BULLETIN DER BUNDESREGIERUNG

BULLETIN
DER
BUNDESREGIERUNG
Nr. 134-2 vom 14. November 2016
Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
beim neunten Integrationsgipfel
am 14. November 2016 in Berlin:
Sehr geehrte Frau Staatsministerin, liebe Frau Özoğuz,
liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Kabinett und aus dem Deutschen Bundestag,
meine Damen und Herren Vertreter vieler Verbände, Vereinigungen und Institutionen,
die Integrationsgipfel haben ja inzwischen Tradition. Dies ist schon das neunte Treffen
dieser Art. Man kann eigentlich auch ein durch die Entwicklungen im letzten Jahr steil
ansteigendes Interesse am Thema Integration bemerken. Dessen Stellenwert in der
öffentlichen Diskussion ist höher geworden. Wir haben im vergangenen Jahr 890.000
Asylsuchende in Deutschland ankommen gesehen.
Uns hat sozusagen der Respekt vor der Würde jedes einzelnen Menschen geleitet. Ich
glaube, das ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit insgesamt. Wir alle mögen vielleicht viele Sonntagsreden halten, doch uns muss natürlich die Frage umtreiben, wie
Menschen in Not auch wieder menschenwürdig leben können. Das heißt auch, dass
wir in der Nähe der Heimat dieser Menschen mehr tun werden und schon tun. Wegzuschauen, wo es Krieg gibt, hilft nicht, sondern wir müssen uns um diese Fragen kümmern. Der kürzlich verabschiedete Haushalt ist ein Beispiel dafür, dass wir diesen Fragen Priorität einräumen und sie in den Mittelpunkt rücken.
Wir alle wissen, dass uns misslungene Integration jahrzehntelang schwer beschäftigen
kann. Deshalb konzentrieren wir uns auf das, was positiv möglich ist, wenn Integration
Bulletin Nr. 134-2 vom 14. Nov. 2016 / BKin – beim neunten Integrationsgipfel in Berlin
-2-
gelingt. Frau Staatsministerin Özoğuz und ich haben heute ein Projekt der Jugendfeuerwehr im Wedding besucht, das uns gezeigt hat, was man schaffen kann, wenn Integration gelingt.
OECD-Chef Angel Gurría hat bei einem diesjährigen Besuch in Berlin gesagt: „Das,
was Sie jetzt machen, ist so etwas wie eine Anzahlung auf eine langfristige Investition,
die aber eines Tages eine großzügige Dividende für die Generationen hier in Deutschland zeitigen wird.“
Ich glaube, wir lernen auch ein Stück weit aus den Fehlern und Versäumnissen der
Vergangenheit, wenngleich neben mir ein gelungenes Exemplar von Integration sitzt
– nicht nur neben mir, sondern hier um diesen Tisch herum, wenn ich das so sagen
darf.
Nun will ich mich aber gar nicht nur auf die im letzten Jahr Angekommenen konzentrieren. Dies ist ja auch bereits der neunte Integrationsgipfel. Wir haben dieses Mal die
Frage in den Mittelpunkt gerückt: Wie geht das mit der Teilhabe? Ich glaube, es ist
auch das Bedürfnis vieler Migrantinnen und Migranten, zu sagen: Es geht nicht immer
nur um Integration und nicht immer nur um uns, sondern es geht im Übrigen auch um
die Aufnahmegesellschaft – davon sind ja auch viele Vertreterinnen und Vertreter hier
–, die auch bereit sein muss, offen zu sein; und es geht darum, wie wir uns in die
Gesellschaft einbringen können und wie auch wir unsere Zugehörigkeit zur Einwanderungsgesellschaft zeigen können.
Das sind heute unsere beiden Zielpunkte: Teilhabe und Zugehörigkeit in der Einwanderungsgesellschaft. Das sind die zwei großen Themenblöcke, die zeigen, dass Integration nicht mit Deutschlernen endet – wenngleich Sprachkenntnisse die Voraussetzung dafür sind, dass man überhaupt am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann
und sich zugehörig fühlt, und sie damit sozusagen der Schlüssel für ein gegenseitiges
Verständnis in der Gesellschaft sind, in die man einwandert.
Es versteht sich von selbst, dass auch die Achtung des Grundgesetzes und des Wertefundaments, das unser Zusammenleben ausmacht und sozusagen konstitutiv dafür
Bulletin Nr. 134-2 vom 14. Nov. 2016 / BKin – beim neunten Integrationsgipfel in Berlin
-3-
ist – um es in der Verfassungssprache zu sagen –, ein gelungenes Miteinander in einer
Gesellschaft ermöglicht.
So haben wir heute wieder eine spannende Diskussion vor uns. Wir haben uns im
vorletzten Jahr insbesondere mit beruflicher Bildung beschäftigt, im letzten Jahr mit
Gesundheitsfragen. Und in diesem Jahr beschäftigen wir uns nun mit diesem sehr allgemeinen, aber dann auch sehr spezifisch ausgestalteten Thema.
Alle hier in diesem Saal tragen auf die eine oder andere Art und Weise dazu bei, dass
das Miteinander gelingen kann. Wir sollten die Diskussion aber so führen, dass wir
auch Probleme nicht verschweigen. Wir sitzen hier ja nicht zusammen, um uns gegenseitig auf die Schultern zu klopfen. Wir wissen, dass es an vielen Stellen auch noch
viel zu tun gibt. Das sollte auch durchaus zur Sprache kommen. Deshalb freue ich
mich, dass wir hier zusammen sind und übergebe das Wort an die Staatsministerin.
* * * * *