016 zwischen einem
Verbraucher und einem Kreditgeber abgeschlossen wurden. Weiter sind gewisse
Rahmenverträge, die vor dem 21. März 2016 zwischen einem Verbraucher und einem
Kreditgeber abgeschlossen wurden, ebenfalls betroffen.
Der Anwendungsbereich der WIKR ist sehr weit gefasst.
Betroffen sind alle Kreditverträge, die

durch eine Hypothek oder eine vergleichbare Sicherheit, die in einem
Mitgliedstaat gewöhnlich für Wohnimmobilien genutzt wird, oder

durch ein Recht an Wohnimmobilien besichert sind; oder

für den Erwerb oder die Erhaltung von Eigentumsrechten an einem
Grundstück wie z.B. Lombardkredite oder

für den Erwerb oder die Erhaltung eines bestehenden oder geplanten
Gebäudes bestimmt sind.
Somit sind sämtliche Hypothekarkredite und Kredite, die den Zweck haben, Eigentum
zu erwerben (z.B. Lombardkredite, Hypotheken usw.), vom Anwendungsbereich der
WIKR erfasst.
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Auswirkung der WIKR auf Schweizer Kreditgeber
Als Nicht-EU-/EWR-Mitgliedstaat hat die WIKR zwar keinen direkten Einfluss auf die
Schweiz. Der Konsumentenschutz der WIKR schützt jedoch sämtliche in der EU / im
EWR domizilierten Verbraucher sowie die Hypothekarmärkte der EU-/EWRMitgliedstaaten auch vor in Drittstaaten domizilierten Kreditanbietern.
Als Mitgliedstaat des Lugano-Übereinkommens besteht überdies ein hohes Risiko,
dass der Schweizer Kreditgeber von einem in der EU / im EWR domizilierten
Verbraucher in seinem Heimatstaat in einen Rechtsstreit involviert werden kann. In
gewissen Konstellationen – entsprechend den involvierten und anwendbaren
Kollisionsnormen/nationalen Normen – bedeutet dies, dass die zivilrechtlichen
Aspekte des Kreditvertrags nach dem Recht des betreffenden Heimatstaates und somit
nach den minimalen Vorschriften der WIKR geprüft werden können. Darüber hinaus
könnte eine ausländische Aufsichtsbehörde auf dem Weg der Rechts- und Amtshilfe
bei aufsichtsrechtlichen Verstössen gegen den Schweizer Kreditgeber vorgehen.
Sollte der Kreditvertrag den Anforderungen der WIKR nicht entsprechen, ist somit
nicht nur mit Schadenszahlungen (zivilrechtlich und aufsichtsrechtlich), sondern auch
mit rufschädigenden Sanktionen (Publikation des Namens) zu rechnen.
Der Verbraucher kann auf die Rechte, die ihm durch die WIKR bzw. durch die
nationale Umsetzung eingeräumt werden, nicht verzichten. Weiter können die
Vorschriften der WIKR bzw. der nationalen Umsetzung nicht durch eine besondere
Gestaltung der Verträge umgangen werden, sodass dem Verbraucher der durch die
WIKR gewährte Konsumentenschutz nicht entzogen werden kann. Durch diese Klausel
in der WIKR wird die Umgehung des Schutzbereichs mittels einer Gerichts- und
Rechtswahlklausel zugunsten eines Drittstaates faktisch verunmöglicht.
Die sechs Schwerpunktbereiche der WIKR im Überblick
Die WIKR bringt in gewissen Bereichen des Immobilienkreditgeschäftes viele
Neuerungen und eine minimale Harmonisierung im EU-Raum mit sich. In der Praxis
haben wir feststellen müssen, dass bei unseren Kunden die folgenden Neuerungen
vermehrt zu Problemen in der Umsetzung geführt haben.
Europäisches standardisiertes Merkblatt (ESIS)
Kreditgeber und Kreditvermittler werden neu verpflichtet, dem Verbraucher vor
Abschluss des Kreditvertrages sowie bei Rollierung eines Rahmenvertrages ein
einheitliches Informationsblatt an den Kunden auszuhändigen.
Zweck des ESIS ist es, dass der Verbraucher die Möglichkeit hat, Vergleichsangebote
für die Ermittlung des richtigen Produkts unverbindlich einzuholen. Das ESIS muss
dem Verbraucher kostenlos im vorvertraglichen Stadium ausgehändigt werden – der
Verbraucher ist zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht verpflichtet, den Vertrag auch
einzugehen. Weiter muss das ESIS personalisiert (u.a. Berücksichtigung der
finanziellen Lage des Kunden, effektiver Jahreszins, Kosten, Laufzeit usw.) und
kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Dabei entstehen dem Kreditgeber Kosten, die
nicht dem Kunden verrechnet werden können.
Im Anhang zur WIKR findet sich eine Mustervorlage, die sich an die nationalen
Aufsichtsbehörden richtet. Legen die nationalen Umsetzungen die WIKR strenger aus,
so muss das ESIS durch die nationalen Aufsichtsbehörden entsprechend angepasst
werden. Der Kreditgeber muss sich an die Vorgaben der jeweiligen nationalen
Aufsichtsbehörden halten.
Fremdwährungskredite
Eine der Neuerungen ist, dass der Kreditnehmer das Recht hat, den Kreditvertrag
unter gewissen Umständen in eine alternative Währung (Währung des
Wohnsitzstaates oder die Währung, in der der Verbraucher sein Einkommen erhält
bzw. sein Vermögen hält) umzuwandeln.
Daraus folgen Rechte des Kunden, den Kredit bei Eintritt gewisser Ereignisse in eine
alternative Währung zu konvertieren, was zu erheblichen Herausforderungen führt.
Einerseits ist es eine technische Frage, wie dies in ihrem System abgebildet werden
kann, andererseits ist es auch eine Frage der fristenkongruenten Refinanzierung sowie
der zusätzlichen Behandlung des bis dato nicht existierenden Fremdwährungsrisikos.
2
Werbung
Die WIKR gibt detaillierte Mindestanforderungen an die Werbung und an das
Werbematerial vor. Es liegt jedoch in der Kompetenz der Mitgliedstaaten, strengere
Regeln einzuführen. Grundsätzlich darf Werbung nicht irreführend sein und muss klar
und verständlich formuliert sein sowie namhafte Beispiele enthalten.
Weiter
sind
Kopplungsgeschäfte
grundsätzlich
verboten,
jedoch
sind
Bündelungsgeschäfte weiterhin erlaubt. Auch hier können die Mitgliedstaaten
Ausnahmen vorsehen.
Lombardkredite
Lombardkredite mit dem Zweck des Erwerbs von Wohneigentum fallen grundsätzlich
in den Anwendungsbereich der WIKR. Dies stellt in der Praxis viele Marktteilnehmer
vor eine grosse Herausforderung aufgrund der fehlenden systematischen Abbildung
des Zweckes im IT-System.
Kreditwürdigkeitsprüfung
Kernstück der WIKR ist eine harmonisierte Kreditwürdigkeitsprüfung. Der
Kreditgeber darf nur dann einen Kredit gewähren, wenn der Verbraucher aus einer Exante-Betrachtung in der Lage ist, sämtlichen Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag
nachzukommen, ohne sich in seiner wirtschaftlichen Freiheit stark einschränken zu
müssen. Weiter darf die Kreditwürdigkeitsprüfung nicht hauptsächlich darauf gestützt
werden, dass der Wert der Wohnimmobilie den Kreditbetrag übersteigt, oder auf die
Annahme, dass der Wert der Wohnimmobilie zunimmt. Der Kreditnehmer muss somit
in der Lage sein, seinen Pflichten aus dem Kreditvertrag aus eigener wirtschaftlicher
Kraft nachzukommen.
Vorzeitige Rückzahlung des Kredites
Neu verfügt der Verbraucher über ein allgemeines Recht auf vorzeitige Rückzahlung
seiner Kredite und profitiert auf diese Weise von einer Ermässigung der Gesamtkosten
des Kredites.
Was muss ich tun?
Kreditgeber/Kreditvermittler,
die
Wohnimmobilienkredite
an
Verbraucher
gewähren/vermitteln, müssen beurteilen und identifizieren, ob und wie sie von der
WIKR betroffen sind. Wenn sie zum Schluss kommen, dass sie von der WIKR betroffen
sind, müssen Entscheidungen über kurz- und langfristige Lösungen u.a. in den
Bereichen

