Bundesministerium für Justiz Museumstraße 7 1070 Wien per E-Mail: [email protected] [email protected] Zl. 13/1 16/190 BMJ-Z10.030/0025-I 7/2016 BG, mit dem zur Verbesserung der Nachhaltigkeitund Diversitätsberichterstattung das Unternehmensgesetzbuch, das Aktiengesetz und das GmbH-Gesetz geändert werden (Nachhaltigkeitsund Diversitätsverbesserungsgesetz (NaDiVeG)) Referent: Mag. Dr. Georg Fialka, Rechtsanwalt in Wien Sehr geehrte Damen und Herren! Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) dankt für die Übersendung des Entwurfes und erstattet dazu folgende S t e l l u n g n a h m e : Vorbemerkung Inhaltlich ist der vorliegende Entwurf im Wesentlichen durch die Richtlinie 2014/95/EU vom 22. Oktober 2014 determiniert. Die nachstehende kritische Auseinandersetzung betrifft nicht die Umsetzung der Richtlinie sondern diese selbst. Die Richtlinie geht von konkret feststellbaren, messbaren und nachprüfbaren nichtfinanziellen Angaben aus (siehe Erwägungsgrund 3 der Richtlinie). So sehr eine Verpflichtung großer Unternehmen, ihre fundamentalen Strategien und Werte festzuschreiben, deren Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg zu quantifizieren und offen zu legen aus wirtschaftsethischer und aus ökonometrischer Sicht wünschenswert ist, so viele rechtliche Risiken ergeben sich für die zu derartiger Veröffentlichung verpflichteten Unternehmen. Etliche Angaben nichtfinanzieller Art, die auf Grund der Novelle kundzumachen sind, beruhen auf Konzepten, Projekten, Strategien und Einschätzungen oder sind von externen Faktoren (zB Energiepreisentwicklung, Zinsenentwicklung, Marktakzeptanz neu entwickelter Produkte etc) abhängig. Gerade in der marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaft ist eine rasche und flexible Anpassung an Marktbedingungen und Marktbedürfnisse für den langfristigen Unternehmenserfolg entscheidender als das konsequente Umsetzen von Planvorgaben, was sich letztlich auch am Scheitern planwirtschaftlicher Konzepte zeigt. Aus der gerade in Krisenzeiten notwendigen Marktanpassung von Unternehmen (ökonomische Resilienz) resultiert eine höhere Wahrscheinlichkeit von Abweichungen zwischen geplanten und erreichten Zielen. Je konkreter nun aber nichtfinanzielle Angaben sind, umso eher sind sie messbar, umso mehr aber auch für die betroffenen Unternehmen mit dem Risiko verbunden, dass sie im Fall von Soll/Ist-Abweichungen von Mitbewerbern wegen unzutreffend beschönigenden Angaben mit einer Wettbewerbsklage oder von enttäuschten Investoren oder Anlegern wegen ungerechtfertigt erweckter Erwartungen mit Schadenersatzklagen zur Verantwortung gezogen werden. Bei gebotener Vorsicht werden daher nur recht allgemeine und vage Angaben unter diesem Kapitel der Lageberichte oder in gesonderten nichtfinanziellen Berichten zu finden sein. Ausdrücklich begrüßt wird daher auch, dass der Gesetzgeber von den Optionen gemäß Art 19a Abs 1 und Art 29a Abs 1 der Richtlinie in den §§ 243b Abs 4 und 267a Abs 4 UGB Gebrauch gemacht hat, und den zur Veröffentlichung nichtfinanzieller Angaben verpflichteten Unternehmen in Ausnahmefällen gestattet, Informationen über künftige Entwicklungen oder Belange, über die Verhandlungen geführt werden, wegzulassen, wenn solche Angaben nach ordnungsgemäß begründeter Einschätzung der Organe der betreffenden Gesellschaft der Geschäftslage des Unternehmens ernsthaft schaden würden und zugleich eine solche Nichtaufnahme ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Verständnis des Geschäftsverlaufs, der Geschäftsergebnisse, der Lage des Unternehmens sowie