Privatisierte Autobahn: Der Spielraum wächst | KPMG Klardenker

Privatisierte Autobahn: Der Spielraum wächst
Keyfacts
- Straßen in Deutschland sind in einem schlechten Zustand
- Privatisierung der Autobahn hilft beim Kampf um die klügsten Köpfe
- Zersplitterte Zuständigkeit hemmt derzeit die Handlungsfähigkeit
18. November 2016
Alle Medaillen haben zwei Seiten, politische erst recht. Da war die Freude in den
Bundesländern nach dem Ende der schwierigen Verhandlungen der letzten Wochen um den
Länderfinanzausgleich mitunter recht groß: mehr Geld vom Bund als bisher. Die Kehrseite der
Medaille: Dafür bekommt der Bund mehr Kompetenzen als bisher. Die erste dieser Maßnahmen
deutet sich nun an: Anfang Dezember will das Bundeskabinett die Privatisierung der
Autobahnen beraten. Natürlich regt sich da Widerspruch gegen eine privatisierte
Bundesfernstraßengesellschaft. Der Blick auf das Lösungspotenzial dieses Vorschlages aber
könnte deutlich machen: Vielleicht ist eine solche Gesellschaft eine ziemlich gute Idee.
Wie ist die Ausgangslage? Die Straßen in Deutschland sind in vielen Fällen in einem Zustand,
der mit dem Wort „schlecht“ noch recht wohlwollend beschrieben ist. Bereits vor zwei Jahren
klagten gemäß einer Umfrage des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft 60 Prozent der
deutschen Mittelständler über erschwerte Geschäftsabläufe, bedingt durch den schlechten
Zustand der Infrastruktur. Aber man muss kein Unternehmer sein, um sich über marode Straßen
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zu ärgern. Das gilt auch für die Menschen, die vor vier Jahren nach einer ADAC-Statistik
irgendwo in dem insgesamt 321.000 Kilometer langen Stau des Jahres 2012 feststeckten. Und
deren Ärger sich im vergangenen Jahr verschärft haben dürfte, als die Staulänge auf rund 1,1
Millionen Kilometer angewachsen war. Das alles in einer Situation, in der das Geld für
Investitionen so billig ist wie wohl nie zuvor in der jüngeren Geschichte des Landes.
Investitionen der öffentlichen Hand in die Infrastruktur würden sich derzeit fast von alleine
rechnen. Passiert jedoch ist nichts. Vielleicht ist es eine gute Idee, wenn jetzt diejenigen zum
Zuge kommen, die gerne investieren würden, bisher aber nicht durften: die Privaten.
Privatisierung ist nicht gleich Privatisierung
Bei einer solchen Privatisierung in Form einer Bundesfernstraßengesellschaft muss
unterschieden werden zwischen einer formalen und einer materiellen Privatisierung. Die jetzt
diskutierten Pläne des Bundes haben insbesondere hinsichtlich einer formalen Privatisierung
durchaus Auswirkungen auf den künftigen Zustand der Straßen. Wird eine Institution aus bisher
öffentlicher Trägerschaft in eine private Trägerschaft umgewandelt, dann ändert sich an den
Besitzverhältnissen zunächst einmal gar nichts.
Das gilt auch für eine formal privatisierte Bundesfernstraßengesellschaft – der alte Inhaber wäre
auch der neue. Der wesentliche Unterschied jedoch: Die Akteure der neuen Trägerschaft
können viel flexibler agieren, sind nicht mehr so stark politischen Einflussversuchen ausgesetzt,
können langfristiger planen. Aktuell ist es so, dass eine Karriere im öffentlichen Dienst für
manche Leistungsträger nicht attraktiv genug scheint. Zeitmodelle, Karrierewege und
Vergütungsmodelle sind häufig so gestaltet, dass beim Kampf um die besten Köpfe die
Privatwirtschaft die Nase vorn hat. Das muss nicht so bleiben.
1,1
Millionen Kilometer betrug im letzten Jahr nach einer Statistik
die Staulänge auf Straßen in Deutschland.
Auch die Verwaltung muss nicht so bleiben wie bisher. Zwar reden wir von Bundesautobahnen,
tatsächlich zuständig für die Verwaltung sind jedoch die Länder. 16 unterschiedliche
Vorstellungen also, 16 unterschiedliche Herangehensweisen und zersplitterte Zuständigkeiten.
Das alles vor dem Hintergrund, dass die Autobahnen strukturell gesehen durchaus einen
eindeutigen Eigentümer haben: den Bund. Und der Bund ist es auch, der im Rahmen seiner
Aufsichtspflicht die Gesetzmäßigkeit und Sinnhaftigkeit des Handelns der Länder prüfen muss.
So kann er sogar Vorgaben an die Länder machen. Diesen Vorgaben jedoch müsste neben
dem Bundestag auch der Bundesrat zustimmen. Anders gesagt: Wäre die Autobahn eine Katze
– spätestens im Bundesrat bisse sie sich in den Schwanz. Im Ergebnis also: eine mangelhafte
Anreizstruktur mit der Tendenz zur Selbstblockade.
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Bundesfernstraßengesellschaft: Wer gibt den Ton an?
Der zweite wichtige Aspekt einer Privatisierung betrifft die Frage der tatsächlichen
Besitzverhältnisse – die sogenannte materielle Privatisierung. Wem gehört die entstehende
Bundesfernstraßengesellschaft tatsächlich? Wer hat die Mehrheit der Anteile? Das jedoch ist
eine politische Frage. Natürlich haben private Investoren gerne die Mehrheit der Anteile, um
Entscheidungen zu bestimmen. Das muss aber nicht so kommen. Über den tatsächlich
privatisierten Anteil einer solchen Gesellschaft entscheidet die öffentliche Hand – ausgehend
von der Frage, wie viel Kapital sie benötigt. Eine Möglichkeit dazu wären beispielsweise
öffentliche Fonds für Infrastrukturprojekte, in die private Investitionen fließen könnten. Eine
andere wäre die gezielte Ausschreibung einzelner Teile des Straßennetzes, die dann von
privaten Investoren ausgebaut und erhalten werden würden.
Aber dann nehmen sich die Privaten nur die lukrativen Teilbereiche des Streckennetzes, lautet
ein häufiger Vorwurf. Die ehrliche Antwort: Ja, mit hoher Wahrscheinlichkeit wird genau das
passieren. Andersherum aber wird ein Schuh daraus: Wenn sich genügend private Investoren
finden für die Instandhaltung lukrativer Abschnitte, dann entstehen mehr Möglichkeiten für den
Staat, sich um die abgelegenen Bereiche des Streckennetzes zu kümmern, die schon heute nur
wenige Menschen benutzen. Stehen die Bewohner in diesen Gegenden also künftig schlechter
da? Unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist, dass sie nach langer Zeit überhaupt erst wieder
ins Visier staatlicher Bemühungen rücken. Der Grund dafür: Der Spielraum wächst.
Zusammengefasst
»Wäre die Autobahn eine Katze – spätestens im Bundesrat bisse sie sich in den Schwanz.«
Die Verwaltung und Zuständigkeit der Bundesautobahnen ist derzeit aufgesplittert zwischen Bund und
Ländern. Das führt zu einer mangelhaften Anreizstruktur mit der Tendenz zur Selbstblockade bei
Versuchen, diese Zuständigkeit zu verbessern. Eine privatisierte Bundesfernstraßengesellschaft wäre
hier ein Schritt in die richtige Richtung.
3/5
Mathias Oberndörfer
Bereichsvorstand Öffentlicher Sektor
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