SÜDWESTRUNDFUNK Anstalt des öffentlichen Rechts Radio Fernsehen Internet PRESSE Information Liebe Kolleginnen und Kollegen, Chefredaktion Hörfunk Zentrale Information SWR Tagesgespräch Postadresse 76522 Baden-Baden Hausadresse Hans-Bredow-Straße 76530 Baden-Baden nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an. Holger Hofmann, Geschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerks, gab heute, 17.11.16, dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema: „Kinderrechte ins Grundgesetz“. Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Marion Theis. Telefon Telefax 07221/929-23981 07221/929-22050 Internet www.swr2.de Mit freundlichen Grüßen Zentrale Information Datum: 17.11.2016 Deutsches Kinderhilfswerk: Politik für Kinder abhängig vom „Goodwill“ der Erwachsenen Baden-Baden: Das Deutsche Kinderhilfswerk hat die Politik aufgefordert, Flüchtlingskindern die gleichen Rechte zu gewähren, wie anderen Kindern auch. Wenn das nicht geschehe, würden hohe Folgekosten auf die Gesellschaft zukommen, sagte Kinderhilfswerk-Geschäftsführer Holger Hofmann im SWR (Südwestrundfunk). Überhaupt würden in Deutschland zu oft die Interessen der Kinder übersehen, monierte er. Deshalb sei es nötig, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen. Kinder seien keine kleinen Erwachsenen, sie stünden in einer speziellen Lebensphase. Deshalb bräuchten sie besonderen Schutz, besondere Förderung und eine besondere Form der Beteiligung, die mit der von Erwachsenen nicht vergleichbar seien, betonte Hofmann. Es gebe immer wieder die Situation, dass in der Debatte um die Verteilung der finanziellen Mittel Kinder hintenan stünden. Es gehe also um Förderrechte, erklärte der Geschäftsführer des Kinderhilfswerks. Es gehe aber auch darum, Kindern eine Stimme zu geben. Das bedeute, ihre Interessen bei allen Entscheidungen zu berücksichtigen – gleich, ob beim Straßen- oder Kitabau. Politik für Kinder hänge immer noch vom Goodwill der Erwachsenen ab und nicht von einer sachlichen Prüfung, so Hofmann. Wortlaut des Live-Gesprächs: Theis: Seit mehr einem Viertel Jahrhundert gibt es die UN-Kinderrechtskonvention. Aber in unserem Grundgesetz kommen Kinderrechte nicht vor. Können Sie sich erklären wieso? Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Hofmann: Also, es dauert natürlich immer, bis bestimmte Grundüberzeugungen in der Gesellschaft sich dann auch niederschlagen in einem Grundgesetz. Wir haben das schon einmal erlebt in unserer Geschichte - bei den Frauenrechten. Da hat es auch sehr sehr lange gedauert, bis die dann im Grundgesetz waren. Dann dauert es noch einmal, bis dann auch eine Rechtswirklichkeit ankommt. Theis: Aber Kinder sind doch die Wähler von morgen. Ist das nicht Grund genug? Selbst die CSU ist ja inzwischen dafür. Woran hängt es also noch? Hofmann: Ja, es ist schwierig. Es ist natürlich so, eine Grundgesetzänderung ist immer mit hohen Hürden verbunden. Und warum nun gerade, man kann es ja beim Namen nennen, die CDU bei dem Thema Kinderrechte sich so schwer tut, ist nicht so recht nachvollziehbar. Ich glaube, letztendlich ist es so, dass wir alle dafür streiten müssen, dass Kinder den Platz in unserer Gesellschaft bekommen, den sie verdienen, nämlich als eine eigenständige Phase in unserem Leben - die übrigens alle durchlaufen, und somit wäre es selbstverständlich, auch diese Phase eigenständig zu würdigen - , dass Kinder eine Stimme bekommen auch im Gesetz, die dann erlaubt, dass wir ihr Wohl und ihre Interessen nachhaltiger berücksichtigen. Es ist doch so, dass wir doch immer wieder auch ihre Interessen übersehen. Theis: Sie haben die CDU genannt. Die argumentiert damit, dass Kinderrechte bereits über die Menschenrechte abgedeckt seien. Ist das nicht so? Hofmann: Es ist natürlich auf der einen Seite so, dass die Kinderrechte, dass die Kinder tatsächlich als Rechtsträger auch im Gesetz vorkommen. Auf der anderen Seite verkennen wir aber, dass ‚Kinder keine kleinen Erwachsenen sind, also dass das eine besondere Lebensphase ist und dass Kinder eben auch besonderen Schutz, eine bestimmte Förderung und auch