der Auswirkungen seiner Tätigkeit nicht verhindert. Damit ist klar, dass sich aus der Verpflichtung zur Angabe und zur Veröffentlichung nichtfinanzieller Informationen keine Verpflichtung zur „Selbstbeschädigung“ ergibt. Ob die verpflichtende Angabe und Veröffentlichung nichtfinanzieller Daten tatsächlich eine bessere Beurteilung der Nachhaltigkeit und der Werthaltigkeit von Unternehmen ermöglichen wird, bleibt abzuwarten. Hätte vor 10 Jahren, 2006, NOKIA einen Konzernlagebericht veröffentlicht, der alle von der Richtlinie verlangten nichtfinanziellen Angaben enthalten hätte, so hätte dennoch niemand an Hand dessen vorhersehen können, dass der im Bereich der Mobiltelefonie damalige Weltmarktführer diese Stellung schon 2 Jahre später eingebüßt haben würde (Marktanteilsrückgang von 65% auf 45%) und weitere 5 Jahre später zu Zerschlagungswerten um einen Schnäppchenpreis aufgekauft würde. NOKIA war 2006 geradezu ein Vorzeigeunternehmen, was jene Werte und Kriterien betrifft, die Gegenstand der verpflichtenden nichtfinanziellen Angaben sind. Ebenso wäre zu fragen: Was wäre wohl im Konzernlagebericht 2013 der Volkswagen AG in Bezug auf Umwelt-Belange und die diesbezüglich bestehenden Konzepte zu lesen gewesen, welche Schlüsse wären daraus zu ziehen gewesen und welche Einschätzung hätte sich in Bezug auf die weitere Entwicklung des Unternehmenswerts daraus ergeben? 2 Ob derartige Regularien für Großunternehmen in Drittstaaten (wie zB China, Indien, USA, Mexiko, etc) einen Anreiz zur Etablierung von Tochtergesellschaften im europäischen Raum darstellen, oder eher einen Anreiz zu verstärktem Direktmarketing an Endverbraucher via Internet, wäre als „nichtmonetäres Faktum“ ebenfalls zu hinterfragen. In den USA wurde bewusst von einer Veröffentlichungspflicht nichtfinanzieller Angaben abgesehen. Dort beruht die Veröffentlichung solcher Angaben auf Freiwilligkeit. Sie wird als Marketinginstrument der Selbstpräsentation verwendet. Übrigens mit Engagement und Erfolg. In Europa sorgen Richtlinien wie diese jedenfalls vorübergehend für zusätzliche Beschäftigung wirtschaftsnaher Dienstleister. Die damit verbundenen Kosten fließen letztendlich in die Endverbraucherpreise ein, wenn es für die betroffenen Unternehmen auf dem Markt noch einen Preisspielraum nach oben gibt. Wenn nicht, werden die Unternehmen diese Kosten eben zu Lasten ihrer Gewinne und damit zu Lasten ihrer Steuerleistung selbst tragen. Zum vorliegenden Entwurf: Wie oben bereits erwähnt begrüßt der ÖRAK die in den §§ 243b Abs 4 und 267a Abs 4 UGB enthaltenen Ausnahmebestimmungen. Begrüßt wird auch, dass von der Option gemäß Art 19a Abs 6 und 29a Abs 6 der Richtlinie, wonach den verpflichteten Unternehmen auferlegt werden kann, ihre nichtfinanziellen Informationen „von einem unabhängigen Erbringer von Bestätigungsleistungen“ überprüfen zu lassen, kein Gebrauch gemacht wurde. Ebenfalls begrüßt der ÖRAK, dass die zwecks Umsetzung der Richtlinie notwendige Novelle des GmbH-Gesetzes und des Aktiengesetzes auch dafür verwendet wurde, im § 30k Abs 1 GmbHG und im § 104 Abs 1 AktG durch Einfügung des Wortes „gegebenenfalls“ die auch nach dem RÄG 2014 weiterhin zulässige Vorlage eines separaten Gewinnverwendungsvorschlags vom Anschein eines „contra-legemHandelns“ zu befreien. Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag dankt abschließend Möglichkeit zur Abgabe der gegenständlichen Stellungnahme. für die Wien, am 14. November 2016 DER ÖSTERREICHISCHE RECHTSANWALTSKAMMERTAG Dr. Rupert Wolff Präsident 3
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