Le Flash vom 10. September 2016

Retrospektive - Wim T. Schippers im Bonner Kunstverein
(2. September – 13. November 2016)
Mit einem Lametta geschmückten Tannenbaum auf dem Vorplatz des Bonner Kunstvereins beginnt das
anachronistische Spiel: Der Tannenbaum markiert nicht nur eine spätsommerliche Vorweihnachtzeit, sondern
zeigt mit dem Nozmer-kerstboom (2016) auch die Facetten des niederländischen Künstlers Wim T. Schippers,
dem im Bonn erstmals außerhalb der Niederlanden eine Retrospektive gewidmet ist.
Obwohl Retrospektiven nicht gerade ein typisches Format für Kunstvereine sind, war es der Direktorin
des Bonner Kunstvereins Michelle Cotton ein Anliegen, die 50-jährige Schaffenszeit des 1942 in Groningen
geborenen Künstlers erstmals in Deutschland zu präsentieren.Schippers war an weisenden Ausstellungen für
die europäische PopArt, wie zum Beispiel „Neue Realisten und PopArt“ 1964 in Berlin und Brüssel, beteiligt.
Wim T. Schippers
und Michelle
Cotton bei der
Pressekonferenz
zu „Retro
spektive Wim T.
Schippers
© LeFlash
Der hier nun eingekehrte Wind von Fluxus, Noveau Réalisme und Pop-Art hat ein ungewöhnliches
Duftprogramm. Das eigene Geruchsorgan geleitet gleich in den hinteren Ausstellungsraum zum
Pindakaasvloer (2016). Der 6x8 Meter große Teppich aus 750 kg Erdnussbutter ist wundersam ästhetisch und
kontrovers zugleich – bei vergangenen Präsentationen, sollen ihn Besucher sogar betreten oder gar probiert.
Im vorderen Ausstellungsbereich hat im Gegensatz dazu der ramponierte und verbeulte Renault 18
GLT schon (e)chauffiert. Das L'auto prébosselé (1982) entstand im Rahmen eines Performance-Projektes der
Peter-Stuyvesant-Foundation. Die Auftragsarbeit wurden während ihrer Präsentation unter Schippers
Anleitung mit einem Vorschlaghammer bearbeitet und war anschließend sogar zwei Jahre als Taxi in Paris
unterwegs.
Schon diese drei großformatigen Höhepunkte
der Ausstellung zeigen: Schippers versucht
seine Umgebung humoristisch zu bewegen und
ironisch mit Automatisierungen zu brechen.
Dies gelingt ihm auch wieder mit anderen
Mitteln, sei es durch ein Happening, wie Ein
Programm von Düften (1965), Theaterstücke,
etwa wie Going to the Dogs (1986), oder
Fernsehproduktionen, wie die satirischüberspitzte Soap-Serie We zijn weer thuis
(1989-1995), die in der Ausstellung
Hinterer Ausstellungsbereich mit dem Pindakaasvloer, 2016 © LeFlash
dokumentiert werden.
Dazu gesellt sich eine etwas erschlagende Anzahl seiner Assemblagen, aus vorgefundenen Erzeugnissen als
abstrakt werdende Arrangements. Aus wertlosgewordenen Alltagsmaterial seiner Umgebung
komponiert Schippers kleine, ewigwährende Schätze,
nicht nur für den Kunstmarkt: In der kleinformatigen
Arbeit Plast-o-lux (1963), ein aus einer Großfabrik
abgefülltes, zugleich sehr ansehnliches Plastikfilmgebilde
platziert auf einem Marmorsockel hinter Glas, kehren sich
Ironie und Gewohnheit gekonnt den Rücken zu. Schippers
wird am 19.Oktober zu einem Gespräch im Bonner
Kunstverein sein, die Ausstellung ist bis zum 13.
November 2016 verlängert – ein Besuch lohnt sich.
Zum Wirken und Darstellen Wim T. Schippers
sprechen Harry Ruhé vom Centraal Museum in Utrecht und
Kurator der vorherigen Retrospektive The Best of Wim T.
Schippers (1997) und Michelle Cotton, Direktorin des
Bonner Kunstvereins, zum SaisonstART 2016, am 10.
September im Bonner Kunstverein.
Im Kubus des Bonner Kunstvereins: Plast-o-lux (1963),
Collection Stedelijk Museum © LeFlash
von Lisa Oord