der rollierenden Rahmenverträge, die in der Schweiz virulent sind und somit
u.U. als Neugeschäft qualifiziert werden;

der Fremdwährungskredite inkl. der daraus resultierenden Rechte und
Pflichten;

der Gestaltung von grenzüberschreitender Werbung;

der Berechnung des effektiven Jahreszinses sowie

der technischen Umsetzung diverser Warn-/Hinweispflichten und -rechte der
Kunden in bestehenden IT-Systemen
getroffen werden.
Wie PwC Sie unterstützen kann
Die Umsetzung der WIKR umfasst mehr als eine einfache interne Umsetzung der
regulatorischen Anforderungen.
PwC kann Sie – dank einer breiten Erfahrung aus WIKR-Projekten sowie Fachwissen
aus allen Bereichen der Regularien – folgendermassen unterstützen:

Verständnis des Geltungsbereichs der WIKR und deren Auswirkungen auf Ihr
Unternehmen, zum Beispiel im Rahmen einer «Gap-Analyse»

Vorbereitung und Durchführung von gezielten und massgeschneiderten
WIKR-Schulungen

Analyse Ihrer bestehenden Prozesse und Richtlinien sowie Prüfung auf
Lücken in Bezug auf die WIKR-Anforderungen

Ausgestaltung der notwendigen Richtlinien und Prozesse, um die Einhaltung
der WIKR sicherzustellen

Umsetzung
der
erforderlichen
Überwachungstätigkeiten
Prozesse,
Kontrollen
und
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