besondere Formen der Beteiligung brauchen, die nicht vergleichbar sind mit denen von Erwachsenen. Theis: Was würde sich denn dann konkret für Kinder im Alltag ändern, wen so was im Grundgesetz stünde? Hofmann: Ja, zum einen würde die Elternverantwortung deutlicher an den Rechten des Kindes orientiert. Und angesichts der aktuellen Debatten um Kinderarmut glaube ich tatsächlich, dass wir gerade diese Chancengerechtigkeit von Kindern stärker in den Blick nehmen würden. Wir haben immer wieder die Situation, dass in der Debatte um die finanzielle Verteilung von Mitteln die Kinder hinten anstehen und dass ihre Position einfach gestärkt werden würde. Es geht um Förderrechte, und es geht letztendlich auch darum, Kindern eine Stimme zu geben. Also, das heißt, dass wir ihre Interessen bei allen Entscheidungen, egal ob es jetzt um den Straßenbau, um die Kita oder um das Schwimmbad geht, dann auch berücksichtigen und auch ihre Stimme, ihre Meinung direkt einholen. Theis: Sie haben die gleichen Entwicklungschancen für Kinder angesprochen. Da bemüht sich der Staat ja eigentlich jetzt schon darum und sollte es auch tun. Aber der Punkt ist, wie Sie auch sagen, „soweit das Geld reicht“ - für Erzieherinnen, Lehrer und Sozialpädagogen. Denn mehr Rechte heißt nicht auch mehr Geld. Was würde sich also ändern - doch nicht viel, oder? Hofmann: Klar geht es auch um die Finanzen, und die UN-Kinderrechtskonvention, die Deutschland dann ja auch ratifiziert hat, sagt: Es geht ja nicht darum, dass wir jetzt immer zuerst die Kinder berücksichtigen. Es geht aber darum, dass wir immer prüfen, ob wir denn ausreichend das Wohl des Kindes berücksichtigt haben. Und das passiert nicht. Also, wenn es zum Beispiel darum geht, ob wir eine neue Straße bauen oder eine neue Kita - und klar, manchmal ist es so in der Kommune, ich kann nur das eine oder andere - dann kommt es darauf an, dass wir es wirklich begründen, warum wir die Straße bauen, wenn wir die Kita nicht Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) bauen können. Und das tun wir nicht, sondern wir sagen, ja, ok, es ist eben so, der Straßenbau ist wichtiger, und dann wird das getan. Und das, glaube ich, ist erst einmal der entscheidende Fehler, dass Politik für Kinder immer noch von dem „Goodwill“ der Erwachsenen abhängt und nicht von einer sachlichen Prüfung. Theis: Herr Hofmann, Menschenrechtsorganisationen meinen, dass vor allem bei Flüchtlingskindern die Bundesrepublik immer wieder gegen die UNKinderrechtskonvention verstößt. Ist an dem Vorwurf etwas dran? Hofmann: Ja, wir machen bei Flüchtlingskindern eine eigene Rechnung auf und behandeln sie eben nicht wie andere Kinder. Und da müssen wir einfach aufpassen, dass wir hier uns nicht selber auch dann letztendlich etwas nehmen, was wir dann später auch bereuen. Wenn wir jetzt Flüchtlingskindern, die zu uns kommen, nicht die gleichen Möglichkeiten geben im Schulsystem, eine Ausbildung zu erhalten, wenn wir ihnen nicht das gleiche Maß an ärztlicher Grundversorgung zugestehen, dann ist es so, dass es natürlich Folgekosten mit sich bringt, und letztendlich verstößt es auch gegen die Kinderrechte. Denn Sie sind nun mal Kinder und sollten die gleichen Rechte haben wie die Kinder, die hier aufwachsen. Theis: Ist hier nicht eher das Problem, dass viele Kinder ohne ihre Eltern ankommen und keine Aussicht besteht, sie zusammenzuführen? Hofmann: Ja, das ist sicherlich ein großes Problem, und da ist es wichtig, auch immer zu gucken, wie ist der Einzelfall. Es gibt auch manchmal die Situation, dass die Kinder hier in Deutschland leben und ihre Verwandten leben in anderen Städten. Es ist nicht immer gleich die Vorstellung, dass dann die Familie von weit her hierher geholt werden muss. Aber klar, wir müssen auch hier das Kindeswohl berücksichtigen. Und wir müssen versuchen, diese Kinder in ihre Familien zurückzugeben und wenn es dann eben darauf ankommt, dass dann auch ihre Eltern nachziehen können. Das ist das Recht der Kinder. - Ende Wortlaut - Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
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