Nummer 32/2016, 11. November 2016 Sehr geehrte User unserer Website, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Autonomie bezeichnet man den Zustand der Selbstständigkeit, Selbstbestimmung, Unabhängigkeit, Selbstverwaltung oder Entscheidungsfreiheit. Seit einiger Zeit ist es das Lieblingswort österreichischer Bildungspolitiker1. Leider scheinen diese eine andere Definition von „Autonomie“ entdeckt zu haben. Das im Ministerratsvortrag vom 18. Oktober 2016 beschriebene „Autonomiepaket“ hat eine ganz klare Zielsetzung: Stärkung des Unterrichtsministeriums und Stärkung einer neu zu schaffenden Führungsebene (Schulclusterleitungen) bei gleichzeitiger Entmachtung aller anderen, die bisher Einfluss ausüben konnten – Länder, Schulpartner, Direktoren etc. Gesetzesentwürfe dazu sind noch nicht in Begutachtung, wohl aber zum geplanten Ausbau ganztägiger Schulformen. Hier zeigt sich dieselbe Tendenz der Bevormundung. Die politisch gewünschte, verschränkte Form der Ganztagsschule wird bevorzugt, der Ausbau offener ganztägiger Angebote massiv benachteiligt. Dass man dabei völlig am Bedarf vorbei investiert und die Wünsche der Eltern und Schüler ignoriert, scheint die Politik nicht zu interessieren. Im Schuljahr 2015/16 wurden laut BMB an 202 AHS-Standorten eine offene ganztägige Schulform, an 19 AHS-Standorten eine verschränkte Ganztagsschule und an 2 AHS-Standorten beide Varianten ganztägiger Schule geführt.2 „Mehr Autonomie bringt nicht unbedingt bessere Leistungsergebnisse. Obwohl eine grundlegende Annahme darin besteht, dass Schulautonomie zu einer verbesserten Qualität des Lernens beitragen würde, gibt es überraschend wenig empirische Evidenz zu dieser Frage“, hält der Nationale Bildungsbericht 2015 fest.3 „750 Millionen Euro stellt die Regierung für den Ausbau der Ganztagsschulen zur Verfügung. Für viele Familien klingt der Plan von Bildungsministerin Sonja Hammerschmid nach einer wundervollen Verheißung: eine Schule, in der Nachhilfe und Nachmittagsbetreuung obsolet sind und Eltern von der Hausaufgabenbetreuung befreit werden. Für den Bildungswissenschaftler Stefan Hopmann hat dieses Bild nur wenig mit der Wirklichkeit zu tun: ,Sicher löst das erst einmal ein Betreuungsproblem, womit vielen bürgerlichen Familien geholfen wird. Doch weniger Nachhilfe wird es dadurch nicht geben, wie sich in Ländern zeigt, in denen der Anteil an Ganztagsschulen hoch ist. Da geben Eltern weitaus mehr für Nachhilfe aus.‘“ 4 Ich fordere einen Wirksamkeitsnachweis bei schulpolitischen Maßnahmen: Vor Neuerungen muss der theoretische und praktische Beweis erbracht sein, dass eine Reform pädagogischen Nutzen bringt, sonst ist sie zu unterlassen. Unsere Kinder haben schließlich nur eine, nicht wiederholbare Bildungslaufbahn. Mit herzlichen Grüßen Warum will man die über Jahrzehnte aufgebauten und gut funktionierenden schulpartnerschaftlichen Gremien ihrer Entscheidungsbefugnisse berauben? Warum möchte man zentralistische Durchgriffsmöglichkeiten unter völliger Missachtung des Subsidiaritätsprinzips? Wenn diese Maßnahmen alle so gut sind, wie die Politik sie darstellt, warum meint man, Eltern, Schüler und Lehrer dazu zwingen zu müssen? Mich beschleicht das Gefühl, dass es in Wirklichkeit um Einsparungen und Machtspiele geht. Die Aufhebung der Klassenschülerhöchst- und Teilungszahlen eröffnen budgetäre Möglichkeiten. Die Anhebung der durchschnittlichen Klassenschülerzahl um nur eine Person spart 150 Millionen Euro jährlich. Ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt? Jedenfalls geht es beim „Autonomiepaket“ ebenso wenig wie beim Ausbau von verschränkten Ganztagsschulen um die Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Mag. Dr. Eckehard Quin www.quintessenzen.at 1 Personenbezogene Bezeichnungen umfassen gleichermaßen Personen männlichen und weiblichen Geschlechts. 2 Siehe BMBF (Hrsg.), Ganztägige Schulformen an AHS – Schuljahr 2015/16. 3 BIFIE (Hrsg.), Nationaler Bildungsbericht Österreich 2015, Band 2 (2016), S. 275. 4 Ute Brühl, Was die Ganztagsschule bringt und was nicht. In: Kurier online vom 10. September 2016. Die Woche im Medienspiegel der
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